Aufwendungen für Anschaffung einer Infrarotwärmekabine keine außergewöhnliche Belastung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R, in Vertretung der Richterin R1, in der Beschwerdesache des Name, Adresse, gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2011 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird im Ausmaß der Berufungsvorentscheidung vom teilweise Folge gegeben.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Im Zuge seiner (elektronisch eingelangten) Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2011 machte der Beschwerdeführer neben Sonderausgaben und Werbungskosten den pauschalen Freibetrag gemäß § 35 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) für einen Grad der Behinderung von 60%, nachgewiesene Taxikosten in der Höhe von 953 Euro und unregelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung in der Höhe von 4.602 Euro als außergewöhnliche Belastungen geltend.
Mit Schreiben vom ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer die geltend gemachten Kosten nachzuweisen.
Mit dem Einkommensteuerbescheid vom wurden die beantragten Werbungskosten und Sonderausgaben sowie der beantragte Freibetrag gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 in der Höhe von 294 Euro berücksichtigt. In der Begründung wurde ausgeführt, da trotz Aufforderung die noch benötigten Unterlagen nicht beigebracht worden seien, hätten die geltend gemachten Aufwendungen nur insoweit berücksichtigt werden können, als Beweismittel vorgelegen seien.
Der dagegen erhobenen Berufung vom wurde mit Berufungsvorentscheidung vom teilweise stattgegeben und Taxikosten und Kosten für eine Heilbehandlung in der Höhe von insgesamt 1.337 Euro (953 Euro und 384 Euro) als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt. Begründend wurde ausgeführt, die Kosten für die Anschaffung einer Infrarotkabine seien nicht als außergewöhnlich im Sinne des § 34 EStG 1988 zu qualifizieren, weil eine Vielzahl von Menschen, unabhängig vom Bestehen einer Behinderung, derartige Kabinen anschafften und diese aus verschiedensten Gründen benützten. Auch die Vorlage einer ärztlichen Bestätigung, wonach die ständige Anwendung einer Wärmekabine angezeigt sei, vermöge keine Zwangsläufigkeit zu begründen. Die Aufwendungen für 11 Fußpflegebehandlungen (ohne ärztliche Verordnung) seien gemäß § 20 EStG 1988 der privaten Lebensführung zuzuordnen und könnten steuerlich nicht berücksichtigt werden. Auf das ausführliche Telefonat vom werde hingewiesen. Der Berufung sei daher teilweise stattzugeben gewesen.
Mit Schreiben vom teilte der Beschwerdeführer Folgendes mit:
"Betrifft Wärmekabine Fußpflege siehe ärztliche Bescheinigung
Dr. (…) hat folgendes geschrieben
Aufgrund einer spastische beinbetonten Tetraparese re mit ausgeprägter Gangstörung chron. Rez. Dorso-Lumbalgie und deutlicher Wirbelsäulenfehlhaltung bek. Varcusgonarthrose Sprunggelenkkartthraigen braucht mein Patient zur Schmerzlinderung eine Wärmekabine.
Aufgrund der Behinderung mit hochgradiger Einschränkung der oberen Extremitäten ist auch eine regelmäßige Fußpflege erforderlich.
Mit der Bitte um Kenntnisnahme verbleibe ich mit freundlichen Grüßen
Dr. (…)"
Gegen die Berufungsvorentscheidung richtete sich der Vorlageantrag vom . Der Beschwerdeführer brachte vor, aufgrund einer "spastischen beinbetonten Tetraparese mit ausgeprägter Gangstörung von Geburt an" benötige er die Wärmekabine zur Schmerzlinderung. Aufgrund der hochgradigen Einschränkung der oberen Extremitäten sei es ihm nicht möglich, die Fußpflege selbst durchzuführen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Mit wurde der Unabhängige Finanzsenat aufgelöst. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des bei dieser Behörde anhängigen Verfahren geht gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG auf das Bundesfinanzgericht über. § 323 Abs. 38 BAO normiert, dass die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen sind.
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst (§ 34 Abs. 2 EStG 1988).
Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
§ 34 Abs. 4 EStG 1988 bestimmt, dass die Belastung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.
Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung können gemäß § 34 Abs. 6 TS 6 EStG 1988 ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 EStG 1988 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.
Gemäß § 35 Abs. 1 TS 1 EStG 1988 steht einem Steuerpflichtigen, der außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat und keine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) erhält, ein Freibetrag (Abs. 3) zu. Die Höhe des Freibetrages gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 55% bis 64% wird jährlich ein Freibetrag von 294 Euro gewährt. Dieser stand dem Beschwerdeführer, bei dem die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit 60% beträgt, unstrittig zu.
Gemäß § 35 Abs. 7 EStG 1988 kann der Bundesminister für Finanzen nach den Erfahrungen der Praxis im Verordnungsweg Durchschnittssätze für die Kosten bestimmter Krankheiten sowie körperlicher und geistiger Gebrechen festsetzen, die zu Behinderungen im Sinne des Abs. 3 führen.
Auf Grund der genannten Verordnungsermächtigungen erließ der Bundesminister für Finanzen die Verordnung über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 (nachfolgend Verordnung genannt). § 4 dieser Verordnung bestimmt Folgendes:
"Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z.B. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen."
Im verfahrensgegenständlichen Fall war zum einen strittig, ob die für die Anschaffung einer Infrarotwärmekabine angefallenen Kosten als solche für eine Heilbehandlung oder als nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen im Sinne des § 4 der Verordnung einzustufen und somit als außergewöhnliche Belastung absetzbar sind. Zum anderen war strittig, ob die Kosten für 11 Fußpflegebehandlungen steuerlich zu berücksichtigen sind.
Unter Belastungen im Sinne des § 34 EStG 1988 sind nur vermögensmindernde Ausgaben, also solche zu verstehen, die mit einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr verknüpft sind. Ihnen stehen Ausgaben gegenüber, die nicht zu einer Vermögensminderung, sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung führen und die deshalb nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Aufwendungen für den Erwerb von Wirtschaftsgütern stellen dann keine außergewöhnliche Belastung dar, wenn durch sie ein entsprechender Gegenwert erlangt wird, wenn somit bloß eine Vermögensumschichtung und keine Vermögensminderung eintritt ().
Die Gegenwerttheorie findet dort ihre Grenze, wo durch Aufwendungen kein am Verkehrswert zu messender Gegenwert geschaffen wird. Dies ist etwa dann der Fall, wenn Wirtschaftsgüter beschafft werden müssten, die infolge Verwendbarkeit für nur bestimmte individuelle Personen (z.B. Prothesen, Seh- und Hörhilfen) oder wegen ihrer spezifisch nur für Behinderte geeigneten Beschaffenheit (z.B. Rollstühle) keinen oder nur einen sehr eingeschränkten allgemeinen Verkehrswert haben ().
Die vom Beschwerdeführer vorgelegte Rechnung vom enthält betreffend die Infrarotwärmekabine folgende Produktangaben:
" TK 2+, Größe 120/105 cm, digitale Bedienung innen und außen all inclusive
JVC Rado mit CD Player
Farblichttherapieanlage
Hygienebügel Massivholz
Orthopädische Rückenlehne
Duftecke
Glasschale
Lieferung und Montage samt Probelauf und Einschulung"
Auch wenn der Einsatz der Infrarotwärmekabine die Schmerzen des Beschwerdeführers lindert, lassen sich dennoch keine Hinweise dafür entnehmen, dass es sich um eine behindertenspezifische Vorrichtung oder um eine individuelle Anpassung, deren Verwendbarkeit vermindert wäre, handelt. Im Gegenteil, aufgrund der Produktbeschreibung steht fest, dass es sich bei der Wärmekabine um ein marktgängiges, handelsübliches Produkt handelt, das auch bei Nicht-Kranken zur Steigerung des körperlichen Wohlbefindens und zur Gesundheitsvorsorge beiträgt und somit von nicht behinderten Personen gleichermaßen genutzt werden kann. Durch die Anschaffung der Infrarotwärmekabine wurde kein Wertverzehr bewirkt.
Bei den getätigten Aufwendungen handelte es sich daher um keine Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988.
Als Kosten der Heilbehandlung gelten Arztkosten, Spitalskosten, Kurkosten für ärztlich verordnete (und unter ärztlicher Leitung absolvierte) Kuren, Therapiekosten, Kosten für Medikamente, sofern sie im Zusammenhang mit der Behinderung stehen, allenfalls die in diesem Zusammenhang anfallenden Fahrtkosten bzw. Kosten des Krankentransportes dar (Doralt, EStG15, § 35 Rz. 17).
Hilfsmittel im Sinne des § 4 der Verordnung sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Gegenstände oder Vorrichtungen, die geeignet sind, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit einer Verstümmelung, Verunstaltung oder einem Gebrechen verbundene körperliche oder psychische Beeinträchtigung zu mildern oder zu beseitigen. Darunter fallen zum Beispiel Badelifte, Blindenführhunde, Bruchbänder, Hörgeräte, Körperersatzstücke, Krankenfahrstühle, Krücken, orthopädische Behelfe, Prothesen, Rollstühle und Stützapparate (Müller, Freibeträge für behinderte Kinder, SWK 1988, 245).
Die gegenständliche Infrarotwärmekabine kann nicht unter den Begriff "Hilfsmittel" im Sinne des § 4 der Verordnung subsumiert werden. Ebenso wenig handelte sich bei diesen Aufwendungen um Kosten der Heilbehandlung. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Pensionsversicherungsanstalt in ihrem ärztlichen Entlassungsbericht vom bei Bedarf Wärmeanwendungen empfohlen hat und der Beschwerdeführer offensichtlich eine Wärmekabine zur Schmerzlinderung braucht. Für die steuerliche Anerkennung bedarf es nach Lehre und Rechtsprechung jedenfalls einer konkreten Verordnung durch einen befugten Arzt, um von einer für die Anerkennung einer außergewöhnlichen Belastung erforderlichen Zwangsläufigkeit ausgehen zu können.
Im Allgemeinen erweist sich eine im Rahmen eines medizinischen Behandlungsplanes erteilte, ärztliche Verordnung bzw. Vorschreibung als geeigneter Nachweis für die medizinische Notwendigkeit eines Aufwandes. Auch ein medizinisches Gutachten kommt zur Nachweisführung in Betracht, sofern dessen Ergebnis in einer für Dritte schlüssigen und ausreichend nachprüfbaren Weise dargestellt ist.
Im gegenständlichen Fall stellen die im ärztlichen Entlassungsbericht abgegebene Therapieempfehlung, die darüber hinaus nach der am erfolgten Bestellung der Infrarotwärmekabine, ausgesprochen worden ist und die im Schreiben vom wiedergegebene Bescheinigung einer Ärztin keine Verordnung dar. Die Aufwendungen für die Anschaffung der Infrarotwärmekabine und auch die für die Fußpflegebehandlungen waren daher nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
Auch aus dem Umstand, dass vom Beschwerdeführer die gesamten Anschaffungskosten geltend gemacht wurden, geht hervor, dass vom Sozialversicherungsträger kein Ersatz geleistet worden ist. Dies ist ein Indiz dafür, dass es sich bei den gegenständlichen Waren nicht um Heilbehelfe handelt.
Die Berücksichtigung der dem Finanzamt nachgewiesenen Aufwendungen für Taxifahrten und für Therapien erfolgte nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes zu Recht.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht ist nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Im Gegenteil, die Entscheidung stützt sich auf die einschlägigen Bestimmungen und auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, ist eine Revision nicht zulässig.
Aus den dargestellten Erwägungen war spruchgemäß zu entscheiden.
Graz, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 4 Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 35 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.2100655.2012 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at