Kein bisheriger eigener Hausstand - keine doppelte Haushaltsführung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., Adr., gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2008 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Der Einkommensteuerbescheid des Herrn Bf. (in der Folge auch Beschwerdeführer / Bf. genannt) für das Jahr 2008 erging am ohne Berücksichtigung der beantragten Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung mit der Begründung, dass die Entscheidung einer doppelten Haushaltsführung auf Grund persönlicher bzw. privater Gründe getroffen worden sei (Beibehaltung des Familienwohnsitzes), dementsprechend würden gemäß § 16 EStG 1988 keine Werbungskosten vorliegen.
In der Beilage zur Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung gab der ledige Bf. an, dass er seit an der Universität in X beschäftigt sei und einen Nebenwohnsitz in X unter Beibehaltung seines Hauptwohnsitzes in Deutschland begründet habe. In Deutschland lebe seine Mutter, bei der er über einen eigenen Hausstand verfüge. Der Gesundheitszustand seiner Mutter erfordere seine regelmäßige Heimkehr, er unternehme dann notwendige Botengänge und Besorgungen für seine Mutter. Auch befinde sich sein gesamter Freundeskreis in Deutschland. Somit sei die Begründung eines eigenen Haushalts am Beschäftigungsort X unter gleichzeitiger Beibehaltung des Familienwohnsitzes in Deutschland beruflich veranlasst, da der Beschäftigungsort so weit entfernt sei, dass eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden könne. Es werden Werbungskosten in diesem Zsh. in Höhe von 8.198 € für Umzug, Familienheimfahrten, Miete, Betriebskosten, Heizkosten und Parkplatz geltend gemacht.
Im Zuge eines Vorhalteverfahrens teilte der Bf. dem Finanzamt mit, dass er von März 2008 bis Februar 2010 als wissenschaftlicher Angestellter an der Universität in X beschäftigt gewesen sei. Er übermittelte den auf zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag mit der Universität X und den auf drei Jahre befristeten Hauptmietvertrag über eine 41,26 m² große Wohnung in X .
Gegen den Einkommensteuerbescheid vom erhob der Bf. fristgerecht die Berufung (nach der nunmehr geltenden Rechtslage Beschwerde genannt) mit der Begründung, dass die doppelte Haushaltsführung auf Grund beruflicher Veranlassung gewählt worden sei. Als promovierter Diplom-Chemiker habe er seine universitären Wurzeln in A . Er arbeite hauptsächlich im Bereich Forschung, worin er auch seine berufliche Zukunft sehe. Um die Möglichkeit einer später beabsichtigten Habilitation offen zu halten, sei es in seinem Berufsfeld eine unverzichtbare und zwingende Voraussetzung an verschiedenen Hochschulen und Instituten Forschungsaufträge anzunehmen und diese abzuarbeiten. Diese Engagements würden teilweise nur wenige Monate dauern bzw. würden meist nur eine Dauer von maximal zweieinhalb Jahren erreichen. Ebenso verhalte es sich mit seinem Auftrag in X , der von Beginn an befristet gewesen sei. Es habe auch jeder Zeit die Möglichkeit bestanden innerhalb kurzer Zeit einen anderen Forschungsauftrag an einem anderen Standort anzunehmen. Es sei daher rein aus wirtschaftlicher Sicht unmöglich bei jedem Auftrag den kompletten Hausstand zu verlegen und einen vollständigen Umzug zu schultern. Daher würde der eigene Hausstand in A aufrecht erhalten werden und an den jeweiligen Standorten eine entsprechende Wohnung gemietet werden, die auf Grund der Kürze der Zeit nur mit dem Nötigsten bestückt werde. Ferner erforderten seine Forschungsarbeiten und seine künftigen beruflichen Ziele eine Präsenz in A und insbesondere eine Kontaktaufrechterhaltung zur Universität A , sodass er zu einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung gezwungen sei.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung unter Anführung der Voraussetzungen für die steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung und der höchstgerichtlichen Judikatur mit der Begründung ab, dass der Bf. lt. Aktenlage im Jahr 2008 den Hauptwohnsitz in Deutschland gehabt habe. Dort lebe seine Mutter, bei der er über einen eigenen Hausstand verfüge; der Gesundheitszustand seiner Mutter erfordere seine regelmäßige Heimkehr.
Mit Schreiben vom sei der Bf. aufgefordert worden diverse Unterlagen (wie z.B. Mietvertrag, Kaufvertrag, etc., Zahlungsbelege und Rechnungen über die Wohnkosten) vorzulegen, um den Nachweis zu erbringen, dass er über einen eigenen Hausstand in Deutschland verfüge. Da dieser Nachweis nicht erbracht worden sei, müsse davon ausgegangen werden, dass der Bf. in Deutschland nicht über einen eigenen Hausstand verfüge.
Daraufhin stellte die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz mit dem nochmaligen Hinweis, dass der Bf. in Deutschland über einen eigenen Hausstand verfüge und die Mutter des Bf. dies bestätige. In dem beiliegenden Schreiben vom bestätigt die Mutter, dass der Bf. in ihrem Anwesen über einen eigenen, abgetrennten Hausstand verfüge, der bereits lange Zeit vor dem beruflichen Engagement in X bestanden habe. Der Bf. sei verpflichtet sich an den monatlichen Nebenkosten für seine Wohnung zu beteiligen, für die er auf Grund einer prozentuellen Wohnflächenaufteilung monatlich pauschal 100 € in bar entrichte.
Ab wurde der Unabhängige Finanzsenat durch das Bundesfinanzgericht abgelöst.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Nach § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 idgF sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Werbungskosten eines Arbeitnehmers sind Aufwendungen oder Ausgaben, die beruflich veranlasst sind. Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen oder Ausgaben
- objektiv im Zusammenhang mit einer nichtselbständigen Tätigkeit stehen und
- subjektiv zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen geleistet werden oder den Steuerpflichtigen unfreiwillig treffen und
- nicht unter ein Abzugsverbot des § 20 fallen.
Gemäß § 20 Abs. 1 EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden:
Z 1 Die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge.
Z 2 a) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
Nach Lehre und Rechtsprechung sind Mehraufwendungen dann als Werbungskosten absetzbar, wenn sie dem Arbeitnehmer durch die beruflich veranlasste Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort erwachsen.
……………….
Kosten der Haushaltsführung stellen demnach grundsätzlich keine Werbungskosten dar.
Berufliche Veranlassung der mit einer doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten liegt nur dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektiven Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus ().
Bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer mit eigenem Haushalt können für eine gewisse Übergangszeit Fahrtkosten und Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung anerkannt werden. Wenn es allerdings bereits zu einer Verlegung des (Familien)Wohnsitzes an den Arbeitsort gekommen ist, können Fahrtkosten und Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung nicht zu Werbungskosten führen ().
Familienwohnsitz ist nach der Rechtsprechung jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehegatten oder ein unverheirateter Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner einen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Person bildet (). Bei einem alleinstehenden Steuerpflichtigen ist es der Hauptwohnsitz. Mietet ein alleinstehender Arbeitnehmer für die Dauer einer auswärtigen Berufsausübung nicht nur ein möbliertes Zimmer, sondern gleich eine Wohnung, kommt es allerdings bereits zu einer Verlegung des Wohnsitzes an den neuen Tätigkeitsort, auch wenn er die beibehaltene Wohnung im Heimatort noch als seinen Hauptwohnsitz betrachtet ().
Es ist Sache des Steuerpflichtigen, der die Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Familienwohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht, ohne dass die Abgabenbehörde in einem solchen Fall verhalten ist, nach dem Vorliegen auch noch anderer als der vom Steuerpflichtigen angegebenen Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen (vgl. und mwN ).
Bei einer vorübergehenden doppelten Haushaltsführung ist es angesichts einer absehbaren befristeten Entsendung an einen anderen Beschäftigungsort dem (auch alleinstehenden) Steuerpflichtigen nicht zumutbar, den gewählten Familienwohnsitz aufzugeben. Dies ist zB der Fall, wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen ist, dass die auswärtige Tätigkeit mit vier bis fünf Jahren befristet ist (; auch mwN, zu einem auf zwei Jahre befristeten Projekt und vgl. Jakom/Lenneis EStG, 2015, § 16 Rz 56).
Bei Berücksichtigung der Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung ist Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige aus beruflicher Veranlassung zwei Haushalte innehat. Im vorliegenden Fall wurde der Bf. aufgefordert, zum Nachweis, dass er in Deutschland einen eigenen Hausstand hat, diverse Beweismittel vorzulegen. Dem Finanzamt wurde daraufhin lediglich eine Bestätigung der Mutter des Bf. übermittelt, wonach ihr Sohn in ihrem Haus einen eigenen Hausstand habe.
Nach einer Internetabfrage in google maps handelt es sich beim „Anwesen“ der Mutter um ein Einfamilienhaus in einer Siedlung. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass der Bf. im Haus seiner Mutter keinen eigenen Hausstand innehatte, da er außer der Bestätigung seiner Mutter keine anderen Beweismittel, wie zB Pläne über die Aufteilung der Nutzfläche, Betriebskosten- und Stromrechnungen, etc. vorgelegt hat.
Der Bf. war im Streitjahr weder verheiratet, noch hat er in Deutschland eine einer Lebensgemeinschaft ähnliche Partnerschaft unterhalten. Der Bf. hat nach Aufnahme seiner unselbständigen Tätigkeit in X eine Wohnung am Beschäftigungsort gemietet und darin nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes erstmalig einen eigenen Hausstand gegründet, da er weder glaubhaft machen konnte noch nachgewiesen hat, dass er im Haus seiner Mutter einen eigenen Hausstand hatte. Es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass die Wohnung am Beschäftigungsort den Wohnbedürfnissen des Bf. weniger entsprochen hätte, als die bisherige Wohnmöglichkeit am Heimatort (vgl. dazu ).
Im vorliegenden Fall ist es somit zur erstmaligen Begründung eines eigenen Hausstandes durch den Bf. am Arbeitsort gekommen und schon aus diesem Grund können die Kosten einer doppelten Haushaltsführung nicht zu Werbungskosten führen.
Der Hinweis auf sein befristetes Dienstverhältnis geht ins Leere, da einerseits - wie der Bf. selbst ausführt – diese Vorgangsweise bei Forschungsaufträgen üblich sei und andererseits ist nicht erkennbar, dass der Bf. mit einer Anstellung in der Nähe seines Heimatortes rechnen hätte können – auch wenn dies von ihm erwünscht war. Auch gibt es keinen Grund für die Annahme, dass es dem Bf. nicht möglich gewesen wäre, jederzeit erneut in der Wohnung seiner Mutter wohnen zu können (vgl. dazu , ).
Zu den Familienheimfahrten wird ausgeführt, dass nach herrschender Rechtsauffassung Aufwendungen für Familienheimfahrten nur dann als Werbungskosten Berücksichtigung finden, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen (vgl. zB Doralt, EStG, § 4 Tz 359, und die dort zit. Judikatur, sowie § 16, Tz 220).
Auf Grund des im gegenständlichen Fall vorliegenden Sachverhaltes, der gesetzlichen Bestimmungen und der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war über die Beschwerde wie im Spruch zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da der vorliegende Sachverhalt in freier Beweiswürdigung festgestellt wurde und eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht (siehe zitierte VwGH-Judikatur), ist eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.2100241.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at