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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.12.2015, RV/2100057/2011

Keine außergewöhnliche Belastung durch angefallene Kurkosten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat durch die Richterin N.N. in der Beschwerdesache des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Finanzamtes X . betreffend Einkommensteuer 2008 zu Recht erkannt: 

Die Berufung, nunmehr Beschwerde, wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

In anhängigen Verfahren war die Abzugsfähigkeit von Kosten für einen 2008 im „KUR- REHABZENTRUM XY “ absolvierten Kuraufenthalt des Beschwerdeführers (Bf) unter dem Titel der außergewöhnlichen Belastung nach § 34 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) zu klären.

Im angefochtenen Bescheid verweigerte das Finanzamt X (FA) die Berücksichtigung von Kurkosten in Höhe von 2.318,85 €, weil der Bf den nach einschlägiger VwGH-Judikatur entweder durch eine „vor Antritt der Kur ausgestellte“ ärztliche Bestätigung oder mittels Kostenersatz durch die Sozialversicherung zu erbringenden Nachweis der medizinischen Notwendigkeit schuldig geblieben sei.

Mit der Berufung gegen diesen Bescheid bzw. in einer späteren Rechtsmittelergänzung reichte der Bf verschiedene Unterlagen zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit seines Kuraufenthalts nach. Zusammenfassend verwies er auf eine schmerzhafte Sehnenverletzung mit 1-3jähriger Rehabilitationszeit nach einem Unfall im April 2008. Weiters hinke er nach einer langwierigen Achillessehnenentzündung am linken Fuß.

Eine Kostenübernahme durch die Sozialversicherung sei daran gescheitert, dass nach den sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen Zuweisungen des Sozialversicherungsträgers lediglich für zwei Kuraufenthalte binnen eines fünfjährigen Zeitraumes erfolgen könnten. Diese Zuweisungsmöglichkeiten seien in seinem Fall bereits in den Jahren 2004 und 2007 ausgeschöpft worden. Die bei den damals „PVA-GKK mäßig“ durchgeführten Untersuchungen festgestellten „Rückenprobleme etc.“ seien in dem nunmehr nachgereichten „ärztlichen Bericht“ seiner Hausärztin angeführt. Insofern bedürfe es daher keines weiteren Nachweises mehr, zumal die beigeschlossene „Rehab-Zuweisung“ der PVA vom Mai 2010 belege, dass „auch 2010 noch genügend Gesundheitsdefekte“ für eine neuerliche Kurzuweisung vorhanden gewesen seien.

Zu bedenken sei schließlich, dass von Patienten „neben den GKK-Möglichkeiten“ eigenverantwortlich gesetzte Maßnahmen zur Gesundheitsförderung „im Sinne des Gesetzes“ seien. Seine Kuraufenhalte hätten auf die Vermeidung von Spitalsaufenthalten und Operationen abgezielt.

In Hinblick auf einen Verzicht des Bf auf das Erlassen einer negativen Berufungsvorentscheidung legte das FA das Rechtsmittel dem Unabhängigen Finanzsenat ohne weitere Maßnahmen zur Entscheidung vor. In einem ausführlichen Vorlagebericht begründete die Abgabenbehörde ihren nach wie vor ablehnenden Standpunkt wie folgt:

Nach § 34 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens außergewöhnliche Belastungen  eines unbeschränkt Steuerpflichtigen abzuziehen, wenn sie außergewöhnlich und zwangsläufig erwachsen sind sowie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Wie bereits in der Bescheidbegründung . ausgeführt, können Kurkosten nur dann zu einer außergew. Belastung führen, wenn der Kuraufenthalt im direkten Zusammenhang mit einer Krankheit steht und aus medizinischen Gründen zur Heilung oder Linderung der Krankheit nachweislich erforderlich ist.

Wie der VwGH in seiner Rechtsprechung für abgabenrechtlich beachtliche ausschließlich bzw. nahezu ausschließlich krankheitsbedingte Reisen ausführt, erfordert der Begriff "Kur" ein bestimmtes, unter ärztlicher Aufsicht durchgeführtes Heilverfahren. Die Aufwendungen für den Kuraufenthalt müssen zwangsläufig erwachsen, womit erforderlich ist, dass die der Behandlung dienende Reise zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig und eine andere Behandlung nicht oder kaum Erfolg versprechend ist. An den - vom Steuerpflichtigen zu führenden - Nachweis müssen wegen der im Allgemeinen schwierigen Abgrenzung solcher Reisen von den ebenfalls der Gesundheit dienenden Erholungsreisen strenge Anforderungen gestellt werden (etwa Gz 2001/ 15/0164).

Zum Nachweis der Zwangsläufigkeit eines Kuraufenthaltes ist die Vorlage eines vor Antritt der Kur ausgestellten ärztlichen Zeugnisses erforderlich, aus dem sich die Notwendigkeit und Dauer der Reise sowie das Reiseziel ergeben. Einem ärztlichen Zeugnis kann es gleich gehalten werden, wenn zu einem Kuraufenthalt von einem Träger der gesetzlichen Sozialversicherung oder auf Grund beihilfenrechtlicher Bestimmungen Zuschüsse geleistet werden, da zur Erlangung dieser Zuschüsse ebenfalls in der Regel ein ärztliches Gutachten vorgelegt werden muss (zB ). Liegt ein derartiger Bescheid — wie im vorliegenden Fall — nicht vor, ist die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen durch Vorlage eines vor Antritt der Kur ausgestellten ärztlichen Zeugnisses erforderlich.

Im gegenständlichen Fall konnte der Berufungswerber jedoch kein ärztliches Zeugnis beibringen, das vor Antritt seines Aufenthalts im Kurzentrum erstellt worden wäre, aus dem sich die Notwendigkeit des Aufenthalts ebendort und deren Dauer ableiten hätten lassen. Ebensowenig wurden ein Therapieplan oder ein Nachweis über die (erforderliche) ärztliche Kontrolle und Betreuung während der Kuranwendungen vorgelegt.

Dazu kommt, dass der nachträglich vorgelegte ärztliche Bericht lediglich eine allgemein gehaltene ärztliche Empfehlung für einen Aufenthalt enthält: "Aus medizinischer Sicht ist ein Kuraufenthalt für denBf auf Grund der positiven Auswirkung der physikalischen Therapie zu empfehlen." In dieser Diktion sieht das Finanzamt X einen allgemeinen Verweis auf die Möglichkeit einer Therapie in einem Kurzentrum, ein auf den konkreten Fall unter ärztlicher Aufsicht und Betreuung durchgeführtes Heilverfahren kann daraus aber nicht abgeleitet werden.

Schließlich ist auf die mit der Berufung vorgelegten Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt vom und zu verweisen, laut denen jeweils ein "Heilverfahren gemäß § 307d ASVG (Gesundheitsvorsorge)“ bewilligt wurde.

§ 307d ASVG lautet (auszugsweise):

Gesundheitsvorsorge der Pensionsversicherungsträger

(1) Die Pensionsversicherungsträger können unter Berücksichtigung des Fortschrittes der medizinischen Wissenschaft, unter Bedachtnahme auf ihre finanzielle Leistungsfähigkeit und auf die Auslastung der zur Verfügung stehenden Einrichtungen Versicherten und Pensionisten geeignete Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge gewähren.

(2) Als Maßnahmen im Sinne des Abs. 1 kommen insbesondere in Frage:

1. Fürsorge für Genesende (z. B. durch Unterbringung in einem Genesungsheim);

2. Unterbringung in einem Erholungsheim;

3. Aufenthalt in Kurorten bzw. Kuranstalten oder Zuschüsse zu einem solchen nach Maßgabe der vom Hauptverband hiezu erlassenen Richtlinien (§ 31 Abs. 5 Z 28);

4. Unterbringung in Krankenanstalten, die vorwiegend der Rehabilitation dienen;

5. die Übernahme der Reise- und Transportkosten in den Fällen der Z 1 bis 4 nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung unter Bedachtnahme auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten bzw. Angehörigen. [...]

Weiters wird auf der Homepage des Hauptverbandes der Sozialversicherung im "Rehabilitationsplan 2009" auf den Seiten 16 und 17, ausgeführt1:

2.2 Heilverfahren in Kuranstalten

Bei der klassischen Kur handelt es sich um eine medizinische Maßnahme zur Erhaltung und Festigung der Gesundheit bzw. zur Linderung von chronischen Leidenszuständen.

Eine zentrale Rolle spielt dabei der Einsatz natürlicher, ortsgebundener Kurmittel (z. B. Moor, schwefelhaltiges Heilwasser, Thermen, Heilklima). Zur Erlangung des Behandlungszieles ist lediglich eine Basisdiagnostik erforderlich. Charakteristisch für Heilverfahren in Kuranstalten ist auch, dass die therapeutischen Maßnahmen weitgehend in Art und Anzahl vorgegeben sind (Stichwort „Kurpaket“). Die Personalausstattung ist gegenüber Einrichtungen zur Rehabilitation deutlich reduziert.

Im ASVG werden Umfang und Leistungszuständigkeit für dieses Versorgungsangebot geregelt. Demnach werden von der Krankenversicherung Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit (§ 155 ASVG) und von der Pensionsversicherung Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge (§ 307d ASVG) gewährt. Diese Leistungen sind keine Pflichtleistungen, sondern sie „können“ vielmehr „unter Bedachtnahme auf die finanzielle Leistungsfähigkeit“ des jeweiligen Versicherungsträgers (Krankenversicherung oder Pensionsversicherung) und unter Bedachtnahme „auf die Auslastung der zur Verfügung stehenden Einrichtungen“ (Pensionsversicherung) gewährt werden. Der in Betracht kommende Personenkreis sind in der Krankenversicherung Bezieherinnen und Bezieher einer Alterspension oder einer unbefristeten Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit sowie Angehörige, in der Pensionsversicherung sind dies erwerbstätig Versicherte und Bezieherinnen bzw. Bezieher einer befristeten Pension sowie einer Waisenpension.

Das Finanzamt sieht in den vorliegenden Kuraufenthalt des Berufungswerbers solche "Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge", die eben nicht die vom VwGH geforderten Voraussetzungen, — nämlich, dass die Behandlungen "zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig und eine andere Behandlung nicht oder kaum Erfolg versprechend" sind, wie etwa bei reinen Rehabilitationsmaßnahmen — erfüllen.

Zusammenfassend vertritt das Finanzamt die Ansicht, dass der gegenständliche

Erholungsaufenthalt im Kurzentrum unbestritten den Gesundheitszustand positiv beeinflussende Auswirkungen hat, jedoch wurde der Nachweis über eine dringende medizinische Erforderlichkeit der Kur sowie der erforderlichen laufenden ärztliche Kontrolle und Betreuung am Kurort nicht erbracht, weshalb die Anerkennung der Kosten als außergewöhnliche Belastungen zu versagen war.

Es wurde erwogen:

I. Aus den Verfahrensunterlagen ergibt sich folgender Sachverhalt, den das BFG seiner Entscheidung mangels tragfähiger, gegenteiliger Anhaltspunkte als erwiesen zu Grunde legt:

Der Bf, Geburtsjahrgang 1934, Pensionist mit einer behördlich bescheinigten Minderung der Erwerbsfähigkeit von 70%, nahm bereits in den Jahren 2004 und 2007 ein von der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) bewilligtes und - bis auf einen Verpflegungsselbstbehalt - finanziertes „Heilverfahren gemäß § 307d ASVG“ im KUR- und REHABZENTRUM XY. für eine Dauer von je 22 Tagen in Anspruch.

Die vorliegenden Schreiben der PVA vom und verweisen ausdrücklich darauf, dass eine Maßnahme der „Gesundheitsvorsorge“ bewilligt wurde.

Nähere Ausführungen zu den medizinischen Gründen der Maßnahme sind diesen Schreiben nicht zu entnehmen, umso weniger enthalten sie Angaben zur medizinischen Notwendigkeit. Weiterführende Unterlagen zu den Kuraufenthalten 2004/2007 liegen nicht vor.

Ein gleichartiges Bewilligungsschreiben der PVA vom bestätigt einen entsprechenden Kuraufenthalt auch nach dem Verfahrensjahr 2008. Der angeschlossene Entlassungsbericht des Zentrumfür Orthopädische Rehabilitation & Kur vom enthält Ausführungen zum medizinischen Status des Bf zu Beginn, im Verlauf und am Ende des Kuraufenthalts.

Zuvor war ein Kurantrag des Bf vom mit Verweis auf die vorangegangene zweimalige Bewilligung abgewiesen worden.

Zum verfahrensgegenständlichen Kuraufenthalt vom 11.Nov. – liegen folgende Unterlagen vor:

- Ein „Ärztlicher Bericht“ der Hausärztin des Bf (Allgemeinmedizinerin) vom , welche diverse gesundheitliche Beeinträchtigungen bestätigt („seit 1984 St.p. Trauma d. re. SG“, „seit 2008 Trauma der linken Schulter mit subacrominalen Impingement bzw. mit dringendem Verdacht auf Tendinopathie der Suopraspinatussehne“, „stetige Schwellung im linken SG und USCH“, „rez. Schmerzen in der HWS und LWS mit Ausstrahlungen in bd Hüften“, „Schmerzen im li. Daumengelenk und in bd. Knien“) und daraus schlussfolgert: „Aus medizinischer Sichtist ein Kuraufenthalt“ für den Bf „auf Grund der positiven Auswirkung der physikalischen Therapienzu empfehlen“.

- Ein radiologischer Befund vom betreffend ein Röntgen der linken Schulter des Bf, welcher offenbar die Basis für die Ausführungen zur linken Schulter im oa. „Ärztlichen Bericht“ vom August 2010 bildete.

- Ein „Ärztlicher Entlassungsbericht“ des Kur- & Rehabzentrums XY vom .

Darin sind ua. die in der Berufung bzw. im „Ärztlichen Bericht“ der Hausärztin vom August 2010 erwähnten Beeinträchtigungen angeführt bzw. dargestellt.

Die Schulterverletzung resultiert demnach aus einem Sturz im April 2008. Zum linken Sprunggelenk findet sich der Hinweis: „Im Sept.2008 bei einem Urlaub in China trat nach längerer Wegstrecke eine Schwellung des linken Sprunggelenks auf.“ In diesem Bereich waren zu Beginn des Kuraufenthalts noch Schwellungen und Ödeme vorhanden gewesen.

Das Therapieprogramm weist auf einen ärztlich begleiteten, „kurmäßig“ durchgeführten Aufenthalt hin (in 21 Tagen 72 Anwendungen, v.a. Schlammpackungen, Lymphdrainagen, Massagen, Wechselstrombehandlungen sowie Bewegungstherapien, tw. unter Wasser; ärztliche Überprüfungen zu Beginn, während und am Ende des Aufenthalts).

Über eine medizinische Notwendigkeit der Behandlung mittels der kurtherapeutischen Maßnahmen enthält der Bericht vom weder Aussagen hinsichtlich der bereits in den Vorjahren bestehenden Leiden, noch in Bezug auf die 2008 hinzugekommenen Beeinträchtigungen. In den Passagen zur Zwischen- und Schlussuntersuchung ist lediglich festgehalten, dass die verordneten physikalischen Therapien „gut vertragen“ werden bzw. der Patient damit „gut zurecht gekommen“ ist. Aufgrund der beim Schlussgespräch angegebenen „Restbeschwerden“ im Bereich des linken Sprung- und Schultergelenks wurde der Bf „zur weiteren orthopädischen Abklärung bzw. weiteren konsequenten physikalischen Therapie“…(restl. Text wegkopiert).

Der Entlassungsbericht zum Kuraufenthalt des Jahres 2010 zeigt u.a. fortgesetzte Beeinträchtigungen sowohl im Bereich der linken Schulter als auch des linken Sprunggelenks bzw. der linken Achillessehne. Das regelmäßige Fortführen der auf Kur erlernten heilgymnastischen Übungen wird empfohlen.

II. Gemäß § 34 Abs. 1 EStG sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen.

Eine außergewöhnliche Belastung im Sinne dieser Bestimmung muss kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Sie muss außergewöhnlich sein.

  • Sie muss zwangsläufig erwachsen.

  • Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Die angefallenen Kosten dürfen weder den Betriebsausgaben noch den Werbungskosten oder den Sonderausgaben zuzuordnen sein.

Außergewöhnlich ist nach § 34 Abs. 2 EStG eine Belastung, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwächst. Zwangsläufig erwächst die Belastung einem Steuerpflichtigen nach § 34 Abs. 3 EStG, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist wesentlich beeinträchtigt, soweit die Kosten die in § 34 Abs. 4 EStG angeführten Prozentsätze des (adaptierten) Jahreseinkommens nach § 2 Abs.2 EStG übersteigen.

Bei Erfüllen der genannten Voraussetzungen können Kurkosten als außergewöhnliche Belastung im Sinne der angeführten Bestimmung steuerlich berücksichtigt werden.

Wie im Vorlagebericht des FA zutreffend ausgeführt, ist dies nach Lehre und Rechtsprechung der Fall, wenn der Kuraufenthalt in direktem Zusammenhang mit einer Krankheit steht, aus medizinischen Gründen erforderlich ist und ein bestimmtes, unter ärztlicher Aufsicht und Betreuung durchgeführtes Heilverfahren Anwendung findet (vgl. Doralt, Kommentar zum EStG, § 34, Rz. 78, Stichwort: Kurkosten).

Nicht jeder auf ärztliches Anraten und (auch) aus medizinischen Gründen durchgeführte Kuraufenthalt führt daher zu einer außergewöhnlichen Belastung iSd § 34 EStG. Entsprechend besteht auch im Falle eines behördlich festgestellten Grades der Behinderung (somit bei chronischen Beeinträchtigungen) eine Verpflichtung zum Nachweis einer medizinischen Notwendigkeit bei Inanspruchnahme von Kurbehandlungen.

Wesentlich für die Abzugsfähigkeit ist einerseits, dass die Maßnahmen nach ihrem Gesamtcharakter einem Kuraufenthalt - mit nachweislich „kurmäßig“ geregelter Tages- und Freizeitgestaltung - und nicht nur einem Erholungsaufenthalt entsprechen. So liegt etwa ke ine „kurmäßig“ geregelte Tagesgestaltung vor, wenn täglich nur ein bis zwei fünfzehnminütige Behandlungen erfolgen (vgl. ; , 2006/15/0120; , 2000/15/0139 sowie ; , RV/0386-F/10).

Anderseits müssen Aufwendungen für einen Kuraufenthalt zwangsläufigerwachsen, um den Merkmalen einer außergewöhnlichen Belastung iSd § 34 EStG zu entsprechen . Wegen der im Allgemeinen schwierigen Abgrenzung solcher Aufenthalte von Erholungsaufenthalten, die regelmäßig ebenfalls der Gesundheit und Erhaltung der Arbeitskraft dienen, werden an den Nachweis des Vorliegens der Zwangsläufigkeit strenge Anforderungen gestellt. Ein geeigneter Nachweis erfordert daher entsprechend tragfähige Beweismittel.

Der VwGH hält ein vor Antritt der Kur ausgestelltes ärztliches Zeugnis, aus dem sich die Notwendigkeit und Dauer der Kurbehandlungen sowie ggfs. auch das Reiseziel ergeben, für unerlässlich. An Stelle eines ärztlichen Gutachten sieht der Gerichtshof auch den Nachweis einer Zuschussgewährung durch einen Träger der gesetzlichen Sozialversicherung als hinreichend an. Sofern kein von der Sozialversicherungsanstalt bewilligter Kuraufenthalt vorliegt, hält es der VwGH für die Berücksichtigung von Kurkosten als außergewöhnliche Belastung allerdings für nicht ausreichend, wenn die bei Kuraufenthalten angebotenen Therapien vom Hausarzt lediglich „vorgeschlagen“ oder "erbeten" und auf einfachen Rezeptblättern "verschrieben" wurden (vgl. ; , 2001/15/0164; , 2000/15/0139; , 98/15/0123).

Zuletzt hat sich der VwGH zum Erfordernis einer vorausgehenden ärztlichen Verordnung von Kuraufenthalten im Erkenntnis vom , 2012/15/0136 geäußert und seinen Standpunkt in folgendem Rechtssatz zusammengefasst:

Wie der Verwaltungsgerichtshof betreffend Kuraufenthalte ausgesprochen hat, ist zum Nachweis der Zwangsläufigkeit die Vorlage eines vor Antritt der Kur ausgestellten ärztlichen Zeugnisses oder Gutachtens erforderlich, aus dem sich die Notwendigkeit und Dauer der Reise sowie das Reiseziel ergeben. Einem ärztlichen Gutachten kann es gleich gehalten werden, wenn zu einem Kuraufenthalt von einem Träger der gesetzlichen Sozialversicherung oder auf Grund beihilfenrechtlicher Bestimmungen Zuschüsse geleistet werden, weil zur Erlangung dieser Zuschüsse ebenfalls in der Regel ein ärztliches Gutachten vorgelegt werden muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2001/15/0116). Die Notwendigkeit eines vorfeldweisen ärztlichen Gutachtens hat auch der Bundesfinanzhof zur insofern vergleichbaren deutschen Rechtslage in einem Urteil vom , III R 67/96, betreffend Aufwendungen für eine "medizinische Trainingstherapie" in einem ärztlich betreuten Sportstudio hervorgestrichen, weil derartige Aufwendungen ihrer Natur nach nicht ausschließlich von Kranken, sondern mitunter auch von Gesunden getätigt werden, um ihre Gesundheit zu erhalten, ihr Wohlbefinden zu steigern oder ihre Freizeit sinnvoll und erfüllt zu gestalten.

III. Im vorliegenden Fall hat der Bf definitiv keine ärztliche Verordnung aus der Zeit vor dem zu beurteilenden Kuraufenthalt vorgelegt. Der „Ärztliche Bericht“ seiner Hausärztin datiert vom und wurde offenbar erst aufgrund des abgabenbehördlichen Ergänzungsauftrages vom erstellt.

Zudem entspricht dieser „Ärztliche Bericht“, mangels nachvollziehbarer, medizinisch fundierter Darlegung eines Wirkungszusammenhangs zwischen den angeführten Beeinträchtigungen des Bf und den „empfohlenen“ Kuranwendungen, nicht den erforderlichen Qualitätsmerkmalen eines ärztlichen Gutachtens bzw. Zeugnisses. Schließlich ist die Absolvierung eines Kuraufenthalts darin ausdrücklich als (bloße) Empfehlung formuliert.

Da aufgrund der beiden Kostenübernahmen in den Jahren 2004 und 2007 kein Anspruch auf eine Zuweisung durch die Sozialversicherung bestand, ist unbedenklich davon auszugehen, dass vor dem verfahrensgegenständlichen Kuraufenthalt auch keine ärztliche Untersuchung im Auftrag oder durch eine Einrichtung des Sozialversicherungsträgers durchgeführt wurde.

Damit fehlt es aber an jenen, nach der VwGH-Judikatur als unabdingbar zu qualifizierenden  Voraussetzungen für den Nachweis der medizinischen Notwendigkeit der Kurtherapien und damit der Zwangsläufigkeit der angefallenen Kosten.

Zwar ist nach dem dargestellten Verfahrensergebnis (insbesondere dem Inhalt der Entlassungsberichte vom und ) nicht zu bezweifeln, dass der zu beurteilende Kuraufenthalt mit den in den Jahren davor und danach unter Zuweisung der Sozialversicherung absolvierten Aufenthalten weitgehend vergleichbar gestaltet war. Die daraus ersichtliche Art und Anzahl der angewendeten Therapien erlaubt es auch, die erforderliche „kurmäßige“ Organisation als gegeben anzunehmen. Auch eine begleitende ärztliche Kontrolle ist dokumentiert.

Dies ändert allerdings nichts daran, dass eine medizinische Notwendigkeit, die Kurtherapien auch im Jahr 2008 zu absolvieren, von ärztlicher Seite im Voraus (und im Übrigen, wie ausgeführt, auch nachträglich) nicht festgestellt wurde. Gerade für die 2008 hinzugetretenen Beschwerden (linke Schulter, linkes Sprunggelenk/Achillessehne) blieb nicht nur die Notwendigkeit sondern sogar die Eignung der Kurtherapien gänzlich ungeklärt. Aber auch für die chronischen Beeinträchtigungen ist ohne eine tragfähige ärztliche Bestätigung nicht erwiesen, dass  - neben den Behandlungen in den Jahren 2004, 2007 und 2010 - eine (neuerliche) kurtherapeutische Behandlung (auch) im Jahr 2008  notwendig war. Dass die Behandlungen „gut vertragen“ wurden, vermag die notwendige „vorfeldweise“ Begutachtung nicht zu ersetzen.

Aus der Tatsache, dass „auch 2010 noch genügend Gesundheitsdefekte“ vorhanden waren, ist für den Standpunkt des Bf nichts zu gewinnen, da es für die Beurteilung im anhängigen Verfahren entscheidend darauf ankommt, dass die verabreichten Kurtherapien – auch und gerade – im Jahr 2008 nicht nur geeinget sondern notwendig waren.

Im Ergebnis ist der Bf, dem im Rahmen der Begünstigungsbestimmung des § 34 EStG die Nachweisführung oblag, somit den Nachweis der Zwangsläufigkeit als einem jener zwingend kumulativ erforderlichen Merkmale für eine Berücksichtigung im Rahmen des § 34 EStG schuldig geblieben.

Die Hinweise des Bf auf gesundheitspolitisch wünschenswerte Nebeneffekte des absolvierten Kuraufenthalts ändern am dargestellten Ergebnis nichts.  

Unter den gegebenen Umständen kam es auf die Überlegungen des FA im Vorlagebericht zur sozialversicherungsrechtlichen Qualifikation des zu beurteilenden Kuraufenthalts als Maßnahme der Gesundheitsvorsorge (§ 307d ASVG) nicht mehr an.

Der Abgabenbehörde ist aber beizupflichten, dass diese Zuordnung das Erfüllen der Voraussetzungen von steuerlich zu berücksichtigenden außergewöhnlichen Belastungen für von der Pensionsversicherungsanstalt auf Basis des § 307d ASVG genehmigte Kuraufenthalte nicht erhärtet.

Wenn der VwGH die Zuschussgewährung durch einen Sozialversicherungsträger grundsätzlich als hinreichendes Indiz für eine medizinische Notwendigkeit der betreffenden Kurmaßnahmen ansieht, so ist zu beachten, dass er dabei davon ausgeht, dass der Genehmigung regelmäßig eine den Vorgaben des § 34 EStG entsprechende, ärztliche Begutachtung vorangeht. Dies schließt eine andere Beurteilung aufgrund konkreter Feststellungen im Einzelfall nicht aus. In Hinblick auf die dargestellten sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen erscheint eine derartige Überprüfung bei von der Pensionsversicherungsanstalt nach § 307d ASVG genehmigten Kuraufenthalten daher grundsätzlich erforderlich.

Auf die Entscheidung im anhängigen Verfahren wirken sich diese Überlegungen insofern aus, als die vor und nach 2008 von der PVA bewilligten Kuren vor diesen Hintergrund umso weniger Rückschlüsse auf die Notwendigkeit des zu beurteilenden Kuraufenthalts im Jahr 2008 zulassen.     

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Rechtsmittelverfahren wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, auf welche die genannten Voraussetzungen zutreffen. Die Entscheidung folgt dem klaren Wortlaut der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen und der angeführten VwGH-Judikatur.

Graz, am

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