Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.07.2017, RV/7104227/2015

Neufestsetzung der Nutzwerte bei Wertminderung gegenüber der ursprünglichen Planung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache der Frau Bf., X., vertreten durch R.G., über die Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , Erf.Nr. x/x betreffend Grunderwerbsteuer zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Frau Bf., die Beschwerdeführerin, ist Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 1, Grundbuch Y.. Die Miteigentümer dieser Liegenschaft EZ 1 Grundbuch Y. haben einen Wohnungseigentumsvertrag abgeschlossen (letzte Unterschrift vom ). Dieser Wohnungseigentumsvertrag lautet auszugsweise (ohne Hervorhebungen):

„A.

Vertragsgegenstand

Die Vertragsteile, ausgewiesen in Spalte C. der Anhangliste, räumen einander hinsichtlich ihrer in Spalte E. der Anhangliste ausgewiesenen Miteigentumsanteile (= Nutzwerte) unentgeltlich und wechselseitig das dingliche Recht auf ausschließliche Nutzung und alleinige Verfügung, sohin das Wohnungseigentumsrecht im Sinn des WEG 2002, an den in der-Spalte B. der Anhangliste zugeordneten und bezeichneten Wohnungen und Abstellplätzen für Kraftfahrzeuge auf der Liegenschaft EZ 1, Grundbuch Y., BG Z., ein, sodass der jeweils in Spalte C. der Anhangliste angeführte Miteigentümer Wohnungseigentümer des in Spalte A. bezeichneten Wohnungseigentumsobjektes ist.

Bestandteil, Größe und Einzelnutzwert (das ist der Anteil an der Gesamtliegenschaft) der jeweiligen Wohnungen bzw. Abstellplätze für Kraftfahrzeuge sind entsprechend dem Gutachten über die Festsetzung der Nutzwerte aus der Anhangliste ersichtlich; diese Anhangliste ist integrierender Bestandteil dieses Vertrages.

Das Nutzwertgutachten des D.I., A., GZ 12 vom nehmen die Parteien zustimmend zur Kenntnis und bestätigen mit der Unterfertigung dieses Wohnungseigentumsvertrages seine Richtigkeit. Allfällige Kosten einer zukünftigen Änderung des Nutzwertgutachtens, der Neufestsetzung der Nutzwerte oder einer Änderung des Wohnungseigentumsvertrages, sowie alle damit im Zusammenhang stehenden Abgaben, Gebühren und Kosten trägt derjenige Wohnungseigentümer, auf dessen Veranlassung hin die Änderung vorgenommen werden sollen.

B.

Aufsandung

Sämtliche Miteigentümer erteilen sohin ihre ausdrückliche Einwilligung, dass ob der Liegenschaft EZ 1, Grundbuch Y., BG Z.

a) bei den in Spalte E. der Anhangliste ausgewiesenen Miteigentumsanteilen zu Gunsten der in Spalte C. der Anhangliste ausgewiesenen Miteigentümer das Wohnungseigentum an den in Spalte B. der Anhangliste ausgewiesenen Wohnungen samt Zubehör und Abstellplätze für Kraftfahrzeuge, bezeichnet in Spalte A.‚ einverleibt werde;

b) das mit dieser Liegenschaft verbundene Wohnungseigentum in der Aufschrift der Einlage ersichtlich gemacht werde;

c) der abweichende Aufteilungsschlüssel laut Punkt E. und F., 1. dieses Vertrages gemäß § 32 Abs. 8 WEG 2002 ersichtlich gemacht werde;

d) die bestehenden Anmerkungen gemäß § 24a Abs. 2 WEG 1975 bzw. § 40 Abs. 2 WEG 2002 Zug um Zug mit der Verbücherung dieses Vertrages gelöscht werden.

C.

Berichtigung der Anteile

Die Vertragsteile übertragen und übernehmen gegenseitig unentgeltlich Miteigentumsanteile in einem solchen Ausmaß, dass jedem Wohnungseigentümer der für sein Wohnungseigentumsobjekt erforderliche Mindestanteil zukommt.

Die Vertragsteile vereinbaren im Sinn der Bestimmungen der §§ 9 und 10 des WEG 2002, dass bei einer allenfalls zukünftig erforderlich werdenden Berichtigung der Miteigentumsanteile oder der Nutzwerte infolge beantragter Neufestsetzung der Nutzwerte die Übertragung und Übernahme von Anteilen zum Zweck der Korrektur unentgeltlich zu erfolgen hat, sofern sich am tatsächlichen Ausmaß der gesamten jeweils eigenen Wohnungseinheit de facto nichts ändert.“

In der Anhangsliste sind in der Spalte A die Top Nr., in der Spalte B der Gegenstand des Wohnungseigentums, in der Spalte C Name und Geburtsdatum der Eigentümer, in der Spalte D die bisherigen Anteile und in der Spalte E die nunmehrigen Nutzwerte angeführt. Laut dieser Anhangsliste betragen die bisherigen Anteile der Beschwerdeführerin 75/1360 und die nunmehrigen Nutzwerte 87/771 für die Wohnung und die Kellerabteile und 2/771 für den Abstellplatz.

Im Grundbuch ist bei den einzelnen Anteilen lediglich die Zusage der Einräumung des Wohnungseigentumsrechtes angemerkt. Diese Anmerkung soll laut Punkt B. d) des Wohnungseigentumsvertrages Zug um Zug mit der Verbücherung dieses Vertrages gelöscht werden.

Über Aufforderung des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel wurde von der B.R. mit Schriftsatz vom unter Punkt 1. bekannt gegeben (ohne Hervorhebungen):

„Nach unseren Informationen haben keine baulichen Veränderungen oder Erwerbsvorgänge stattgefunden, die Grund für diese Verschiebungen sind. In einem darf ich ein Mail der G.H. vom übermitteln. Danach sei bei der ursprünglichen Schätzung der Anteile, die durch die G.H. erfolgte, von einer zusätzlichen Bebauung eines im südlichen Bereich der Liegenschaft befindlichen Teils ausgegangen worden, die sich nicht realisieren lies. Es ist jedenfalls ausgeschlossen, dass Miteigentümer durch Planänderungen oder Ähnliches zusätzliche Flächen oder Anteile an der Liegenschaft erworben hätten und es wurden Miteigentümer auch keine zusätzlichen Flächen zugeordnet, als in den ursprünglichen Kaufverträgen vorgesehen.“

Die Mail der G.H. vom lautet auszugsweise (ohne Hervorhebungen):

„…..

Ursprünglich, und dies ist auch allen Miteigentümer bekannt, war im südlichen Bereich eine zusätzliche Bebauung vorgesehen. Die Liegenschaft ist eigentümlich der G.H. zugeordnet.
Bei der ursprünglichen Schätzung der Wohnungseigentumsanteile, welche dann Grundlage für die Kaufverträge gebildet haben, wurde eine zusätzliche Bebauung im südlichen Bereich herangezogen.
Aufgrund der Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes, welche eine Verschiebung der hinteren Baufluchtlinie um 4 m ergab, wurde die mögliche Bebauung im südlichen Bereich herabgesetzt, so dass in Aussicht genommene südseitige Objekt nicht mehr in dem ursprünglich geplanten und in die Schätzung eingeflossenem Umfang gebaut werden konnte.
Die Errichtung des Objektes wurde aufgrund der nunmehr geänderten „Flächenausbeute" bis auf unbestimmte Zeit verschoben.

Durch die Miteigentümer wurden durch Planänderungen etc keine zusätzlichen Flächen oder Anteile an der Liegenschaft erworben bzw. wurden diesen keine zusätzlichen Flächen zugeordnet, als in den ursprünglichen Kaufverträgen vorgesehen.

Nachdem das Nutzwertgutachten den Bestand berücksichtigen muss und nicht das nunmehr reduzierte Objekte im südlichen Bereich, kam es zu einer rechnerischen Verschiebung der Anteile. Im Falle einer Realisierung des südseitigen Objektes, welches auf einem eigentümlich zugeordneten Grundstück der G.H. zu stehen kommen würde, käme es wieder zu einer Rückverschiebung.

…..“

Vom Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel wurde der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom die Grunderwerbsteuer mit € 3.679,46 vorgeschrieben. Begründet wurde diese Vorschreibung damit, dass die unentgeltliche Übertragung von Miteigentumsanteilen im Zuge der Wohnungseigentumsbegründung gemäß § 4 Abs. 2 Z. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer vom gemeinen Wert unterliegt. Abgeleitet von einem Verkaufsvorgang ergibt sich ein gemeiner Wert der Gesamtliegenschaft von € 1,723.400,00, anteilig für den Zuerwerb an Miteigentumsanteilen von ca. 61/1000-stel daher ein gemeiner Wert von € 105.127,40.

Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde (als Berufung bezeichnet) enthält folgende Begründung:

„1. Der Tatbestand der unentgeltlichen Übertragung ist insofern nicht erfüllt, als die Übernahme in dem im Jahre 1998 abgeschlossenen Kaufvertrag vertraglich festgelegt ist.

2. Nachdem weder physische Nutzwerte (Flächen) noch irgendwelche Rechte erworben bzw. übertragen wurden (die Wohnung ist identisch mit jener, für die am ATS 80.969.- Grunderwerbssteuer bezahlt wurde) kann die Höhe einer allfälligen Nachzahlung nicht am gemeinen Wert orientiert werden.

3. Die Erhöhung der Nutzwerte für meine Wohnung ergibt sich allein aus der Tatsache, dass der Bauträger G.H auf dem Grundstück ursprünglich ein weiteres Objekt errichten wollte und daher 1998 seinen provisorischen Nutzwertanteil entsprechend hoch ansetzte.“

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde diese Beschwerde vom Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel als unbegründet abgewiesen. Diese Abweisung wurde damit begründet:

„Die Grunderwerbsteuer ist ihrem Wesen nach als Verkehrsteuer zu verstehen, die grundsätzlich an jeden Übergang eines inländischen Grundstückes anknüpft () und den Grundstückswechsel als solchen erfasst. Jeder Erwerbsvorgang löst grundsätzlich selbständig die Grunderwerbsteuerpflicht aus.
In grunderwerbsteuerrechtlicher Hinsicht ist beim Wohnungseigentum d anteilige Grund und Boden das Grundstück iSd GrEStG, während das Recht, eine selbständige Wohnung zu nutzen und hierüber allein zu verfügen, infolge seiner untrennbaren Verbindung zum Grundstücksanteil als Bestandteil d Grundstückes behandelt wird (). Die rechtliche Vereinbarung der Wohnungseigentümer zur Änderung der Miteigentumsanteile lag im vorliegenden Fall im Abschluss des gegenständlichen Wohnungseigentumsvertrages, wird doch im Punkt C des Vertrages die unentgeltliche Übergabe/-nahme von Miteigentumsanteilen vereinbart. Dieser Vertrag bildet sohin das Verpflichtungsgeschäft, mit dem die wechselseitige Übergabe/Übernahme von Liegenschaftsanteilen vereinbart wurde. Hinsichtlich der rechtsgeschäftlich erfolgten Übertragung von Miteigentumsanteilen liegt ein Erwerbsvorgang iSd § 1 GrEStG vor. An der rechtlichen Beurteilung vermag auch der Umstand, dass jedem Wohnungseigentümer die ihm bisher bereits zugeordnete Wohnungseigentumseinheit verbleibt, nichts zu ändern. Bei Vergleich der bisherigen mit den nunmehrigen Miteigentumsanteilen ergibt sich für den Bf ein Mehr an Anteilen.“

In dem gegen diese Erledigung eingebrachten Vorlageantrag wurde vorgebracht (ohne Hervorhebungen):

„Das Finanzamt begründet seine Entscheidung zusammengefasst damit, dass der Abschluss des Wohnungseigentumsvertrages vom und die darin vereinbarte Übergabe und Übernahme von Miteigentumsanteilen ein grunderwerbsteuerpflichtiges Verpflichtungsgeschäft darstellen würde. Dies ist aus folgenden Gründen unrichtig:

Mit Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag vom , Beilage ./A‚ erwarb die Einschreiterin 75/1360-stel Anteile an der Liegenschaft EZ 1 KG Y.. Die Wohnanlage war zu diesem Zeitpunkt noch nicht errichtet. Behörden- und gerichtsnotorisch ist nun, dass Bauprojekte auch im Zuge ihrer Umsetzung häufig noch kleinere oder auch größere Änderungen erfahren, die dann mit Auswechslungsplänen eingereicht und bewilligt werden. Die provisorische Nutzwertefestsetzung trägt diesem Umstand Rechnung. Erst nach erfolgter Fertigstellung (früher mit Kollaudierung, heute mit Vorlage eines „Grauplanes“ und einer Fertigstellungsanzeige) können die Nutzwerte den tatsächlich bestehenden Verhältnissen entsprechend berichtigt werden.

Bereits im Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag vom , Beilage ./A, wurde daher in Punkt IX. C. vereinbart, dass diese zukünftige Berichtigung und Übertragung von Miteigentumsanteilen unentgeltlich erfolgt. Aus der Unentgeltlichkeit folgt weiters, dass eine zukünftige Verkleinerung bzw Vergrößerung der Nutzwerte zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses und damit bei der Kaufpreisbemessung bzw Bemessung der Gegenleistung bereits berücksichtigt wurde. Untechnisch gesprochen setzt die im Wohnungseigentumsvertrag vom , Beilage ./B‚ vorgenommene Anteilsberichtigung daher lediglich den Wohnungseigentumsvertrag aus dem Jahr 1998 um. Aus diesem Grund ist von keinem „neuen“ oder „weiteren“ Verpflichtungsgeschäft auszugehen. Das Verpflichtungsgeschäft wurde richtigerweise lediglich auf zwei Urkunden aufgeteilt (die Wohnungseigentumsverträge sind dementsprechend auch praktisch wortident!).

Bei der Beurteilung der Grunderwerbsteuerpflicht ist somit alleine auf den bereits im Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag vom vereinbarten Kaufpreis abzustellen. Eine spätere (obendrein unentgeltliche) Anteilsberichtigung ohne Änderung der tatsächlichen Flächen oder Rechte in Bezug auf die vertragsgegenständliche Wohnung kann keine neue oder weitere Grunderwerbsteuerpflicht auslösen. Diese Argumentation wird auch von dem Umstand gestützt, dass im umgekehrten Fall, also bei einer Verkleinerung der Anteile, keine Grunderwerbsteuer zurückerstattet werden würde. Nach stRsp hat die Bewertung der Gegenleistung grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld zu erfolgen. Entsteht die Steuerschuld nach § 8 Abs 2 GrEStG 1987 erst mit dem Eintritt einer Genehmigung, so sind jedoch für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer die Verhältnisse (Steuersatz, Besteuerungsgrundlage) am Tag des Vertragsabschlusses maßgeblich [vgl. ua. ;Zl 2010/16/0296].

Der vermeintliche Zugewinn bei der Käuferin bzw. nunmehrigen Vorlagewerberin ergibt sich auch nur daraus, dass - wie schon in der Berufung vom aufgezeigt - der Bauträger auf dem Grundstück ursprünglich ein weiteres Objekt / eine größere Wohnhausanlage errichten wollte und daher seinen eigenen Nutzwertanteil im Jahr 1998 noch entsprechend hoch ansetzte. Nur weil die Bauwerke nicht in dem Umfang, wie ursprünglich geplant und eingereicht, verwirklicht wurden, änderte sich der seinerzeitige Nutzwert der Wohnung der Vorlagewerberin von 75/1360 auf nun 87/771. Die Vorlagewerberin hat durch den Wohnungseigentumsvertrag vom , Beilage ./B, aber keinerlei weitere Flächen oder irgendwelche zusätzlichen Rechte erworben oder übertragen erhalten. Auch an der Gegenleistung - dem seinerzeitig vereinbarten und bezahlten Kaufpreis - hat sich natürlich nichts geändert.

Dass mit Wohnungseigentumsvertrag vom eine „Schenkung“ an die Vorlagewerberin erfolgt wäre, die ein eigenes Rechtsgeschäft darstellen und eine Vorschreibung einer Grunderwerbsteuer auf Grundlage des anteiligen dreifachen Einheitswerts oder des Verkehrswerts rechtfertigen würde, hat das Finanzamt selbst (und zu Recht) nicht behauptet oder festgestellt. Aber selbst wenn man davon ausginge, dass der Wohnungseigentumsvertrag vom ein weiteres grunderwerbsteuerpflichtiges Verpflichtungsgeschäft darstellen würde, wäre aufgrund obiger Überlegungen zumindest die seinerzeitig bezahlte Grunderwerbsteuer (ATS 80.969 = ca EUR 5.884) auf die nunmehrige Vorschreibung anzurechnen. Dies ergäbe im vorliegenden Fall einen Negativ-Saldo bzw. einen Rückzahlungsanspruch der Vorlagewerberin.

Die nochmalige Vorschreibung von Grunderwerbsteuer erfolgte in jedem Fall rechtswidrig und ist ersatzlos aufzuheben, was hiermit auch beantragt wird.“

Die im Vorlageantrag genannten Beilagen waren diesem angeschlossen.

Erwägungen

Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG idgF unterliegen der Grunderwerbsteuer (soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen) ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet. Die Grunderwerbsteuer ist ihrem Wesen nach als Verkehrsteuer zu verstehen, die grundsätzlich an jeden Übergang eines inländischen Grundstückes anknüpft (vgl. ) und den Grundstückswechsel als solchen erfasst, ohne Rücksicht auf die mit dem Grundstückserwerb verfolgten Zwecke. Jeder Erwerbsvorgang löst grundsätzlich selbständig die Grunderwerbsteuerpflicht aus (vgl. ).

Die Vorschriften des Grunderwerbsteuergesetzes sind nicht auf entgeltliche Erwerbsvorgänge beschränkt. Dies geht zum Beispiel aus der Bestimmung des § 4 Abs. 2 Z. 3 lit. a GrEStG hervor, wonach die Steuer vom gemeinen Wert zu berechnen ist, wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist oder die Gegenleistung geringer ist als der gemeine Wert des Grundstückes. Damit ist klargestellt, dass der Grunderwerbsteuer keineswegs nur Rechtsgeschäfte unterliegen, bei denen eine Gegenleistung vorliegt.

Nach § 2 GrEStG gelten als Grundstücke auch ideelle Anteile (Miteigentumsanteile) an Grundstücken. Dies gilt auch für Anteile, die untrennbar mit Wohnungseigentum verbunden sind. Wohnungseigentum ist gemäß § 2 Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz 2002 (WEG 2002) das dem Miteigentümer einer Liegenschaft dingliche Recht, ein Wohnungseigentumsobjekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen. Wohnungseigentumsobjekte sind Wohnungen, sonstige selbständige Räumlichkeiten und Abstellplätze für Kraftfahrzeuge, an denen Wohnungseigentum begründet werden kann. Der Mindestanteil ist nach § 2 Abs. 9 WEG 2002 jener Miteigentumsanteil an der Liegenschaft, der zum Erwerb von Wohnungseigentum an einem Wohnungseigentumsobjekt erforderlich ist. Er entspricht dem Verhältnis des Nutzwertes des Objektes zur Summe der Nutzwerte aller Wohnungseigentumsobjekte der Liegenschaft. Nach § 5 Abs. 3 WEG 2002 wird das Wohnungseigentum durch die Einverleibung in das Grundbuch erworben. Es ist im Eigentumsblatt auf dem Mindestanteil einzutragen. Der Wohnungseigentümer erwirbt im Ergebnis durch einen darauf gerichteten Rechtsvorgang zivilrechtliches Eigentum an den Miteigentumsanteilen der Liegenschaft, wobei diese Miteigentumsanteile dem nach dem Verhältnis der Nutzwerte des Wohnungseigentumsobjektes zur Summe der Nutzwerte aller Wohnungseigentumsobjekte ermittelten Mindestwert zu entsprechen haben. Die Ermittlung und Änderung der Nutzwerte werden im § 9 WEG 2002 geregelt. Dieser lautet:

„Ermittlung und Änderung der Nutzwerte

§ 9 (1) Die Nutzwerte sind durch das Gutachten eines für den Hochbau zuständigen Ziviltechnikers oder eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Hochbau- oder das Immobilienwesen zu ermitteln.

(2) Auf Antrag sind die Nutzwerte vom Gericht insbesondere dann abweichend vom Nutzwertgutachten (Abs. 1) festzusetzen, wenn
1. das Gutachten gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung verstößt,
2. das Gutachten bei einem Wohnungseigentumsobjekt um mehr als 3 vH von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht,
3. sich der Nutzwert eines Wohnungseigentumsobjekts durch eine gegenüber den Grundlagen der Nutzwertermittlung abweichende Bauführung um mehr als 3 vH ändert,
4. sich der Nutzwert eines Wohnungseigentumsobjekts nach Vollendung der Bauführung durch bauliche Vorgänge auf der Liegenschaft wesentlich ändert oder
5. sich die Nutzwerte durch Änderungen im Bestand räumlich unmittelbar aneinandergrenzender Wohnungseigentumsobjekte oder durch die Übertragung von Zubehörobjekten im Sinne des § 2 Abs. 3 ändern.

(3) Abs. 2 gilt entsprechend auch für eine gerichtliche Neufestsetzung der Nutzwerte abweichend von einer bereits früher ergangenen Nutzwertfestsetzung durch das Gericht.

(4) In den Entscheidungen über die gerichtliche Nutzwertfestsetzung ist auch festzustellen, inwieweit sich durch sie die Summe der Nutzwerte aller Wohnungseigentumsobjekte der Liegenschaft ändert.

(5) In den Fällen des Abs. 2 Z 5 sind die Nutzwerte der von der Änderung oder Übertragung betroffenen Wohnungseigentumsobjekte so festzusetzen, dass ihre Summe gleich bleibt. Bei der Übertragung eines Zubehörobjekts ist eine Nutzwertfestsetzung entbehrlich, wenn sich der Nutzwert des Zubehörobjekts zweifelsfrei aus der früheren Nutzwertermittlung ergibt.

(6) Die Nutzwerte können auch ohne gerichtliche Entscheidung abweichend vom Nutzwertgutachten (Abs. 1) oder von einer gerichtlichen Nutzwertfestsetzung (Abs. 2 oder 3) festgesetzt werden, indem ein neues Nutzwertgutachten eingeholt wird und sämtliche Wohnungseigentümer den Ergebnissen dieses Gutachtens öffentlich beglaubigt schriftlich zustimmen.“

Weder dem gegenständlichen Wohnungseigentumsvertrag noch dem sonstigen Akteninhalt ist zu entnehmen, dass eine Neufestsetzung der Nutzwerte im Sinne des § 9 Abs. 2 WEG 2002 erfolgt wäre. Im Grundbuch ist lediglich die Zusage der Einräumung des Wohngseigentumsrechtes angemerkt. Erst im Wohnungseigentumsvertrag vom wird auf das Nutzwertgutachten des D.I. vom , GZ 12, verwiesen. In diesem Wohnungseigentumsvertrag wird in Punk B. Aufsandung unter d) festgehalten, dass die bestehenden Anmerkungen gemäß § 24a Abs. 2 WEG 1975 bzw. § 40 Abs. 2 WEG 2002 Zug um Zug mit der Verbücherung dieses Vertrages gelöscht werden. § 24a Abs. 2 WEG 1975 und § 40 Abs. 2 WEG 2002 enthalten die Anmerkung der Zusage der Einräumung des Wohnungseigentumsrechtes im Grundbuch. Nach dem Vertragsinhalt muss von einer Festsetzung der Nutzwerte im Sinne des § 9 Abs. 1 WEG 2002 ausgegangen werden, nicht aber von einer Neufestsetzung im Sinne der im § 9 Abs. 2 aufgezählten Tatbestände.

Im gegenständlichen Fall war ursprünglich eine zusätzliche Bebauung der Liegenschaft geplant. Bei der Schätzung der Miteigentumsanteile wurde diese zusätzliche Bebauung auch berücksichtigt, was zur Folge hatte, dass bei der Schätzung der Miteigentumsanteile von einem höheren Wert der Liegenschaft ausgegangen wurde. Nachdem diese zusätzliche Bebauung der Liegenschaft nicht erfolgte, hatte diese Liegenschaft auch nicht mehr diesen Wert, von dem bei der Schätzung der Miteigentumsanteile ausgegangen wurde. Diese Miteigentumsanteile entsprechen somit nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Da diese Liegenschaft tatsächlich einen geringeren Wert hat, als jenen, von dem bei der Schätzung der Miteigentumsanteile ausgegangen wurde, hatten diese Anteile tatsächlich auch nicht jenen Wert, von welchem bei den ursprünglichen Kaufverträgen ausgegangen wurde. Das dem Wohnungseigentumsvertrag zugrunde liegende Nutzwertgutachten trägt dieser Entwicklung Rechnung und entsprechen die nunmehrigen Nutzwerte wertmäßig jenen Miteigentumsanteilen, von welchen in den einzelnen Kaufverträgen ausgegangen wurde.

Hier hat sich der Nutzwert deswegen geändert, weil eine ursprünglich geplante Bebauung nicht durchgeführt wurde. Es kam zu keiner Werterhöhung der Liegenschaft, sondern hat sich der Wert dieser Liegenschaft gegenüber der ursprünglichen Planung verringert. Wertmäßig erfolgte durch die neu festgestellten Nutzwerte keine Änderung gegenüber den mit den Kaufverträgen erworbenen Miteigentumsanteilen. Im Wohnungseigentumsvertrag wurde auch festgehalten, dass die Vertragsteile gegenseitig unentgeltlich Miteigentumsanteile in einem solchen Ausmaß übertragen und übernehmen, dass jedem Wohnungseigentümer der für sein Wohnungseigentumsobjekt erforderliche Mindestanteil zukommt. Die neu festgestellten Nutzwerte entsprechen den tatsächlichen Besitzverhältnissen ohne die nicht erfolgte Bebauung. Der Wohnungseigentumsvertrag selbst enthält, wie sich aus dem eindeutig dokumentierten Parteiwillen ergibt, keinerlei Vermögensverschiebung (vgl. ).

Die nunmehrigen Nutzwerte der Beschwerdeführerin entsprechen jenen Anteilen, welche von ihr mit dem Kaufvertrag erworben wurden. Mit dem Wohnungseigentumsvertrag kam es nicht zu einer Vermögensverschiebung und wurde damit auch kein Anspruch auf Übereignung begründet, welcher dem § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG unterliegen würde.

Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine Rechtsprechung zu der hier lösenden Rechtsfrage der abgabenrechtlichen Würdigung einer Anteilsübertragung auf Grund einer Neufeststellung der Nutzwerte in Folge einer Wertminderung der Liegenschaft, weil diese gegenüber der ursprünglichen Planung nicht vollständig bebaut wurde, liegt noch nicht vor. Die Revision war daher für zulässig zu erklären.

Wien, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.7104227.2015

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