Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.07.2017, RV/7100985/2016

Familienbeihilfe nur für die Zeit zwischen Beendigung der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf. über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart vom über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für J. für den Zeitraum Dezember 2014 bis Mai 2015 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird - wie mit Beschwerdevorentscheidung - gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Rückforderungsbescheid wird hinsichtlich des Zeitraumes März bis Mai 2015 aufgehoben.

Betreffend Rückforderung der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge hinsichtlich des Zeitraumes Dezember 2014 bis Februar 2015 bleibt der angefochtene Bescheid aufrecht.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig. 

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog im beschwerdegegenständlichen Zeitraum für seine Tochter, geb. 1992, Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.

Die Tochter des Bf. beendete ihr Studium der Rechtswissenschaften im November 2014 mit dem Titel "Magistra der Rechtswissenschaften". Im März 2015 begann sie als Rechtspraktikantin im Sprengel des Oberlandesgerichtes X..

Das Finanzamt forderte mit Bescheid vom die ab Beginn des auf die Beendigung des Studiums folgenden Monats - von Dezember 2014 bis Mai 2015 - bezogenen Familienbeihilfen- und Kinderabsetzbeträge unter Verweis auf die Bestimmungen des § 26 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) zurück.

Der Bf. erhob gegen den Rückforderungsbescheid Beschwerde wie folgt:
Zutreffend hat meine Tochter J. ihr Studium zum angegebenen Zeitpunkt beendet, jedoch ihre Berufsausbildung damit noch nicht abgeschlossen. Meine Tochter J. beabsichtigt den Beruf des Richters auszuüben und absolviert derzeit ihre Gerichtspraxis, für welche sie nach entsprechendem Ansuchen nach Abschluss ihres Studiums mit Anfang Februar [korrigiert: März] 2015 zugelassen wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom , 2008/13/0015, festgehalten, dass für die Zeit der Gerichtspraxis Familienbeihilfe (bei Vorliegen aller übrigen, im vorliegenden Fall gegebenen Voraussetzungen) unabhängig davon zusteht, ob beabsichtigt ist, nach der Gerichtspraxis den Beruf eines Richters, Notars oder Rechtsanwalts, oder einen anderen Beruf auszuüben. Der unabhängige Finanzsenat hat sich dieser Rechtsauffassung in seiner Entscheidung vom , RV/0038-G/06, angeschlossen.
Die im bekämpften Bescheid angeordnete Rückforderung der oben genannten Beträge ist mit der bestehenden Rechtslage nicht vereinbar.
Ich beantrage daher, den in Beschwerde gezogenen Bescheid ersatzlos zu beheben, in eventu dahingehend abzuändern, dass keine Rückforderung der im Bescheid genannten Beträge zu erfolgen hat.

Über Ersuchen des Finanzamtes legte der Bf. den Bescheid des OLG X. vor:
"(Die Tochter des Bf.) wird gemäß §§ 1 und 2 RPG zur Gerichtspraxis ab als Rechtspraktikantin für die Dauer von fünf Monaten im Sprengel des Oberlandesgerichtes X. zugelassen."
Ergänzend wies der Bf. darauf hin, dass die Tochter mit der Gerichtspraxis erst Anfang März 2015 beginnen konnte, da nach einer Regelung des OLG X. die Anmeldung zur Gerichtspraxis 1 Monat vor Beginn derselben zu erfolgen hat und Personen, die den Richterberuf anstreben, nur vierteljährlich mit der Gerichtspraxis beginnen können.

Das Finanzamt gab der Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung teilweise - auf Grund der (bereits) im März 2015 begonnenen Gerichtspraxis hinsichtlich der Monate März bis Mai 2015 - statt und begründete den Bescheid wie folgt:
Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (z.B. Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert (§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
Für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, besteht für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung Anspruch auf die Familienbeihilfe, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühest möglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird (§ 2 Abs. 1 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
Ihre Tochter J. hat ihr Studium der Rechtswissenschaften am abgeschlossen. Bis November 2014 besteht daher Anspruch auf die Familienbeihiife. Das Gerichtspraktikum hat sie im März 2015 begonnen. Für die Zwischenzeit besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe, da laut § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 nur nach Abschluss der Schulausbildung und nicht Studium bis zum Beginn der nächsten Ausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt Anspruch auf die Familienbeihilfe besteht.

Der Vorlageantrag wurde mit nachstehender Begründung eingebracht:
Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart meiner Beschwerde vom gegen seinen Rückforderungsbescheid vom nur teilweise stattgegeben. Das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart vertritt die Rechtsauffassung, dass für die Zeit des Abschlusses des Studiums im November 2014 bis zum Beginn der Gerichtspraxis im März 2015 für meine Tochter J. kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht.
Ich habe in meiner ergänzenden Stellungnahme vom ausführlich dargelegt, warum J. mit der Gerichtspraxis erst im März 2015 beginnen konnte.
Der allein dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 verpflichteten Auslegung des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart kann nicht
beigepflichtet werden. Der in dieser Bestimmung verwendete Begriff "Schulausbildung" umfasst schon im Interesse einer gebotenen Gleichbehandlung der während vergleichbarer Zeiträume verwirklichten Sachverhalte auch ein Hochschulstudium (vgl zur ähnlich gelagerten Problemstellung die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2000/14/0090, und vom , Zl. 2002/13/0144).
Ich beantrage daher die Vorlage meiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und wiederhole meine in der Beschwerde gestellten Anträge ...
Da mit der Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom meiner Beschwerde bereits teilweise stattgegeben worden ist, beziehen sich meine Beschwerdeanträge in der Sache nur mehr auf die Zeiträume, für welche die Familienbeihilfe weiterhin rückgefordert wird. 

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Nach § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 in der ab (BudgetbegleitG 2011) geltenden Fassung besteht Anspruch auf Familienbeihilfe "für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird".

Bis lautete diese Bestimmung: "für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Dauer von drei Monaten nach Abschluß der Berufsausbildung, sofern sie weder den Präsenz- oder Ausbildungsdienst noch den Zivildienst leisten".

Nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Unstrittig ist, dass die Tochter des Bf. ihr Studium der Rechtswissenschaften im November 2014 abgeschlossen und im März 2015 ihr Gerichtspraktikum bei einem Gericht angetreten hat.

Fest steht, dass nicht nur das von der Tochter des Bf. absolvierte Studium der Rechtswissenschaften, sondern auch die Ableistung der Gerichtspraxis Berufsausbildung iSd des FLAG darstellt (sh. Lenneis in Cszaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 45 "Gerichtspraxis" unter Verweis auf ).

Strittig ist aber, ob das von der Tochter des Bf. absolvierte Studium als Schulausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 anzusehen ist.

Aus lit. d ist ersichtlich, dass von "Abschluss der Schulausbildung" und nicht vom "Abschluss einer Schulausbildung" die Rede ist. Dies bedeutet, dass der Verlängerungstatbestand der lit. d nur einmal im Laufe der verschiedenen Phasen der Berufsausbildung gewährt werden kann.

Dass damit nicht der Abschluss eines Studiums gemeint sein kann, ist offensichtlich, da sonst zB für den Zeitraum zwischen Ablegung der Matura und Beginn eines Studiums keine Familienbeihilfe zustünde.

Diese Meinung vertritt im Ergebnis auch Hebenstreit in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 130: "Der Gesetzgeber versteht nach den EB unter dem „Abschluss der Schulausbildung“ offenbar „insbesondere“ eine „Schulausbildung“, die mit Matura abgeschlossen wird. ME müsste es klar sein, dass die „Schulausbildung“ - verstanden als engerer Begriff einer Berufsausbildung - jedenfalls auch eine „Berufsausbildung“ ist, während nicht jede „Berufsausbildung“ als „Schulausbildung“ angesehen werden kann, wie zB ein Studium. Klarer und verständlicher wäre es gewesen, wenn „für die Zeit zwischen dem erfolgreichen Abschluss einer über die Dauer der gesetzlichen Schulpflicht hinausgehenden ersten Berufs­ausbildung und dem frühestmöglichen Zeitpunkt einer weiteren Berufs­ausbildung“ ein Anspruch auf FB normiert worden wäre. Damit wäre mE sichergestellt, dass für die Zeit zwischen dem Abschluss der „Schulausbildung“ durch die erfolgreiche Ablegung der Matura oder dem Abschluss einer anderen ersten Ausbildung und einer weiterführenden Berufsausbildung FB gewährt wird, außer es wird im Anschluss an den Abschluss der „Schulausbildung“ der Präsenz/Ausbildungs-/oder Zivildienst geleistet, womit ein Ausschließungsgrund für den Bezug der FB vorliegt. Im Fall der Absolvierung mehrerer eigenständiger Berufsausbildungen stünde dann jedenfalls für die Zeiten dazwischen keine FB zu. Dies hätte Kumulierungseffekte vermieden und würde dem geplanten Einsparungseffekt entsprechen. Ob mit der Neufassung der lit d durch das Budgetbegleitgesetz 2011 (BGBl I 2010/111) der geplante Einsparungseffekt erzielbar ist, ist zweifelhaft. Der Zeitraum von bisher drei Monaten, der im Regelfall die Lücke zwischen der erfolgreichen Ablegung der Matura und dem Studienbeginn ausreichend abgedeckt hat, wurde durch diese Neufassung mE erweitert. Dass nur ein erfolgreicher Abschluss der Berufsausbildung den FB-Anspruch verlängert, ergibt sich aus der Rechtsprechung und wäre somit lediglich eine Klarstellung gewesen."

Hieraus ergibt sich, dass die Absolvierung eines Studiums keine "Schulausbildung" iSd obigen Norm darstellt. Für den Zeitraum zwischen dem Abschluss dieser Berufsausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, nämlich dem Gerichtsjahr, steht somit keine Familienbeihilfe zu. Auch die vom Bf. in der Beschwerde zitierte Entscheidung des unabhängigen Finanzsenates ändert daran nichts, da diese Entscheidung zu der bis zum in Geltung befindlichen Fassung des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 ergangen ist. Die vom Bf. im Vorlageantrag angeführten, abweisenden Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes betreffen die Befreiung der Ferialeinkünfte in Schulausbildung befindlicher Kinder; für die Lösung des gegenständlichen Beschwerdefalles ist daraus nichts zu gewinnen.

Die für den Beschwerdefall maßgebliche Rechtsansicht wurde vom Bundesfinanzgericht betreffend den Zeitraum zwischen Beendigung des Studiums der Rechtswissenschaften und Aufnahme der Gerichtspraxis bereits mit den Erkenntnissen vom , RV/7103029/2014 und , RV/5100684/2013, vertreten. Ebenfalls zur im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtslage erging das Erkenntnis des , wenngleich in diesem Fall kein Studium der Rechtswissenschaften und Aufnahme der Gerichtspraxis betroffen war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

In rechtlicher Hinsicht folgt diese Entscheidung der in dieser dargestellten gesetzlichen Regelung sowie den zu dieser Rechtslage ergangenen Erkenntnissen. 
Feststellungen auf der Sachverhaltsebene betreffen keine Rechtsfragen und sind grundsätzlich keiner Revision zugängig.
Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.7100985.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at