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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.07.2017, RV/2101052/2016

Keine Rückzahlung ohne Guthaben

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin in der Beschwerdesache Beschwerdeführer,  vertreten durch Rechtsanwalt, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt vom , betreffend Rückzahlung zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe an die belangte Behörde vom beantragte der Beschwerdeführer (=Bf.) eine sich aus der Veranlagung der Einkommensteuer 2013 ergebende Gutschrift in Höhe von 12.433 Euro auf sein Insolvenzabwicklungskonto gutzuschreiben.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag ab, da die Gutschrift auf einen vor Insolvenzeröffnung gesetzten Tatbestand zurückzuführen sei. Die Immobilienertragsteuer sei auf Grund eines Immobilienverkaufes (Kaufvertrag vom ) vor Insolvenzeröffnung entrichtet worden.

Die Gutschrift der Immobilienertragsteuer in Höhe von 12.433 Euro ergebe sich aus der Veranlagung zur Einkommensteuer 2013 mit Bescheid vom und der Option zu Regelbesteuerung.

Laut OGH seien Vorauszahhlungen- dazu gehöre auch die Immobilienertragsteuer- insolvenzrechtlich den Abgabenforderungen mit derselben insolvenzrechtlichen Qualifikation gegenüberzustellen.

Die auf Grund der Option zur Regelbesteuerung gemäß § 30a Abs. 2 EStG 1988 entstandene Gutschrift sei folglich mit Insolvenzforderungen des Finanzamtes aufzurechnen gewesen ().  

Mit Beschluss des Insolvenzgerichtes vom aa/bb/2013 wurde über das
Vermögen des Bf. das Sanierungsverfahren eröffnet und in weiterer Folge am cc/dd/2013 in ein Konkursverfahren abgeändert.

Der Konkurs wurde mit rechtskräftiger Bestätigung des Zahlungsplanes am ee/ff/2015 aufgehoben.

Die Einkommensteuergutschrift vom  wurde kontokurrentmäßig mit offenen Abgabenschuldigkeiten des Bf. verrechnet.

Zum Zeitpunkt der Einbringung des Rückzahlungsantrages befand sich auf dem Abgabenkonto des Bf. kein Guthaben.

Gegen die Abweisung des Rückzahlungsantrages brachte der Bf. die Beschwerde vom ein.

Er führte darin aus: 

Mit Kaufvertrag vom (sohin vor lnsolvenzeröffnung) habe der Bf. sein Geschäftslokal um 240.000 Euro verkauft. Die für den Verkauf entrichtete Immobilienertragsteuer betrug 12.433 Euro und wurde am am entrichtet.

Der die Abgabe auslösende Sachverhalt (das Verpflichtungsgeschäft), also der Kaufvertrag wurde am , also vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen.
Folglich sei die Immobilienertragssteuer als Insolvenzforderung einzustufen (vgl. Nunner-Krautgasser, ZaK 2013/65, 310). Ausschlaggebend für die Einstufung seien dafür nicht steuerrechtliche, sondern insolvenzrechtliche Kriterien (vgl. 8 Ob 2244/962). Es komme also nicht auf das Entstehen der Steuerschuld auf der Grundlage eines abgabenrechtlich relevanten Sachverhaltes an, sondern allein auf die Verwirklichung des abgabenrechtlichen Sachverhaltes selbst an. Auch die Fälligkeit der Abgabenforderung sei nicht entscheidend (vgl. Rs 0064620).

Ein Kompensationsfall liege folglich nicht vor, der Rückforderungsanspruch des Bf. sei mit der Einkommenssteuerveranlagung per , sohin nach Insolvenzeröffnung entstanden. Gemäß § 20 Abs. 1 IO müsse die Aufrechenbarkeit jedoch im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung gegeben sein.
lm Sinne der obigen Ausführungen sei der angefochtene Bescheid sohin aufgrund der
Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes abzuändern.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde ab.

Das Finanzamt begründete die Abweisung wie folgt:

Die Verrechnung der Einkommensteuergutschrift 2013, die auf einen, wie in der  Beschwerde zutreffend dargestellt, bereits vor Insolvenzeröffnung verwirklichten Sachverhalt zurückzuführen sei, habe auch einen vor der Insolvenzeröffnung liegenden Entrichtungstag (, Tag der Verbuchung: ).

Folglich sei die Gutschrift mit anderen, älteren ebenfalls vor der Insolvenzeröffnung entstanden Abgabenrückständen aufzurechen. Die Aufrechnung sei sowohl gemäß den §§ 213 ff BAO als auch nach § 19 IO zu Recht erfolgt.


Für die insolvenzrechtliche Beurteilung komme es entscheidend darauf an, dass es sich hier um einen bereits vor Insolvenzeröffnung entstandenen Gegenanspruch handle. 
Wie die Bf. richtig ausführe, sei für die Beurteilung als positive oder negative
Insolvenzforderung nicht die Fälligkeit der Abgabenforderung und auch nicht der Zeitpunkt der Erlassung eines Abgabenbescheides, sondern die Verwirklichung des abgabenrechtlichen Sachverhalts maßgeblich. Die Aufrechnung mit (früheren) Insolvenzforderungen des Finanzamtes sei zulässig, weil die Tilgung einer Forderung nach der Rechtsprechung () mit Zugang der Aufrechnungserklärung rückwirkend in dem Zeitpunkt eintrete, in dem die Forderungen einander erstmals aufrechenbar gegenüber gestanden seien (Eintritt der Aufrechnungslage). Daher könnten vor Insolvenzeröffnung entstandene Abgabenforderungen und Abgabengutschriften selbst dann
in voller Höhe aufgerechnet werden, wenn das Verfahren mittels Sanierungsplans oder
Entschuldung im Privatkonkurs ende und die entsprechenden Quoten bereits entrichtet
worden seien (). Die Verrechnung von Abgabenansprüchen für Zeiträume vor der Insolvenzeröffnung seien ohne insolvenzrechtliche Einschränkung zulässig (), da ansonsten die Regelung des § 19 Abs. 1 KO versagte (Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze, §§ 19, 20 KO Tz 13)

Der OGH stelle im Übrigen klar () dass Gläubiger von der ihnen durch das Gesetz in §§ 19, 20 KO und AO (nunmehr IO) eingeräumten Aufrechnungsmöglichkeit auch dann noch nach Beendigung des
Insolvenzverfahrens Gebrauch machen können, wenn sie während des Verfahrens keine
Aufrechnungserklärung abgegeben haben. Sie sind nicht auf die Quote beschränkt. Dies
entspriche der vom Gesetz gewollten Begünstigung des Aufrechnungsgläubigers durch
die § 19 Abs. 1 IO.

In der Folge brachte die Bf. mit Eingabe vom einen Vorlageantrag ein.
Begründend führte sie darin aus, dass in der Beschwerdevorentscheidung den nicht zutreffenden Standpunkt einnehme, dass die Gutschrift aus dem Einkommensteuerbescheid auf einen Sachverhalt wirke, der vor der lnsolvenzeröffnung liege. Tatsächlich sei jener Bescheid, mit dem über die Einkommensteuer des Bf. entschieden worden sei, am erlassen worden und liege sohin fast zwei Jahre nach dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung.
Zudem sei festzuhalten, dass sich die Abgabengutschrift jedenfalls aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Bf. nach der Insolvenz abbilde. Dessen ungeachtet handle es sich bei dem geltend gemachten Anspruch aus der Steuerveranlagung 2013 um einen materiellrechtlichen, auf einen Zeitpunkt nach der Insolvenzeröffnung wirkenden Sachverhalt. Ein  Tatbestand, der zur Aufrechnung nach den §§ 19 ff. IO berechtige, liege daher nicht vor. 

Rechtslage

Die im Beschwerdefall anzuwendenden maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen lauten:
 

§ 216 BAO
Mit Bescheid (Abrechnungsbescheid) ist über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung (§ 213) sowie darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, auf Antrag des Abgabepflichtigen (§ 77) abzusprechen. Ein solcher Antrag ist nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die betreffende Verbuchung erfolgt ist oder erfolgen hätte müssen, zulässig.

§ 239 Abs. 1 BAO
Die Rückzahlung von Guthaben (§ 215 Abs. 4) kann auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen. Ist der Abgabepflichtige nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig, so können Rückzahlungen mit Wirkung für ihn unbeschadet der Vorschrift des § 80 Abs. 2 nur an diejenigen erfolgen, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über das Guthaben zu verfügen berechtigt sind.

§ 239 Abs. 2 BAO
Die Abgabenbehörde kann den Rückzahlungsbetrag auf jenen Teil des Guthabens beschränken, der die der Höhe nach festgesetzten Abgabenschuldigkeiten übersteigt, die der Abgabepflichtige nicht später als drei Monate nach der Stellung des Rückzahlungsantrages zu entrichten haben wird.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Strittig ist, ob die aus der Veranlagung zur Einkommensteuer 2013 resultierende Gutschrift in Höhe von 12.433 Euro antragsgemäß an den Bf. zurückzuzahlen ist bzw. ob diese zur Tilgung von Insolvenzforderungen der Abgabenbehörde verwendet werden durfte.

Die Bf. beantragte mit Eingabe vom eine Rückzahlung einer Gutschrift.
 

Rückzahlbar sind gemäß § 239 BAO nur Guthaben auf dem Abgabenkonto.

Ein rückzahlbares Guthaben eines Abgabepflichtigen entsteht nach der Rechtsprechung des VwGH zu § 239 BAO für diesen erst dann, wenn auf seinem Steuerkonto die Summe aller Gutschriften die Summe aller Lastschriften übersteigt. Dabei kommt es nicht auf die Gutschriften an, welche die Abgabenbehörde nach Auffassung des Abgabepflichtigen hätte durchführen müssen, sondern auf die von der Abgabenbehörde tatsächlich durchgeführten Gutschriften.

Ein Guthaben im Sinne des § 215 BAO stellt sich als Ergebnis der Gebarung auf dem Abgabenkonto dar, wobei in den Fällen der zusammengefassten Verbuchung der Gebarung, wie im Beschwerdefall zutreffend, nach § 214 Abs. 1 BAO Zahlungen und sonstige Gutschriften zunächst grundsätzlich auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen sind.

Da die Einkommensteuergutschrift 2013 mit offenen Abgabenverbindlichkeiten des Bf. verrechnet worden war, befand sich am Tag der Einbringung des Rückzahlungsantrages kein Guthaben auf dessen Abgabenkonto.

Der Rückzahlungsantrag ist daher mangels Guthabens abzuweisen. 

Die Frage der Rechtmäßigkeit von Buchungen ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht im Rückzahlungsverfahren (), sondern auf Antrag des Abgabepflichtigen im Abrechnungsbescheidverfahren nach § 216 BAO zu klären.

Meinungsverschiedenheiten über die Richtigkeit der Gebarung der Abgabenbehörde können allenfalls Gegenstand eines Abrechnungsbescheides nach
§ 216 BAO sein (, VwGH Ra 2015/16/0105).

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art. 144 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall ist es nach der einschlägigen Judikatur geklärt, dass Rückzahlungen im Sinne des § 239 BAO nur erfolgen können, wenn sich auf dem Abgabenkonto des Antragstellers ein Guthaben befindet. Auch ist es in der einheitlich Judikatur geklärt, dass die Frage der Rechtmäßigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Buchungen nicht im Verfahren gemäß § 239  BAO, sondern im Abrechnungsbescheidverfahren gemäß § 216 BAO zu klären ist.
Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

 

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 216 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 239 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 239 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 214 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.2101052.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at