Kiesertraining als außergewöhnliche Belastung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri über die Beschwerde der Bf., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2010 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage sowie die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin, in der Folge als Bf. bezeichnet, erzielte im Jahre 2010 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Pensionistin und brachte die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung dieses Jahres am auf elektronischem Weg beim Finanzamt ein. In dieser machte die Bf. neben Aufwendungen für Personenversicherungen und Spenden iSd § 4a Abs 3 EStG 1988 außergewöhnliche Belastungen, u. a. im Zusammenhang mit einer bei ihr vorliegenden Behinderung im Ausmaß von 50 % sowie einer bei ihr vorliegenden Magenkrankheit iHv insgesamt Euro 6.997,28, darunter Euro 420,00 für Kiesertraining, geltend.
Mittels Vorhaltes vom forderte das Finanzamt die Bf. u. a. auf, Nachweise hinsichtlich der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen vorzulegen. Dieser Vorhalt wurde seitens der Bf. nicht beantwortet.
Das Finanzamt erließ den Bescheid betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2010 am und versagte den als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Aufwendungen die Anerkennung mit der Begründung, dass diese trotz eines diesbezüglichen Vorhaltes nicht nachgewiesen wurden. Angemerkt wird, dass in diesem Bescheid weder der Freibetrag wegen eigener Behinderung noch der Pauschbetrag nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen wegen eigener Behinderung berücksichtigt wurden.
Mit am beim Finanzamt eingelangtem Schreiben erhob die Bf. gegen diesen Bescheid rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde und legte diesem diverse Nachweise, darunter einen fachärztlichen Befund vom , betreffend der von ihr geltend gemachten Krankheitskosten und Kosten der Heilbehandlung vor.
Hinsichtlich des im vorigen Absatz erwähnten fachärztlichen Befundes wird angemerkt, dass in diesem u. a. ausgeführt wurde, dass die Bf. unter einem chronischen allergischen Asthma bronchiale mit Übergang in eine chronisch obstruktive tw. irreversible Ventilationsstörung leide und dass die im Anhang beschriebenen Maßnahmen bei dieser Erkrankung zusätzlich gesundungsfördernde Effekte aufweisen könnten. In diesem Anhang sind folgende als zur Verbesserung der Lungenfunktion dienende Maßnahmen angeführt:
Atem- und Stimmbildung (auch Singen)
Körperliche Stärkung (z.B. Kiesertraining, Fitnesscenter...)
Körperarbeit (z.B.Shiatsu, Feldenkrais, Quigong, Taichi...)
Psychische Behandlungen
Zahnbehandlungen
Regelmäßige Kontrolle und Stärkung des HNO-Bereiches
Hautärztliche Behandlungen
Untersuchungen und Behandlungen des Magen-Darmbereichs;
Feststellung und Behandlung von diversen allergenen
Auslösern (z.B. Lebensmittel, Histamin )
Einhaltung von Diäten, um allergene Auslöser geringzuhalten
Untersuchungen zur Darmflora und Behandlungen, um die
Darmflora wieder aufzubauen (nach Antibioticum bzw.
Cortisonbehandlung)
Alternativmedizinische Behandlungen zur Verringerung der
schulmedizinischen Medikation (z.B. Homöopathie, Schüßler
Salze, Biogenaprodukte...)
Bestrahlungen (z.B. mit Repuls-Gerät, Rotlichtgeräten...)
Inhalationen und Klimabehandlungen (z.B. Klimakammer,
Salzgrotte....)
Kuraufenthalte und Aufenthalte in günstigen Klimata (Meer,
Gebirge)
Das Finanzamt erließ am eine abändernde Beschwerdevorentscheidung und anerkannte in dieser Aufwendungen vor Abzug des Selbstbehaltes - § 34 Abs 4 EStG 1988 - iHv Euro 4.341,33. Als Begründung für die Ablehnung der für das Kiesertraining geltend gemachten Aufwendungen führte das Finanzamt in der diesbezüglich gesondert ergangenen Bescheidbegründung vom aus, dass für die Anerkennung von Mitgliedsgebühren für ein Fitnessstudio als außergewöhnliche Belastung die Zwangsläufigkeit (§ 34 Abs 3 EStG 1988) dieser Ausgabe durch ein vor Beginn des Besuches des Fitnessstudios ausgestelltes ärztliches Zeugnis, aus dem sich die Notwendigkeit und die Dauer des Fitnessstudiobesuches ergäben, nachzuweisen sei. Im gegenständlichen Fall sei die Bestätigung von Fr. Dr1 zwei Jahre nach Beginn des Kiesertrainings am ausgestellt worden, weshalb diese nicht als Beweismittel herangezogen werden könne.
Angemerkt wird, dass in dieser Beschwerdevorentscheidung wiederum weder der Freibetrag wegen eigener Behinderung noch der Pauschbetrag nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen wegen eigener Behinderung berücksichtigt wurden. Angemerkt wird weiters, dass Recherchen des BFG ergaben, dass der Bf. sowohl dieser Freibetrag als auch dieser Pauschbetrag in den dem Jahr 2010 vorangegangenen Jahren seitens des Finanzamtes gewährt wurden.
Im am , als Einspruch gegen den Bescheid vom bezeichneten, rechtzeitig eingebrachten, Vorlageantrag führte die Bf. u. a. aus, dass sie Fr. Dr1 seit dem Jahre 2011 als Lungenärztin konsultiere und dass diese viele Maßnahmen, darunter auch das Kiesertraining, als therapeutisch sinnvoll erachte und ihr das auch bestätigt habe. Außerdem sei es in Österreich bisher im Arzt-Patientenverhältnis nicht üblich gewesen, sich jeden schriftlichen Vorschlag gleich einmal schriftlich für das Finanzamt bestätigen zu lassen. Weiters lege die Bf. eine Bestätigung der praktischen Ärztin Fr. ^Dr2 vor. Angemerkt wird, dass diese am ausgestellt wurde und als Befundbericht bezeichnet wurde. In diesem wurde wörtlich wie folgt ausgeführt:
"Hiermit bestätigen wir, Frau Bf, geboren am 1.1., ein kontinuierliches Kiesertraining zur Verbesserung der Lungenfunktion, sowie Atem- und Stimmbildungstraining, seit mindestens Jänner 2009, anzuraten."
Da die Bf. in ihrer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung des Jahres 2010 u. a. angab, dass der Grad ihrer Behinderung 50 % betrage und da diese in dieser außerdem den pauschalen Freibetrag für Diätverpflegung wegen des Vorliegens einer Magenkrankheit bzw. einer anderen inneren Erkrankung beanspruchte und sich in den dem BFG vom Finanzamt übermittelten Akten des Finanzamtes keine diesbezüglichen Anhaltspunkte befanden, wurde die Bf. mit aufgefordert, bekannt zu geben, ob bzw. wann diese Behinderungen festgestellt worden seien und die bezughabenden Dokumente - Bescheinigung des Bundessozialamtes, Behindertenpass, etc. - vorzulegen.
Am übermittelt die Bf. dem BFG mittels E-mails ein Schreiben in dem wörtlich wie folgt ausgeführt wurde:
"Ich habe am beim Amtsarzt des Bezirkspolizeikommissariats 1 mit einem Formular des Finanzamtes wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit (Asthma bronchiale, Niere) und wegen Krankendiätverpflegung (Unverträglichkeit von
Milchprodukten, Hauterkrankungen) um Anerkennung als Absetzungsposten beim
Finanzamt eingereicht.
Aus meinen Aufzeichnungen geht hervor, dass ich mit einem Herrn Dr3 gesprochen
habe und er mir mündlich mitgeteilt hat, dass er eine Entscheidung von 50% wegen des
Asthmas und von 10% wegen Diätnotwendigkeit getroffen habe. Aus diesen meinen
Aufzeichnungen geht auch hervor, dass die schriftliche Mitteilung darüber Mitte September 1996 an das Finanzamt ergangen sei, ich aber als Beteiligte kein Anrecht auf Erhalt eben dieser schriftlichen Mitteilung hatte.
Da in der Folge das Finanzamt seither meine Anträge mit der Minderung von 50% und dem pauschalen Freibetrag über Diätverpflegung anstandslos anerkannt hat, gab es für mich in der Folge keinen Grund, die Zuerkennung anzuzweifeln und ich habe, nach Aufnahme der Möglichkeit der elektronischen Einreichung die — nach meiner Einschätzung — entsprechenden Kästchen — angekreuzt.
In den 90erJahren war es offenbar noch eine völlig legale Vorgangsweise der Behörden,
dem beteiligten Bürger in einem Verfahren die schriftliche Mitteilung vorzuenthalten.
Aus Zeitungsberichten konnte ich erfahren, dass Verhandlungen der Volksanwaltschaft mit den entsprechenden Behörden Ende der 90erJahre bzw. anfangs der 2000er Jahre zu der jetzt gültigen Regelung mit dem Verfahren über das Bundessozialamt und die Ausstellung eines Behindertenpasses für die Betroffenen führten.
1996 gab es diese Regelungen noch nicht und ich kann lhnen daher nur lndizien für das
tatsäichliche Vorhandensein einer Bewilligung vorlegen:
1. Nach meiner Erfahrung arbeiten die Leute beim Finanzamt kompetent und sorgfältig.
Seit den Neunzigerjahren wurden meine Angaben diesbezüglich anerkannt. Es kann
also gar nicht anders sein, als dass die Mitteilung des Polizeiarztes beim Finanzamt
aufgelegen ist.
2. Ich habe vor einigen Jahren um eine Kopie des Beschlusses von 1996 angesucht, weil
es mir auch wichtig erschien, diesen selbst in Händen zu haben. Damals hat man mir
telefonisch mitgeteilt, dass inzwischen alles elektronisch eingegeben wurde und auf
schriftliche Aufzeichnungen kein Zugriff mehr erfolgen kann.
3. Ich kann lhnen in Kopie meinen Frühpensionierungsbescheid durch den Arbeitgeber
von mir vom 2.2. zusenden. Dieser war ebenfalls auf der Grundlage einer
amtsärztlichen Untersuchung erfolgt. Daraus ist die Ernsthaftigkeit meiner
Erkrankung ersichtlich.
Ich hoffe, dass meine Angaben zu einer zufriedenstellenden Aufklärung führen können und verbleibe hochachtungsvoll"
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Nach § 34 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen außergewöhnliche Belastungen abzuziehen, sofern sie die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.
Eine Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
Zwangsläufig erwächst sie, wenn sich der Steuerpflichtige ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Für gewisse Aufwendungen erlaubt § 34 Abs 6 EStG 1988 einen Abzug auch ohne Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Selbstbehalt). Dazu gehören auch Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen übersteigen. Nach einer Verordnungsermächtigung kann festgelegt werden, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf den Freibetrag nach § 35 Abs 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind. Nach § 4 der diesbzgl. erlassenen Verordnung (BGBl. II 1996/303) sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen, wobei nach § 1 Abs 3 der VO keine Kürzung um eine pflegebedingte Geldleistung zu erfolgen hat.
Nach Lehre und Rechtsprechung sind Kosten der Heilbehandlung Aufwendungen für den Arzt, das Spital, für ärztlich verordnete Kuren, Therapien, Kosten für Medikamente (sofern sie mit der Behinderung in Zusammenhang stehen), dabei allenfalls anfallende Fahrt- und Transportkosten im tatsächlichen Ausmaß (JAKOM, EStG, 8. Auflg., § 35, Rz 27).
Nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Gesundheitsmaßnahme führt zu einer außergewöhnlichen Belastung. Die Aufwendungen müssen vielmehr zwangsläufig erwachsen, womit es erforderlich ist, dass die Maßnahme zur Heilung oder Linderung der Krankheit nachweislich notwendig ist. Aus diesem Grund fordern Lehre und Rechtsprechung für die Anerkennung der getätigten Aufwendungen als Nachweis jedenfalls eine ärztliche Verordnung, aus der sich die medizinische Notwendigkeit der betreffenden Maßnahme klar ergibt und die noch vor Beginn der Behandlungsleistungen zu erfolgen hat (; UFS RV/0973-L/07; UFS RV/2462-W/07; BFG RV/7104255/2014). Der Vertreter des Bf. weist selbst in seinem Vorlageantrag auf diese Voraussetzung hin.
Der von der Bf. vorgelegte, o. e. fachärztliche Befund vom erfüllt diese Voraussetzungen nicht. In diesem wird keine spezielle Therapiemaßnahme verordnet oder bestimmte Behandlung vorgeschrieben sondern lediglich ausgeführt, dass die im Anhang beschriebenen Maßnahmen - auf die obigen diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen - bei der Erkrankung der Bf. zusätzlich gesundheitsförderliche Effekte aufweisen könnten. Damit geht dieser Befund über eine allgemein gehaltene Empfehlung nicht hinaus. Konkrete Angaben über Art und Dauer einer Therapie fehlen ebenfalls, eine ärztlich überwachte Behandlung wird nicht bescheinigt. Abgesehen davon wurde dieser Befund, wie das Finanzamt zutreffend ausführte, zwei Jahre nach Beginn des in Rede stehenden Kiesertrainings erstellt.
Der o. e. Befundbericht vom ist ebenfalls nicht geeignet, den im vorletzten Absatz beschriebenen Nachweis zu erbringen, da dieser lediglich eine ärztliche Empfehlung enthält. In diesem ratete die Hausärztin der Bf. ein kontinuierliches Kiesertraining lediglich an. Dieses Anraten ist jedoch keiner die Zwangsläufigkeit der Behandlung bescheinigenden ärztlichen Verordnung gleichzusetzen, sondern bloß ein allgemein gehaltenes Gutheißen von einem derartigen Training zur Verbesserung der Lungenfunktion, aus dem zwar die Vermutung abgeleitet werden kann, dass sie der gesundheitlichen Situation der Bf. zuträglich sind. Eine zwangsläufig notwendige Maßnahme zur therapeutischen Behandlung der Krankheit wird jedoch damit nicht ausgedrückt. Diese müsste vielmehr in einer dezidierten ärztlichen Verordnung ihren Niederschlag finden.
Die Notwendigkeit einer ärztlichen Vorschreibung ist nach VwGH (w.o.) aber schon deswegen geboten, weil derartige Aufwendungen ihrer Natur nach nicht ausschließlich von Kranken, sondern auch von Gesunden vorgenommen werden, die ihre Gesundheit erhalten, oder ihr Wohlbefinden steigern oder ihre Freizeit sinnvoll und erfüllt gestalten wollen.
Da den gegenständlichen Aufwendungen für den Besuch des Kiesertrainings bereits das Merkmal der Zwangsläufigkeit fehlt, konnte dem diesbezüglichen Beschwerdebegehren im Hinblick auf die oben dargelegten, in Lehre und Rechtsprechung herausgearbeiteten, Kriterien zur Anerkennung von Heilbehandlungskosten als außergewöhnliche Belastung nicht entsprochen werden.
W. o. ausgeführt, gab die Bf. in ihrer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung des Jahres 2010 u. a. an, dass der Grad ihrer Behinderung 50 % betrage. Außerdem beanspruchte die Bf. in dieser den pauschalen Freibetrag für Diätverpflegung wegen des Vorliegens einer Magenkrankheit bzw. einer anderen inneren Erkrankung. Dennoch wurden seitens des Finanzamtes weder der Freibetrag nach § 35 Abs 3 EStG 1988 noch der Pauschbetrag nach § 2 Abs 1 der der Verordnung (VO) des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. 1996/303 idF BGBl. II 2001/416 gewährt. Eine diesbezügliche Begründung enthalten weder der bekämpfte Bescheid vom noch die Beschwerdevorentscheidung.
Im Hinblick darauf, dass die Ausführungen der Bf. im o. e. E-Mail vom als glaubhaft zu beurteilen sind, sowie darauf, dass der Bf. in den dem Jahr 2010 vorangegangenen Jahren sowohl der im vorigen Absatz genannte Freibetrag als auch der im vorigen Absatz genannte Pauschbetrag gewährt wurde, sieht es das erkennende Gericht iSd § 167 Abs 2 BAO als erwiesen an, dass bei der Bf. im gegenständlichen Zeitraum sowohl ein Grad der Behinderung im Ausmaß von 50% als auch eine Magenkrankheit bzw. andere innere Krankheit vorlag.
Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung (...), und erhält weder der Steuerpflichtige (...) eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage), so steht ihm gemäß § 35 Abs 1 EStG 1988 jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu. Nach Abs 2 bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 45% bis 54% wird gemäß Abs 3 jährlich ein Freibetrag von Euro 243,00 gewährt. Anstelle des Freibetrages können nach Abs 5 auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs 6).
Gemäß § 1 Abs 1 der Verordnung (VO) des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. 1996/303, sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige Aufwendungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat (...). Nach § 1 Abs 3 der VO sind die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs 3 EStG 1988 zu kürzen.
Als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung sind gemäß § 2 Abs 1 der VO ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten bei einer Magenkrankheit oder einer anderen inneren Krankheit 42 Euro pro Kalendermonat zu berücksichtigen.
Gemäß § 279 Abs 1 BAO idF BGBl. I Nr. 14/2013 hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
Das bedeutet, dass für den Fall, dass ein Bescheid nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes abzuändern ist, die Änderungsbefugnis des Verwaltungsgerichtes in jede Richtung besteht.
In Ansehung des vorstehend Gesagten waren der Bf. im Jahre 2010 sowohl der Freibetrag nach § 35 Abs 3 EStG 1988 als auch der Pauschbetrag nach § 2 Abs 1 der der Verordnung (VO) des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. 1996/303, zu gewähren.
Zulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Kriterien liegen im gegenständlichen Fall allesamt nicht vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 35 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 2 Abs. 1 Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 § 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2017:RV.7100594.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at