zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.05.2017, RV/7101782/2013

Ein nach § 2 GSVG Pflichtversicherter fällt als Selbständiger iSd Art. 1 Buchstabe a) Ziffer i) der Verordnung Nr. 1408/71 in den Anwendungsbereich dieser Verordnung.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat in den Beschwerdesachen Bf., gegen den Bescheid vom  (Berichtigung gem § 293  BAO des Bescheids vom ) des ffff  betreffend Differenzzahlung bezüglich Familienbeihilfe für Mai 2006 bis Dezember 2006 sowie gegen den Bescheid vom des ffff betreffend Abweisung des Antrages auf Differenzzahlung bezüglich Familienbeihilfe für Jänner 2007 bis Dezember 2007 nach der am abgehaltenen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt: 

Den Beschwerden wird stattgegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Nach Auflösung des unabhängigen Finanzsenates zum (Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG) ging die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des bei dieser Behörde anhängigen Verfahren auf das Bundesfinanzgericht über. Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind am bei dem unabhängigen Finanzsenat anhängige Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Im folgenden Text wird die der neuen Rechtslage entsprechende Terminologie verwendet.

Strittig ist ob die gesetzlichen Voraussetzungen für den Bezug von Differenzzahlungen betreffend Familienbeihilfe in den im Spruch angeführten Zeiträumen erfüllt sind.

Die belangte Behörde gewährte die in zwei Anträgen des Beschwerdeführers (Bf.), eines slowakischen Staatsangehörigen, beantragte Familienbeihilfe  im Umfang einer Differenzzahlung  für seine drei in der Slowakei wohnhaften minderjährigen Kinder für die im Spruch angeführten Zeiträume nicht.

Der Beschwerdeführer sei in den Jahren 2006 und 2007 als Werbemittelverteiler in Österreich tätig gewesen und habe diese Tätigkeit "trotz Vorliegens einer Gewerbeberechtigung" im Rahmen eines Dienstverhältnisses (nichtselbständig) ausgeübt. Der Beschwerdeführer sei infolge des Beitritts der Slowakei zur Europäischen Union vom persönlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 des Rates erfasst und hätte grundsätzlich Anspruch auf Familienleistungen auch für Kinder, die sich ständig in einem anderen EU-Land aufhielten, "sofern er die Voraussetzungen erfüllt". Diesbezüglich sei "Folgendes zu bedenken": Mit dem EU-Erweiterungs-Anpassungsgesetz, BGBl. I Nr. 28/2004, habe Österreich den Beitritt der neuen Mitgliedstaaten umgesetzt und von der vertraglichen Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Arbeitnehmerfreizügigkeit für die neuen EU-Staatsbürger einzuschränken. In § 32a Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) sei normiert, dass die "neuen EU-Bürger" nicht unter die Ausnahme für EWR-Bürger fielen. Sie unterlägen für die Dauer der Anwendung des Übergangsarrangements weiterhin dem AuslBG. Für slowakische Arbeitnehmer bestehe daher grundsätzlich bis Bewilligungspflicht nach dem AuslBG. Weiters halte sich der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig in Österreich auf, weil er die Voraussetzungen des § 51 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) nicht erfülle, weil er keine ausreichenden Existenzmittel nachgewiesen habe.

In den Beschwerden erachtet sich der  Beschwerdeführer im Recht auf Zuerkennung der Differenzzahlung an Familienbeihilfe verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu in beschwerdegegenständlichem Fall Folgendes in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen ():

"Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a des Familienlastenausgleichsgesetzes - FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

Nach § 3 Abs. 1 und 2 FLAG haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach § 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) rechtmäßig in Österreich aufhalten, und für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann, wenn sich diese nach § 8 und 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Gemäß § 53 Abs. 1 FLAG sind Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hierbei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

Die Anwendbarkeit der mit § 53 Abs. 1 FLAG angesprochenen gemeinschaftsrechtlichen (nunmehr unionsrechtlichen) Bestimmungen, nämlich der im Beschwerdefall noch maßgeblichen Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern AB1EG. Nr. L 149 vom , (in der Folge Verordnung Nr. 1408/71) verneint die belangte Behörde mit der Begründung, die primärrechtlichen Bestimmungen im Zusammenhang mit dem Beitritt der Slowakei zur Europäischen Union erlaubten Österreich die Einschränkung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern slowakischer Staatsangehörigkeit.

Damit gleicht der Beschwerdefall demjenigen, den der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom , 2011/16/0236, entschieden hat, mit der Maßgabe, dass dem dort für polnische Staatsangehörige erwähnten Anhang XII der Beitrittsakte, ABIEU. Nr. L 236 vom , im vorliegenden Beschwerdefall für slowakische Staatsangehörige der Anhang XIV der Beitrittsakte entspricht.

Die von der belangten Behörde gesehene Verletzung der Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes vermag aus den Gründen des erwähnten Erkenntnisses vom , auf welche gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, die Anwendung der Verordnung Nr. 1408/71 im Beschwerdefall nicht zu verhindern."

Das Finanzamt brachte im Zuge des fortgesetzten Verfahrens folgende Stellungnahme ein:

"Das Erkenntnis nimmt auf das Erkenntnis des VwGH 2011/16/0236 Bezug.  

In diesem Erk. führt der VwGH insbesondere aus:  

Art. 13 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 lautet:

"(2) Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt folgendes:

a) Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;

b) eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats eine selbständige Tätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt;

….

f) eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiterhin unterliegt, ohne dass die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gemäß einer der Vorschriften in den vorhergehenden Buchstaben oder einer der Ausnahmen bzw. Sonderregelungen der Artikel 14 bis 17 auf sie anwendbar würden, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, nach Maßgabe allein dieser Rechtsvorschriften."

 

(…)

 

„Soweit Art. 13 Abs. 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1408/71 auf den Beschwerdeführer tatsächlich nicht anwendbar wäre und Art. 13 Abs. 2 Buchstabe b) dieser Verordnung die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit verlangt, käme im Beschwerdefall - wenn sowohl Art. 13 Abs. 2 Buchstabe a) als auch Buchstabe b) nicht heranzuziehen wären - Art. 13 Abs. 2 Buchstabe f) zum Tragen, denn die belangte Behörde hat einen Sachverhalt, dass der Beschwerdeführer im Streitzeitraum weiterhin den polnischen Rechtsvorschriften unterlegen wäre (etwa im Streitzeitraum in Polen abhängig beschäftigt gewesen oder eine selbständige Tätigkeit ausgeübt hätte) nicht festgestellt.“

 

Fraglich ist in dem vorliegenden Fall, ob der Bf. nicht noch den slowakischen Vorschriften unterlegen ist. Im Anlassfall vor dem VwGH (2011/16/0236) war der Revisionswerber ein polnischer Staatsangehöriger, bei dem auf Grund der räumlichen Entfernung ausgeschlossen werden kann, dass dieser neben seiner Tätigkeit in Ö. auch in PL tätig gewesen sein könnte. Der Bf. hingegen hätte auf Grund der räumlichen Nähe zu seinem Familienwohnort in der SK sehr wohl auch dort eine Tätigkeit ausüben können (er war ja zwischenzeitig auch nicht in Ö gemeldet und tätig und ist davon auszugehen, dass er zumindest in den Jahren 2012 – 2014 in der SK berufstätig gewesen ist)."

Daraufhin erließ das Finanzamt  im fortgesetzten Verfahren folgenden Vorhalt an den Bf. datiert mit : „Sie haben für die Jahre 2007, 2008, 2009 und 2010 Anträge auf Zuerkennung von Differenz- bzw. Ausgleichszahlungen für Ihre Kinder geb. 1991, geb. 1997 und geb. 2002 (genaue Namen und Geburtsdaten sind aktenkundig) beantragt.

Nach der Aktenlage war Ihre Gattin während des oben angeführten Zeitraumes (und auch

danach) in der Slowakei nichtselbständig erwerbstätig und Ihre Kinder in der Slowakei

wohnhaft. Ebenfalls nach der Aktenlage waren Sie in den Jahren 2011, 2012, 2013 und 2014 zumindest teilweise nicht in Österreich erwerbstätig und versichert, weswegen davon auszugehen ist, dass Sie zumindest in diesen Jahren einer Erwerbstätigkeit in der Slowakei nachgegangen sind.

Ein Anspruch auf Differenz- beziehungsweise Ausgleichszahlung besteht insbesondere nach den Artikeln 1, 2, 4, 13,73 und 76 der VO (EWG) 1408/71 nur dann, wenn Österreich nach diesen Bestimmungen zumindest nachrangig für die Gewährung von Familienleistungen zuständig ist.

Um die Anwendbarkeit dieser Artikel der VO (EWG) 1408/71 überprüfen zu können, werden Sie

aufgefordert, dem Finanzamt

- Ihre slowakischen Einkommensteuerbescheide oder

- Bestätigungen der slowakischen Steuerbehörde, in welcher Höhe Einkünfte in der

Slowakei bezogen oder/und erwirtschaftet worden sind betreffend die Jahre 2006, 2007, 2008, 2009 und 2010 in Kopie unter Beifügung beglaubigter Übersetzungen zu übermitteln.

Da der Sohn geb. 1991 (genauer Name und Geb.datum sind aktenkundig) bereits im Jahr 2009 sein 18. Lebensjahr vollendet hat, werden Sie aufgefordert nachzuweisen, dass dieser Sohn in den Jahren 2009 und 2010 eine Ausbildung oder Fortbildung im Sinne des § 2 FamiIienlastenausgleichsgesetz absolviert hat.

Dieses Ergänzungsersuchen wird auch dem Bundesfinanzgericht zur Kenntnisnahme übermittelt werden und wird auch Ihre Antwort nach deren Einlangen an das Gericht weitergeleitet werden.“

Seitens des Bf. wurden Bescheinigungen übermittelt, aus denen hervorgeht, dass in den beschwerdegegenständlichen Zeiträumen von 2007 bis 2010 keine Einkünfte in der Slowakei erzielt wurden.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung, zu der der Bf. trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, verwies das Finanzamt auf den Akteninhalt und stellte weiters keine Anträge.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Es liegt kein Sachverhalt vor, wonach der Beschwerdeführer im Streitzeitraum im Zusammenhang mit streitgegenständlichem Begehren weiterhin den slowakischen Rechtsvorschriften unterlegen wäre (etwa im Streitzeitraum in der Slowakei abhängig beschäftigt gewesen wäre oder eine selbständige Tätigkeit ausgeübt hätte), bzw. wurde ein derartiger Sachverhalt vom Finanzamt ohnehin in der mündlichen Beschwerdeverhandlung auch nicht behauptet.  

Beweiswürdigung

Das Bundesfinanzgericht erkennt die von einer slowakischen Behörde bestätigte Bescheinigung für das Jahr 2007 (siehe o.a. Ergänzungsersuchen des Finanzamtes an den Bf. vom ), wonach der Bf. in diesem Zeitraum keine slowakischen Einkünfte bezogen hat, als den Tatsachen entsprechend an. Weiters wird angemerkt, dass der Finanzamtsvertreter in der mündlichen Beschwerdeverhandlung keine weiteren Anträge gestellt hat.

Rechtslage

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a des Familienlastenausgleichsgesetzes - FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

Nach § 3 Abs. 1 FLAG in der im Beschwerdefall für den Zeitraum bis zum  maßgeblichen Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 646/1977 haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen; kein Anspruch besteht jedoch, wenn die Beschäftigung nicht länger als drei Monate dauert. Kein Anspruch besteht außerdem, wenn die Beschäftigung gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstößt.

Nach § 3 Abs. 2 FLAG in der im Beschwerdefall für den Streitzeitraum bis zum  maßgeblichen Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004, gilt § 3 Abs. 1 nicht für Personen, die sich seit mindestens 60 Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, sowie für Staatenlose und Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 1997 gewährt wurde.

Nach § 3 Abs. 1 und 2 FLAG in der für den Streitzeitraum ab maßgeblichen Fassung des Fremdenrechtspaktes 2005, BGBl. I Nr. 100, haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) rechtmäßig in Österreich aufhalten, und für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann, wenn sich diese nach §§ 8 und 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Gemäß § 53 Abs. 1 FLAG sind Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hierbei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

Nach Art. 1 Buchstabe a) Ziffer i) der im Beschwerdefall noch maßgeblichen Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ABlEG Nr. L 149 vom , (in der Folge Verordnung Nr. 1408/71) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1606/98 des Rates vom , ABlEG Nr. L 209 vom , gilt als Arbeitnehmer oder Selbständiger jede Person, die gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer oder Selbständige oder einem Sondersystem für Beamte erfasst werden, pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist.

Nach Artikel 1 Buchstabe f) Ziffer i) der Verordnung Nr. 1408/71 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 307/1999 des Rates vom , ABlEG Nr. L 38 vom , gilt als Familienangehöriger jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, oder in hier nicht interessierenden Fällen als Familienangehöriger bestimmt, anerkannt oder als Haushaltsangehöriger angesehen wird; wird nach diesen Rechtsvorschriften eine Person jedoch nur dann als Familienangehöriger oder Haushaltsangehöriger angesehen, wenn sie mit dem Arbeitnehmer oder dem Selbständigen oder dem Studierenden in häuslicher Gemeinschaft lebt, so gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn der Unterhalt der betreffenden Person überwiegend von diesem bestritten wird.

Gemäß Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 in der erwähnten Fassung der Verordnung (EG) Nr. 307/1999 des Rates gilt die Verordnung Nr. 1408/71 für Arbeitnehmer und Selbständige sowie für Studierende, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.

Nach Art. 4 Abs. 1 Buchstabe h) der Verordnung Nr. 1408/71 in der konsolidierten Fassung ABlEG Nr. L 28 vom gilt die Verordnung für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die u.a. Familienleistungen betreffen.

Gemäß Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 in der Fassung der erwähnten Verordnung (EG) Nr. 1606/98 unterliegen vorbehaltlich der Artikel 14c (Sonderregelungen für Personen, die im Gebiet verschiedener Mitgliedstaaten gleichzeitig eine abhängige Beschäftigung und eine selbständige Tätigkeit ausüben) und 14f (Sonderregelung für in mehr als einem Mitgliedstaat tätige Beamte, die in einem dieser Staaten im Rahmen eines Sondersystems versichert sind) Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel (Art. 13 bis 17).

Art. 13 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 lautet:

"(2) Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt folgendes:

     a) Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;

     b) eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats eine selbständige Tätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt;

     ….

     f) eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiterhin unterliegt, ohne dass die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gemäß einer der Vorschriften in den vorhergehenden Buchstaben oder einer der Ausnahmen bzw. Sonderregelungen der Artikel 14 bis 17 auf sie anwendbar würden, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, nach Maßgabe allein dieser Rechtsvorschriften."

Nach Art. 73 der Verordnung Nr. 1408/71 hat ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, vorbehaltlich hier nicht interessierender Bestimmungen in Anhang VI, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staats, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten.

Art. 76 der Verordnung Nr. 1408/71 stellt Prioritätsregeln für den Fall der Kumulierung von Ansprüchen auf Familienleistungen gemäß den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates und den Rechtsvorschriften des Staates auf, in dem die Familienangehörigen wohnen.

Der dritte Teil (Ständige Bestimmungen) Titel I (Anpassungen der Rechtsakte der Organe) der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge, ABIEU Nr. L 236 vom , S.33 ff, (im Folgenden: Beitrittsakte) sieht in Art. 20 vor, dass die in Anhang II aufgeführten Rechtsakte nach Maßgabe jenes Anhanges angepasst werden.

Anhang II (Liste nach Art. 20 der Beitrittsakte) Kapitel 2 (Freizügigkeit) Punkt A (Soziale Sicherheit) erwähnt die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 mit näher angeführten Anpassungen.

Der vierte Teil (Bestimmungen mit begrenzter Geltungsdauer) Titel I (Übergangsmaßnahmen) der Beitrittsakte sieht in Art. 24 vor, dass u.a. die in Anhang XIV bzw. XII zu dieser Akte aufgeführten Maßnahmen auf die neuen Mitgliedstaaten unter den in diesen Anhängen festgelegten Bedingungen Anwendung finden.

Anhang XIV bzw. Anhang XII der Beitrittsakte (Liste nach Art. 24 der Beitrittsakte: Slowakei (Polen) führt unter Kapitel 2 (Freizügigkeit) die Richtlinien 68/360/EWG des Rates und 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie die Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates an und sieht vor:

     "1. Hinsichtlich der Freizügigkeit von Arbeitnehmern und der Dienstleistungsfähigkeit mit vorübergehender Entsendung von Arbeitskräften im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 96/71/EG gelten Artikels 39 und Artikel 49 Absatz 1 des EG-Vertrages zwischen Slowakei (Polen) einerseits und ….., Österreich, …. andererseits in vollem Umfang nur vorbehaltlich der Übergangsbestimmungen der Nummern 2 bis 14.

     2. Abweichend von den Artikeln 1 bis 6 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und bis zum Ende eines Zeitraums von zwei Jahren nach dem Tag des Beitritts werden die derzeitigen Mitgliedstaaten nationale oder sich aus bilateralen Abkommen ergebende Maßnahmen anwenden, um den Zugang polnischer Staatsangehöriger zu ihren Arbeitsmärkten zu regeln. Die derzeitigen Mitgliedstaaten können solche Maßnahmen bis zum Ende eines Zeitraums von fünf Jahren nach dem Tag des Beitritts weiter anwenden.

     …..

     5. Ein Mitgliedstaat, der am Ende des unter Nummer 2. genannten Zeitraums von fünf Jahren nationale oder sich aus bilateralen Abkommen ergebende Maßnahmen beibehält, kann im Falle schwerwiegender Störungen seines Arbeitsmarktes oder der Gefahr derartiger Störungen nach entsprechender Mitteilung an die Kommission diese Maßnahmen bis zum Ende des Zeitraums von sieben Jahren nach dem Tag des Beitritts weiter anwenden. Erfolgt keine derartige Mitteilung, so gelten die Artikel 1 bis 6 der Verordnung (EWG) Nr.1612/68.

     …..

     13. Um tatsächlichen oder drohenden schwerwiegenden Störungen in bestimmten empfindlichen Dienstleistungssektoren auf ihren Arbeitsmärkten zu begegnen, die sich in bestimmten Gebieten aus der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 96/71/EG ergeben können, können Deutschland und Österreich, solange sie gemäß den vorstehend festgelegten Übergangsbestimmungen nationale Maßnahmen oder Maßnahmen aufgrund von bilateralen Vereinbarungen über die Freizügigkeit polnischer Arbeitnehmer anwenden, nach Unterrichtung der Kommission von Artikel 10 des EG-Vertrags abweichen, um ……

     ….."

Dem Beitrittsvertrag ist die Schlussakte angefügt, deren Titel III (Sonstige Erklärungen) Teil C (Gemeinsame Erklärungen der derzeitigen Mitgliedstaaten) Punkt 15. (Die Erklärung zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer: Polen), ABlEU Nr. L 236 vom , Seite 977, lautet:

"Die EU weist auf das hohe Maß an Differenzierung und Flexibilität in der Regelung für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer hin. Die Mitgliedstaaten werden sich bemühen, slowakische/polnischen Staatsangehörigen nach nationalem Recht verstärkt Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewähren, um die Angleichung an den Besitzstand zu beschleunigen. Die Beschäftigungsmöglichkeiten für slowakische/polnische Staatsangehörige in der EU sollten sich daher mit dem Beitritt der Slowakei (Polens) erheblich verbessern. Darüber hinaus werden die Mitgliedstaaten der EU die vorgeschlagene Regelung auf die bestmögliche Weise nutzen, um so rasch wie möglich zu einer vollständigen Anwendung des Besitzstands im Bereich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu gelangen."

Die Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 1408/71 im Beschwerdefall verneint die belangte Behörde mit der Begründung, die primärrechtlichen Bestimmungen im Zusammenhang mit dem Beitritt der Slowakei  zur Europäischen Union erlaubten Österreich die Einschränkung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern slowakischer Staatsangehörigkeit.

Die Einschränkung der Freizügigkeit slowakischer/polnischer Staatsangehöriger ergibt sich aus Art. 24 und Anhang XIV bzw. Anhang XII der Beitrittsakte. Gemäß Anhang  XIV bzw. XII  der Beitrittsakte wird die Freizügigkeit durch die Übergangsbestimmungen des jeweiligen Anhangs eingeschränkt. Die in Anhang XIV bzw. Anhang XII aufgeführten Maßnahmen erwähnen die Verordnung Nr. 1408/71 nicht, sondern lediglich die Verordnung Nr. 1612/68 des Rates sowie die Richtlinien 68/360/EWG des Rates und 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates. Bereits deshalb ist nach dem klaren Wortlaut dieser unionsrechtlichen Vorschriften, an deren Auslegung das Gericht insoweit keinen Zweifel hegt, die Anwendung der Verordnung Nr. 1408/71 durch die Beitrittsakte nicht eingeschränkt worden.

Auch die von der belangten Behörde gesehene Verletzung der Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes vermag die Anwendung der Verordnung Nr. 1408/71 im Beschwerdefall nicht zu verhindern.

Nach § 2 Abs. 1 Z 1 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes - GSVG sind auf Grund dieses Bundesgesetzes, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung die Mitglieder der Kammern der gewerblichen Wirtschaft pflichtversichert.

Nach § 2 Abs. 1 des Wirtschaftskammergesetzes 1998 sind alle physischen und juristischen Personen sowie sonstigen Rechtsträger, die Unternehmungen des Gewerbes, des Handwerks, der Industrie, des Bergbaues, des Handels, des Geld-, Kredit- und Versicherungswesens, des Verkehrs, des Nachrichtenverkehrs, des Rundfunks, des Tourismus und der Freizeitwirtschaft sowie sonstiger Dienstleistungen rechtmäßig selbständig betreiben oder zu betreiben berechtigt sind, Mitglieder der Wirtschaftskammern und Fachorganisationen.

Das Unionsrecht stellt in der im Beschwerdefall noch maßgeblichen Verordnung Nr. 1408/71 darauf ab, dass die betreffende Person gegen eines der Risiken pflicht- oder freiwillig weiterversichert ist. § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG stellt bei der Pflichtversicherung u.a. auf die Mitgliedschaft zur Wirtschaftskammer ab. § 2 Wirtschaftskammergesetz wiederum sieht eine Kammermitgliedschaft einerseits bei rechtmäßigem Ausüben einer bestimmten Tätigkeit oder bei der Berechtigung zur Ausübung dieser Tätigkeit vor, wobei die tatsächliche Ausübung dieser Tätigkeit diesfalls nicht gefordert wird.

Die belangte Behörde hat  festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Beschwerdezeitraum eine Gewerbeberechtigung innehat. Sohin wäre der Beschwerdeführer zur Ausübung solcher gewerblicher Tätigkeiten berechtigt und Mitglied der Kammer der gewerblichen Wirtschaft gewesen. Der Bf. ist somit  "in der SVA" (gemeint: nach § 2 GSVG) pflichtversichert gewesen. Dergestalt fiele der Beschwerdeführer aber als Selbständiger iSd Art. 1 Buchstabe a) Ziffer i) der Verordnung Nr. 1408/71 jedenfalls gemäß Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 in den Anwendungsbereich dieser Verordnung, auch ohne diese gewerbliche Tätigkeit ausgeübt zu haben (vgl. auch die (Dodl und Oberhollenzer), Rn 31, und vom in der Rs. C-516/09 (Tanja Borger), Rn 28, und das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/16/0260, sowie Aigner/Wanke, in Csaszar/Lenneis/Wanke, Familienlastenausgleichsgesetz, § 3, Rz 190 und 191).

Allfällige Überlegungen, auf einen nicht am "legalen" Arbeitsmarkt Tätigen wäre die Verordnung Nr. 1408/71 nicht anzuwenden (Csaszar, aaO, § 53 Rz 22; diesen Überlegungen aber entgegen tretend etwa Aigner/Wanke, aaO, § 3 Rz 190 bis 192, 195 und 196) oder ein solcher wäre kein abhängig Beschäftigter iSd Art. 13 Abs. 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1408/71, gingen im Beschwerdefall somit ins Leere.

Soweit Art. 13 Abs. 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1408/71 auf den Beschwerdeführer tatsächlich nicht anwendbar wäre und Art. 13 Abs. 2 Buchstabe b) dieser Verordnung die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit verlangt, käme im Beschwerdefall - wenn sowohl Art. 13 Abs. 2 Buchstabe a) als auch Buchstabe b) nicht heranzuziehen wären - Art. 13 Abs. 2 Buchstabe f) zum Tragen, denn die belangte Behörde hat einen Sachverhalt, dass der Beschwerdeführer im Streitzeitraum weiterhin den slowakischen Rechtsvorschriften unterlegen wäre (etwa im Streitzeitraum in der Slowakei abhängig beschäftigt gewesen wäre oder eine selbständige Tätigkeit ausgeübt hätte) nicht festgestellt. ( iVm ).

Erwägungen

Deshalb ergibt sich aus den unstrittig vorgelegenen Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 2 Abs. 1 und des Art. 13 Abs. 2 sowie des Art. 73 der Verordnung Nr. 1408/71, dass der Beschwerdeführer für die Streitzeiträume nach diesen unmittelbar anwendbaren unionsrechtlichen Bestimmungen Anspruch auf Familienbeihilfe im Ausmaß der Differenzzahlung für seine in der Slowakei lebenden Kinder bei beschwerdegegenständlichem Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen (insb. Art. 1 Buchstabe f) Ziffer i) der Verordnung Nr. 1408/71 und § 2 Abs. 2 FLAG) hat ().

Zur Nichtzulassung der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung nicht fehlt bzw. die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einheitlich beantwortet wird.


Insgesamt ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.7101782.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at