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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.07.2017, RV/6100407/2016

Abfindungszahlung einer wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführerin als Aufgabegewinn

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter

A

in der Beschwerdesache

BF, BFStraße, BFOrt,

vertreten durch

StB,

gegen

FA, FA-Straße, FAOrt

wegen

behaupteter Rechtswidrigkeit des Bescheides vom , betreffend Einkommensteuer 2014

zu Recht erkannt: 

1. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

2. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

[...]

[...]

Von den laufenden Einnahmen in Höhe von € 22.500,00 zog die BF Betriebsausgaben für Sozialversicherungsbeiträge, ein Betriebsausgabenpauschale von 6% und den Grundfreibetrag für den Gewinnfreibetrag ab. Darüber hinaus erklärte die BF einen Veräußerungsgewinn von € 10.500,00 und machte dafür den Freibetrag von € 7.300,00 nach § 24 Abs. 4 EStG geltend. Insgesamt erklärte die BF sohin Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 15.888,29.

Mit Ergänzungsersuchen vom forderte das FA Unterlagen zum Erwerb und zum Verkauf der 50%igen GmbH Beteiligung und der Berechnung des Veräußerungsgewinnes an.

Binnen offener Frist beantwortete die BF durch ihren steuerlichen Vertreter das Ergänzungsersuchen dahingehend, dass es sich bei dem Veräußerungsgewinn nicht um den Verkauf des GmbH Anteiles gehandelt habe. Dieser sei um € 1,00 veräußert worden, wie dem beigelegten Notariatsakt zu entnehmen sei. Es habe sich um eine Abfindungszahlung an die BF gehandelt, wie dem ebenfalls vorgelegten Aufhebungsvertrag vom zu entnehmen sei.

In der Folge veranlagte das FA die BF zur Einkommensteuer für 2014 und legte der Besteuerung Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von € 21.275,18 zu Grunde. Zur Begründung führte das FA aus, dass zu den Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit die Gehälter und sonstigen Vergütungen zählten, die für die sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses aufweisende Beschäftigung von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte gewährt würden. Die als Abfindung bezeichnete Ausgleichszahlung zähle daher zu den Einkünften und stelle keinen Aufgabegewinn dar.

Gegen diese Entscheidung erhob die BF durch ihren ausgewiesenen steuerlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde und führte darin unter Verweis auf die Entscheidung des Zl 2011/15/0101 aus, dass die Einstellung der Tätigkeit durch einen GmbH-Geschäftsführer, der Einkünfte aus selbständiger Arbeit beziehe, zu einer Betriebsaufgabe führe und daher gegebenenfalls ein begünstigter Übergangs- bzw. Aufgabegewinn entstehen könne. Unter Verweis auf den Aufhebungsvertrag zwischen der Gesellschaft und der BF führte der steuerliche Vertreter aus, dass die Abfindung kausal mit der Einstellung der Tätigkeit sei und ohne die Betriebsaufgabe nicht angefallen wäre.

Das FA erließ eine Beschwerdevorentscheidung und wies das Begehren der BF ab. Zur Begründung verwies das FA darauf, dass mit Vertrag vom vereinbart worden sei, die Tätigkeit der BF für die B GmbH rückwirkend zum zu beenden. Damit sei der Geschäftsführerbetrieb zu diesem Stichtag aufgegeben worden. Die Forderung aus der Abfindung sei somit erst nach dem Ausscheiden als Geschäftsführerin entstanden. Diese Forderung könne, wie auch das BFG in RV/5100199/2012 angeführt habe, nicht im Aufgabegewinn erfasst werden.

Die BF beantragte darauf fristgerecht die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das BFG und führte ergänzend aus, dass die vom FA zitierte Entscheidung nicht auf den gegenständlichen Fall anwendbar seien, da dort Sachverhalte nach bereits erfolgter Betriebsaufgabe behandelt würden. Im gegenständlichen Fall seien die Ansprüche aber kausal und unmittelbar mit der Vereinbarung vom entstanden, da die BF nur unter dieser Voraussetzung bereit gewesen sei, diesem Aufhebungsvertrag zuzustimmen. Zum sei nur die Abberufung als Geschäftsführerin erfolgt, nicht jedoch das Dienstverhältnis beendet worden. So werde auch im Vertrag vom vereinbart, die BF ab von der Arbeit freizustellen und sie von ihren Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft entbunden. Das arbeitsrechtliche Dienstverhältnis sei somit wohl mit beendet worden.

Das FA beantragte im Vorlagebericht die Abweisung der Beschwerde. Es liege kein begünstigter Veräußerungsgewinn vor, da dieser erst nach Betriebsaufgabe entstanden sei.

Das BFG hat dazu erwogen:

Das BFG nimmt den im Folgenden dargestellten Sachverhalt als erwiesen an und legt ihn der Beurteilung zugrunde. Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt der Verwaltungsakten, dem darin enthaltenen, von der BF im Beschwerdeverfahren vorgelegten, Aufhebungsvertrag vom sowie den im Firmenbuch öffentlich einsehbaren Urkunden betreffend die B GmbH zu FN 385655 s.

Die B GmbH wurde im September 2012 in das Firmenbuch eingetragen. Gesellschafterinnen des Unternehmens waren am Beginn und auch im Zeitraum August/September 2014 zu je 50% C und die BF. Beide Gesellschafterinnen wurden mit separatem Gesellschafterbeschluss aus dem September 2012 auch zu einzelzeichnungs- und vertretungsbefugten Geschäftsführerinnen bestellt. Dies ergibt sich aus dem Firmenbuchauszug der B GmbH sowie den im Firmenbuch erliegenden dazu Urkunden.

Im Frühsommer 2014 kam es zwischen den beiden Geschäftsführerinnen zu erheblichen Differenzen über die Führung der Gesellschaft, die letztlich nur durch eine Entflechtung der gesellschafts- und vermögensrechtlichen Verbindungen gelöst werden konnte. Dies ergibt sich aus dem Vorbringen der BF im Beschwerdeverfahren.

Die Auflösung der gesellschafts- und arbeitsrechtlichen Verhältnisse der BF gegenüber der Gesellschaft erfolgte im Aufhebungsvertrag vom , in dem diese Entflechtung detailliert geregelt wurde. Dies ergibt sich aus dem Vorbringen der BF im Beschwerdeverfahren und dem dazu vorgelegten Vertrag vom .

Mit wurde das Dienstverhältnis mit der BF zu diesem Stichtag einvernehmlich gelöst und eine Abfindung von € 10.500,00 vereinbart. Diese Zahlung war notwendige Voraussetzung für die Zustimmung der BF zum Ausscheiden aus der Geschäftsführung. Diese Feststellung, die sich nur teilweise mit dem Vorbringen der BF deckt, ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Zunächst ist festzuhalten, dass dieser Aufhebungsvertrag in sich und auch in der Zusammenschau mit den Eintragungen im Firmenbuch nicht ohne Widerspruch ist.

Im Aufhebungsvertrag ist von einem Gesellschafterbeschluss vom die Rede, mit der die BF als Geschäftsführerin der Gesellschaft abberufen worden sei. Eine diesbezügliche Urkunde wurde im Verfahren nicht vorgelegt. Bei Einsicht in die Urkundensammlung des Firmenbuches ist ein solcher Gesellschafterbeschluss ebenfalls nicht auffindbar. In der Urkundensammlung scheint jedoch ein Gesellschafterbeschluss vom auf, mit dem die Abberufung der BF von der Funktion als Geschäftsführerin durch C erfolgt ist, die zu diesem Zeitpunkt bereits Alleingesellschafterin der GmbH war.

Das Dienstverhältnis mit der BF wurde nach § 1 des Aufhebungsvertrages vom „einvernehmlich rückwirkend zum “ aufgelöst. Dies „vor dem Hintergrund“, dass die BF zum als Geschäftsführerin abberufen worden sei. Der Grund für diese nicht belegte Parteienvereinbarung ist dem BFG, unabhängig von der allfälligen Beurteilung einer rückwirkenden Vereinbarung unter steuerlichen Aspekten, nicht nachvollziehbar.

Alle weiteren Vereinbarungen über die Tätigkeit und die Verantwortlichkeit der BF als Dienstnehmerin und als Geschäftsführerin wurden dann, für das BFG nachvollziehbar, auf den Tag der Unterfertigung des Aufhebungsvertrages bezogen:

Die BF wurde in § 4 des Aufhebungsvertrages „als Geschäftsführerin“ unwiderruflich ab von ihrer Arbeit freigestellt und von ihren Verpflichtungen entbunden.

Die Gesellschaft billigte in § 5 des Aufhebungsvertrages "die bis zum Beginn der Freistellung geleistete Tätigkeit" der BF als "Geschäftsführerin“ und erteilte ihr die Entlastung.

Ein Abfindungsanspruch der BF für den Verlust des Dienstverhältnisses in Höhe von € 10.500,00 entstehend „mit Abschluss dieser Vereinbarung“ wurde in § 2 des Aufhebungsvertrages vom vereinbart.

Betrachtet man diese Vertragsbestimmungen und die im Firmenbuch vorliegenden Unterlagen, so kann das BFG dem FA darin nicht folgen, dass die Funktion der BF als Geschäftsführerin und ihr Dienstverhältnis (dieses rückwirkend) bereits zum beendet worden wären, auch wenn dies in § 1 des Aufhebungsvertrages wohl einvernehmlich zwischen den beiden Gesellschafterinnen so formuliert wurde. Es darf nur der Vollständigkeit halber nochmals darauf hingewiesen werden, dass zum eine Abberufung der BF als Geschäftsführerin nicht belegt ist. Eine solche Abberufung gegen ihren Willen durch die zweite 50% Gesellschafterin wäre nach den Bestimmungen des § 16 Abs. 1 iVm § 39 Abs. 1 GmbH Gesetzes auch rechtlich nicht möglich gewesen.

Die weiteren Punkte des Aufhebungsvertrages zeigen auch deutlich, dass das Dienstverhältnis der BF  noch bis zum Ablauf des bestand, sie für das Unternehmen jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt auch noch als Geschäftsführerin tätig war und erst mit dem Aufhebungsvertrag eine, möglicherweise schon länger geplante, Entflechtung der arbeitsrechtlichen Verhältnisse durchgeführt wurde.

Auch die Entflechtung der gesellschaftsrechtlichen und organschaftlichen Verhältnisse wurde erst mit diesem Aufhebungsvertrag am begonnen. Deren Umsetzung erfolgte mit Notariatsakt über die Abtretung der Gesellschaftsanteile und dem darauf folgenden Gesellschafterbeschluss der nunmehrigen Alleingesellschafterin C, mit dem die BF „mit sofortiger Wirkung“ als Geschäftsführerin abberufen wurde.

Welche Schritte zum gesetzt wurden ist nicht nachvollziehbar, dokumentiert sind Vereinbarungen zur Beendigung des Dienstverhältnisses, die ab Wirksamkeit entfalten. Damit erachtet es das BFG in freier Beweiswürdigung als sicher, dass die „Betriebsaufgabe“ des Geschäftsführerbetriebes wie vom steuerlichen Vertreter der BF dargelegt, aufgrund des Aufhebungsvertrages zum erfolgte.

Das BFG folgt der BF auch darin, dass die Abfindungszahlung für sie notwendige Voraussetzung für die Aufgabe der Geschäftsführungsfunktion und für die Unterfertigung des Aufhebungsvertrages war. Wie oben dargestellt, wäre es der zweiten 50% Gesellschafterin mangels entsprechender Mehrheit nicht möglich gewesen, die Geschäftsführungstätigkeit der BF zu beenden, ohne den Gerichtsweg zu beschreiten. Gerade derartiges Aufsehen sollte aber vermieden werden, wie aus Punkt 1. des Aufhebungsvertrages ersichtlich ist. Die Bezahlung der Abfindung war daher wirtschaftlich eindeutig ein Entgelt für die Aufgabe der Geschäftsführungstätigkeit der BF für das Unternehmen. Aufgrund dieses Aufhebungsvertrages wurde zum konsequenterweise zu diesem Termin die sonstige selbständige Tätigkeit der BF (das „Dienstverhältnis“ zur Gesellschaft) aufgegeben.

Die Einstufung der Tätigkeit der BF als sonstige selbständige Tätigkeit hängt nicht an der Geschäftsführertätigkeit, sondern an einer Tätigkeit, die – abgesehen von der Weisungsgebundenheit – alle Merkmale eines Dienstverhältnisses aufweist. Dieses Dienstverhältnis ist aber – wie oben beschrieben – nach den Beweisergebnissen und deren Würdigung jedenfalls mit Ablauf des beendet worden, die Forderung auf die Abfindung war mit diesem Tag entstanden. Dies unterscheidet den gegenständlichen Sachverhalt auch von dem Sachverhalt im Verfahren RV/5100199/2012 auf den das FA Bezug genommen hat.

Die entsprechende Forderung der BF gegen die Gesellschaft entstand damit zum und ist als Aufgabegewinn zu berücksichtigen und nicht für einen Zeitraum nach der Betriebsaufgabe.

Das BFG sieht kein Problem darin, dass die organschaftliche Umsetzung der Beendigung der Geschäftsführungstätigkeit der BF erst rund drei Wochen später erfolgt ist. Jede Form der Betriebsaufgabe benötigt eine gewisse Zeit um auch umgesetzt und abgewickelt zu werden. Dass es sich dabei um einen einheitlichen Vorgang gehandelt hat, steht für das BFG aufgrund des zuvor Gesagten außer Zweifel.

In rechtlicher Hinsicht ist zum gegenständlichen Verfahren auszuführen, dass die von den Parteien als Dienstverhältnis bezeichnete Beschäftigung der BF unter § 22 Z.2, 2. Teilstrich EStG 1988 zu subsumieren ist.

Die Aufgabe einer sonstigen selbständigen Tätigkeit im Sinne des § 22 Z.2, 2. Teilstrich EStG 1988 ist eine Betriebsaufgabe, die auch den Begünstigungen des § 24 bzw. allenfalls des § 37 EStG zugänglich ist. ( Zl 2011/15/010)

Die in Frage stehende Forderung wurde für die Aufgabe der sonstigen selbständigen Tätigkeit vereinbart, der Betrag von € 10.500,00 ist daher dem Aufgabegewinn zuzurechnen.

Für diesen Aufgabegewinn besteht der beantragte Freibetrag in Höhe von € 7.300,00 nach § 24 Abs. 4 EStG.

Damit ist der Beschwerde zu folgen. Die Einkommensteuer für das Jahr 2014 ist nach dem ursprünglichen Antrag der BF festzusetzen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, ob ein Gesellschafter Geschäftsführer, der Einkünfte aus sonstiger selbständiger Tätigkeit bezieht, einen Betrieb im Sinne des § 24 EStG aufgeben kann, wurde vom VwGH bereits beantwortet. Die Frage, wann und wofür der Anspruch auf die strittige Abfindungszahlung erworben wurde, ist eine Sachverhaltsfrage. Eine Revision an den VwGH ist daher nicht zulässig.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Aufgabegewinn
sonstige selbständige Einkünfte
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.6100407.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at