Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.04.2017, RV/2101138/2015

Das Vorliegen von Umsätzen führt zum Ausschluss des Vorsteuer-Erstattungsverfahrens

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/2101138/2015-RS1
Das Vorhandensein von Umsätzen, auch wenn dessen Entgelte infolge Uneinbringlichkeit notleidend geworden sind, schließt die Anwendung des Vorsteuer-Erstattungsverfahrens aus. Die Festsetzung der Jahresumsatzsteuer hat daher im regulären Veranlagungsverfahren zu erfolgen. Denn § 1 Abs. 1 Z 1 Erstattungs-VO sieht ausdrücklich als negatives Merkmal vor, dass keine Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 vorliegen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter X. in der Beschwerdesache Bf. über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Graz-Stadt vom , betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2012 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert und die Umsatzsteuer für das Jahr 2012 mit 2.711,18 € (Gutschrift) festgesetzt.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Im eingereichten Fragebogen für das Veranlagungsverfahren für ausländische Unternehmer vom wurde allgemein ausgeführt, der Bf. betreibe ein Speditions- bzw. Transportgewerbe. Die Ware komme aus Österreich und werde in Österreich geliefert.

Am ist beim Finanzamt für das Jahr 2012 eine Umsatzsteuererklärung eingelangt, aus der hervorgeht, dass unter Kennzahl 060 Vorsteuern in Höhe von 2.711,17 € beansprucht würden. Die Originalerklärung konnte vom Finanzamt nicht mehr beigebracht werden.

Im angefochtenen Bescheid führte es unter Hinweis auf die Bestimmungen der Erstattungsverordnung sinngemäß aus, die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern sei zwingend im Erstattungsverfahren geltend zu machen. Daher sei eine Veranlagung gemäß § 21 Abs. 4 UStG 1994 nicht durchzuführen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. durch seinen steuerlichen Vertreter Beschwerde und führte aus, er habe im 1. Quartal Umsätze mit österreichischer Umsatzsteuer getätigt. Diese mussten jedoch als Forderungsverluste ausgebucht werden. Parallel dazu wurde eine gegenständlich nicht zu behandelnde Vorsteuererstattung für 2012 beantragt.

Mit Vorhalt vom wurde der Bf. aufgefordert, alle Ein- und Ausgangsrechnungen abschriftlich vorzulegen und bekanntzugeben, warum die DE-UID im Jänner 2014 gelöscht wurde. Die Eingangsrechnungen wurden teilweise vorgelegt.

In seiner Beschwerdevorentscheidung führte das Finanzamt aus, der Zusammenhang zwischen den erklärten Umsätzen und dem Berichtigungsbetrag sei nicht unmittelbar zu erkennen und der behauptete Forderungsausfall wäre nicht belegt. Zu diesem Forderungsausfall sei bereits eine Voranmeldung 4-6/2012 abgegeben worden. Es könne nicht jeder Unternehmer vorsorglich auf das vorzunehmende Erstattungsverfahren hingewiesen werden. Der Bf. hätte bereits im Mai 2012 Kenntnis gehabt, dass kein Umsatz im Jahr 2012 angefallen sei und somit wäre es möglich gewesen entweder bis eine "Nullerklärung mit Vorsteuern" oder bis einen Erstattungsantrag einzureichen. Auf Grund der späten Erklärungsabgabe am sei festzustellen gewesen, dass eine Veranlagung für 2012 nicht zu erfolgen habe.

In seinem Vorlageantrag verwies der Bf. auf sein bisheriges Beschwerdevorbringen und ergänzte weiters, der angezweifelte Forderungsausfall könne vom betreibenden Rechtsanwalt bestätigt werden. In der weiteren Folge wurde nach Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht eine Bestätigung des (bisherigen) deutschen steuerlichen Vertreters vom des Inhalts vorgelegt, dass auf Grund der Insolvenz der anderen Unternehmen E.sped und S.Trans uneinbringliche Forderungen entstanden seien, die als Forderungsverluste verbucht werden mussten.

In seinem Vorlagebericht verwies das Finanzamt auf die vorgelegten Aktenteile und dass seiner Ansicht entsprechend dem § 1 VO BGBl. Nr. 1995/279 kein anderslautender Bescheid hätte ergehen können.

Im Rahmen des mit dem Bf. durchgeführten finanzgerichtlichen Vorhalteverfahrens stellte sich folgender Sachverhalt heraus:

Der Bf. betreibt/betrieb ein Speditionsunternehmen in Kiefersfelden und übernahm die Durchführung von Güterbeförderungen. Da er weder über eigene noch geleaste Transportfahrzeuge verfügte, bediente er sich slowenischer Frachtführer (S.Trans des M. V. und E.sped, an letzterer war er mehrheitsbeteiligt, aber nicht Geschäftsführer). Da diese Unternehmen für ihn Frachten durchgeführt haben, war vereinbart, dass er den Treibstoff einkaufe und diesen mit den Frachtgebühren gegenverrechne. Daher wurden 2012 entsprechende Ausgangsrechnungen erstellt. Es ergab sich jedoch ein Überhang zu Lasten des Bf., der nicht mehr einbringlich war. Daher seien die Entgelte aus der Lieferung inländischen Treibstoffs uneinbringlich geworden. Die Betankung und Inanspruchnahme österreichischer Bundesstraßen erfolgte durch Tank-und Mautkarten des Bf., die den slowenischen Frachtführern überlassen und von ihnen entsprechend verwendet wurden.

Zu Bescheinigung seiner Angaben wurden eine vom deutschen steuerlichen Vertreter erstellte Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG und die ausgestellten Rechnungen vorgelegt.

Der belangten Behörde (Finanzamt) wurden die Ermittlungsergebnisse und deren vorläufige richterliche Beurteilung zur Stellungnahme bekanntgegeben, welche sich zustimmend geäußert hat.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtsquellen:

Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird

BGBl. Nr. 279/1995, BGBl. II Nr. 416/2001, BGBl. II Nr. 384/2003, BGBl. II Nr. 222/2009, BGBl. II Nr. 174/2010, BGBl. II Nr. 389/2010, BGBl. II Nr. 158/2014

§ 1. (1) Die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, ist abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2, 3 und 3a durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum

1. keine Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994oder

2. nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 oder

3. nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§ 19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz UStG 1994) oder

4. im Inland nur Umsätze, die unter eine Sonderregelung gemäß § 25a, Art. 25a UStG 1994 oder eine Regelung gemäß Art. 358 bis 369k der Richtlinie 2006/112/EG in einem anderen Mitgliedstaat fallen, ausgeführt hat.

(2) Abs. 1 gilt nicht für Vorsteuerbeträge, die anderen als den in Abs. 1 bezeichneten Umsätzen im Inland zuzurechnen sind.

Änderung der Bemessungsgrundlage

§ 16. (1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 geändert, so haben

Z. 1. der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag, und

Z. 2. der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Die Berichtigungen sind für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung des Entgeltes eingetreten ist.

(2) Die Berichtigung des Vorsteuerabzuges kann unterbleiben, wenn ein dritter Unternehmer den auf die Minderung des Entgeltes entfallenden Steuerbetrag an das Finanzamt entrichtet; in diesem Fall ist der dritte Unternehmer Schuldner der Steuer. Die Steuer ist für den Veranlagungszeitraum zu entrichten, in dem die Änderung des Entgeltes eingetreten ist.

(3) Abs. 1 gilt sinngemäß, wenn

Z. 1. das Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, so sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen;

Z. 2. für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist;

Z. 3. eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung rückgängig gemacht worden ist.
(4) Ist eine Einfuhrumsatzsteuer, die als Vorsteuer abgezogen worden ist, herabgesetzt, erlassen oder erstattet worden, so hat der Unternehmer den Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Der letzte Satz des Abs. 1 gilt sinngemäß.

Auf Grund oa. Sachverhaltsausführungen ist davon auszugehen, dass für 2012 ein steuerbarer und steuerpflichtiger Umsatz von 3.486,48 € erzielt wurde, dessen Entgelt wiederum notleidend geworden ist. In einem Parallelverfahren ist auch die belangte Behörde davon ausgegangen, dass die Leistungsempfängerin den in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug zu berichtigen habe. Somit wird von einer Uneinbringlichkeit des Entgelts nach § 16 Abs. 3 Satz 1 UStG 1994 ausgegangen. Ein Beweis der Uneinbringlichkeit im strengen Sinn ist nicht erforderlich. Es muss genügen, wenn glaubhaft gemacht wird, dass mit einer Zahlung innerhalb absehbarer Zeit nicht mehr gerechnet werden kann (Ruppe/Achatz, UStG 19944, § 16 Rz. 78).

Daher war als Folge dieser Rechtsansicht der Beschwerde in dem Umfang Folge zu geben, als in Summe keine (Leistungs-) Umsatzsteuer anfällt und die Vorsteuern aus den (frustrierten) Aufwendungen in Höhe von 2.711,18 € jedoch zu gewähren waren. Dem Bundesgericht obwalten keine Bedenken, dass die Vorsteuern nicht im Zusammenhang mit dem Unternehmen des Bf. anfielen. Abgesehen davon kann der Unternehmer Vorsteuerbeträge für Leistungen abziehen, die für sein Unternehmen im Zeitpunkt des Leistungsbezuges ausgeführt worden sind, auch dann wenn es zur Ausführung dieser Umsätze letztendlich nicht kommt (vgl. "INZO").

Die im angefochtenen Bescheid und der Beschwerdevorentscheidung zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht, eine Veranlagung zur Umsatzsteuer habe nicht stattzufinden und der Bf. wäre auf das Vorsteuererstattungsverfahren zu verweisen, wird nicht geteilt, da diese von der ausschließlichen und zwingenden Anwendung des Erstattungsverfahrens ausgeht. Diese Rechtsmeinung ist möglicherweise auf eine vom Finanzamt angestellte saldierende Betrachtungsweise zurückzuführen.

Die Schlussfolgerung, dass ein getätigter und in der Folge notleidend (uneinbringlich) gewordener Umsatz kein Umsatz sei und damit zur Anwendung der Erstattungsverordnung führe, wird nicht geteilt, denn § 1 Abs. 1 Z 1 Erstattungs-VO sieht ausdrücklich als negatives Merkmal vor, dass keine Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 vorliegen. Die (Weiter-) Lieferung inländischen Treibstoffs stellt nach hg. Ansicht eine steuerbare und steuerpflichtige Inlandslieferung dar. Die belangte Behörde ist dem nicht entgegengetreten. Die sich in der Folge ergebende Uneinbringlichkeit des Entgelts ändert an dieser Tatsache nichts. Daher sind die Voraussetzungen der Anwendung der Erstattungsverordnung nicht gegeben und die Besteuerung hat im regulären Veranlagungsverfahren zu erfolgen.

Die Umsatzsteuer 2012 berechnet sich wie folgt:


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steuerbare Umsätze
3.486,48
Steuerpflichtige Umsätze (20%)
3.486,48
Umsatzsteuer
697,29
Berichtigung des Steuerbetrages § 16 UStG
-697,29
Vorsteuern
-2.711,18
Gutschrift
-2.711,18

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 21 Abs. 4 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995
§ 16 Abs. 3 Satz 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.2101138.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at