Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.06.2017, RV/3100980/2016

Fiktive Anschaffungskosten umfassen typische Nebenkosten (GrESt, Grundbuchseintragungsgebühren)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch Berater über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt ABC vom betreffend Einkommensteuer 2014 zu Recht erkannt:

I.) Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem am Ende der Entscheidungsgründe als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II.) Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I.) Verfahrensgang und Sachverhalt:

Die Bf (Beschwerdeführerin) hat im Jahr 001 eine Wohnung in B, Straße 1, erworben. Die Wohnung wurde von der Bf privat genutzt und erst im Jahr 2014 (erstmals) zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwendet.

2.) Die fiktiven Anschaffungskosten wurden wie folgt ermittelt:


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25-facher Jahresreinertrag
170.796,60 €
GrESt 3,5 %
5.977,88 €
Grundbucheintragung 1,5%
1.878,76 €
Abzgl Grund und Boden 20 %
-35.740,00
Wert des Gebäudes
142.960 €

Ausgehend von einem Gebäudewert von 142.960 € wurde die AfA mit 1,5 % der Bemessungsgrundlage, sohin mit einem Betrag von 2.144,29 € ermittelt.

3.) Im Einkommensteuerbescheid vom wurden bei Ermittlung der fiktiven Anschaffungskosten die Nebenkosten im Betrag von 7.856,64 € nicht anerkannt. Die AfA vermindert sich nach der Brechung des Finanzamtes auf 2.049,60 € (Bemessungsgrundlage 136.640 €).

4.) Gegen den genannten Bescheid wurde mit Eingabe vom fristgerecht Beschwerde erhoben und unter Verweis auf Rz 6441 der Einkommensteuerrichtlinien die Ansicht vertreten, die Nebenkosten seien Teil der fiktiven Anschaffungskosten.

5.) In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom wurde ausgeführt, die fiktiven Anschaffungskosten könnten nur im Schätzungsweg auf Grundlage einer Liegenschaftsbewertung ermittelt werden. Im gegenständlichen Fall liege aber kein Schätzgutachten vor.

6.) Im rechtzeitig gestellten Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Verwaltungsgericht vom wurde vorgebracht, das Erfordernis eines Schätzgutachten sei den Richtlinien nicht zu entnehmen.

7.) Im Vorlagebericht vom wurde vom Finanzamt die Ansicht vertreten, die im Jahr 001 entrichtete Grunderwerbssteuer und die Grundbuchseintragungsgebühr seien der privaten Sphäre der Bf zuzurechnen. Die Fiktion könne nur die für eine Anschaffung unbedingt notwendigen Kosten umfassen. Andernfalls wären sämtliche im Zusammenhang mit einer Anschaffung denkmöglichen Kosten in die Bemessung der fiktiven Anschaffungskosten miteinzubeziehen. Für eine Anschaffung nach dem Einkommensteuergesetz seien weder ein Erwerbsvorgang nach dem Grunderwerbsteuergesetz noch eine Grundbuchseintragung erforderlich.

II.) Rechtslage und Erwägungen:

1.) Wird ein zum nicht steuerverfangenes Grundstück im Sinne des § 30 Abs. 1 EStG 1988 erstmalig zur Erzielung von Einkünften verwendet, sind der Bemessung der Absetzung für Abnutzung die fiktiven Anschaffungskosten zum Zeitpunkt der erstmaligen Nutzung zur Einkünfteerzielung zu Grunde zu legen (§ 16 Abs. 1 Z 8 lit. c EStG 1988).

2.) Die fiktiven Anschaffungskosten sind ein Schätzwert, dessen Ermittlung durch einen Schätzungsakt vorzunehmen ist, für dessen Durchführung nähere gesetzliche Regelungen nicht existieren

3.) Fiktive Anschaffungskosten sind jene Kosten, die der Erwerber aufwenden hätte müssen, um das Wirtschaftsgut zu erwerben. Die fiktiven Anschaffungskosten gehen daher vom Käufer aus. Bei Gebäuden kommen daher auch die üblichen Anschaffungsnebenkosten wie zB GrESt, Grundbuchseintragungsgebühr hinzu, die bei einem gedachten Erwerb jedenfalls angefallen wären (vgl. vgl. Doralt, EStG13, § 16, Rz 152/1, § 6 Rz 107, Zorn in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer (EStG 1988)-Kommentar, § 16, Rz 9.4.).

4.) Der Rechtsansicht des Finanzamtes, wonach Anschaffungsnebenkosten keinesfalls vom Begriff der fiktiven Anschaffungskosten umfasst seien, vermag sich das Bundesfinanzgericht nicht anzuschließen. Grunderwerbsteuer und Grundbuchseintragungsgebühren fallen bei einer typischen Anschaffung jedenfalls an. Sie sind gehören daher zu den fiktiven Anschaffungskosten.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärungsgemäß zu veranlagen.

III.) Zulässigkeit einer Revision:

Die Revision ist zulässig, weil zur Frage, ob die fiktiven Anschaffungskosten auch die (typischwerweise anfallenden) Nebenkosten umfassen noch keine höchstgerichtliche Judikatur vorliegt.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.3100980.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at