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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 17.02.2017, RV/5101567/2014

Beurteilung eines Anbringens nach seinem objektiven Erklärungswert

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache BF, gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Grieskirchen Wels vom zu VNR 001, mit dem ein Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe für das Kind K (VNR 002) betreffend den Zeitraum Jänner 2014 bis März 2014 abgewiesen wurde, beschlossen:

Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt einen Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung der Familienbeihilfe für das Kind K betreffend den Zeitraum Jänner 2014 bis März 2014 ab. Gemäß § 2 Abs. 1 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung bestehe Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn diese zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird. Das Kind habe die HTL nicht abgeschlossen.

Gegen diesen laut RSb-Rückschein am zugestellten Bescheid wurde mit einer undatierten und nicht unterschriebenen Eingabe, die am beim Finanzamt eingelangt ist, folgende als Berufung bezeichnete Beschwerde erhoben:

"Berufung gegen den Bescheid vom
Da mein Sohn K den Zivildienst mit Dezember 2013 abgeschlossen hat und zu frühest möglichen Termin seine Ausbildung (am in V) zum diplomierten Gesundheit- und Krankenpfleger begonnen hat, erhebe ich Beschwerde und berufe mich auf § 2 Abs. 1 lit. E. Familienausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung besteht Anspruch für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für die Zeit zwischen die Beendigung des Zivildienstes und Beginn der Ausbildung. Dies ist der Zeitraum von Januar 2014 bis März 2014. Ich ersuche höflichst um Nachzahlung der Familienbeihilfe für die erwähnten Monaten."

Die auf dieser Beschwerde fehlende Unterschrift wurde im Zuge eines vom Finanzamt durchgeführten Mängelbehebungsverfahrens nachgeholt.

Mit Eingabe vom , beim Finanzamt persönlich am eingebracht, wurde eine als "Einspruch gegen den Abweisungsbescheid" bezeichnete zweite Beschwerde gegen den bereits angefochtenen Bescheid vom eingebracht. In dieser wurde ausgeführt:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit erhebe ich Einspruch gegen ihren Bescheid der mir erteilt wurde, dass ich die Familienbeihilfe für meinen Sohn K zwischen Jänner und März 2014 nicht rückwirkend überwiesen bekomme. Laut meines Erachtens hätte ich Anspruch auf die Familienbeihilfe auch rückwirkend zwischen Jänner und März 2014.

Ab Vollendung des 18. Lebensjahres wird die Auszahlung von Familienbeihilfe nur unter bestimmten Voraussetzungen gewährt. Dies ist der Fall, wenn das Kind beispielsweise sich zwischen der Beendigung des Präsenz-‚ Ausbildungs- oder Zivildienstes und dem Beginn oder der Fortsetzung einer Berufsausbildung befindet (die Berufsausbildung muss zum frühestmöglichen Zeitpunkt begonnen oder fortgesetzt werden).

Quelle https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/8/Seite.080711.html

Da mein Sohn den frühestmöglichen Termin zum beginnen seiner Ausbildung wahrgenommen hat nämlich den und er nicht mehr als € 10.000 in diesem Jahr verdient hat haben wir laut der oben angegebenen Website Anspruch auf Familienbeihilfe.

Auch die Arbeiterkammer W bestätigt unseren Anspruch.

Versicherungsdaten:
Bf. (Mutter): 001; K (Sohn): 002"

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , zugestellt laut RSb-Rückschein am , wies das Finanzamt die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom als unbegründet ab. Nach neuerlichem Hinweis auf die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG führte das Finanzamt aus, dass das Kind der Beschwerdeführerin seine "Schulausbildung abgebrochen" habe "und daher kein Grundanspruch für die Zwischenzeit" bestehe. § 2 Abs. 1 lit. e FLAG löse für sich alleine keinen Familienbeihilfenanspruch aus.

In der Rechtsmittelbelehrung zu dieser Beschwerdevorentscheidung wurde darauf hingewiesen, dass diese wie eine Entscheidung über die Beschwerde wirke, es sei denn, dass innerhalb eines Monats nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde (Vorlageantrag) durch das Bundesfinanzgericht beim Finanzamt gestellt werde.

Ein solcher Vorlageantrag ist nicht aktenkundig und wurde auch im Vorlagebericht des Finanzamtes vom nicht erwähnt. Die Eingabe vom wird darin ausdrücklich als "zweite Beschwerde" bezeichnet. Auch in der Beihilfendatenbank ist kein weiterer Eingang zum gegenständlichen Beschwerdeverfahren angemerkt, vielmehr wurde die am eingelangte Eingabe (zweite Beschwerde vom ) als Eingangsstück mit dem Code 11 ("Berufung gegen erste BVE") erfasst und damit vom Finanzamt als Vorlageantrag gewertet.

Der für die Erledigung der gegenständlichen Beschwerde zuständig gewesene Richter trat in den Ruhestand. Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichtes vom wurde in weiterer Folge der erkennende Richter für die Erledigung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Rechtslage und Erwägungen

§ 264 BAO normiert:

(1) Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.

(2) Zur Einbringung eines Vorlageantrages ist befugt

a) der Beschwerdeführer, ferner

b) jeder, dem gegenüber die Beschwerdevorentscheidung wirkt.

(3) Wird ein Vorlageantrag rechtzeitig eingebracht, so gilt die Bescheidbeschwerde von der Einbringung des Antrages an wiederum als unerledigt. Die Wirksamkeit der Beschwerdevorentscheidung wird durch den Vorlageantrag nicht berührt. Bei Zurücknahme des Antrages gilt die Bescheidbeschwerde wieder als durch die Beschwerdevorentscheidung erledigt; dies gilt, wenn solche Anträge von mehreren hiezu Befugten gestellt wurden, nur für den Fall der Zurücknahme aller dieser Anträge.

(4) Für Vorlageanträge sind sinngemäß anzuwenden:

a) § 93 Abs. 4 und 5 sowie § 245 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 bis 5 (Frist),

b) § 93 Abs. 6 und § 249 Abs. 1 (Einbringung),

c) § 255 (Verzicht),

d) § 256 (Zurücknahme),

e) § 260 Abs. 1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung),

f) § 274 Abs. 3 Z 1 und 2 sowie Abs. 5 (Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung).

(5) Die Zurückweisung nicht zulässiger oder nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge obliegt dem Verwaltungsgericht.

(6) Erfolgt die Vorlage der Bescheidbeschwerde an das Verwaltungsgericht nicht innerhalb von zwei Monaten ab Einbringung des Vorlageantrages bzw. in den Fällen des § 262 Abs. 3 und 4 (Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung) ab Einbringung der Bescheidbeschwerde, so kann die Partei (§ 78) beim Verwaltungsgericht eine Vorlageerinnerung einbringen. Diese wirkt wie eine Vorlage der Beschwerde. Sie hat die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdevorentscheidung und des Vorlageantrages zu enthalten.

(7) Durch die Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung scheidet der Vorlageantrag aus dem Rechtsbestand aus.

Für die Beurteilung von Anbringen im Sinne des § 85 Abs. 1 BAO (zu denen auch Rechtsmittel und somit auch Vorlageanträge zählen) kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes (z.B. ; , 2006/17/0360; , 2009/15/0152; , 2010/17/0053, 0054).

Maßgebend für die Wirksamkeit einer Prozesserklärung ist das Erklärte, nicht das Gewollte (zB -0289; , 2006/16/0129). Allerdings ist das Erklärte der Auslegung zugänglich (; , 2009/15/0152).

Parteierklärungen im Verwaltungsverfahren sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, es kommt also darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss (; , 2006/16/0129); , 2010/15/0188).

Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (z.B. ; , 2010/15/0035; , 2009/15/0152; , 2010/15/0188).

Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist eine davon abweichende, nach außen auch andeutungsweise nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgeblich (z.B. ; , 2003/16/0009; , 2007/15/0041).

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung ist die Eingabe der Beschwerdeführerin vom als ergänzender Schriftsatz zur bereits eingebrachten Beschwerde vom zu werten. Die vom Finanzamt vorgenommene Wertung als Vorlageantrag ist schon deswegen verfehlt, weil in dieser Eingabe auch nicht ansatzweise zum Ausdruck gebracht wird, dass eine Vorlage der Beschwerde und eine Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht begehrt werden. Ein diesbezügliches Begehren enthält diese Eingabe schon deswegen nicht, weil im Zeitpunkt der Verfassung () und Einbringung der Eingabe beim Finanzamt () noch gar keine Beschwerdevorentscheidung ergangen war (diese datiert vom und wurde erst am zugestellt).

Selbst wenn man die Eingabe vom als Vorlageantrag werten würde, wäre für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen. Ein Vorlageantrag setzt unabdingbar eine Beschwerdevorentscheidung voraus (; , 2006/15/0373). Wird er vor Zustellung der Beschwerdevorentscheidung gestellt, so ist er wirkungslos (z.B. ; , 99/15/0136). Auch in diesem Fall wäre daher mangels wirksamen Vorlageantrages das gegenständliche Beschwerdeverfahren einzustellen gewesen.

Das gegenständliche Beschwerdeverfahren war somit aufgrund des Fehlens eines wirksamen Vorlageantrages, der unabdingbare Voraussetzung für die Begründung der Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes und eine Entscheidung durch dasselbe ist, mit Beschluss einzustellen (z.B. mit Hinweis auf ).

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 85 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.5101567.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at