Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.05.2017, RV/2100125/2015

Krankheitskosten für den behinderten, volljährigen Sohn als außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. R in der Beschwerdesache Bf, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Graz-Umgebung vom , betreffend Einkommensteuer 2013 (Arbeitnehmerveranlagung) zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2013 machte die Beschwerdeführerin EUR 2.485,67 als außergewöhnliche Belastung für ihren volljährigen, behinderten Sohn geltend.

Mit Bescheid vom wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin insoweit entsprochen als die geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von EUR 1.868,02 zum Ansatz gebracht wurden. Diese wirkten sich wegen des Selbsthalts nicht steuermindernd aus. In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde eingewendet, dass gemäß § 34 Abs. 7 Z 4 EStG Unterhaltszahlungen für Kinder absetzbar seien, wenn sie beim Berechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Zur Untermauerung ihres Vorbringens wurden Auszüge aus dem Arbeitsbuch Oberlaa übermittelt. 

Mit Beschwerdevorentscheidung wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Eine "Belastung" im Sinne des § 34 EStG setze Geldausgaben voraus, von denen nicht nur das Vermögen, sondern das laufende Einkommen betroffen sei. Aufwendungen seien nur insoweit außergewöhnlich, als sie höher sind als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse erwachsen. Die geltend gemachten Aufwendungen für den Sohn der Beschwerdeführerin seien weder eine Belastung ihres Einkommens noch außergewöhnlich.

In dem dagegen erhobenen Vorlageantrag führte die Beschwerdeführerin aus, dass Eltern gemäß § 231 ABGB einen angemessenen Beitrag zur Deckung der Bedürfnisse ihrer Kinder zu leisten hätten. Dazu zähle die medizinische Versorgung. Würde dem Kind ein über den Durchschnittsbedarf hinausgehender Mehrbedarf erwachsen, so seien diese Kosten als Sonderbedarf einzustufen. Ein solcher Mehrbedarf sei von den Eltern deckungspflichtig. Dieser Mehrbedarf dürfe weder aus dem regulärem Unterhalt noch durch Leistungen von dritter Seite bestritten werden. Da ihr Sohn weder über ein Einkommen verfüge noch die geltend gemachten Aufwendungen von dritter Seite bezahlt worden seien, liege ein für die Beschwerdeführerin deckungspflichtiger Sonderbedarf vor. Die Bezahlung der Kosten für ihren Sohn erfülle die Kriterien des § 34 Abs. 1 Z 1 EStG.

Mit Vorhalt vom wurde die Beschwerdeführerin vom Bundesfinanzgericht aufgefordert, eine detaillierte Aufstellung der von ihr beantragten Ausgaben, die im Zusammenhang mit der Behinderung ihres Sohnes stehen, an Hand von Belegen nachzuweisen. Mit Schreiben vom teilte die Beschwerdeführerin mit, dass ihr Sohn 2013 Pflegegeldleistungen in Höhe von EUR 7.251,60 erhalten habe. Mit Bescheid der BH Graz Umgebung sei ihr Sohn allerdings verpflichtet worden, ab September 2013 monatlich einen Betrag von EUR 483,44 an den Sozialhilfeverband zurückzuzahlen. Die Beschwerdeführerin legte Belege über EUR 2.485,67 für Aufwendungen vor, welche beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Strittig ist, ob die Beschwerdeführerin für ihren volljährigen Sohn Michael, geb. 1991, Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastung geltend machen kann.

Gemäß § 34 Abs.1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen.

Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen: 1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2). 2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3). 3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst (Abs. 2).

Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (Abs. 3).

Abs. 4 Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.

Gemäß § 34 Abs. 7 Z 1 EStG in der Fassung des BGBl. I 2009/26 sind Unterhaltsleistungen für Kinder durch die Familienbeihilfe sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) Anspruch auf diese Beträge hat.

Für Unterhaltsleistungen sieht darüberhinaus die Bestimmung des § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 in der Fassung des BGBl. 1993/818 vor, dass diese nur insoweit abgezogen werden können, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs. 4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen.

Die vom Gesetzgeber in § 34 Abs. 7 EStG 1988 gewählte Umschreibung schließt beispielsweise die Anerkennung laufender Unterhaltszahlungen von Kindern an mittellose Eltern und sonstige nahe Angehörige von einer Begünstigung nach § 34 EStG 1988 aus (vgl. Hofstätter/Reichel , Einkommensteuer-Kommentar, Tz 23 zu § 34 Abs. 6 bis 9 EStG 1988). Nach § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 bleiben Unterhaltsleistungen aber jedenfalls insoweit abziehbar, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltspflichtigen selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Dazu zählen vor allem Krankheits- oder Pflegekosten (vgl. Hofstätter/Reichel , Einkommensteuer-Kommentar, Tz 33 zu § 34 Abs. 6 bis 9 EStG 1988, mit weiteren Nachweisen).

Nach den Gesetzesmaterialien zu § 34 EStG idF BGBl. 400/1988 wird zu der in § 34 Abs. 7 EStG enthaltenen Einschränkung, wonach Unterhaltsleistungen nur insoweit absetzbar sind, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, ausgeführt, dass Aufwendungen, die zB durch Krankheit oder Behinderung von Kindern erwachsen, weiterhin abzugsfähig bleiben, weil in diesen Fällen beim Unterhaltsberechtigten selbst - würde er die Kosten tragen - die Voraussetzungen für eine außergewöhnliche Belastung vorlägen. Gesetzliche Unterhaltsleistungen kommen grundsätzlich als außergewöhnliche Belastungen in Betracht, weil es sich um Belastungen handelt, denen sich der Steuerpflichtige aus rechtlichen Gründen nicht entziehen kann. § 34 Abs. 7 EStG 1988 schließt allerdings Unterhaltsleistungen im Wesentlichen als außergewöhnliche Belastungen aus. Nur Aufwendungen, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden, sind nach § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 beim Verpflichteten abzugsfähig. Darunter fallen zB Krankheits-, Pflege- oder Betreuungskosten der Kinder, des (Ehe)Partners oder eines Elternteiles (vgl. Doralt, EStG11 , § 34 Tz 56 und 60; Jakom/Baldauf EStG, 2012, § 34 Rz 68).

Gemäß der im Verfassungsrang stehenden Bestimmung des § 34 Abs. 7 Z 5 EStG 1988 idF des BGBl. 1996/201 sind Unterhaltsleistungen an volljährige Kinder, für die keine Familienbeihilfe ausbezahlt wird, außer in den Fällen und im Ausmaß der Z 4 weder im Wege eines Kinder- oder Unterhaltsabsetzbetrages noch einer außergewöhnlichen Belastung zu berücksichtigen.

Der steuerlichen Berücksichtigung des laufenden Unterhalts steht somit § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 entgegen. Die genannte Norm schließt den Abzug der laufenden Unterhaltszahlungen an Unterhaltsberechtigte aus (), wobei es nicht darauf ankommt, ob bzw. aus welchen Gründen der Unterhaltsberechtigte daran gehindert ist, erwerbstätig zu sein (vgl. Erkenntnis vom , 98/14/0133). Weiterhin abzugsfähige Aufwendungen wären Krankheitskosten, da in einem solchen Fall beim Unterhaltsberechtigten selbst - würde er die Kosten tragen - die Voraussetzungen für eine außergewöhnliche Belastung vorlägen (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 93/14/0207).

Im vorliegenden Fall ist das Vorliegen einer Krankheit bzw. Behinderung des Sohnes der Beschwerdeführerin unbestritten und auch das Vorliegen von Krankheitskosten (wie Arzthonorare, Betreuungskosten und Blindenstock) wurden dem Bundesfinanzgericht glaubhaft gemacht. Dass der geltend gemachte Betrag für Aufwendungen getätigt worden ist, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen, hat die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall belegmäßig unter Beweis gestellt ().

Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie den nach § 34 Abs. 4 EStG 1988 zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen des § 34 EStG können nur den Selbstbehalt übersteigende Beträge als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, da nur solche Beträge die "wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen".

Es liegen daher dem Grunde nach anerkennungsfähige Aufwendungen iHv EUR 2.485,67 vor. Der den Selbstbehalt iHv EUR 1.980,92 übersteigende Betrag in Höhe von EUR 504,75 kann als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung finden. 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im vorliegenden Fall  war keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.

Graz, am

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