Vorliegen eines Hinterziehungstatbestandes im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO im Falle nicht erklärter schweizerischer Zinserträge
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. R als Vorsitzenden und die weiteren Senatsmitglieder über die Beschwerde des XY, vertreten durch Dr. S, gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2004 in der Sitzung am zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer hat aus seiner in der Schweiz ausgeübten Tätigkeit resultierende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erklärt.
2. Aufgrund einer der schweizerischen Zahlstelle erteilten Ermächtigung zur freiwilligen Meldung gemäß Art. 9 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt wurden der österreichischen Finanzverwaltung Informationen über die vom Beschwerdeführer bei der M Bank AG unterhaltenen Konten samt den jährlichen Kontoständen der Jahre 2002 bis 2012 übermittelt.
3. Mit Ergänzungsersuchen vom hat das Finanzamt den Beschwerdeführer unter Hinweis darauf, dass die Ermächtigung zur freiwilligen Meldung nach Art. 10 des Abkommens eine Selbstanzeige darstelle, die strafbefreiende Wirkung jedoch nur insoweit eintrete, als die Besteuerungsgrundlagen innerhalb einer vom Finanzamt gesetzten Frist offengelegt und die verkürzten Abgaben rechtzeitig entrichtet würden, ua. ersucht, die Höhe der in den Jahren 2003 bis 2012 aus den Vermögensveranlagungen in der Schweiz erzielten steuerpflichtigen Einkünfte bekannt zu geben und die Richtigkeit der Angaben durch Vorlage geeigneter Unterlagen zu belegen.
4. In Beantwortung des Ergänzungsersuchens hat der Beschwerdeführer dem Finanzamt die ihm von der M Bank AG übermittelten Unterlagen vorgelegt.
5. Mit Bescheid vom hat das Finanzamt das Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2004 wieder aufgenommen und im neuen Einkommensteuerbescheid die auf die ausländischen Kapitalerträge entfallende Steuer berücksichtigt (die Verfahren der Jahre 2005 bis 2013 wurden in der Folge ebenfalls wieder aufgenommen). In der gesonderten Begründung wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aus der Schweiz steuerlich zu erfassende Einkünfte bezogen habe, die bisher nicht berücksichtigt worden seien. Aufgrund der Mitteilung der schweizerischen Zahlstelle und der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen seien Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 1 BAO neu hervorgekommen, deren Kenntnis zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid geführt hätte. Da das Interesse der Behörde an der Rechtsrichtigkeit das Interesse an der Rechtsbeständigkeit überwiege und die steuerlichen Auswirkungen nicht als geringfügig angesehen werden könnten, sei die Wiederaufnahme der Verfahren zu verfügen gewesen. Dabei sei die verlängerte Verjährungsfrist von zehn Jahren heranzuziehen gewesen, da der Sachverhalt nicht bzw. nicht vollständig offengelegt worden sei und es zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen worden sei, dass dadurch Abgaben hinterzogen würden. Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei regelmäßig anzunehmen, dass derjenige, der über ein Vermögen verfüge und sich dazu entscheide, dieses statt in Österreich im Ausland, konkret in der Schweiz, mit einem erheblichen Mehraufwand zu veranlagen und sich diesbezüglich auch ausreichende Informationen beschaffe, von der Steuerpflicht anfallender Erträge in Österreich Kenntnis habe.
Die Höhe der Kapitaleinkünfte hat das Finanzamt ausgehend vom arithmetischen Mittelwert zwischen dem Kontostand zum 31. Dezember des Vorjahres und jenem zum 31. Dezember des laufenden Jahres sowie eines auch Veranlagungen in Wertpapieren berücksichtigenden Zinssatzes von 5% im Schätzungswege ermittelt, da anhand der von der Schweizer Zahlstelle übermittelten Information nicht eindeutig feststellbar sei, ob die per Jahresende ausgewiesenen Vermögensstände Wertpapiere auf einem Depot umfassten oder ob es sich dabei um Einlagen auf Konten handle.
6. Mit Schreiben vom hat der steuerliche Vertreter Zinsabrechnungen der vom Beschwerdeführer in der Schweiz bzw. Liechtenstein unterhaltenen Konten vorgelegt.
7. Ebenfalls mit Schreiben vom hat der steuerliche Vertreter Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid hinsichtlich Einkommensteuer 2004 sowie gegen den Einkommensteuerbescheid 2004 erhoben. Der Vorwurf einer vorsätzlichen Abgabenverkürzung entspreche nicht den Tatsachen, eine Wiederaufnahme des Verfahrens sei daher nicht zulässig. Der Beschwerdeführer sei ein schlichter Mensch und bei einer Handelskette in der Schweiz als Verkäufer beschäftigt gewesen. Das Kapitalvermögen auf seinen Konten stamme aus seinen Aktivbezügen, den Zahlungen anlässlich der Beendigung des Dienstverhältnisses sowie seiner Pension. Die Veranlagung auf einem Konto bei der M Bank AG sei ihm empfohlen worden. Er sei der Meinung gewesen, dass in Österreich keine weitere Steuerpflicht bestünde, da alle Anlagen aus versteuertem Geld stammten und bei den Zinseinkünften eine Abzugssteuer von 35% einbehalten worden sei. Für einen normal denkenden Menschen sei eine weitere Besteuerung daher nicht vorstellbar und könne dem Beschwerdeführer daher maximal Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Zudem sei die Bescheidbegründung betreffend den erhöhten Veranlagungsaufwand im Ausland aus der Luft gegriffen, das Gegenteil sei bei der gegebenen Sachlage der Fall. Die Veranlagung in Liechtenstein im Jahre 2011 sei erfolgt, da die Gattin des Beschwerdeführers liechtensteinische Staatsbürgerin sei. Mangels Vorsatzes sei eine Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2004 daher nicht zulässig. Davon abgesehen sei auch die Berücksichtigung eines Zinssatzes von 5% realitätsfremd, die Zinsen gingen aus den in Beantwortung des Ergänzungsersuchens übermittelten Unterlagen hervor.
8. Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid als unbegründet abgewiesen. Es sei allgemein bekannt, dass aus der Schweiz bezogene Einkünfte dem Wohnsitzfinanzamt offenzulegen seien. Die Kenntnis dieser grundsätzlichen Verpflichtung könne dem Beschwerdeführer unterstellt werden, zumal er jährlich eine Einkommensteuererklärung mit seinen Grenzgängereinkünften beim Finanzamt abgegeben und in diesen ausdrücklich versichert habe, die Angaben richtig und vollständig gemacht zu haben, aber keine Eintragungen in den entsprechenden Kennziffern im Abschnitt 5.3 ("Kapitalerträge aus ausländischen Kapitalanlagen ohne Kapitalertragsteuerabzug") gemacht habe. Er habe damit objektiv erkennbar in Kauf genommen, dass eine Steuer für diese Einkünfte in Österreich nicht vorgeschrieben habe werden können. Ebenso sei allgemein bekannt, dass Kapitaleinkünfte steuerpflichtig seien und ein automatischer Abzug österreichischer Einkommensteuer im Wege der Kapitalertragsteuer nur im Inland vorgenommen werde. Dass der Beschwerdeführer davon ausgegangen sei, dass es sich bei der in der Schweiz abgezogenen Verrechnungssteuer in Höhe von 35% um eine österreichische Kapitalertragsteuer gehandelt hätte, habe der Beschwerdeführer nicht behauptet. Bei der gegebenen Sachlage könne der Annahme eines zumindest bedingten Vorsatzes nicht mit Erfolg entgegengetreten werden und sei die verlängerte Verjährungsfrist daher zurecht zur Anwendung gekommen.
9. Der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2004 hat das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom insoweit Folge gegeben, als die ausländischen Kapitalerträge den vorgelegten Unterlagen entsprechend mit 641,82 € berücksichtigt wurden.
10. Mit Schriftsatz vom hat der steuerliche Vertreter beantragt, die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid hinsichtlich Einkommensteuer 2004 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen. Ergänzend wurde ausgeführt, bei liechtensteinischen oder schweizerischen Kapitalerträgen werde pauschal vorsätzliche Abgabenhinterziehung unterstellt. Das entspreche nicht der Gesetzeslage, es sei jeder Fall und der dahinter stehende Sachverhalt für sich zu erforschen. Nach den Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung müsste jeder Staatsbürger über ein steuerliches Wissen verfügen und die Gesetze kennen; das entspreche weder der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch den Erfahrungen des täglichen Lebens. Die Steuergesetzgebung sei ausufernd und kompliziert, sodass auch der Fachmann Gefahr laufe, von einer Steuerfalle in die andere zu tappen. Auch hätten viele Bürger ihre liebe Not mit dem Ausfüllen der nicht gerade einfachen Formulare. Der Beschwerdeführer habe aus den in der Beschwerde geschilderten Gründen nicht an die Steuerpflicht der Zinsen in Österreich gedacht und diese daher nicht bekannt gegeben. Fakt sei, dass die in der Schweiz veranlagten Gelder aus versteuerten Quellen stammten. Der Beschwerdeführer sei kein Vorsatztäter, er sei einfach ein Opfer der undurchschaubaren und überbordenden Steuergesetzgebung geworden. Man möge sich gedanklich auf die Stufe von einfachen, von der Steuergesetzgebung unbeleckten und unverdorbenen Menschen begeben. Zudem sei anzumerken, dass der Beschwerdeführer kein einziges Mal persönlich befragt worden sei, was einen Verfahrensmangel indiziere.
II. Sacherhalt
Der Beschwerdeführer hat der M Bank AG gemäß Art. 9 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt, BGBl. III Nr. 192/2012, die Ermächtigung zur freiwilligen Meldung erteilt. Aus den daraufhin der österreichischen Finanzverwaltung übermittelten Informationen geht hervor, dass der Kapitalstand der vom Beschwerdeführer bei der M Bank AG unterhaltenen Konten zum 23.582,04 € betragen hat (in der Folge ist der Kapitalstand bis zum kontinuierlich auf 76.960,89 € angestiegen; zum hat er 68.530,79 € betragen).
Die aus der Veranlagung auf dem Anlagekonto resultierenden Zinsen haben sich im Jahr 2004 laut vorgelegtem Kontoabschluss auf 946,00 CHF belaufen; abzüglich der Verrechnungssteuer (35%) wurden auf dem Konto Zinsen in Höhe von 614,90 CHF gutgeschrieben. Auf dem Gehaltskonto wurden für das Jahr 2004 nach Abzug der Verrechnungssteuer Zinsen in Höhe von 36,95 CHF gutgeschrieben.
Nachdem die ausländischen Kapitalerträge in den eingereichten Abgabenerklärungen nicht ausgewiesen waren und in den zunächst ergangenen Einkommensteuerbescheiden daher nicht berücksichtigt werden konnten, hat das Finanzamt - ausgehend von der verlängerten Verjährungsfrist von zehn Jahren - zunächst das Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2004 und in der Folge auch die Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2005 bis 2013 wieder aufgenommen.
III. Rechtliche Würdigung
Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO in der mit in Kraft getretenen Fassung des FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, kann ein durch Bescheid abgeschlossenes
Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen
werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu
hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung
mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden
Bescheid herbeigeführt hätte.
Nach § 304 BAO idF FVwGG 2012 ist nach Eintritt der Verjährung eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig, wenn der Wiederaufnahmsantrag vor Eintritt der Verjährung eingebracht wurde.
Zweck der Wiederaufnahme wegen neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismitteln ist die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen (vgl. Ritz, BAO, 5. Aufl.,
§ 303 Tz 24). Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der
Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst
danach hervorgekommen sind (vgl. Ritz, BAO, 5. Aufl., § 303 Tz 30).
§ 304 BAO idF FVwGG 2012 vereinheitlicht die Frist für die Wiederaufnahme von Amts wegen und die Wiederaufnahme auf Antrag; Sinn der Bestimmung ist es, eine Wiederaufnahme zu verhindern, wenn die Sachentscheidung (insbesondere die Abgabenfestsetzung) wegen Eintrittes der Verjährung nicht mehr erfolgen darf (vgl. Ritz, BAO, 5. Aufl., § 304 Tz 1 und 3, mwN).
Im Beschwerdefall steht sowohl das Vorliegen eines (tauglichen) Wiederaufnahmegrundes als auch dessen Eignung, einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeizuführen, außer Streit. Ebenso wurde die Ermessensübung des Finanzamtes vom steuerlichen Vertreter zu Recht nicht in Zweifel gezogen und liegt auch eine der Wiederaufnahme allenfalls entgegenstehende Geringfügigkeit der steuerlichen Auswirkungen nicht vor.
Als unzulässig erachtet der steuerliche Vertreter die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2004 einzig aufgrund der zu Unrecht herangezogenen verlängerten Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben.
Nach § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, der Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt nach § 207 Abs. 2 BAO - abgesehen von den dort angeführten, im Beschwerdefall nicht maßgeblichen Ausnahmen - fünf Jahre, soweit eine Abgabe hinterzogen ist, zehn Jahre.
Die Verjährung beginnt in den Fällen des § 207 Abs. 2 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist (§ 208 Abs. 1 lit. a BAO).
Nach § 209 Abs. 1 BAO verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr, wenn innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen werden. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.
Die Frage, ob der Tatbestand der hinterzogenen Abgaben iSd § 207 Abs. 2 BAO erfüllt ist, ist nach den Bestimmungen des Finanzstrafgesetzes zu beurteilen. Liegt eine finanzstrafrechtliche Verurteilung nicht vor, hat die Abgabenbehörde über die Hinterziehung als Vorfrage zu entscheiden. Diese Beurteilung setzt eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus; die maßgebenden Hinterziehungskriterien der Straftatbestände sind von der Abgabenbehörde nachzuweisen (vgl. ; , mwN; ; s.a. Ritz, BAO, 5. Aufl., § 207 Tz 15, mwN).
Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.
Eine Abgabenverkürzung ist nach § 33 Abs. 3 lit. a FinStrG mit Bekanntgabe des Bescheides, mit dem bescheidmäßig festzusetzende Abgaben zu niedrig festgesetzt wurden oder wenn diese infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von der Entstehung des Abgabenanspruches mit dem Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist (Anmeldefrist, Anzeigefrist) nicht festgesetzt werden konnten, bewirkt.
Vorsätzlich handelt nach § 8 Abs. 1 FinStrG, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.
Vorsätzlich handelt somit nicht nur derjenige, der ein Tatbild mit Wissen und Wollen verwirklicht (vgl. , und ), auch bedingter Vorsatz (dolus eventualis) ist ausreichend. Bedingter Vorsatz ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann gegeben, wenn der Täter die Verwirklichung des Unrechtes des Sachverhaltes zwar nicht anstrebt, nicht einmal mit Bestimmtheit mit dem Eintritt des verpönten Erfolges rechnet, dies jedoch für möglich hält, somit als nahe liegend ansieht und einen solchen Erfolg hinzunehmen gewillt ist (vgl. , und , mwN), er eine eintretende Steuerverkürzung somit billigend in Kauf nimmt.
Eine Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG liegt nicht schon bei einer (objektiven) Abgabenverkürzung vor, sondern kann erst dann als erwiesen gelten, wenn - in nachprüfbarer Weise - auch der Vorsatz feststeht. Vorsätzliches Handeln wiederum beruht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. , mwN; ; , mwN; , mwN).
Für das Vorliegen des Tatbestandes der Abgabenhinterziehung ist daher entscheidend, ob neben einer (objektiven) Abgabenverkürzung ausreichend festgestellte Sachverhaltselemente den Schluss darauf zulassen, dass das Entstehen der Abgabepflicht tatsächlich erkannt oder zumindest ernstlich für möglich gehalten worden war und damit eine auf eine Abgabenverkürzung gerichtete subjektive Einstellung bejaht werden kann. Auch bedingter Vorsatz (dolus eventualis) setzt eine solche (die Abgabenverkürzung in Kauf nehmende) zielgerichtete subjektive Einstellung voraus (vgl. ).
Gemäß § 119 Abs. 1 BAO sind die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Die Offenlegung muss vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen. Nach § 119 Abs. 2 BAO dienen der Offenlegung insbesondere auch die Abgabenerklärungen.
Die Verletzung dieser abgabenrechtlichen Offenlegungspflicht und die dadurch eingetretene (objektive) Abgabenverkürzung ist unstrittig. Auch soweit das Finanzamt das Vorliegen der subjektiven Tatseite bejaht hat, ist eine Rechtswidrigkeit nicht erkennbar.
Nach Lehre und Rechtsprechung kann bei intellektuell durchschnittlich begabten Personen die Kenntnis über das prinzipielle Bestehen einer Einkommensteuerpflicht grundsätzlich vorausgesetzt werden (vgl. Kotschnigg in Tannert/Kotschnigg, FinStrG, § 33 Rz 219, sowie , und ). Dies ist im Beschwerdefall offenkundig, hat der Beschwerdeführer doch jährlich seine aus der in der Schweiz ausgeübten Tätigkeit erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Inland erklärt und die Anrechnung der von der Schweiz im Streitjahr abkommensgemäß einbehaltenen Quellensteuer beantragt. Folglich war ihm auch bekannt, dass auch im Ausland erzielte Einkünfte der inländischen Besteuerung unterliegen bzw. zumindest unterliegen können und im Ausland auf solche Einkünfte erhobene Steuern im Inland gegebenenfalls angerechnet werden können. Gleichermaßen kann davon ausgegangen werden, dass ihm die im Inland bestehende Kapitalertragsteuerpflicht von Zinserträgen bekannt war, ist der Kapitalertragsteuerabzug doch bei einer Zinsgutschrift auf einem inländischen Konto, Sparbuch oder sonstigen Anlageprodukt ersichtlich. Schließlich hat auch hat der Beschwerdeführer selbst nichts Gegenteiliges behauptet.
Vor diesem Hintergrund und im Hinblick darauf, dass zum einen die Schweiz für das strenge Bankgeheimnis bekannt war und dort angelegtes Vermögen jedenfalls bis zum Abschluss der diversen Steuerabkommen als "sicher" bzw. vor ausländischen Steuerbehörden geschützt galt und gerade die Sicherstellung der Besteuerung von Kapitaleinkünften aus in der Schweiz bzw. in Liechtenstein angelegtem Kapitalvermögen immer wieder Gegenstand entsprechender Medienberichte und Diskussionen war und zum anderen der Beschwerdeführer die ausländischen Kapitalerträge über Jahre hinweg in seiner Einkommensteuererklärung ungeachtet der hierfür in der Erklärung eigens vorgesehenen Rubrik (5.3 Kapitalerträge aus ausländischen Kapitalanlagen ohne Kapitalertragsteuerabzug) nicht ausgewiesen hat, kann dem Finanzamt somit nicht entgegengetreten werden, wenn es davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer eine aufgrund der Nichterklärung der schweizerischen Zinserträge eintretende Abgabenverkürzung jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat.
Auch wenn dem steuerlichen Vertreter hinsichtlich seiner Ausführungen betreffend die Kompliziertheit und für den einfachen Bürger fehlende Verständlichkeit der Steuergesetzgebung durchaus zugestimmt werden kann, enthebt dies den Beschwerdeführer nicht von der Verpflichtung zur vollständigen Offenlegung der von ihm bezogenen Einkünfte. Es ist schließlich auch nicht erforderlich, dass ein Abgabepflichtiger über das für die Beurteilung steuerrechtlicher Sachverhalte nötige Detailwissen verfügt, ausschlaggebend ist in diesem Zusammenhang vielmehr, dass der Beschwerdeführer die ausländischen Kapitalveranlagungen und die daraus resultierenden Erträge dem Finanzamt über Jahre hinweg gänzlich verschwiegen hat, damit unrichtige Erklärungen abgegeben und sohin in Kauf genommen hat, dass die Besteuerung in Österreich nicht gesetzeskonform erfolgen kann, zumal das Finanzamt davon anderweitig keine Kenntnis erlangen konnte.
Mit dem Einwand der in der Schweiz in Abzug gebrachten 35%igen Verrechnungsteuer ist in diesem Zusammenhang nichts zu gewinnen. Bei der eidgenössischen Verrechnungssteuer handelt es sich um eine an der Quelle erhobene Abgabe auf bestimmte Kapitalerträge (insbesondere Zinsen und Dividenden) sowie auf bestimmte Versicherungsleistungen. Die Verrechnungssteuer auf die in der Schweiz erzielten Kapitalerträge wird von den Schweizer Banken einbehalten und an die Schweizer Steuerbehörde weitergeleitet. In der Schweiz ansässige Personen können die Verrechnungssteuer, sofern sie in der Steuererklärung die Zinsen als Einkommen und das entsprechende Kapital als Vermögen deklarieren, mit den Kantons- und Gemeindesteuern verrechnen oder die Rückerstattung beantragen. Bei nicht in der Schweiz ansässigen Personen richtet sich ein möglicher Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer nach dem anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommen oder Abgeltungsabkommen. Nach Art. 11 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Schweiz) dürfen Zinsen, die aus einem Vertragstaat (hier: der Schweiz) stammen und an eine in dem anderen Vertragstaat (hier: Österreich) ansässige Person gezahlt werden, nur in dem anderen Staat (hier: Österreich) besteuert werden. Die vom Beschwerdeführer aus der Schweiz bezogenen Zinsen dürfen daher nur in Österreich besteuert werden; eine Anrechnung von in der Schweiz bezahlten Steuern auf die Zinsen kommt daher nicht in Betracht, es kann jedoch in der Schweiz die Rückerstattung der Verrechnungssteuer beantragt werden.
Weshalb daher für den Beschwerdeführer bzw. einen normal denkenden Menschen eine (weitere) Besteuerung der Zinseinkünfte in Österreich nicht vorstellbar gewesen sein sollte, ist nicht nachvollziehbar und können die diesbezüglichen Ausführungen somit nur als Schutzbehauptung gewertet werden, zumal der Beschwerdeführer nicht dargelegt hat, weshalb er zwar die in der Schweiz erzielten nichtselbständigen Einkünfte erklärt und die Anrechnung der in der Schweiz eingehobenen Quellensteuer beantragt hat, hinsichtlich der Zinserträge aber nicht von einer inländischen Steuerpflicht ausgegangen ist bzw. aufgrund welcher Umstände er zur Auffassung gelangt sein sollte, dass er die ausländischen Zinserträge in der Abgabenerklärung nicht deklarieren müsste. Dass die Geldanlagen (unbestritten) aus versteuerten Einkünften stammen, vermag dies jedenfalls nicht zu begründen, erklärt dies doch nicht, weshalb er die Zinserträge im Inland nicht erklärt hat. Damit konnte der Beschwerdeführer jedenfalls auch einen (im Übrigen nicht konkret eingewendeten) der Annahme von Vorsatz entgegenstehenden Rechtsirrtum nicht aufzeigen.
Der Einwand, die nicht erfolgte persönliche Befragung des Beschwerdeführers indiziere einen Verfahrensfehler ist nicht nachvollziehbar. Abgesehen davon, dass eine Einvernahme des Beschwerdeführers nicht beantragt wurde, wäre es dem Beschwerdeführer jederzeit offen gestanden, sich schriftlich oder im Zuge einer persönlichen Vorsprache zu äußern. Ebenso wäre es dem Beschwerdeführer frei gestanden, eine mündliche Verhandlung zu beantragen.
Gesamthaft gesehen war damit nach Überzeugung des Senates davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die aus der Nichterklärung der ausländischen Kapitalerträge resultierende Verkürzung an Einkommensteuer jedenfalls billigend in Kauf genommen hat und damit zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt hat. Folglich hat das Finanzamt zutreffend die verlängerte Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben herangezogen, zumal es dem Sinn der Verjährungsbestimmungen entspricht, dass für die Durchsetzung von Abgabenansprüchen ein längerer Zeitraum zur Verfügung steht, wenn der Abgabengläubiger, so wie im Beschwerdefall, keine Möglichkeit hatte, das Bestehen seines Abgabenanspruches zu erkennen (vgl. ).
Der mit Bescheid vom verfügten Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2004 stand Verjährung somit nicht entgegen und war die Beschwerde daher als unbegründet abzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Beurteilung der im Beschwerdefall strittigen Frage, ob der Hinterziehungstatbestand im Sinne des § 207 Abs. 1 BAO erfüllt ist und daher die Verjährungsfrist von zehn Jahren zur Anwendung kommt, fußt auf der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sowie auf nicht über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Sachverhaltswürdigungen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird dadurch nicht berührt, eine (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 304 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 207 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 33 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2017:RV.1100169.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at