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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.03.2017, RV/2101022/2015

Werbungskosten eines alleinstehenden Stpfl. für einen vorübergehenden Zeitraum

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/2101022/2015-RS1
wie RV/0076-K/11-RS2
Kosten doppelter Haushaltsführung und Aufwendungen für Familienheimfahrten sind so lange als Werbungskosten zu berücksichtigen, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in den Nahbereich des Beschäftigungsortes nicht zumutbar ist. Für einen alleinstehenden Arbeitnehmer, der keine gewichtigen Gründe gegen eine Wohnsitzverlegung aufzuzeigen vermag, ist es durchaus zumutbar innerhalb eines angemessenen Zeitraumes (zB sechs Monaten) eine Wohnung am Beschäftigungsort zu nehmen und dort seinen einzigen Ledigenhaushalt zu führen. Erfolgt vom alleinstehenden Arbeitnehmer während des Zeitraumes von sechs Monaten keine Wohnsitzverlegung, so erfolgt die Beibehaltung von zwei Wohnsitzen (doppelte Haushaltsführung) nach Ablauf dieses vorübergehenden Zeitrahmens aus privaten bzw. persönlichen Motiven des Steuerpflichtigen und es stellen die Mehraufwendungen daraus keine Werbungskosten mehr dar.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. R in der Beschwerdesache Bf, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung 2012) zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2012 begehrte der Beschwerdeführer ua. die steuerliche Berücksichtigung von Kosten für Familienheimfahrten im Betrag von EUR 3.552 und für doppelte Haushaltsführung EUR 2.640 als Werbungskosten. Das Finanzamt gewährte im Einkommensteuerbescheid vom (Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2012) Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von EUR 729,12 und Kosten für doppelte Haushaltsführung in Höhe von EUR 880. Dies mit der Begründung, dass bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer Aufwendungen für  doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten nur vorübergehend für sechs Monate als Werbungskosten zu berücksichtigen seien.

In der dagegen erhobenen Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, dass sein Hauptlebensinteresse in der Steiermark und nicht in Wien liege. Seit Dezember 2012 besitze er einen kleinen Bergbauernhof im Bezirk x, welche kein Einkommen, jedoch erhebliche Kosten abwerfe. Seine Eltern würden im selben Bezirk einen landwirtschaftlichen Betrieb betreiben. Wegen der Krankheit seiner Mutter sei er gezwungen, seinem Vater am Wochenende am Hof auszuhelfen. Seit 2001 besitze er in x eine Eigentumswohnung und sei er seit November 2011 in Wien vorübergehend berufstätig. Der Versuch, diese Eigentumswohnung zu verkaufen, blieb erfolglos. Eine Auflösung seines Wohnsitzes in der Steiermark komme für ihn nicht in Frage. Er hofft zukünftig in der Steiermark berufstätig sein zu können.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung könnten immer nur so lange vorliegen, bis der Familienwohnsitz an den Beschäftigungsort verlegt werde. Die Anschaffung der Landwirtschaft sei nach Beginn des unbefristeten Dienstverhältnisses in Wien erfolgt. Daraus könne die private Veranlassung der Anschaffung abgeleitet werden. Elternbesuche seien der privaten Lebensführung zuzurechnen.

In dem dagegen rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag führt der Beschwerdeführer aus, in Wien lediglich eine günstige Schlafstelle mit 18 m² zu bewohnen. In Wien würden die Mietkosten einer gleichwertigen Wohnung fast die Höhe eines Monatseinkommens erreichen. Ein Wohnsitzwechsel könne ihm schon deshalb nicht zugemutet werden, da bei einem Wohnungskauf in Wien wieder die Kaufnebenkosten wie Vertragserrichtungskosten, Steuer, Grundbucheintragungsgebühr etc. zu entrichten wären. Von März 2009 bis November 2011 sei er arbeitslos gewesen. In seiner Heimatregion sei auch mit Hilfe des AMS keine Arbeit zu finden gewesen. Auch wenn er derzeit ein unbefristetes Dienstverhältnis in Wien habe, könne man diesbezüglich von einem vorübergehenden Zustand ausgehen, da er in der Steiermark stark verwurzelt sei. Eine Wohnsitzverlegung aus strukturschwachen Regionen ohne ausreichenden regionalen Arbeitsmarkt in ein Ballungszentrum sei mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen Werbungskosten.

Demgegenüber bestimmt § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, dass die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften ebenso wenig abgezogen werden dürfen, wie nach Z 2 lit. a dieser Gesetzesbestimmung Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e leg. cit. dürfen Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits- (Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c angeführten Betrag übersteigen, bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden.

In ständiger Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof erkannt, dass die Beibehaltung eines Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten und eine doppelte Haushaltsführung dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursache insbesondere in der privaten Lebensführung des Steuerpflichtigen oder in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Ehepartners haben (vgl. ). Diese Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl. ). Die Unzumutbarkeit, den Familienwohnsitz aufzugeben, muss sich aus Umständen von erheblichem objektiven Gewicht ergeben. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (vgl. , mwN).

Wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig Mehraufwendungen dadurch erwachsen, dass er neben seinem Familienwohnsitz (Hauptwohnsitz) am Beschäftigungsort eine zweite Wohnmöglichkeit (Nebenwohnsitz) benötigt, weil ihm weder eine Wohnsitzverlegung noch eine tägliche Rückkehr an den Ort des eigenen Hausstandes (Haupt- bzw. Familienwohnsitz) zugemutet werden kann, so sind die Mehraufwendungen dafür grundsätzlich steuerlich abzugsfähig. Die Frage, ob bzw. ab wann dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Wohnsitzes zumutbar ist, kann nicht schematisch vom Ablauf eines bestimmten Zeitraumes abhängig gemacht werden. Vielmehr sind die Verhältnisse des Einzelfalles zu berücksichtigen (vgl. ; , 99/13/0235).

Dieser Grundsatz gilt für eine gewisse Übergangszeit, nach übereinstimmender Ansicht von Lehre und Rechtsprechung, auch für Alleinstehende, und zwar schon allein deshalb, weil die Beschaffung eines Wohnsitzes am Beschäftigungsort sowie die Auflösung des bisherigen (Familien-)Wohnsitzes üblicherweise eine bestimmte Zeit in Anspruch nehmen (vgl. ; Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 16 Tz 102 Stichwort "Familienheimfahrten"). Als Richtschnur kann bei unverheirateten Steuerpflichtigen ein Zeitraum von sechs Monaten angenommen werden, wobei diesbezüglich jedoch nicht schematisch vorgegangen werden darf, sondern vielmehr auf den jeweiligen Einzelfall abzustellen ist (vgl. Doralt, EStG, Kommentar4, § 4 Rz. 353).

Wie bereits vorstehend ausgeführt wurde ist die Klärung der Frage des Vorliegens der Unzumutbarkeit einer Wohnsitzverlegung in die Nähe des ständigen Beschäftigungsortes eines Arbeitnehmers ausschließlich aus der Sicht des jeweiligen Veranlagungsjahres zu beurteilen.

Im konkreten Fall ist evident, dass der im Jahr 2012 alleinstehende (ledige) Bf. am Beschäftigungsort über eine Wohnmöglichkeit (Schlafstelle mit 18 m²) verfügte, die seinen Nebenwohnsitz darstellte und er für diesen Ledigenhausstand laufende Kosten in Höhe von EUR 220/Monat zu tragen hatte. Unstrittig ist die Tatsache, dass der Bf. seit November 2011 in Wien in einem unbefristeten Dienstverhältnis steht. In x besitzt der Bf. seit 2001 eine Eigentumswohnung (Hauptwohnsitz). Im Dezember 2012 erwarb der Bf. in der Steiermark einen kleinen Bergbauernhof.  

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes lassen die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Argumente keine entscheidungsrelevanten Gründe erkennen die gegen eine Zumutbarkeit der Verlegung des Hauptwohnsitzes (Ledigenhaushaltes) des Beschwerdeführers in die Nähe des Beschäftigungsortes im Laufe des Streitjahres 2012 sprechen zumal dieser nachweislich bereits ab November 2011 in einem unbefristeten Dienst- bzw. Arbeitsverhältnis gestanden ist. Weder das behauptete Hauptlebensinteresse des Beschwerdeführers in der Steiermark noch die soziale Verbundenheit zu seinen Eltern stellen Gründe  für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung im Kalenderjahr 2012 dar. Auch der Einwand, dass der Bf. beim Kauf der Eigentumswohnung und der Landwirtschaft bereits Grunderwerbsteuer, Maklergebühren, Gerichtsgebühren etc. entrichtet habe, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern.

Für die Verlegung des Ledigenhaushaltes des alleinstehenden Beschwerdeführers von der Steiermark an den Beschäftigungsort Wien wird vom Bundesfinanzgericht daher ein Zeitrahmen im Ausmaß von sechs Monaten (November 2001 bis April 2012) als ausreichend betrachtet. Die Beibehaltung des Wohnsitzes in der Steiermark und die Führung des Ledigenhaushaltes in Wien ab Mai 2012 wird zur Gänze der privaten Lebensführung bzw. den persönlichen Beweggründen des Bf. zugeschrieben und vermag ab diesem Zeitpunkt keinen Aspekt für eine berufsbedingte "doppelte Haushaltsführung" mehr aufzuzeigen.

Unter den gegebenen Umständen und der zu beurteilenden Sach- und Aktenlage besteht daher auch nach Überzeugung des Bundesfinanzgerichtes kein Zweifel daran, dass beim alleinstehenden (ledigen) Bf. im Streitjahr 2012 somit nur für einen angemessenen Zeitraum von vier Monaten (zwei Monate wurden bereits 2011 berücksichtigt), die Voraussetzungen für eine vorübergehende doppelte Haushaltsführung dem Grunde nach vorlagen und insoweit auch ein Anspruch auf Zuerkennung von Wohnungskosten am Beschäftigungsort in Höhe von EUR 880 gegeben war. Hinsichtlich der Kosten für Familienheimfahrten wird darauf verwiesen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei einem alleinstehenden Steuerpflichtigen grundsätzlich das monatliche Aufsuchen des Heimatortes als ausreichend angesehen wird ( Erkenntnis vom , 87/14/0066). Für Familienheimfahrten sind daher EUR 729,12 (434 km x 0,42x4 Monate) zu berücksichtigen.

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass gemäß § 262 Abs. 1 BAO über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen ist. Die Pflicht zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung unterliegt keiner Frist. Bei Verletzung der Entscheidungspflicht kommt nach Maßgabe § 284 BAO eine Säumnisbeschwerde an das Verwaltungsgericht in Betracht. In Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben gelten die Bestimmungen der BAO. Der Einwand des Beschwerdeführers, dass die Frist für eine Beschwerdevorentscheidung nach § 64aAVG durch die Behörde bereits abgelaufen sei, geht daher ins Leere.

Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im Beschwerdefall liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, da die Frage der Berücksichtigung der konkreten Werbungskosten nach der im Erkenntnis zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beurteilt worden ist und insoweit der ständigen höchstgerichtlichen  Rechtsprechung gefolgt wurde. 

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 262 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 284 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.2101022.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at