Massagekosten ohne ärztliche Verordnung: keine außergewöhnliche Belastung
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7100180/2013-RS1 | Eine erst im Nachhinein erstellte ärztliche Empfehlung reicht nicht aus, um die medizinische Notwendigkeit zu belegen. |
Folgerechtssätze | |
RV/7100180/2013-RS1 | wie RV/0028-W/13-RS1 Aufwendungen aus dem Bereich der Alternativ- und Naturmedizin, für Nahrungsergänzungsmittel, kinesiologische Behandlungen, Massagen und ein Lichttherapiegerät sind als außergewöhnliche Belastung dann anzuerkennen, wenn die medizinische Notwendigkeit durch ärztliche Verordnungen nachgewiesen ist. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Helga Hochrieser in der Beschwerdesache der Bf., Adr., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom , betreffend zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Voran zu stellen ist, dass die eingebrachte Berufung nunmehr gemäß § 323 Abs. 38 BAO als Beschwerde iSd Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen ist.
Im streitgegenständlich bekämpften Einkommensteuerbescheid für 2011 vom berücksichtigte das Finanzamt außergewöhnliche Belastungen in Höhe von € 837,20 als mit Selbstbehalt zu berücksichtigende Aufwendungen. Aufwendungen aufgrund von Kosten für das Massageinstitut (Jahres Abo für 2 Personen) in Höhe von € 2.925,-- wurden wurden nicht berücksichtigt . Dies mit der Begründung, dass diese Kosten nicht ärztlich verordnet worden seien und daher zu den nicht begünstigten Ausgaben gemäß § 20 EStG 1988 zählten.
In der fristgerecht erhobenen Berufung (nunmehr: Beschwerde) brachte die Beschwerdeführerin (Bf.) Folgendes vor:
" Ich leide an einer Blockwirbelbildung im L5-S1 Bereich
und einer Bandscheibenraumverschmälerung. (Befund anbei) Aus diesem Grund war
ich in physiotherapeutischen Behandlung, wofür aber die 10 bewilligten Behandlungen nicht ausreichten, aber nicht mehr bewilligt wurden. Auf Empfehlung meiner Ärzte und Therapeuten entschied ich mich zu einer regelmäßigen ganzjährigen Heilmassage, die für die Erhaltung meiner Berufstätigkeit unbedingt nötig ist. Meine Tochter J. hat durch einen Beckenschiefstand (Befund anbei) schon frühzeitig Schmerzen in der Wirbelsäule. Da ein Jahresabo für die Heilmassage für 2 Personen die kostengünstigste Variante zur Behandlung und Reduzierung der schmerzhaften Symptome ist, habe ich mich dazu entschieden auf eigene Kosten in unsere Gesundheit und Arbeitsfähigkeit zu investieren."
Daraufhin erließ das Finanzamt eine abweisende Berufungsvorentscheidung mit folgender Begründung:
" Aufwendungen für Behandlungsleistungen durch nichtärztliches Personal (z.B.
Physiotherapeuten) sind grundsätzlich nur dann als außergewöhnliche Belastung
anzuerkennen, wenn diese Leistungen ärztlich verschrieben oder die Kosten teil-
weise von der Sozialversicherung ersetzt werden. Im Falle einer Behandlung
durch eine Person, die nach den jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften nicht
zur Heilbehandlung befugt ist, kann eine außergewöhnliche Belastung anerkannt
werden, wenn durch ein ärztliches Gutachten nachgewiesen wird, dass die Behandlung aus medizinischen Gründen zur Heilung der Krankheit erforderlich ist.
Auch wenn das Krankheitsbild der Pflichtigen die Zwangsläufigkeit vermuten
lässt, obliegt dem Finanzamt mangels medizinischer Fachkenntnis eine derartige
Beurteilung, weswegen sie hier auf rechtlich korrekte ärztliche Verordnungen
oder Gutachten angewiesen ist. Mangels dieser Gutachten kann dem Berufungs-
begehren nicht entsprochen werden."
In weiterer Folge brachte die Bf. einen Vorlageantrag ein, wobei sie auf eine beigelegte Stellungnahme ihrer Fachärztin für Rheumatologie verwies. Diese Stellungnahme ist datiert vom und empfiehlt die Fortsetzung der Massagetherapie aus internistisch rheumatologischer Sicht.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
§ 34 Abs. 1 EStG 1988 normiert, dass bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen sind. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Nach § 34 Abs. 2 EStG 1988 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Laut § 34 Abs. 4 EStG 1988 beeinträchtigt die Belastung wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.
Gemäß § 34 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen außergewöhnliche Belastungen abzuziehen, sofern sie die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen kumulativ (d.h. sämtliche Merkmale gemeinsam) erfüllen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.
Nach Lehre und Rechtsprechung erwachsen Kosten der eigenen Erkrankung aus tatsächlichen Gründen dem Grunde nach zwangsläufig und sind nach allgemeiner Rechtsauffassung als außergewöhnlich im o.a. Sinne zu beurteilen.
Unter Krankheit ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung zu verstehen, die eine Heilbehandlung bzw. Heilbetreuung erfordert.
Liegt eine Krankheit vor, so sind jene Kosten abzugsfähig, die der Heilung, Besserung oder dem Erträglich machen einer Krankheit dienen, nicht abzugsfähig sind hingegen Aufwendungen für Maßnahmen der Krankheitsprävention oder von Maßnahmen, die der Verbesserung des Allgemeinzustandes oder der Erhaltung der Gesundheit dienen.
Die in § 34 EStG geforderte Zwangsläufigkeit setzt in Bezug auf Krankheits- bzw. Behinderungskosten das Vorliegen triftiger medizinischer Gründe für den betreffenden Aufwand in dem Sinn voraus und dass ohne Anwendung der Maßnahmen ernsthafte gesundheitliche Nachteile eintreten oder sich zumindest abzeichnen. Für Krankheitskosten fordert der VwGH deshalb, dass diese Maßnahmen tatsächlich Erfolg versprechend zur Behandlung oder zumindest zur Linderung einer konkret existenten Krankheit beitragen.
Voraussetzung für Anerkennung als außergewöhnliche Belastung ist, dass die zwangsläufig erwachsen sind, wovon ausgegangen wird, wenn deren medizinische Notwendigkeit nachgewiesen werden kann (vgl. Doralt, EStG11, § 34 Tz 78; Renner, SWK 2011, 28 ff).
Die Verwaltung geht nun grundsätzlich davon aus, dass ein Nachweis in Form einer vor Beginn der Heilbehandlung ausgestellten ärztlichen Verordnung zu erbringen ist.
Es ist dem Finanzamt grundsätzlich beizupflichten, dass mit einer außerhalb eines ärztlichen Behandlungsplanes stehenden, bloßen ärztlichen Empfehlung - insbesondere, wenn sie erst nachträglich erstellt wird - den o.a. Anforderungen an die Nachweisführung bei Krankheits- oder Behinderungskosten für gewöhnlich nicht entsprochen wird. Dies gilt insbesondere für von der allgemeinen Lebensführung schwer abgrenzbare Kosten.
§ 34 EStG gibt für die Form des Nachweises keine Beweisregeln vor. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen.
Zu den strittigen Aufwendungen vertritt das Finanzamt die Rechtsansicht, dass keine Verordnung oder Gutachten vor Beginn der Therapien vorliegen würden und daher keine Abzugsfähigkeit der Kosten für das Massageinstitut (Jahres-Abo für 2 Personen) gegeben sei.
Allgemein ist darauf hinzuweisen, dass § 34 eine Begünstigungsbestimmung ist und daher die Behauptungen und der Beweis der Vorbringens vornehmlich dem Abgabepflichten obliegt. Überdies gelten dort, wo die Abgrenzung zu Aufwendungen der allgemeinen Lebensführung schwierig ist, für die Nachweisführung besonders strenge Anforderungen (; , 93/13/0057).
Zum Nachweis des Merkmals der Außergewöhnlichkeit von Belastungen erweist sich eine im Rahmen eines medizinischen Behandlungsplanes (und damit vor der Anwendung) erstellte, ärztliche Verordnung für die medizinische Notwendigkeit einer Maßnahme als geeignet (vgl. ). Im gegenständlichen Fall erfolgte eine Stellungnahme einer Fachärztin zu den Massagebehandlungen vom betreffend die Bf., welche als bloße ärztliche Empfehlung zu werten ist, unstrittig erst im Nachhinein im darauffolgenden Jahr im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens. Bezüglich der Tochter der Bf. wurde nach Ergehen der Berufungsvorentscheidung keine weiteren Unterlagen vorgelegt. Der Forderung nach der Verordnung von Therapien im Vorhinein zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit liegt der Gedanke zu Grunde, wonach einer (wenn auch von einem Facharzt) nachträglich erstellten Verordnung nicht jener Wahrheitsgehalt bzw. jene Glaubwürdigkeit zukommt, als wenn die Verordnung bereits im Vorhinein erfolgt wäre. Dies gilt umso mehr für eine nachträglich ausgestellte ärztliche Empfehlung.
Eine Nachweisführung bzw. Glaubhaftmachung der Außergewöhnlichkeit im Sinne des § 34 EStG 1988 der strittigen Aufwendungen ist der Bf. daher nicht gelungen.
Hinzu kommt im gegenständlichen Fall, dass, wie bereits ausgeführt, nach der Judikatur des VwGH an die Nachweisführung besonders strenge Anforderungen gestellt werden, wenn die Abgrenzung der Kosten zu Aufwendungen der allgemeinen Lebensführung schwierig ist. Vor dem Hintergrund, dass beim Merkmal der Außergewöhnlichkeit von Belastungen ein Abgabepflichtiger, der Krankheitskosten oder Kosten einer Behinderung geltend macht, mit (kranken und gesunden) Abgabepflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu vergleichen ist, stellen Aufwendungen, die bei der Mehrzahl der Abgabepflichtigen auftreten, die also im täglichen Leben üblich sind, keine außergewöhnliche Belastung dar. In Hinblick auf das heute in der Bevölkerung allgemein gestiegene Gesundheitsbewusstsein kann es daher bei verschiedenen Kosten, selbst wenn sie in einem hinreichenden Zusammenhang mit einer Krankenbehandlung stehen, dennoch am Merkmal der Außergewöhnlichkeit fehlen.
Im gegenständlichen Fall trifft dies vor allem auf die streitgegenständlichen Kosten für Massagen zu. Es ist daher auch aus diesem Grund mangels geeigneter Beweismittel eine Außergewöhnlichkeit der betreffenden Aufwendungen im Sinne des § 34 EStG nicht zu erkennen.
Die Beschwerde war daher aus den dargestellten Gründen abzuweisen.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nachdem die Beschwerde insoweit keine für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen aufwirft, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme und Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen die Unzulässigkeit der Revision sprechen würden, nicht vorgebracht wurden, war unter Hinweis auf die zitierte eindeutige Rechtsprechung die Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision auszusprechen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2017:RV.7100180.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at