Aufhebung wegen fehlender Ermittlungen nach aufhebendem VwGH-Erkenntnis bei geklärter Rechtsfrage
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. XX in der Beschwerdesache VN-KM NN-KM, Straße-Nr, PLZ Ort, Ungarn, gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 6/7/15 vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung einer Ausgleichszahlung (Familienbeihilfe) für NN-KV VN1-Kd VN2-Kd für den Zeitraum von Jänner 2011 bis Juni 2011 beschlossen:
I. Der angefochtene Abweisungsbescheid vom und die diesbezügliche Berufungsvorentscheidung vom werden gemäß § 278 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) aufgehoben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 iVm
Art. 133 Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) sowie mit
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) nicht zulässig.
Begründung
Verfahrensgang:
NN-KM VN-KM, in der Folge mit Bf. bezeichnet, stellte am einen Antrag auf Gewährung einer Differenzzahlung für ihren Sohn NN-KV VN1-Kd VN2-Kd, geboren am GebDat, für den Zeitraum von bis . Auf NN-KV VN1-Kd VN2-Kd wird in der Folge als Sohn Bezug genommen.
Das Finanzamt forderte die Bf. auf, eine Kopie des Beschluss über die Höhe der Unterhaltsverpflichtung des Kindesvaters (beglaubigte Übersetzung) nachzureichen und eine Bestätigung des Gerichts, seit welchem Zeitraum der Kindesvater den zu leistenden Unterhaltszahlungen nicht nachgekommen sei. Diese Dokumente seien in Übersetzung vorzulegen.
Die Bf. legte die Abschrift eines Gerichtsprotokolls mit beglaubigter Übersetzung bei, gemäß welchem sich der Kindesvater, NN-KV VN-KV, mit Vergleich verpflichtete, ab
für VN1-Kd jeden Monat 25.000,00 HUF an die Bf. zu bezahlen.
Im Jahr 2010 heiratete die Bf. NN-KM VN-StV und trägt nunmehr dessen Familiennamen. Die Bf. lebt mit ihrem Sohn, dessen Stiefvater und einem weiteren Kind in einem gemeinsamen Haushalt in Ungarn. Die Bf. war im Beschwerdezeitraum unstrittig in Ungarn beschäftigt.
Die Bf. legte weiters Schulbesuchsbestätigungen für den Sohn vor.
Das Finanzamt erließ einen abweisenden Bescheid und führte u.a. begründend aus, ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe nur für die Dauer einer Beschäftigung oder einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Inland oder des Bezuges daraus abgeleiteter Geldleistungen.
Gegen diesen Bescheid hat die Bf. Berufung (nunmehr: Beschwerde) erhoben. Die Bf. vertrat die Auffassung, aufgrund der Beschäftigung des Kindesvaters in Österreich und des Umstandes, dass dieser keinen angemessenen Unterhalt leiste, habe die Kindesmutter Anspruch auf Differenzzahlung.
Über Vorhalt führte die Bf. weiters aus, VN-KV NN-KV zahle pro Monat 25.000,00 HUF
(ca. 90 €) als Alimente. Sonst bekomme sie nichts von ihm.
Die ungarische Verbindungsstelle übermittelte eine Aufstellung über die in Ungarn bezogene Familienbeihilfe.
Das Finanzamt erließ eine abweisende Berufungsvorentscheidung und führte begründend aus, die Bf. habe nicht nachgewiesen, dass der Kindesvater seiner Unterhaltspflicht nicht nachkomme. Deshalb bestehe kein Anspruch auf Differenzzahlung.
Die Bf. brachte (eine nicht zulässige) „Berufung“ gegen die Berufungsvorentscheidung ein, welche vom Finanzamt als (zulässiger) Vorlageantrag gewertet wurde, und legte noch einmal den Vergleich vor, mit welchem die Unterbringung und die Unterhaltszahlungen für ihren Sohn geregelt worden waren.
Das Finanzamt forderte den Kindesvater auf, eine schriftliche Bestätigung bzw. Zahlungsbelege über die im Zeitraum vom bis geleisteten Unterhaltszahlungen vorzulegen.
Ob und wie dieses Schreiben zugestellt wurde, ist nicht bekannt, ein Rückschein erliegt nicht im Akt.
Auf dieses Schreiben ist keine Reaktion des Kindesvaters erfolgt.
Laut Versicherungsdatenauszug war der Kindesvater im verfahrensgegenständlichen Zeitraum mit Ausnahme einer Unterbrechung von wenigen Tagen im Jahr 2007 durchgehend in Österreich beschäftigt.
Das Finanzamt legte die Beschwerde dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor, und vertrat die Auffassung, es liege kein Anwendungsfall des Slanina-Erkenntnisses vor.
Über Vorhalt führte das Finanzamt aus, laut VwGH-Erkenntnis vom , 2012/16/0054, stelle § 2 Abs. 2 FLAG den Familienbeihilfenanspruch grundsätzlich nach der Haushaltszugehörigkeit mit dem Kindes ab - nach § 2 Abs. 3 FLAG zähle dazu auch das Stiefkind – und nur subsidiär darauf, dass die Person die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trage. Damit trete der Stiefvater an die Stelle des leiblichen Vaters. Nach Ansicht des Finanzamtes seien daher ausschließlich nur der Stiefvater und die Mutter für die Beurteilung der Frage, nach welchen Rechtsvorschriften Familienleistungen zustehen, heranzuziehen. Das Slanina-Erkenntnis sei daher nicht anwendbar.
Da das Kind im Haushalt der leiblichen Mutter mit dem Stiefvater lebe, hätten allenfalls nur diese beiden Personen aufgrund der Haushaltszugehörigkeit Anspruch auf Familienbeihilfe. Aufgrund der geringen Unterhaltsleistung des leiblichen Vaters habe dieser keinen Anspruch auf Familienbeihilfe in Österreich und somit könne von ihm auch kein Anspruch abgeleitet werden.
Die übermittelte Schulbesuchsbestätigung werde seitens des Finanzamtes akzeptiert.
Mit Erkenntnis vom , berichtigt mit Beschluss vom , gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und hob den angefochtenen Bescheid auf. Begründend wurde ausgeführt, der minderjährige Sohn der Bf., habe im verfahrensgegenständlichen Zeitraum gemeinsam mit seiner Mutter, NN-KM VN-KM und seinem Stiefvater NN-KM VN-StV in Ort in einem gemeinsamen Haushalt gelebt und jeweils Schulen in Ungarn besucht. Seine Mutter und sein Stiefvater arbeiteten in Ungarn. Sein leiblicher Vater habe ebenfalls in Ort gelebt, sei jedoch in Österreich einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen. Er habe zwar Unterhaltszahlungen für seinen Sohn geleistet, jedoch in so geringer Höhe, dass das Finanzamt nicht davon ausgegangen sei, dass diese für den Kindesvater einen Anspruch auf Familienbeihilfe begründeten.
Das FLAG enthalte zwar keine Legaldefinition des Begriffes "Familienangehöriger", jedoch zähle § 2 Abs. 3 lit. a FLAG zu den Familienangehörigen, für welche die Familienleistung (Familienbeihilfe) gewährt wird, auch die Nachkommen einer Person.
Habe die Mutter mangels Bezugspunktes zu Österreich keinen Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe, während ein überwiegend den Unterhalt des Kindes tragender anderer Elternteil, Stiefvater oder ein im gemeinsamen Haushalt lebender Lebenspartner, welcher als Pflegevater anzusehen ist, in Österreich arbeite, werde die Familienbeihilfe an diese Person ausbezahlt.
Der Kindesvater sei auch dann als Angehöriger des Kindes anzusehen, wenn er seiner Unterhaltspflicht nur unzureichend nachgekommen sei. Da er nicht die überwiegenden Kosten des Unterhalts für seinen Sohn getragen habe, habe er keinen Eigenanspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe. Aufgrund seiner Erwerbstätigkeit in Österreich seien jedoch die österreichischen Rechtsvorschriften auf ihn anwendbar. Damit falle er unter die jeweils geltende Unionsverordnung zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Wanderarbeitnehmer.
Hätte der Kindesvater im verfahrensgegenständlichen Zeitraum überwiegend für den Unterhalt seines Kindes gesorgt, hätte er selbst Anspruch auf die Familienbeihilfe gehabt, weil in Österreich mangels Inlandsbezuges keine andere Person nach den innerstaatlichen Bestimmungen Anspruch auf die Familienbeihilfe gehabt hätte. Die Abweisung des Anspruches der Bf. auf Gewährung der Familienbeihilfe wäre in diesem Fall auch in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht erfolgt. Dies habe das Finanzamt jedoch nicht angenommen. Da der unterhaltspflichtige Kindesvater mangels überwiegender Unterhaltstragung keinen eigenen Anspruch begründet habe, müsse die Familienbeihilfe nach unionsrechtlichen Bestimmungen einem anderen Anspruchsberechtigten gewährt werden, im gegenständlichen Fall der im gemeinsamen Haushalt mit dem Kind lebenden Mutter, welche im Fall eines Sachverhaltes mit ausschließlichem Inlandsbezug ebenfalls die Familienbeihilfe erhalten hätte. Der Bezug der ungarischen Familienbeihilfe mindere lediglich den Anspruch, weil dieser insoweit ruhe.
Gegen dieses Erkenntnis hat das Finanzamt für den Zeitraum vom 1. Jänner bis
beim Verwaltungsgerichtshof Revision erhoben. In dieser machte es zunächst Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und führte aus, dass ab 2011 nur mehr der haushaltszugehörige Stiefvater des Kindes zu beachten sei, nicht mehr der leibliche Kindesvater. Nur für den Zeitraum bis zur Wiederverehelichung der Bf., d.h. von 01/2007 bis 12/2010 löse der in Österreich beschäftigte leibliche Kindesvater einen Differenz-/Ausgleichsanspruch für das Kind aus, den die Bf. als leibliche Kindesmutter mangels dessen überwiegender Unterhaltskostentragung für das Kind geltend machen könne. Ab 7/2011 habe der haushaltszugehörige Stiefvater nach den österreichischen Rechtsvorschriften Anspruch auf die österreichische Ausgleichs-/Differenzzahlung für das Kind (der leibliche Vater sei weiterhin nicht mehr von Belang). Diesen Anspruch könne auch die Kindesmutter geltend machen. Für den Zwischenzeitraum vom 01/2011 bis 06/2011 liege kein grenzüberschreitender Fall vor. Beide zu berücksichtigenden Elternteile, nämlich die Bf. und der Stiefvater, seien in Ungarn erwerbstätig, der Familienwohnsitz sei in Ungarn. Es stehe daher für diesen Zeitraum keine österreichische Differenz-/Ausgleichszahlung zu. Darüber hinaus wurde Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften insofern geltend gemacht, als mangelnde bzw. keine Erhebungen betreffend des Ortes der Erwerbstätigkeit des Stiefvaters im Zeitraum zwischen Hochzeit und Ablauf des beantragten Zeitraumes durchgeführt worden seien, da im Formblatt E 401 eindeutig beim Stiefvater eine österreichische Sozialversicherungsnummer aufscheine.
Der Verwaltungsgerichtshof hob das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes mit Erkenntnis vom , Ro 2014/16/0067, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf und führte zu den Randzahlen 18 bis 21 nach Darstellung der unionsrechtlichen und innerstaatlichen Bestimmungen begründend wie folgt aus:
„18 Auch wenn das FLAG keine Legaldefinition des Begriffes "Familienangehöriger" enthält, kann in diesem Zusammenhang § 2 Abs. 3 FLAG herangezogen werden (vgl. das vorhin zitierte hg. Erkenntnis vom , 2012/16/0054). Der leibliche Vater des Kindes ist sohin nach § 2 Abs. 3 lit. a leg. cit. Familienangehöriger. Es ist nicht ersichtlich, warum sich an dieser Stellung durch die Existenz eines Stiefvaters etwas ändern soll, weil im FLAG eine dahingehende Einschränkung der Definition der Kinder einer Person fehlt.
19 Für den Anspruch auf Familienleistungen nach Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach Art. 11 Abs. 3 lit a leg. cit. auf die in Ungarn beschäftigte Mitbeteiligte die Rechtsvorschriften Ungarns anzuwenden sind, sodass ihr nach § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG die Familienbeihilfe oder eine Differenzzahlung nicht zusteht. Der leibliche Vater hingegen unterliegt gemäß Art. 11 Abs. 3 lit a der Verordnung Nr. 883/2004 zufolge seiner Beschäftigung in Österreich den österreichischen Rechtsvorschriften. Nach dem FLAG kann ein Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. bestehen. Nach dieser Bestimmung hat eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG anspruchsberechtigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2009/15/0205).
20 Zur Prüfung dieser Frage reichen indes die Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichtes im angefochtenen Erkenntnis nicht aus. Die dort enthaltene Feststellung, der leibliche Vater habe zwar Unterhaltszahlungen für seinen Sohn geleistet, jedoch in so geringer Höhe, dass das Finanzamt nicht davon ausgegangen sei, dass diese für den Kindesvater einen Anspruch auf Familienbeihilfe begründeten, lässt nicht erkennen, in welcher Höhe die Unterhaltszahlungen tatsächlich erfolgten. Darüber vermögen auch die in der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Erkenntnisses enthaltenen Andeutungen, dass der leibliche Vater nicht die überwiegenden Kosten des Unterhalts für seinen Sohn getragen habe, nicht hinweghelfen, weil das Bundesfinanzgericht ohne weitere Einschränkung die Ausführungen der Mitbeteiligten wiedergab, wonach sie vom leiblichen Vater des Kindes die von ihm per Vergleich übernommene Unterhaltsverpflichtung von 25.000 Forint pro Monat erhalte, und weil das Finanzamt in der Berufungsvorentscheidung den Familienbeihilfeanspruch der Mitbeteiligten deswegen ablehnte, dass sie fehlende Unterhaltszahlungen des leiblichen Vaters nicht habe nachweisen können.
21 Eindeutige Feststellungen dahingehend, ob der leibliche Vater des Kindes den Unterhalt im Sinn des § 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG überwiegend trägt, sind deshalb erforderlich, weil bejahendenfalls ein Beihilfenanspruch des leiblichen Vaters nach innerstaatlichem Recht bestünde, den gemäß Art. 60 Abs. 1 Durchführungsverordnung
Nr. 987/2009 die Mutter geltend machen könnte, wenn er vom leiblichen Vater nicht begehrt wird.“
Gemäß § 42 Abs. 3 Verwaltungsgerichtshofgesetz tritt die Rechtssache durch die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses oder des Beschlusses gem. Abs. 2 in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses bzw. Beschlusses befunden hat.
Aufgrund der teilweisen Aufhebung im Umfang der Anfechtung ist das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/7100223/2014, soweit es den Zeitraum vom 1. Jänner bis betrifft, außer Kraft getreten. Im Übrigen ist das Erkenntnis in Rechtskraft erwachsen.
Laut Abgabeninformationssystem wohnt der Sohn nunmehr bei seinem leiblichen Vater. Dieser bezieht für ihn ab November 2012 eine österreichische Familienleistung.
Sachverhalt:
Unstrittig ist, dass der Sohn im Zeitraum von 1. Jänner bis im Haushalt der Bf. in Ungarn gelebt hat, welchem auch sein Stiefvater angehörte, der mit der Bf. verheiratet war. Unstrittig ist weiters, dass die Bf. in Ungarn unselbständig erwerbstätig war und dass der leibliche Vater, NN-KV VN-KV in Österreich unselbständig erwerbstätig und für den Sohn unterhaltspflichtig war.
Strittig war im Verfahren zunächst, ob NN-KV VN-KV überhaupt als Angehöriger des Sohnes anzusehen war. Dies wurde vom Finanzamt bestritten. Der Verwaltungs- gerichtshof hat hingegen die Angehörigeneigenschaft des leiblichen Vaters bejaht. Er hat jedoch bemängelt, dass Feststellungen fehlen, die es erlauben würden, zu beurteilen, ob der leibliche Vater die überwiegenden Kosten des Unterhalts getragen hat. Nur wenn das der Fall wäre, hätte dieser einen Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe, den die Mutter geltend machen könnte, wenn er vom leiblichen Vater nicht begehrt wird.
In dieser Hinsicht hat das Finanzamt offenkundig die gegenteilige Rechtsmeinung vertreten, weil es von der Bf. lediglich einen Nachweis verlangt hat, dass der Kindesvater seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommt, bzw. keinen Unterhalt bezahlt. Mangels Vorlage entsprechender Unterlagen wurde der Antrag auf Gewährung der Ausgleichszahlung abgewiesen.
Im Akt befindet sich zwar ein Schreiben vom an NN-KV VN-KV betreffend eine Aufforderung zum Nachweis der Unterhaltszahlungen an die Bf., jedoch ist unklar, ob das Schreiben zugestellt werden konnte, weil kein Rückschein vorhanden ist.
Dem Akt ist nicht zu entnehmen, dass die Bf. aufgefordert worden wäre, die Kosten des Unterhalts für den Sohn im Zeitraum von 1. Jänner bis bekannt zu geben.
Fehlende Ermittlungen:
Gemäß § 278 Abs. 1 BAO gilt Folgendes:
Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes
a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen
(§ 260) noch
b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,
so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen
(§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
(3) Im weiteren Verfahren sind die Abgabenbehörden an die für die Aufhebung maßgebliche, im aufhebenden Beschluss dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn der Beschluss einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.
Die Bf. hat im erstinstanzlichen Verfahren erklärt, sie bekäme nur den vereinbarten Unterhalt von 25.000,00 HUF monatlich, was umgerechnet 90,00 Euro seien. Dieser Betrag wurde vom Finanzamt und vom Bundesfinanzgericht als nicht ausreichend angesehen. Aus verfahrensökonomischen Gründen wurde auf weitere Erhebungen verzichtet.
Im Hinblick darauf, dass der Verwaltungsgerichtshof die überwiegende Kostentragung als ausschlaggebend für das Bestehen eines Anspruches ansieht, sind daher weitere Ermittlungen erforderlich. Der absolute Betrag von umgerechnet 90,00 Euro ist zwar gering. Im Hinblick auf die geringeren Haushaltseinkommen ist jedoch auch der Lebensstandard in Ungarn niedriger als in Österreich, weil dieser durch das verfügbare Einkommen bestimmt wird. So wurde zB laut Wikipedia der Median des verfügbaren Jahreseinkommens der Haushalte auf Dollarbasis, Stand 2010, für Österreich mit 27.612,00 angegeben, für Ungarn hingegen mit 9.328,00 - siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Mittleres_Einkommen. Dabei muss das Einkommen einer konkreten Familie nicht einmal diesem Einkommen entsprechen. Es kann höher, aber auch niedriger sein. Der Unterschied in Bezug auf das Haushaltseinkommen wird teilweise durch die geringeren Preise in Ungarn kompensiert. Der Vergleich zeigt, dass betragsmäßig bestimmten Zahlungen in verschiedenen Ländern in Bezug auf das Hauseinkommen unterschiedliches Gewicht zukommt.
Die Bf. wird daher aufzufordern sein, sämtliche Kosten, welche im Zusammenhang mit dem Unterhalt des Sohnes entstanden sind, detailliert bekannt zu geben. Dabei sind zB Kosten für Unterkunft (aliquot), Nahrungsmittel, Bekleidung, Unterricht und Erziehung, Freizeitgestaltung, Taschengeld, Arztkosten, Heilbehelfe etc. zu konkretisieren. Ist eine genaue Bekanntgabe aufgrund der mittlerweile verstrichenen Zeit nicht mehr möglich, so wird eine Schätzung zu erfolgen haben. Als Ausgangsgrundlage für eine Schätzung könnten das Haushaltseinkommen (Einkünfte der Bf. und des Stiefvaters zuzüglich der ungarischen Familien- und sonstige Transferleistungen sowie der Unterhaltszahlungen des leiblichen Vaters des Sohnes) und die Anzahl der Familienangehörigen herangezogen werden.
Auch der leibliche Vater des Kindes, NN-KV VN-KV, wäre bezüglich der Unterhalts- leistungen zu befragen. In der Regel werden Unterhaltsleistungen im Lauf der Zeit an die aktuellen finanziellen Möglichkeiten des Kindesvaters und die Bedürfnisse des Kindes angepasst. Gleichbleibende Unterhaltszahlungen über rund 10 Jahre sind als unwahrscheinlich anzusehen. Im Hinblick auf die derzeitige Unterbringung beim leiblichen Vater ist es auch nicht auszuschließen, dass dieser an die Kindesmutter zwar lediglich einen vereinbarten Unterhalt gezahlt, jedoch daneben noch weitere direkte Leistungen an das Kind erbracht hat (zB in Form der Übergabe von Bargeldbeträgen an das Kind, von Geschenken, der Mitnahme zu Urlauben, Ausflügen, Einladungen zum Essen etc.). Auch die dafür entstandenen Kosten wären zu berücksichtigen.
Sollten die Bf. und der leibliche Kindesvater die erforderlichen Auskünfte nicht erteilen, könnte hilfsweise versucht werden, diese Informationen zumindest teilweise im Rahmen des möglichen Datenaustausches zwischen den Trägern im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit zu erhalten. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf Kapitel 2 der Verordnung hingewiesen.
Da bezüglich der Tragung der überwiegenden Kosten des Unterhalts für den Sohn bisher nur eingeschränkte Erhebungen durchgeführt wurden, welche keine abschließende Beurteilung des Anspruches erlauben, ist aufgrund des Auslandsbezuges mit einem nicht unbeträchtlichen Ermittlungsaufwand zu rechnen. Sollten beide Eltern Stellungnahmen abgeben, welche nicht miteinander in Einklang zu bringen sind, müssten die Äußerungen des Vaters der Bf. zur Kenntnis gebracht werden.
Können keine Belege mehr vorgelegt werden, was aufgrund der mittlerweile verstrichenen Zeit wahrscheinlich ist, müsste eine Schätzung vorgenommen werden. Da dem Bundesfinanzgericht weder die ungarische Rechtslage bezüglich des Kindesunterhaltes bekannt ist - in diesem Fall gilt der Grundsatz iura novit curia nicht - noch die für ungarische Verhältnisse wahrscheinlichen Kosten des Unterhaltes für ein Kind im Alter des Sohnes, würde selbst im Falle einer Abgabe von Äußerungen der Eltern eine Plausibilitätsprüfung einen zusätzlichen Ermittlungsaufwand verursachen. Auch diesbezüglich müsste das Finanzamt noch Erhebungen durchführen, wenn sich nicht bereits aufgrund der einzuholenden Äußerungen der Bf. und des leiblichen Kindesvaters ergibt, dass eine Tragung der überwiegenden Kosten des Unterhalts durch diesen auszuschließen ist.
Aufgrund der Klärung der Rechtsfrage, welche ursprünglich Anlass für die Vorlage der Beschwerde war, ist nur mehr der Sachverhalt festzustellen. Durch die Zwischenschaltung des Bundesfinanzgerichtes zwischen die Parteien des Verfahrens wäre mit zusätzlichen Verzögerungen zu rechnen, weil Stellungnahmen zur Wahrung des Parteiengehörs wechselseitig zur Kenntnis zu bringen sind. Die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst ist daher weder im Interesse der Raschheit gelegen noch mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden.
Die Beschwerde war daher mit Beschluss durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und der Beschwerdevorentscheidung unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde zu erledigen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Hinblick auf die Klärung der Rechtsfrage, welche Anlass für die Vorlage der gegenständlichen Beschwerde an das Bundesfinanzgericht war durch das angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes war die Revision nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 278 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Aufhebung und Zurückverweisung an die erste Instanz |
Verweise | VwGH, Ro 2014/16/0067 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2017:RV.7106543.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at