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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.02.2017, RV/1100714/2016

Europarechts- sowie Verfassungskonformität des gespaltenen KESt-Steuersatz (25% bzw. 27,5%)?

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zahl E 1249/2017 anhängig. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK  

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. W in der Beschwerdesache der XY Rechtsanwälte GmbH, Gde X, S-Straße-xx, gegen den Bescheid des Finanzamtes Y, Gd Y, H-Straße-yy, vom betreffend Festsetzung von Kapitalertragsteuer zu Recht erkannt:
 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe  

Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom setzte das Finanzamt Y gegenüber der beschwerdeführenden GmbH (in der Folge kurz: Bf.) gemäß § 201 Abs. 2 Z 1 Bundesabgabenordnung (BAO) Kapitalertragsteuer in Höhe von 33.000,00 € fest (davon waren bereits 30.000,00 € gebucht, nachzuzahlen waren sohin 3.000,00 €). Begründend führte es zu dieser Abgabenvorschreibung aus, dass auf Grund einer Ausschüttung (Dividenden) an Gesellschafter der Bf. iHv gesamt 120.000,00 € (34.400,00 € an RA1; 44.000,00 € an RA2; 41.600,00 € an RA3) Kapitalertragsteuer iHv 30.000,00 € (25%) gemeldet worden sei (vgl. entsprechende KESt-Anmeldung der Bf. vom für eigene Ausschüttung samt Beilage), richtigerweise betrage der Steuersatz ab gemäß § 27a Abs. 1 Z 2 EStG 1988 jedoch 27,5%. Wenn sich die bekannt gegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweise, könne innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe der Selbstberechnung von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen.

Mit gegen diesen Festsetzungsbescheid erhobener Beschwerde vom machte die Bf. wesentliche Verfahrensfehler bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und führte dazu begründend Folgendes (wörtlich) aus:
""1. Zum Sachverhalt
Bezüglich des Sachverhaltes wird auf den angefochtenen Bescheid verwiesen.
Ergänzend ist vorzubringen, dass die Beschwerdeführerin neben ihrer Hauptniederlassung und Sitz in X auch in M (L) eine Betriebsstätte hat. Der geschäftsführende Gesellschafter der Beschwerdeführerin, RA RA2, ist auch in L als Rechtsanwalt zugelassen und vertritt die Rechtsanwälte-GmbH, vertreten durch ihren in L postulationsfähigen Geschäftsführer RA RA2, auch vor XYZ Gerichten und Behörden.
Den L betreffenden Zahlungsverkehr (Gerichtsgebühren, Honorare aus Tätigkeit in L, etc.) wickelt die Beschwerdeführerin über ein Konto bei der XYZ Bank in M mit der Nummer ab (lBAN: xyz BIC: abc).
Beweis: Einvernahme des RA2; Auszug aus den Jahresabschlüssen der Beschwerdeführerin; Auszug Konto XYz Bank; Vorliegender Steuerakt der Beschwerdeführerin beim Finanzamt Y.
Das Finanzamt Y hat mit angefochtenem Bescheid gemäß § 27a Abs. 1 Z 2 EStG einen Steuer­satz von 27,5% für die Entrichtung der Kapitalertragsteuer vorgeschrieben. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin ist dies aus nachfolgenden Gründen rechtswidrig:
2. Wesentliche Verfahrensfehler
Die oben unter Punkt 1. ergänzend vorgebrachten Sachverhaltselemente wären von der erstinstanzlichen Behörde zu erheben gewesen. Wegen ihrer Niederlassung in M hat die Beschwerdeführerin von ihrem Recht aus der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 ff AEUV Gebrauch gemacht.
Da die Beschwerdeführerin überdies auch ein Konto bei der XYZ Bank mit der Nummer xyZ führt, ist überdies der Anwendungsbereich der Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs gemäß Art. 73 ff AEUV eröffnet.
Hätte die erstinstanzliche Behörde diese ergänzenden Sachverhaltselemente festgestellt, hätte sie die nachfolgend erörterten europarechtlichen Vorschriften anwenden müssen.
3. Unrichtige rechtliche Beurteilung
a. Steuerrechtliche Ausgangslage
Richtig ist, dass § 27a Abs. 1 Z 2 EStG einen Steuersatz von 27,5% für die Kapitalertragsteuer betreffend einer Dividende (Gewinnausschüttung) aus einer Kapitalgesellschaft vorsieht.
§ 27a Abs. 1 EStG differenziert damit gemäß Abs. 1 Z 1 zwischen Geldeinlagen und sonstigen nicht verbrieften Forderungen bei Kreditinstituten und sieht dafür einen Steuersatz von 25% vor; für alle anderen Fälle von Kapitalerträgen (gemäß Z 2) einen solchen von 27,5%.
Die Rechtsgrundlage für diese - sachlich nicht gerechtfertigte - Differenzierung und damit verfassungsrechtlich abgesichert ist das Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Endbesteuerungsgesetz geändert wird (BGBI. I 2015/103).
Diesbezüglich wurde § 1 Abs. 4 des Endbesteuerungsgesetzes - im Verfassungsrang - derart geändert, sodass diese Bestimmung lautet: "Die Kapitalertragsteuer für Kapitalerträge im Sinne des Abs. 1 darf nicht weniger als 20% und nicht mehr als 27,5% betragen."
b. Verfassungs- und europarechtliche Rechtslage
aa. Gemeinsame Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten
Da die Beschwerdeführerin sowohl in L als auch in Österreich Niederlassungen und Betriebsstätten hat, ist der Anwendungsbereich des Europarechtes eröffnet, insbesondere weil die Beschwerdeführerin von der Niederlassungsfreiheit und von der Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs gemäß AEUV Gebrauch macht.
Gemäß Art. 6 Abs. 3 EUV sind Grundrechte, wie sie in der europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, allgemeine Grundsätze Teil des Unionrechts. Dazu zählt insbesondere auch der Gleichheitsgrundsatz (vgl. Geiger in Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, 5. Auflage, 2010, Rz 33 zu Art. 6 EUV).
Nach der Rechtsprechung des EuGH (etwa Slg 2002, l-6482 Hofmeister uva; Geiger, aaO mwN) dürfen vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden und unterschiedliche Sachverhalte dürfen nicht gleich behandelt werden, sofern eine Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt ist.
Im vorliegenden Fall werden Kapitalerträge durch Spareinlagen bei Kreditinstituten lediglich mit 25% besteuert, andere Kapitalerträge (wie Dividenden) jedoch mit 27,5%. Eine sachliche Rechtfertigung für diese unterschiedlichen Besteuerungssätze ist nicht erkennbar.
Damit ist die Rechtslage in Österreich (§ 27a Abs. 1 EStG sowie § 1 Abs. 4 Endbesteuerungsgesetz) daher europarechtswidrig.
bb. Europäische Grundrechtecharta (GRC)
Da die Beschwerdeführerin mit ihrer Niederlassungen in X und M sich auf das Europarecht (Niederlassungsfreiheit, Kapitalverkehrsfreiheit) berufen kann, ist gemäß Art. 51 GRC der Anwendungsbereich der GRC eröffnet.
Gemäß Art. 20 GRC sind alle Personen vor dem Gesetz gleich. Dieser Artikel entspricht dem allgemeinen Rechtsprinzip, das in allen europäischen Verfassungen verankert ist und das der EuGH als ein Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts angesehen hat (siehe oben Punkt aa).
Auch aufgrund dieser Bestimmung ist es unzulässig, gleiche Sachverhalte ungleich zu behandeln. Eine sachliche Rechtfertigung für die Differenzierung der Steuersätze bei Kapitalerträgen ist nicht ersichtlich.
cc. Grundrechtecharta-Erkenntnis des VfGH
Der VfGH hat in seinem Erkenntnis VfSIg 19.632, bestätigt in B 166/2013, festgehalten, dass er für den Bereich der Grundrechtecharta insoweit zuständig ist, wenn ein (nationales) Gesetz oder eine Verordnung gegen die GRC verstößt. Voraussetzung ist, dass die betreffende Garantie (hier: Art. 20 GRC) in ihrer Formulierung und Bestimmtheit verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten der österreichischen Bundesverfassung einschließlich der MRK gleicht. Dies ist im vorliegenden Fall - aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes als in allen Mitgliedsstaaten gemeinsame Verfassungsüberlieferung und verfassungsrechtlich verankertes Grundrecht (hier Art. 7 B-VG; Art. 2 StGG) - gegeben. Der VfGH ist daher auch zuständig, nationale Gesetze an den Grundrechten der GRC zu messen.
Unter Verweis auf die obigen Ausführungen ist somit auch § 27a Abs. 1 Z 2 EStG verfassungswidrig und verstößt § 1 Abs. 4 Endbesteuerungsgesetz insbesondere gegen die europarechtlich garantierten Grundrechte.
c. Schlussfolgerung
Aufgrund des Anwendungsvorranges des Europarechtes (etwa EuGH Slg 1964, 1251 Costa/ENEL) ist die diskriminierende und den (europarechtlich verankerten) Gleichheitssatz verletzende Bestimmung des § 27a Abs. 1 Z 2 EStG wie auch die verfassungsrechtliche Grundlage (§ 1 Abs. 4 des Endbesteuerungsgesetzes) im vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Die Beschwerdeführerin müsste daher, weil § 27a Abs. 1 Z 2 EStG nicht anzuwenden ist, überhaupt keine Kapitalertragsteuer bezahlen, jedenfalls aber nur eine solche von höchstens 25%.
Der angefochtene Bescheid ist daher rechtswidrig und ersatzlos zu beheben.""


Die Bf. stellte sodann folgende Anträge:

" Das Bundesfinanzgericht möge den angefochtenen Bescheid des Finanzamtes Y vom , Abgabenkonto Nr. abc/1234, über die Festsetzung von Kapitalertragsteuer in Höhe von 3.000,00 € ersatzlos aufheben;
in eventu
den angefochtenen Bescheid aufheben und zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurück zu verweisen.
"
Abschließend führte die Bf. noch Nachstehendes aus:
" Sollte das Bundesfinanzgericht diese Rechtsansicht der Beschwerdeführerin nicht teilen, müsste das Bundesfinanzgericht jedenfalls im Sinne der CILFlT-Rechtsprechung (Slg 1983, 157) Zweifel an der Auslegung des Europarechtes haben.
Für diesen Fall wird angeregt, gemäß Art. 267 AEUV den Europäischen Gerichtshof anzurufen.
Dabei könnte dem Europäischen Gerichtshof folgende Frage vorgelegt werden:
Sind die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten im Sinne des Art. 6 Abs. 3 EUV und die Grundrechte in der europäischen Grundrechtecharta (insbesondere Art. 20 GRC) dahingehend auszulegen, dass sie es den Mitgliedstaaten verbieten, Kapitalerträge aus Sparguthaben bei Banken und Gewinnausschüttungen aus Kapitalgesellschaften unterschiedlich zu behandeln, nämlich für Sparguthaben 25% und für Dividenden (Gewinnausschüttungen) 27,5% Steuern festzusetzen?
"

Das Finanzamt wies die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vom betreffend die Festsetzung von Kapitalertragsteuer in der Folge mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) vom als unbegründet ab; auf die entsprechenden begründenden Ausführungen des Finanzamtes wird an dieser Stelle verwiesen.

Mit Anbringen (Telefax) vom stellte die Bf. einen (nicht näher begründeten) Antrag auf Vorlage der gegenständlichen Beschwerde an das Bundesfinanzgericht, womit diese wiederum als unerledigt galt.

Das Finanzamt Y legte in der Folge - wie auch der Bf. mitgeteilt wurde - die im Spruch genannte Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht vom verwies die Abgabenbehörde auf ihre Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung.
 

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat über die Beschwerde erwogen:
 

Folgender (unstrittiger) Sachverhalt wird festgestellt:

Die Bf. hat für Ausschüttungen an ihre Gesellschafter iHv gesamt 120.000,00 € (34.400,00 € an RA1; 44.000,00 € an RA2; 41.600,00 € an RA3) Kapitalertragsteuer (KESt) iHv 30.000,00 € (25%) angemeldet (vgl. entsprechende KESt-Anmeldung der Bf. vom für eigene Ausschüttung samt Beilage).
Mit dem angefochtenen Bescheid vom setzte die Abgabenbehörde gegenüber der Bf. unter Verweis auf § 27a Abs. 1 Z 2 EStG 1988 gemäß § 201 Abs. 2 Z 1 BAO KESt iHv 33.000,00 € (27,5%) fest (davon waren bereits 30.000,00 € gebucht, nachzuzahlen waren sohin 3.000,00 €).
Die Bf. hat neben ihrer Hauptniederlassung bzw. ihrem Sitz in X auch in M (L) eine Betriebsstätte. Der geschäftsführende Gesellschafter der Bf., RA RA2, ist auch in L als Rechtsanwalt zugelassen und vertritt die Rechtsanwälte-GmbH als in L postulationsfähiger Geschäftsführer auch vor XYZ Gerichten und Behörden. Den L betreffenden Zahlungsverkehr (Gerichtsgebühren, Honorare aus Tätigkeit in L, etc.) wickelt die Bf. über ein Konto bei der XYZ Bank in M ab.

Im Beschwerdefall ist allein strittig, ob die in § 27a Abs. 1 EStG 1988 normierte Differenzierung zwischen dem besonderen Steuersatz von 25% für Geldeinlagen und nicht verbrieften sonstigen Forderungen bei Kreditinstituten und jenem von 27,5% ua. für die strittigen Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter der Bf. im Hinblick auf das Recht auf Gleichbehandlung (Gleichheitssatz) verfassungs- bzw. europarechtswidrig ist.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich daraus Folgendes:

Vorab sei erwähnt, dass sich das Finanzgericht grundsätzlich den Überlegungen und Einschätzungen der Abgabenbehörde anschließt und auf die diesbezüglichen, unwidersprochen gebliebenen Ausführungen des Finanzamtes in der gegenständlichen Beschwerdevorentscheidung vom verweist.

Zur Gegenfinanzierung der im Steuerreformgesetz (StRefG) 2015/2016 (BGBl. I Nr. 118/2015) bewirkten Entlastungen, insbesondere im Bereich des Einkommensteuertarifs, wurden ua. steuerliche Strukturmaßnahmen und das sogenannte Solidaritätspaket beschlossen. Als Teil der steuerlichen Solidaritätsmaßnahmen war die Beibehaltung des bisherigen besonderen Steuersatzes von 25% für Geldanlagen und nicht verbriefte sonstige Forderungen bei Kreditinstituten vorgesehen (insbesondere Zinsen aus Sparbüchern und Girokonten sollten nicht von der Erhöhung der KESt erfasst werden), während für alle sonstigen Einkünfte aus Kapitalvermögen ein höherer besonderer Steuersatz von 27,5% eingeführt wurde (nach § 124b Z 281 EStG 1988 ist dieser höhere Steuersatz mit in Kraft getreten).
Um eine geeignete verfassungsrechtliche Grundlage für diesen in § 27a Abs. 1 EStG 1988 einfach gesetzlich festgelegten, gespaltenen KESt-Steuersatz zu haben, wurde in der Bestimmung des § 1 Abs. 4 EndbesteuerungsG (BGBl. Nr. 11/1993 idF BGBl. I Nr. 103/2015) die bisherige Voraussetzung eines einheitlichen Steuersatzes gestrichen. Darüber hinaus wurde auch die Obergrenze für die zu schaffenden Sondersteuersätze angepasst. Statt der Hälfte des Spitzensteuersatzes bisher, kann ein Sondersteuersatz nunmehr höchstens 27,5% betragen. Damit fand eine vollständige Entkoppelung von den Tarifbestimmungen des Einkommensteuergesetzes statt, weshalb eine zukünftige Absenkung des mit dem StRefG 2015/2016 eingeführten Spitzensteuersatzes von 55% keine Anpassung des Sondersteuersatzes von 27,5% erfordert (vgl. dazu Bodis/Wild in SWK-Spezial: Steuerreform 2015/16, Änderungen der Kapitalvermögens- und Immobilienbesteuerung).

Dem Einwand der Verfassungswidrigkeit ist zunächst zu entgegnen, dass die Überprüfung von Gesetzen auf ihre Verfassungskonformität unter Bedachtnahme auf Art. 144 Abs. 1 B-VG grundsätzlich dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) obliegt.

Eine verfassungsrechtlich unzulässige Ungleichbehandlung liegt grundsätzlich dann vor, wenn an vergleichbare Sachverhalte unterschiedliche Rechtsfolgen oder an ungleiche Sachverhalte gleiche Rechtsfolgen geknüpft werden. Differenzierungen sind sachlich begründet, wenn sie nicht nach objektiven Unterscheidungsmerkmalen (aus Unterschieden im Tatsächlichen) erfolgen oder zur Zielerreichung völlig ungeeignete Mittel vorsehen [vgl. Mayer/Kuscko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 (2015) Rz 1357 mwN].
Der Gleichheitsgrundsatz setzt dem Gesetzgeber insofern inhaltliche Schranken, als er ihm verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen. Innerhalb dieser Schranken ist es jedoch dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art und Weise zu verfolgen. Dabei ist unter der Sachlichkeit einer Regelung nicht deren "Zweckmäßigkeit" zu verstehen. Dem Gesetzgeber kann nur entgegengetreten werden, wenn dieser Ziele verfolgt, die keinesfalls als im öffentlichen Interesse liegend anzusehen sind (vgl. zB , ua).

Wie der VfGH in seiner Judikatur zu Art. 7 B-VG, erkennt auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) in ständiger Rechtsprechung, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen, es sei denn, die Differenzierung ist objektiv bzw. durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt (vgl. zB , Ferlini, Slg 2000, I-8081, Rn 51; , Karlsson, Slg 2000, I-2737, Rn 39). Auch der EuGH versteht den allgemeinen Gleichheitssatz als Willkürverbot, der den rechtsetzenden Gewalten allerdings einen weiten Gestaltungsspielraum lässt (vgl.  verb. Rs 117/76 u. Rs 16/77, Ruckdeschel, Slg 1977, 1753 Rn 7).

Der angefochtene Bescheid erweist sich nach Ansicht des Finanzgerichtes nicht als rechtswidrig, zumal im konkreten Fall keine (unsachliche) Ungleichbehandlung (wie im Übrigen auch keine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit) vor dem Hintergrund der oben angeführten VfGH- und EuGH-Rechtsprechung aufgezeigt wurde. Wie von der Abgabenbehörde in der gegenständlichen Beschwerdevorentscheidung richtig ausgeführt wurde, liegen den zwei unterschiedlichen Steuersätzen (25% bzw. 27,5%) verschiedene Kapitalerträge und damit auch unterschiedliche, nicht vergleichbare Sachverhalte zu Grunde (Zinsen aus Sparbüchern und Girokonten; ausgeschüttete Gewinnanteile bzw. Dividenden auf Grund einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft). An ungleiche Sachverhalte werden sohin zu Recht ungleiche Rechtsfolgen geknüpft.

Der Gesetzgeber hat durch den in § 27a Abs. 1 EStG 1988 normierten, gespaltenen KESt-Steuersatz auch seinen rechtspolitischen Gestaltungsraum nicht überschritten. Wie oben aufgezeigt, verfolgte der Gesetzgeber damit jedenfalls Ziele, die im öffentlichen Interesse lagen, und hat dieser sohin nicht das dem Gleichheitsgrundsatz innewohnende Sachlichkeitsgebot bzw. Willkürverbot verletzt.

Angesichts dieser Überlegungen hegt das Finanzgericht im Hinblick auf den strittigen, verfassungsrechtlich in § 1 Abs. 4 EndbesteuerungsG abgesicherten, gespaltenen KESt-Steuersatz keine gleichheitsrechtlichen Bedenken; die Zweifel der Bf. an der Verfassungs- wie auch an der Europarechtskonformität der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Vorschriften werden damit nicht geteilt und war daher die strittige Frage auch nicht dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Zulässigkeit der Revision:

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Da zur Europarechtskonformität der oben aufgezeigten, den gespaltenen KESt-Steuersatz regelnden Bestimmungen noch keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, ist gegen dieses Erkenntnis eine (ordentliche) Revision zulässig. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Gesetzesbestimmung stellen im Übrigen schon mangels Zuständigkeit keine vom Verwaltungsgerichtshof im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösende Rechtsfrage dar.

Gesamthaft war spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
Fuchs in AFS 2017/2, 64
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.1100714.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
BAAAC-13234