Trinkgeld von Spielleitern
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache der AAA GmbH, vertreten durch die V, Adresse, gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2006 bis 2008 zu Recht erkannt:
Die Beschwerden vom werden als unbegründet abgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit den Abgabenbescheiden vom wurden der Beschwerdeführerin für die Jahre 2006 bis 2008 der Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag vorgeschrieben. In den jeweiligen Bescheidbegründungen wurde auf den Bericht über das Ergebnis einer Außenprüfung vom verwiesen. In diesem wurde ausgeführt, im Sinne der Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom sei das Trinkgeld steuerpflichtig erfasst worden.
Mit Schreiben vom wurde gegen die Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages Berufung erhoben. Die Beschwerdeführerin, vertreten durch die V, brachte vor, im Zuge einer Außenprüfung sei es zur Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe in der Höhe von insgesamt 14.626,99 Euro gekommen. Weiters seien auch Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag festgesetzt worden, gegen die gleichzeitig ebenfalls Berufung eingebracht worden sei. Als Begründung der Festsetzung bzw. Nachverrechnung von Dienstgeberbeiträgen samt Zuschlägen sei angeführt worden, dass diese im Sinne der Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom steuerpflichtig seien. Gegen diese Entscheidung sei innerhalb offener Frist eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof eingebracht worden. Demnach seien die Bescheide über die Jahre 2001 bis 2005 noch nicht rechtskräftig und dementsprechend der Bezug der Bescheidbegründung auf die Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates noch ohne rechtliche Wirkung. Um eine absolut idente Wiederholung zu vermeiden werde auf die seinerzeitige Berufung vom (Anmerkung: gegen die Bescheide betreffend die Jahre 2001 bis 2005) und ihre Begründung verwiesen und diese zwecks Erleichterung im Anhang beigefügt. Abschließend beantragte die Beschwerdeführerin die festgesetzten Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe aufzuheben und die für die gegenständliche Berufung angeführte Begründung auch für die Berufung gegen die Bescheide betreffend die Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag heranzuziehen, was dort auch bereits in der dementsprechenden Begründung angeführt worden sei.
In der, der Berufung vom beigelegten Berufungsschrift vom hat die Beschwerdeführerin Folgendes ausgeführt:
"(…)
Im Zuge einer Außenprüfung (GPLA) über den Zeitraum 2001 bis 2005 erfolgte auch eine Lohnsteuerprüfung, deren Ergebnis gemäß Bericht vom (eingelangt am ) zu Festsetzungen von Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe führte. Weiters wurden Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag festgesetzt, gegen die bereits am in Folge der nur zweiwöchigen Berufungsfrist bereits eine Berufung eingebracht wurde.
Als Begründung der Festsetzung bzw. Nachverrechnung von Dienstgeberbeiträgen samt Zuschlägen wurde angeführt, dass die als Trinkgelder zum Ansatz gebrachten Beträge nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise Entgelt für Arbeitsleistungen darstellen und somit nicht steuerfrei im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen wären.
Dieser Rechtsansicht kann nicht gefolgt werden und wird im Nachfolgenden dargelegt:
Beim geprüften Unternehmen handelt es sich um einen Kartenspielbetrieb, in dem Tische für Kartenspiele zur Verfügung gestellt werden. Diese Tische werden von den Angestellten des Unternehmens geleitet, überwacht und inspiziert. Sämtliche Dienstnehmer haben frei vereinbarte Dienstverträge, die im Zuge der Prüfung vorgelegt wurden. Als Entlohnung wurden monatliche Fixa vereinbart. Ein Pauschalbetrag von € 500,00 als Trinkgeldanteil wird zur Sozialversicherungsbemessungsgrundlage hinzugerechnet und nur im Krankheitsfall durch das Unternehmen in Form einer "Ausgleichszahlung" gewährt, die aber dann steuerpflichtig ist. Da für das geprüfte Unternehmen kein Kollektivvertrag existiert, wurde in den Dienstverträgen die Möglichkeit von freiwilligen Sonderzahlungen aufgenommen, die auch in der Anfangszeit der geprüften Jahre gewährt wurden. Da diese Sonderzahlungen auf freiwilliger Basis ohne Rechtsanspruch erfolgten, entsprach auch deren erfolgte generelle Einstellung den vereinbarten Dienstverträgen.
Gemäß § 3 Abs. 1 Z 16a des EStG 1988 sind ortsübliche Trinkgelder, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von dritter Seite freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist, von der Einkommensteuer befreit. Dies gilt rückwirkend ab der Veranlagung 1999 und gilt somit für den gesamten Prüfungszeitraum. Gemäß den Lohnsteuerrichtlinien ist die Steuerfreiheit nur dann gegeben, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: das Trinkgeld muss ortsüblich sein, von dritter Seite zugewendet werden, freiwillig und ohne Rechtsanspruch darauf zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für die Arbeitsleistung zu zahlen ist und dem Arbeitnehmer darf die direkte Annahme von Trinkgeldern nicht auf Grund gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Bestimmungen untersagt sein. Sämtliche Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall vor. Im Nachfolgenden wird auf die einzelnen Voraussetzungen näher eingegangen.
Unter ortsüblichen Trinkgeldern versteht man solche im Sinne der allgemeinen Verkehrsauffassung. Damit wird einerseits eine Unterscheidung auf Grund der geographischen Lage (beispielsweise Stadt oder Land) und andererseits auch eine Branchendifferenzierung (beispielsweise handwerklicher Beruf oder Gastronomie) vorzunehmen sein. Auch innerhalb ein und derselben Branche ist ebenfalls eine abgestufte Betrachtung anzustellen. Demnach ist ein Trinkgeld dann ortsüblich, wenn es zu den Gepflogenheiten des täglichen Lebens gehört, dem Ausführenden einer bestimmten Dienstleistung (in einer bestimmten Branche) ein Trinkgeld zuzuwenden (Branchenüblichkeit) und dieses Trinkgeld am Ort der Leistung (Ortsüblichkeit) auch der Höhe nach den Gepflogenheiten des täglichen Lebens entspricht (Angemessenheit). Auf Grund der Erfahrungswerte hat § 44 Abs. 3 des ASVG Branchen festgesetzt, in denen Arbeitnehmer üblicherweise Trinkgelder erhalten. Unter anderem sind dort auch Arbeitnehmer im Hotel- und Gastgewerbe genannt. Eine direkte Nennung der Branche des gegenständlichen Unternehmens ist dort nicht erfolgt, kann aber im Oberbegriff Gastgewerbe subsumiert werden. Da es sich in der gegenständlichen Branche um einen Spielbetrieb handelt, kann er zusätzlich in Richtung Casino eingereiht werden, wo bekanntlicherweise das Trinkgeld wesentlich lockerer gehandhabt wird als in den üblichen Trinkgeldgewerben. Bei der Ortsüblichkeit ist demnach auch die unterschiedliche Kaufkraft der Kunden zu berücksichtigen und die liegt bei "Spielern" vor allem in Gewinnphasen relativ hoch. Demnach ist die Ortsüblichkeit auch daran zu messen, dass auf Grund der Gästestruktur unterschiedlich hohe Trinkgelder anfallen. Somit kann zusammenfassend zur Ortsüblichkeit gesagt werden, dass diese speziell im Lichte der Branche, an denjenigen, die Trinkgeld geben (Spieler) sowie der in Spielbetrieben speziellen Gepflogenheit von Trinkgeldern gesehen werden muss. Dass die vereinbarte garantierte Höhe des Trinkgeldes auch im Schnitt erreicht wird, ergibt sich auch aus der Akzeptanz der vereinbarten Dienstverträge durch die Dienstnehmer.
Über die Punkte der Zuwendung der Trinkgelder von dritter Seite sowie der Freiwilligkeit der Zuwendung besteht ja wohl kein Zweifel.
Da kein Kollektivvertrag besteht, kann auch die Annahme des Trinkgeldes nicht untersagt werden.
Die unterschiedliche Beurteilung von Trinkgeldern wird ja auch dadurch ausgedrückt, dass der Entgeltbegriff des Sozialversicherungsrechtes weiter gefasst ist als der des Einkommensteuerrechtes. Demnach sind eben Trinkgelder unter den gegebenen Voraussetzungen steuerfrei, jedoch unterliegen sie in tatsächlicher oder in pauschaler Höhe den Sozialversicherungsbeiträgen.
Zusammenfassend kann also ausgeführt werden, dass die gegenständlichen Trinkgelder allen einkommensteuerliehen Voraussetzungen entsprechen, demnach einkommensteuerfrei und damit auch nicht der Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe sowie von Zuschlägen zum Dienstgeberbeitrag unterliegen.
(…)"
Ebenfalls mit Schreiben vom wurde gegen die Bescheide über die Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag Berufung erhoben. Die Beschwerdeführerin brachte vor, mit den eingangs genannten Bescheiden seien auch Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe festgesetzt worden, gegen die innerhalb der Berufungsfrist von einem Monat dementsprechende Berufungen eingebracht werden würden. Da die Berufungsfrist für die Festsetzung der Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag nur zwei Wochen betrage, würden gegenständliche Berufungen gesondert eingebracht. Eine ausführliche Begründung der Berufung gegen die Bescheide werde in den Berufungen gegen die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe vorgelegt werden, die dann auch für die gegenständliche Berufung gelte. Als Hauptbegründung werde vorgebracht, dass es sich bei den betreffenden Bemessungsgrundlagen um Trinkgelder handle, die aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen aber steuerfrei seien. Abschließend beantragte die Beschwerdeführerin die Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag in der Höhe von insgesamt 1.354,06 Euro aufzuheben.
Mit Mängelbehebungsauftrag vom ersuchte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin die Berufungen zu begründen und entsprechende Nachweise beizubringen.
Mit Schreiben vom brachte die Beschwerdeführerin Folgendes vor:
"Wegen einer VwGH-Beschwerde gegen Abgabenbescheide der Jahre 2001-2005 wurde in der Berufungsbegründung gegen die im Betreff genannten Bescheide auf die damalige Berufung vom und deren Begründung verwiesen. Nachfolgend wird nun die gegenständliche Berufung ausführlich begründet und ersetzt damit die ursprüngliche.
Da nun dem Finanzamt die VwGH-Entscheidung vom vorliegt, kann nachfolgend auf diese verwiesen werden. Die Beschwerde richtete sich gegen das Ergebnis einer Außenprüfung über den Zeitraum 2001-2005 unter den damals gültigen Rechtsverhältnissen (Dienstverträge). ln diesen wurde unter anderem ein garantiertes Trinkgeld vereinbart, was letztlich zur Abweisung der Beschwerde als unbegründet führte. Die Details sind der VwGH-Entscheidung zu entnehmen.
Aufgrund der Feststellungen der Außenprüfung über die Jahre 2001-2005 wurden in der Folge für sämtliche Mitarbeiter rückwirkend ab dem neue Dienstverträge erstellt, in denen die beanstandeten Bestimmungen durch neue Vereinbarungen ersetzt wurden. Im Einzelnen handelt es sich dabei um die Entlohnung, welche angehoben und auch auf vierzehnmal jährlich erweitert wurde. Da die Dienstnehmer keinem Kollektivvertrag unterliegen, war die Höhe der Entlohnung ein Ergebnis freier Vereinbarung.
Weiters wurden die Dienstnehmer verpflichtet, die freiwilligen Trinkgelder, die sie durch dritte Personen zugewendet bekommen, bis zum Letzten jeden Monats aufzuzeichnen und dem Dienstgeber schriftlich mitzuteilen. Diese jeweils individuellen Trinkgelder werden dann in der Lohnverrechnung zur Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherung der Grundentlohnung hinzugerechnet.
Keinesfalls gibt es die Zusage eines garantierten Trinkgeldes mehr sowie einer etwaigen Ausgleichszahlung im Falle von Krankheit oder Urlaub. Selbstverständlich gibt es auch keinen Rechtsanspruch mehr auf das Trinkgeld und somit auch keine garantierten Einnahmen aus diesem Titel, denen man den Charakter von Teilen einer fixen Entlohnung beimessen könnte.
ln der Beilage werden Muster zweier neuer Dienstverträge übermittelt und zwar einer betreffend eines schon vor dem bestehenden Dienstverhältnisses sowie ein weiterer über einen erst im Laufe des Prüfungszeitraumes neu eingetretenen Dienstnehmers. Für jeden ab Beginn des Prüfungszeitraumes tätigen Mitarbeiter gibt es je nach Eintritt den einen oder den anderen neuen Dienstvertrag, von beiden Seiten unterfertigt und damit rechtsgültig.
Da der Grund der neuen Dienstverträge in der Außenprüfung über die Jahre 2001-2005 lag, die Prüfung aber erst im Zeitraum danach erfolgte, konnten die Änderungen in den neuen Dienstverträgen nur rückwirkend mit erfolgen, was ja auch von allen davon betroffenen Dienstnehmern durch ihre Unterschrift anerkannt wurde. ln diesem Zusammenhang sei festgestellt, dass es für den gegenständlichen Prüfungszeitraum ab dem bis zur Änderung der Dienstverträge keinen einzigen Fall einer garantierten Ausgleichszahlung wegen Krankheit oder Urlaub gab.
Die Nachforderung an Dienstgeberbeiträgen für die Jahre 2001-2005, die nun vom VwGH als rechtens festgestellt wurde, ist in der Zwischenzeit bereits beglichen worden, während die Nachforderung für die Jahre 2006-2008 noch ausgesetzt ist.
Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, dass sich ab dem durch die neuen Dienstverträge die Verhältnisse derart geändert haben, dass es sich bei den von den Dienstnehmern aufgezeichneten Trinkgeldern ausschließlich um solche des § 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988 handelt, deren Orts- bzw. Branchenüblichkeit auch vom VwGH in keinster Weise in Frage gestellt wurde. Damit sind diese Trinkgelder von der Einkommensteuer befreit.
Es wird daher beantragt, die Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages in den Jahren 2006-2008 aufzuheben bzw. der Berufung vom stattzugeben."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Mit wurde der Unabhängige Finanzsenat aufgelöst. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des bei dieser Behörde anhängigen Verfahren geht gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG auf das Bundesfinanzgericht über. § 323 Abs. 38 BAO normiert, dass die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen sind.
Die Beschwerdeführerin betreibt einen Kartenspielbetrieb, in dem Tische für Kartenspiele zur Verfügung gestellt werden. Zur Abwicklung des Spiels beschäftigt die Beschwerdeführerin Dienstnehmer, die als Spielleiter tätig sind sowie die Tische überwachen und inspizieren. Mit den Spielleitern war ein garantiertes Trinkgeld (zumindest 500 Euro) vereinbart. Der als Arbeitslohn vereinbarte Betrag war im Vergleich zu dem als Trinkgeld in Ansatz gebrachten Betrag von untergeordneter Bedeutung. Der monatliche Arbeitslohn betrug zwischen 310 und 380 Euro Brutto für 30 Wochenstunden. Die Dienstnehmer waren verpflichtet, das von Dritten zugewandte Trinkgeld aufzuzeichnen und der Beschwerdeführerin schriftlich mitzuteilen. Die Garantie des Trinkgeldes stand auch dann zu, wenn die Dienstnehmer wegen Urlaub oder Krankheit dieses während ihrer Dienstzeit in einem Monat nicht erreicht haben.
Mit den Abgabenbescheiden vom setzte die belangte Behörde für die Jahre 2001 bis 2005 den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag fest; die von den Dienstnehmern bezogenen Trinkgelder wurden dabei berücksichtigt. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom als unbegründet abgewiesen. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Diese wurde mit Erkenntnis vom (2009/15/0173) ebenfalls als unbegründet abgewiesen.
Gemäß dem im Abgabenverfahren vorherrschenden Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 167 BAO) genügt es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB ).
Unter Berücksichtigung der Ermittlungen der belangten Behörde und des Bundesfinanzgerichtes, der Vorbringen der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren, der vorgelegten Unterlagen und der Feststellungen im Verfahren betreffend die Jahre 2001 bis 2005 erachtete das Bundesfinanzgericht den vorstehenden Sachverhalt als erwiesen.
Aufgrund der im Zuge der Außenprüfung für die Jahre 2001 bis 2005 vorgelegten Dienstverträge und Zusätze zu den Dienstverträgen stand fest, wie auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom festgestellt hat, dass die Beschwerdeführerin den jeweiligen Dienstnehmern generell eine Mindesthöhe des Trinkgeldes von monatlich 500 Euro garantiert hat, den Dienstnehmern also zugesichert hat, dass sie zusätzlich zum monatlichen Fixbetrag den weiteren Betrag von monatlich 500 Euro in jedem Fall erhalten, auch dann, wenn dieser Betrag wegen Urlaub oder Krankheit in einem Monat nicht erreicht wird.
Auch anlässlich der Außenprüfung, auf die sich die nunmehr angefochtenen Bescheide stützen, und bei der unter anderem in Dienstverträge und Berichtigungen von Dienstverträgen Einsicht genommen worden ist, ging die belangte Behörde von diesem Sachverhalt aus. Aus dem Hinweis auf die Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom lässt sich ableiten, dass nach Ansicht der belangten Behörde betreffend Sachverhalt gegenüber den Feststellungen für die Jahre 2001 bis 2005 keine Änderungen eingetreten sind.
Nicht nur die belangte Behörde, sondern auch die Beschwerdeführerin ist in ihrer Berufungsschrift vom vom selben Sachverhalt wie in den Jahren 2001 bis 2005 ausgegangen. Denn nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass, wenn ein abweichender Sachverhalt vorgelegen wäre, dies in der Berufung vorgebracht worden wäre. Das ist nicht geschehen. Im Gegenteil, die Ausführungen der Beschwerdeführerin bestärken die Ansicht des Bundesfinanzgerichtes, wonach sich die Regelungen betreffend Trinkgelder in den verfahrensgegenständlichen Jahren gegenüber den Jahren 2001 bis 2005 nicht geändert haben. Denn der Hinweis auf die beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde und auf die (nach Meinung der Beschwerdeführerin) damit einhergehende rechtliche Wirkungslosigkeit der damit angefochtenen Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , auf die sich die belangte Behörde stützte, deuten eindeutig auf die gleiche Sachlage hin. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin, "um eine absolut idente Wiederholung zu vermeiden", auf die Berufung gegen die Bescheide betreffend die Jahre 2001 bis 2005 verwiesen und diese der gegenständlichen Berufung beigelegt. Diese enthielt – wie vorstehend wiedergegeben – einen Hinweis auf die vereinbarte garantierte Höhe des Trinkgeldes. Damit brachte die Beschwerdeführerin deutlich und jeden Zweifel ausschließend zum Ausdruck, dass zumindest im Zeitpunkt der Berufung () die Regelungen in den Dienstverträgen betreffend Entgelt und Trinkgelder noch ident waren mit den, die für die Jahre 2001 bis 2005 gegolten haben.
Daran vermochten auch die Vorbringen im Schreiben vom und die Vorlage von rückwirkend geänderten Dienstverträgen nichts zu ändern.
Zum einen entsprechen erfahrungsgemäß zeitlich frühere Aussagen eher der Wahrheit (vgl. ). Die Beschwerdeführerin selbst ist in der gegenständlichen Berufung vom von identen Verhältnissen wie in den Jahren 2001 bis 2005 ausgegangen. Zum anderen gab die Beschwerdeführerin in diesem Schreiben an, dass die Änderungen der Dienstverträge auf Grund der für die Jahre 2001 bis 2005 getroffenen Feststellungen rückwirkend erfolgt seien, indem die beanstandeten Bestimmungen durch neue Vereinbarungen ersetzt worden seien. Im Einzelnen sei unter anderem die Entlohnung auf vierzehnmal jährlich erweitert worden und die Zusage eines garantierten Trinkgeldes gäbe es nicht mehr.
Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die diesbezügliche Prüfung erst am begonnen hat, die Abgaben mit den Bescheiden vom vorgeschrieben worden sind und die dagegen erhobene Berufung mit Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom erledigt worden ist. Über die dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis vom entschieden. Erst nach Ergehen des Erkenntnisses, in dem der Verwaltungsgerichtshof dezidiert auf die für die rechtliche Beurteilung der Trinkgelder maßgeblichen Artikel der Dienstverträge eingegangen ist, hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom mitgeteilt, dass die Dienstverträge rückwirkend mit geändert worden seien.
Den Ausführungen der Beschwerdeführerin zufolge waren die Erweiterung der Entlohnung und die Beseitigung eines garantierten Trinkgeldes Gegenstand der Änderungen. Die rückwirkend geänderten Dienstverträge sehen im Gegensatz zu den in der Fassung vor den Änderungen die Auszahlung eines 13. und 14. Monatsbezuges vor. Den dem Finanzamt übermittelten Lohnzetteln für die Jahre 2006 bis 2008 der Dienstnehmer, für die im nunmehrigen Beschwerdeverfahren geänderte Dienstverträge vorgelegt worden sind, lassen jedoch keine Hinweise für die Auszahlung eines 13. und 14. Monatsbezuges entnehmen. Dadurch steht fest, dass zum Zeitpunkt der Übermittlung der Jahreslohnzettel die von der Beschwerdeführerin behaupteten (rückwirkenden) Änderungen der Dienstverträge betreffend die Erweiterung der Entlohnung noch nicht vereinbart waren. Damit steht aber auch fest, dass die Regelungen betreffend Trinkgelder zum Zeitpunkt der Übermittlung der Jahreslohnzettel und somit mit Ablauf des Jahres 2008 noch nicht geändert waren.
Das Bundesfinanzgericht erachtet es daher als erwiesen, dass die Dienstverträge erst nach Ablauf des Jahres 2008 geändert worden sind. Wären nämlich die Dienstverträge bereits nach Ergehen der Bescheide betreffend die Jahre 2001 bis 2005 () oder nach Ergehen der Berufungsentscheidung () geändert worden, dann hätte dies die Beschwerdeführerin in der Berufung vom vorgebracht und nicht auf die seinerzeitige Berufung verwiesen, "um eine absolute idente Wiederholung zu vermeiden." Ebenso wären bei einer Änderung während der verfahrensgegenständlichen Jahre in den dem Finanzamt übermittelten Jahreslohnzetteln das 13. und 14. Monatsgehalt ausgewiesen gewesen.
Für eine Änderung nach dem Jahr 2008 spricht auch der Umstand, dass die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Verträge als Unterzeichnungsdatum den bzw. den (Diensteintritt des betreffenden Dienstnehmers) ausweisen. Die Beschwerdeführerin selbst hat angegeben, die Dienstverträge auf Grund der Feststellungen der Außenprüfung für die Jahre 2001 bis 2005 rückwirkend geändert zu haben. Der erste Prüfungstag war (wie bereits festgehalten) aber erst der . Die Änderungen konnten somit nicht an den in den Verträgen ausgewiesenen Zeitpunkten erfolgt sein, diese lagen vor dem Prüfungsbeginn. Der Umstand, dass die in den Verträgen ausgewiesenen Zeitpunkte nicht mit den tatsächlichen Unterzeichnungszeitpunkten übereinstimmen konnten, spricht auch nicht für eine Änderung während der verfahrensgegenständlichen Jahre.
Für eine Änderung der Dienstverträge nach Ablauf des Jahres 2008 sprechen auch die anlässlich der Außenprüfung für die verfahrensgegenständlichen Jahre vorgelegten Vereinbarungen über die Richtigstellung der Dienstverträge betreffend Höhe der Entlohnung. Diese Richtigstellungen sind laut den Angaben auf den Vereinbarungen "im Februar 2010" mit Stichtag erfolgt.
Im Bereich des Arbeitsrechtes wirken verschlechternde einvernehmliche Vertragsänderungen (wie etwa die Reduktion von Arbeitszeit oder Entgelt) nur für die Zukunft. Darüber hinaus sind nach ständiger Rechtsprechung rückwirkende Rechtsgeschäft ungeachtet ihrer zivilrechtlichen Zulässigkeit für den Bereich des Steuerrechts nicht anzuerkennen (). Dass rückwirkende Vertragsänderungen vorlagen, stand außer Streit. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen stand für das Bundesfinanzgericht fest, dass diese Änderungen zumindest erst nach Ablauf des Jahres 2008 erfolgt sind.
Die Dienstverträge enthielten in den nunmehr strittigen Jahren 2006 bis 2008 die selben Regelungen wie für die Jahre 2001 bis 2005 und daher war vom selben Sachverhalt auszugehen. Etwaige nach Ablauf des Jahres 2008 erfolgte rückwirkende Änderungen waren für die rechtliche Beurteilung des Trinkgeldes außer Acht zu lassen.
Es bedurfte daher keiner Erwägungen, ob die Vereinbarung eines Bruttolohnes zwischen 2,5 und 3,1 Euro pro Stunde sittenwidrig war oder ob die rückwirkenden Willenserklärungen bloß zum Schein abgegeben worden sind.
Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob auf Grund des Zusatzes "Gelesen und einverstanden" in den im nunmehrigen Beschwerdeverfahren vorgelegten und als Dienstverträgen bezeichneten Dokumenten von einer Willenserklärung oder bloß einer Wissenserklärung der Dienstnehmer auszugehen war und ob somit überhaupt geänderte Vereinbarungen zustande gekommen sind.
Gemäß § 41 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) haben alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen, den Dienstgeberbeitrag zu leisten. Der Beitrag des Dienstgebers ist von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen, gleichgültig, ob die Arbeitslöhne beim Empfänger der Einkommensteuer unterliegen oder nicht (§ 41 Abs. 3 FLAG). Zur Beitragsgrundlage gehören gemäß § 41 Abs. 4 lit. c FLAG nicht die in § 3 Abs. 11 und Z 13 bis 21 EStG 1988 genannten Bezüge.
Die Pflicht zur Entrichtung eines Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag gründet sich auf § 122 Abs. 7 und 8 Wirtschaftskammergesetz 1988; als Bemessungsgrundlage gilt die Beitragsgrundlage nach § 41 FLAG.
Gemäß § 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988 sind ortsübliche Trinkgelder, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von dritter Seite freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist, befreit. Dies gilt nicht, wenn auf Grund gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Bestimmungen Arbeitnehmern die direkte Annahme von Trinkgeldern untersagt ist.
Die vorstehend genannte Befreiungsbestimmung betrifft Einkünfte, die aus der Sicht des Einkommensteuergesetzes insofern atypisch sind, als sie nicht im Verhältnis Arbeitnehmer – Arbeitgeber verdient werden, sondern ihre Wurzel im direkten Verhältnis Arbeitnehmer – Kunde (Gast) haben. Es handelt sich dabei um Einkünfte, denen ein freigebiges Verhalten des Kunden zugrunde liegt und deren Höhe typischerweise vom persönlichen Einsatz des Arbeitnehmers gegenüber dem Kunden abhängt. Trinkgelder stehen daher zwar im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis (ohne diese käme es nicht zur Leistung von Trinkgeldern), ihre Zuwendung erfolgt aber doch letztlich außerhalb desselben: Ein Rechtsanspruch ist nicht gegeben; die Höhe steht im Belieben des Kunden; für den Arbeitnehmer gibt es zwar, was die Summe der Trinkgelder in einem bestimmten Zeitraum betrifft, möglicherweise Erfahrungswerte, aber keine Sicherheit; sobald die Kundenbeziehung wegfällt (etwa im Falle der Krankheit), fällt auch das Trinkgeld weg, ohne durch andere Leistungen substituiert zu werden ().
Nach den vom Verfassungsgerichtshof herausgearbeiteten Kriterien liegt den Trinkgeldern im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988 ein freigiebiges Verhalten der Kunden zugrunde und die Höhe des Trinkgeldes ist typischerweise vom persönlichen Einsatz des Dienstnehmers gegenüber dem Kunden abhängig. Es sind Zahlungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht.
Keine ortsüblichen Trinkgelder liegen vor, wenn diese den Arbeitslohn übersteigen. Auf Grund der vorgelegten Dienstverträge war von monatlichen Bruttogehältern zwischen 310 und 380 Euro auszugehen. Die Beschwerdeführerin legte für den Monat Dezember 2008 eine Liste über die Trinkgelder der einzelnen Dienstnehmer vor. Auf Grund der darin enthaltenen Angaben steht fest, dass bei den Dienstnehmern (mit sehr wenigen Ausnahmen) die Trinkgelder höher bzw. sogar wesentlich höher waren als die Bruttogehälter.
Garantierte Einnahmen eines Dienstnehmers entsprechen nicht den genannten Kriterien, es mangelt an der Abhängigkeit vom freigiebigen Verhalten der Kunden. Darüber hinaus hängt nach allgemeiner Lebenserfahrung das Trinkgeld in Spielbetrieben nicht von der Tüchtigkeit und vom persönlichen Einsatz des Dienstnehmers ab, sondern – wie selbst die Beschwerdeführerin in der Berufungsschrift vom (auf welche in der gegenständlichen Berufung verwiesen worden ist) ausgeführt hat - vom Spielglück der Kunden (Spieler). Der unmittelbare Zusammenhang mit dem persönlichen Einsatz des Dienstnehmers gegenüber den Kunden ist nicht gegeben. Durch die Verpflichtung der Dienstnehmer, die Trinkgelder aufzuzeichnen und der Beschwerdeführerin mitzuteilen, erweisen sich die Beträge als nicht außerhalb des Dienstverhältnisses bezogen. Im verfahrensgegenständlichen Fall handelte es sich daher nicht um Trinkgelder im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988. Diese sind daher gemäß § 41 Abs. 4 lit. c FLAG nicht von der Beitragsgrundlage ausgenommen ().
Gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht ist von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen, sondern hat sich auf diese gestützt. Die Feststellung des Inhalts der Dienstverträge für die verfahrensgegenständlichen Jahre stellen Tatsachenfragen und keine Rechtsfragen dar. Die Rechtsfrage, ob die konkreten Trinkgelder solche im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988 darstellen, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits beantwortet.
Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, ist eine Revision nicht zulässig.
Aus den dargestellten Erwägungen war spruchgemäß zu entscheiden.
Graz, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.2100368.2012 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at