Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.03.2016, RV/7103019/2014

Freiwillige Abfertigung, § 67 Abs. 6 EStG 1988

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, Adresse1, gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2008 zu Recht erkannt

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlage und die darauf entfallende Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) aus den weiter unen angeführten Gründen unzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf) war von bis bei der Firma1 beschäftigt. Im Rahmen eines "Sozialpaketes" (Sozialplanes) erhielt er beim Ausscheiden einen höheren Abfertigungsbetrag (ATS 212.805,65) ausbezahlt. Unter Einbindung des BMF wurde damals eine pauschale Versteuerung des gesamten Abfertigungsbetrages mit 21% (siehe den Lohnzettel vom ) festgelegt.

Im Vorfeld der Veranlagung zur Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2008 brachte der Bf vor, dass angesichts der seinerzeitigen pauschalen Besteuerung der Abfertigung nicht mehr von einer gesetzlichen Abfertigung iSd § 67 Abs. 3 bzw. freiwilligen Abfertigung iSd § 67 Abs. 6 EStG 1988 ausgegangen werden könne, sodass die seinerzeitige Dienstzeit beim 1986 beendeten Dienstverhältnis (System Abfertigung alt) bei einem anderen Arbeitgeber gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 als Vordienstzeit angerechnet werden könne und eine Gegenrechnung mit früheren Abfertigungen zu unterbleiben habe. Unterlagen über die konkrete Berechnung des damaligen Steuersatzes lagen auf Grund der seither verstrichenen 28 Jahre beim Finanzamt (FA) nicht mehr auf und wurden auch vom Bf nicht vorgelegt.

In seinem Schreiben an das FA vom betreffend die Arbeitnehmerveranlagung 2008 führte der Bf folgende Fragen bzw. Anträge aus:

1. Aufwendungen für Jobsuche
Da sein Dienstverhältnis mit dem Unternehmen Firma2 per Ende August 2008 beendet worden sei, sei er gezwungen gewesen, einen neuen Job zu suchen. Diesbezüglich habe er mehrere Vorstellungsgespräche in jenem Jahr gehabt. Er wolle wissen, ob die in diesem Zusammenhang stattgefundenen Fahrten (KM-Geld, Parkplatzgebühren ...) steuerlich absetzbar seien. Entsprechende Unterlagen könne er gerne nachreichen.

2. Berechnung Lohnsteuer von Abfertigung
Bei seinem Ausscheiden aus dem obgenannten Unternehmen per Ende August 2008 sei die gesetzliche sowie eine freiwillige Abfertigung ausbezahlt worden. Ein Teil der Abfertigung sei dadurch höher besteuert worden (50%?).
(Nach Darstellung der Umstände seines Ausscheidens aus der Firma1 und der im gesamten Sozialpaket erfolgten Versteuerung seiner Abfertigung pauschal mit 20%:) Bestehe nun die Möglichkeit, für seine mehr als 5-jährige Tätigkeit beim früheren Arbeitgeber und den damit verbundenen (seinerzeitigen) Anspruch auf gesetzlich/steuerlich begünstigte Abfertigung von drei Monatsgehältern, die damals nicht berücksichtigt worden sei, bei der nunmehr vom zweiten Arbeitgeber erhaltenen Abfertigung in Anspruch zu nehmen? Er ersuche um Stellungnahme bzw. Berücksichtigung bei der Arbeitnehmerveranlagung 2008.

Das FA veranlagte den Bf mit Bescheid vom zur Einkommensteuer für 2008 unter Zugrundelegung des vom Arbeitgeber amtswegig übermittelten Lohnzettels, worin unter anderem die mit festen Sätzen versteuerte Abfertigung in Höhe von EUR 79.626,60 (entspricht 9/12 der laufenden Bezüge) ausgewiesen war. Auf die Anregung bzw. den Antrag des Bf, 12/12 des laufenden Bezuges als gesetzliche Abfertigung gemäß § 67 Abs. 3 und 6 EStG 1988 mit dem festen Satz von 6% ohne Gegenrechnung einer 1986 empfangenen gesetzlichen Abfertigung zu versteuern, ging das Finanzamt im Bescheid nicht ein.

Der Bf erhob dagegen fristgerecht Berufung (nunmehr: Beschwerde) und beantragte, die im Schreiben vom angesprochenen, nunmehr mit EUR 1.583,20 bezifferten Kosten für die Jobsuche (= Kilometergeld EUR 1.520,40; Parkgebühren EUR 62,80) als zusätzliche Werbungskosten zu berücksichtigen.

Das FA gab der Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom teilweise Folge, indem es die geltend gemachten (detailliert aufgelisteten) Kilometergelder berücksichtigte, den weiteren Abzug von Parkgebühren jedoch versagte; einem Aktenvermerk über das Telefongespräch mit dem Bf am zufolge war diesem mitgeteilt worden, dass derartige Kosten mit dem Kilometergeld abgegolten seien.

Der Bf übermittelte am  ein als Vorlageantrag zu wertendes Schreiben, in welchem er sein früheres Ersuchen um "Berechnung Lohnsteuer von Abfertigung" erneuerte und "Bezug nehmend auf unser Telefonat vom wie vereinbart" folgende Unterlagen nachreichte:

a) Gehaltskonto 01-08/2008 (Firma2) - hier sei die Höhe der Abfertigung ersichtlich.
b) "Bezugsstreifen" über Abfertigung Juni 1986 (Firma1) - Aus dieser Abrechnung könne man sehen, dass die "Abfertigung/Sozialpaket" in der Höhe von (ATS) 212.805,65 mit einem Pauschalsatz von 21% besteuert worden sei. Die ausgewiesene Lohnsteuer betrage 44.689,19.
Der "begünstigte" Steuersatz sei bei der "Abfertigung" nicht berücksichtigt worden.
Er beantrage daher die Berücksichtigung des begünstigten Steuersatzes von 6% bei Berechnung der Lohnsteuer - Abfertigung 2008 (zusätzlich 3 Monatsgehälter).

Dem Schreiben beigefügt waren weiters
- Schreiben der Firma1 vom
- Lohnsteuerbescheinigung - Lohnzettel Jahr 1986 vom
- Abmeldung bei der Gebietskrankenkasse
- Bestätigung Arbeitsamt: Arbeitslos -
- Lohnsteuerbescheinigung - Lohnzettel für das Jahr 1986 (Arbeitgeberi.d.Zeit: 01.10. - )
- Finanzamt: Bescheid Jahresausgleich 1986 v.
- Finanzamt: Bescheid Jahresausgleich 1986 v.
- Schreiben an Finanzamt - ANV 2008 v.

Dem Schreiben der Firma1 war die Übermittlung an den Bf von folgenden Unterlagen zu entnehmen:
Arbeitsbescheinigung;
Lohnzettel 1986 ("das Original der Lohnsteuerkarte ... muss Ihnen direkt zukommen");
Bezugsstreifen über Urlaubsabfindung;
Bezugsstreifen über Abfertigung - aus VI/86, dort händisch eingetragen: "Normallohn 24.903,-; rechts Brutto/Normall. 24.903,-; Zeile darunter: "Abfertigung 201.302,-"; rechts daneben: "Sachbez(üge)", weiter rechts: "Bruttobezüge/inkl Sachbez 212.805,65";
Abmeldung der Gebietskrankenkasse.

Im Jahresausgleich 1986 vom waren ausgewiesen (ATS):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bruttobezüge
448.451,73
steuerfreie Bezüge
13.092,01
mit festen Sätzen versteuerte Bezüge
271.281,04
einbehaltene Pflichtbeiträge
31.121,52
WK
13.242,00
SA
4.032,00
Bemessungsgrundlage
115.683,16

Lohnsteuer laut Tarif: 20.080,80
anrechenbare Steuer: 20.444,54

Auf dem von der Firma1 ausgestellten Jahres-Lohnzettel 1986 waren unter anderem ausgewiesen (ATS):

Pkt. 3.
a) sonst. Bez. § 67 (1) innerh. d. Jahressechstels ... 28.451,11
c) auf das Jahres-1/6 nicht angerechnete sonst. Bez.
mit festen Steuersätzen § 67(1) iVm 67(5-7) .......... 24.903,00
d) mit gesondert ermitteltem Steuersatz § 67/8 ..... 212.805,65

Pkt. 12
Insgesamt einbehaltene Lohnsteuer ........................ 62.351,68
12.1. Davon entfällt auf Bezüge wie unter Pkt 3. ....... 47.890,44

Von dieser Steuer zu festen Sätzen entfielen rückgerechnet
6% oder ...... 1.494,18 auf Bezüge lt. Pkt. a),
6% oder ...... 1.707,07 auf Bezüge lt. Pkt. c) und
21% oder ..  44.689,19 auf Bezüge lt. Pkt. d).

Der Bf führte noch Folgendes aus:

Er habe, wie im Telefonat mit dem FA am vereinbart, weitere Unterlagen organisiert:

a) Gehaltskonto 01-08/2008 (Firma2)
Hier sei die Höhe der Abfertigung ersichtlich.

b) Bezugsstreifen über Abfertigung Juni 1986 (Firma1)
Aus dieser Abrechnung könne man sehen, dass die "Abfertigung/Sozialpaket" in der Höhe von (S) 212.805,65 mit einem Pauschalsatz von 21% versteuert wurde. Die ausgewiesene Lohnsteuer betrage (S) 44.689,19.
Der "begünstigte" Steuersatz sei bei der "Abfertigung" nicht berücksichtigt worden.

Er beantrage daher die Berücksichtigung des begünstigten Steuersatzes von 6% bei der Berechnung der Lohnsteuer - Abfertigung Firma2 (zusätzlich 3 Monatsgehälter).

Am äußerte der bundesweite Fachbereich Lohnsteuer (im Folgenden: bwFB)   gegenüber dem Finanzamt seine Rechtsmeinung zum Streitpunkt wie folgt:

"(..) Stpfl. war bis bei der Firma1 beschäftigt. IR eines Sozialpakets erhielt (er) einen höheren Abfertigungsbetrag ausbezahlt. Unter Einbindung des BMF wurde eine pauschale Versteuerung des gesamten Betrages mit 20% (21%) festgelegt. Stpfl. argumentiert, dass angesichts der damals höheren Besteuerung nicht mehr von einer gesetzl. Abfertigung (§ 67 Abs. 3) bzw. freiwilligen Abfertigung (§ 67 Abs. 6 EStG 1988) ausgegangen werden kann, sodass die seinerzeitige Dienstzeit beim nunmehr beendeten DV (System Abfertigung alt) bei einem anderen Arbeitgeber gem. § 67 Abs. 6 EStG 1988 als Vordienstzeit angerechnet werden kann und eine Gegenrechnung mit früheren Abfertigungen zu unterbleiben hat. Unterlagen über die konkrete Berechnung des damaligen Steuersatzes liegen angesichts der seither verstrichenen 28 Jahre beim FA nicht mehr auf. Der Lohnzettel sowie Lohnstreifen von damals sind vorhanden. Auf dem Lohnstreifen findet sich ausdrücklich die Bezeichnung "Abfertigung".

FRAGE:
Ist die seinerzeitige Abfertigung nunmehr gemäß § 67 Abs. 6 zweiter Satz EStG 1988 gegenzurechnen oder steht die Steuerbegünstigung für fünf angerechnete Vordienstjahre zu?

Rechtsansicht bwFB:

§ 67 (6) zweiter Satz EStG 1988 in der gegenständlich anzuwendenden Fassung eröffnet [in diesem Fall] die Möglichkeit, dass frühere Dienstzeiten bei einem nachfolgenden Arbeitgeber für Abfertigungszwecke freiwillig angerechnet werden. Um sicherzustellen, dass dieselben Zeiträume nicht mehrfach zu begünstigten Abfertigungen führen, sieht die genannte Gesetzesbestimmung vor, dass insbesondere während der angerechneten Dienstzeit bereits erhaltene Abfertigungen iSd § 67 Abs. 3 oder Abs. 6 EStG 1988 gegenzurechnen sind. Ggstdl. erhielt der Stpfl. iR der Beendigung seines damaligen DV zur Firma1 unstrittig eine Abfertigung. IdR stehen nach fünfjähriger Dienstzeit arbeitsrechtlich drei Monatsentgelte an gesetzlicher Abfertigung zu.

Der damalige Lohnzettel ... weist folgende Zahlen [in ATS] auf:
KZ 210 = 370.366,99
KZ 215 = 9.233,25 (davon sonst. Bezüge 8.500)
KZ 220 = 266.159,76
KZ 245 = 70.002,08
Sechstelüberhang 10.353,89
KZ 257 LSt insgesamt = 62.351,68
KZ 258 davon LSt für Bezüge Punkt 3. (KZ 22) = 47.890,44.

Laut L 16 ergeben sich laufende Bezüge von 85.353,34 (370.366,99 - 8.500 - 266.159,76 - 10.353.89) bzw. monatlich in den 6 Monaten des Jahres 1986 rund 14.226 (Kontrolle: sonstige Bezüge innerhalb des Jahressechstels lt. Lohnzettel 28.451,11:2 = 14.225,56). Unter Berücksichtigung von jeweils 1/12 UZ und WR ist davon auszugehen, dass der Abfertigungsberechnung ein Monatsbetrag von 16.597 zugrunde zu legen war. Angesichts der Dienstzeit im Unternehmen waren drei Monatsbezüge (16.597 x 3 = 49.791) als gesetzliche Abfertigung gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1972 anzusehen und mit 6% zu versteuern (keine Hinweise auf Steuersatz mindernde Kinder iSd § 119 EStG 1972).

Der Gesamtbetrag laut KZ 220 beträgt 266.159,76 und war wie folgt zu versteuern:

- 28.451,11 x 6% (SV-Beiträge z. Gänze beim lfd. Bezug berücksichtigt) = 1.707,07
- 24.903,00 x 6% = 1.491,18
- 49.791 (gesetzl. Abfertigung) x 6% = 2.987,46
- Viertel d. lfd. Bezüge d. letzten 12 Monate (14.103 x 3) 42.310 x 6% = 2.538,60
- Restbetrag (266.159,76-28.451,11-24.903-49.791-42.310) 120.704,65 z. Tarif;
lt. Lohnzettel KZ 245 70.002,08, >> Steuerberechnung für Restbetrag startet in zweiter Tarifstufe: 29.998 x 27%; 50.000 x 33%; 40.707 x 39% > 8.099+16.500+15.876.

Auf Grund der oben durchgeführten Rekonstruktion ergeben sich 49.199 (Summe der oa Positionen). Auf dem Lohnzettel ist unter KZ 258 betreffend Bezüge lt. KZ 220 eine Lohnsteuer von 47.890,44 ausgewiesen.

Zusammenfassung:
Es steht eindeutig fest, dass für das damalige Arbeitsverhältnis ... auch eine (gesetzliche) Abfertigung iSd § 67 Abs. 3 EStG gewährt wurde. Wenngleich konkrete Unterlagen fehlen, wie der Pauschalsatz seinerzeit ermittelt wurde, ergibt sich aus der .. Rekonstruktion, das die Abfertigung begünstigt versteuert wurde.. Davon ist auch deshalb auszugehen, da nach den Angaben des Stpfl. die Steuerberechnung damals unter Einbeziehung des BMF erfolgte. Es ist denkunmöglich, dass dies zu einer Schlechterstellung der Arbeitnehmer führte, deren Arbeitsverhältnis auf Grund einer Betriebseinstellung endete und es dabei im Rahmen des Sozialplanes zur Abfederung der wirtschaftlichen Nachteile kommen sollte.
Die damalige Abfertigungszahlung (gesetzliche und freiwillige) ist daher im Rahmen einer nunmehrigen Vordienstzeitenanrechnung entsprechend zu berücksichtigen.
"

Das FA legte sodann die Beschwerde am  dem BFG vor.

Der Richter am BFG ersuchte den Vertreter des bwFB mit Schreiben vom um nähere Erläuterungen zur beschwerdeanhängigen Versteuerung von Abfertigungszahlungen an den Bf anlässlich seines Ausscheidens aus dem Unternehmen der Firma2 per Ende August 2008. Es sei die Frage offen, ob und gegebenenfalls wie bzw. in welchem Ausmaß die vom Genannten anlässlich seines Ausscheidens aus der Firma1 im Jahr 1986 erhaltene Abfertigung mit dem Höchstmaß der Tarifbegünstigung 2008 gegenzurechnen wäre.

Der bwFB legte dem BFG zeitnah eine Modellrechnung in zwei Varianten hinsichtlich der Besteuerung der freiwilligen Abfertigung bei Berücksichtigung der Vordienstzeiten und des seinerzeitigen Sozialplanes vor.

Nach rechnerischer Darstellung der Besteuerung laut dem schon weiter oben wiedergegebenen Lohnzettel 1986
und
rechnerischer Darstellung der Besteuerung beim Austritt aus der Firma2 2008 laut Lohnkonto
merkte der bwFB zur Besteuerung mit Anrechnung der Vordienstzeiten an, dass sich sonach eine Dienstzeit vom 26 Jahren und 11 Monaten ergebe. Gemäß § 67 Abs. 6 zweiter Satz EStG würden 12/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate (grundsätzlich) mit 6% versteuert werden:
1/4 d. laufenden Bez. = 21.106,46, 1/12  daher 7.035,49 x 12 = 84.425,84.

Gemäß § 67 Abs. 6 EStG kürzten (jedoch) die während dieser (Gesamt-)Dienstzeit bereits erhaltenen Abfertigungen iSd Abs. 3 oder gemäß den Bestimmungen dieses Absatzes sowie bestehende Ansprüche auf Abfertigungen iSd Abs. 3 das steuerlich begünstigte Ausmaß:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Variante gesetzl. + freiwill. (fw) Abfertigung (Abf.):
 
Anm.
12/12 d. lfd. Bez. d. letzten 12 Monate
84.425,84
 
ab gesetzliche Abf. lt. LK
-79.626,60
 
ab gesetzl. Abf. Vordienstzeit in €
-3.618,45
1)
ab 1/4 § 67/6 EStG Vordienstzeit in €
-3.074,79
2)
Summe
-1.894,00
3)
Variante nur gesetzl. Abf.,
auf die 1986 Anspruch bestand:
 
 
12/12 d. lfd. Bez. d. letzten 12 Monate
84.425,84
 
ab gesetzliche Abf.
-79.626,60
 
ab gesetzl. Abf. Vordienstzeit in €
-3.618,45
1)
Summe
1.180,79
4)
LSt-BGL lfd 08/2008 lt LK:
19.285,38
 
zuzgl. fw Abfertigung Tarif
25.386,15
LSt
Summe
44.671,53
21.597,77
zuzgl. LSt 6% von 1.180,79
 
70,85
Summe
 
21.668,62
abgerechnet lt. LK
 
22.188,16
Differenz
 
-519,54

1) = ATS 49.971 - Berechnung laut E-Mail
2) = ATS 42.310 - Berechnung laut E-Mail
3) Es kann auch bei Anrechnung der Vordienstzeit nichts mehr begünstigt gem. § 67 Abs. 6 zweiter Satz besteuert werde.
4) Es kann noch ein Betrag von € 1.180, 79 begünstigt mit 6% besteuert werden.

Am  übermittelte der Richter dem Bf diese Stellungnahme und ersuchte ihn um Äußerung:

Die zweite Berechnungsvariante (ohne Anrechnung der freiwilligen Abfertigung 1986) würde zu einer geringfügig günstigeren Besteuerung der Abfertigung 2008 führen. Allerdings sei das BFG vorläufig der Ansicht, dass die erste Kontrollrechnung auf der zutreffenden Rechtsansicht des bwFB Lohnsteuer basiere, sodass an der in Aussicht genommenen abweisenden Erledigung der Beschwerde festgehalten werde.

Der Bf äußerte sich dazu mit (E-Mail-)Schreiben vom wie folgt:

Er habe mit seinem Steuerberater vereinbart, dass dieser eine Stellungnahme vorbereiten werde. Die Besprechung vom lasse sich wie folgt zusammenfassen:

Steuerberater und Bf verträten den Standpunkt, dass bei einer freiwilligen Abfertigung gemäß § 67 Abs. 6 EStG nur die gesetzliche Abfertigung gemäß § 67 Abs. 3 EStG in Abzug zu bringen sei. Laut dem bereits übermittelten Lohnzettel für 1986 habe es (jedoch) keine Abfertigung nach § 67 Abs. 3 von der Firma1 gegeben. Somit könnten von der 2008 empfangenen Abfertigung gemäß § 67 Abs. 6 Z 2 EStG 12/12 der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate ohne Abzug mit 6% versteuert werden.

Am übermittelte der Bf im Anhang zu seiner E-Mail eine original unterfertigte Äußerung seines Steuerberaters zur Stellungnahme des bwFB, worin zu lesen ist:

"Laut dem vorliegenden Lohnzettel für 1986 hat unser Mandant von der Firma1 im Rahmen eines 'Sozialpaketes' sonstige Brutto-Bezüge gemäß § 67 (KZ 220) erhalten:
- 67 (1) .......................... ATS 28.451,11
- 67 (1) iVm (5-7) ........... ATS 24.903,00
- 67 (8) ........................ ATS 212.805,65

Unserer Meinung nach erfolgte die Zuordnung der Bezugsbestandteile auf dem Lohnzettel korrekt.

Nicht zur Abrechnung mit dem festen Steuersatz von 6% gelangten Abfertigungen gem. § 67 (3,4). Gem. § 67 Abs. 6 Z 3 kürzen aber nur solche Abfertigungen die sonstigen Bezüge gem. § 67 (6) Z 1 und 2.

Ein Herausrechnen von Abfertigungen gem. § 67 (3) aus korrekt abgerechneten Bezügen gem. § 67 (8), wie es der bwFB LSt vorschlägt, halten wir nicht für sachgemäß. Eine derartige Methode ist uns weder aus der Literatur noch aus der einschlägigen Judikatur bekannt.

Somit wären € 4.799,24 (12/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate in Höhe von 84.425,84 abzüglich der gesetzlichen Abfertigung in Höhe von 79.626,60 mit dem begünstigten Steuersatz von 6% abzurechnen."

Der Richter ersuchte daraufhin den bwFB am um nochmalige Äußerung zur gegenständlichen Rechtssache:

In der Antwort vom sei der bwFB davon ausgegangen, dass (sofern das BFG die für den Bf günstigere Variante:  Gegenrechnung nur der 1986 empfangenen gesetzlichen Abfertigung, vertrete) die strittige Abfertigung 2008 gemäß § 67 Abs. 6 zweiter Satz EStG 1988 um jenen Betrag zu erhöhen sei, der 1/4 der "laufenden Bezüge der letzten 12 Monate" entspricht; diese hätten laut der - dem Richter noch nicht nachvollziehbaren - Berechnung EUR 84.425,84 betragen, sodass nach Abzug der Abfertigung 2008 laut Lohnkonto von EUR 79.626,60 und des Betrages von umgerechnet EUR 3.618,45 ein zusätzlich begünstigungsfähiger Rest von EUR 1.180,79 verbleibe.
§ 67 Abs. 6 zweiter Satz EStG sei nun nach Meinung des Richters hier nicht einschlägig, da es sich sowohl 1986 als auch 2008 um eine gesetzliche Abfertigung gehandelt habe.
Nach der vorläufigen Berechnung des Richters:
Gesetzliche Abfertigung 2008 = 79.626,60 x 12/9 = 106.168,80,
abzüglich (79.626,60 + 3.618,45=) 83.245,05 würde sich ein begünstigungsfähiger Mehrbetrag In Höhe von EUR 22.923,75 ergeben. Um Aufklärung und allfällige Neuberechnung werde ersucht.

Die am erteilte und am selben Tag dem Bf übermittelte Auskunft des bwFB lautete:

"Der Stpfl. erhielt anlässlich seines Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis per unter anderem eine gesetzliche Abfertigung ... ausbezahlt. [Diese] betrug lt. Berechnung des Arbeitgebers 9 Monatsentgelte oder EUR 79.626,60 für eine Dienstzeit von ca. 22 Jahren. Voraussetzung für die Besteuerung einer Abfertigung gem. § 67 Abs. 3 EStG 1988 [sind] die Auflösung des Dienstverhältnisses, die Auszahlung auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder eines Kollektivvertrages sowie ein arbeitsrechtlicher Anspruch darauf. Dieser Anspruch wurde vom Arbeitgeber mit € 79.626,60 ermittelt. Nur dieser Betrag kann auch gem. § 67 Abs. 3 EStG berücksichtigt werden, was ... im Rahmen der Lohnverrechnung auch gemacht wurde. (...) § 67 Abs. 3 EStG wurde somit zur Gänze ausgeschöpft. Darüber hinaus ist eine Besteuerung nach § 67 Abs. 3 EStG nicht mehr möglich. Ein vom Arbeitgeber allfällig zu niedrig ausbezahlter gesetzlicher Abfertigungsbetrag wäre arbeitsgerichtlich einzuklagen.

Neben der gesetzlichen Abfertigung erhielt der [Bf] eine freiwillige Abfertigung in der Höhe von insgesamt € 47.673,40 ... ausbezahlt. Fraglich ist im gegebenen Fall daher, inwieweit eine begünstigte Besteuerung gem. § 67 Abs. 6 EStG für diese freiwillige Abfertigung möglich ist.

§ 67 Abs. 6 EStG id für 2008 gF lautet:
'Sonstige Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen (wie zB freiwillige Abfertigungen und Abfindungen, ausgenommen von MV-Kassen ausbezahlte Abfertigungen), sind mit dem Steuersatz des Abs. 1 zu versteuern, soweit sie insgesamt ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate nicht übersteigen; Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Über das Ausmaß des ersten Satzes hinaus sind freiwillige Abfertigungen bei einer nachgewiesenen Dienstzeit von ............... bis zur Höhe von
..... 20 Jahren.......................... 9/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate
..... 25 Jahren......................... 12/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate
mit dem Steuersatz des Abs. 1 zu versteuern; Abs. 2 ist nicht anzuwenden.

Während dieser Dienstzeit bereits erhaltene Abfertigungen iS des Abs. 3 oder gemäß den Bestimmungen dieses Absatzes, sowie bestehende Ansprüche auf Abfertigungen iS des Abs. 3 kürzen das steuerlich begünstigte Ausmaß. Den Nachweis über die zu berücksichtigende Dienstzeit sowie darüber, ob und in welcher Höhe Abfertigungen iS des Abs. 3 oder dieses Absatzes bereits früher ausgezahlt worden sind, hat der Arbeitnehmer zu erbringen; bis zu welchem Zeitpunkt zurück die Dienstverhältnisse nachgewiesen werden, bleibt dem Arbeitnehmer überlassen. Der Nachweis ist vom Arbeitgeber zum Lohnkonto zu nehmen. Soweit die Grenzen des ersten und zweiten Satzes überschritten werden, sind solche sonstigen Bezüge wie ein laufender Bezug im Zeitpunkt des Zufließens nach dem Lohnsteuertarif des jeweiligen Kalendermonats der Besteuerung zu unterziehen. [...]' (Hervorhebungen durch den bwFB).

Nach § 67 Abs. 6 erster Satz EStG kann die freiwillige Abfertigung jedenfalls bis zu einem Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate begünstigt mit 6% besteuert werden. [Laut] Berechnung des Arbeitgebers, wonach 1/4 der laufenden Bezüge € 21.106,46 beträgt, ergeben sich aus den letzten 12 Monaten € 84.425,84. (...) Rechnet man die laufenden Bezüge 01-08/2008 laut Lohnkonto (€ 58.014,84) auf 12 Monate um, ergibt sich ein Betrag von € 87.022,26. Berücksichtigt man, dass wahrscheinlich im Vorjahr niedrigere laufende Bezüge aufgrund jährlicher Gehaltssteigerungen ausbezahlt wurden, wird die vom Arbeitgeber errechnete Basis der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate (84.425,84) vermutlich richtig sein.

Der Arbeitgeber hat ein Viertel (€ 21.106,46) der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate begünstigt mit 6% besteuert und die 'Viertelregelung' damit zur Gänze ausgeschöpft. Der Rest der freiwilligen Abfertigung in Höhe von € 26.566,94 wurde vom Arbeitgeber gemäß § 67 Abs. 10 EStG wie laufender Bezug im Zeitpunkt des Zufließens nach dem Lohnsteuertarif des jeweiligen Kalendermonats der Besteuerung unterworfen.

Zu klären bleibt daher nur noch, ob im gegebenen Fall nicht noch eine begünstigte Besteuerung gem. § 67 Abs. 6 zweiter Satz (teilweise) möglich gewesen wäre. Danach wird über die 'Viertelregelung' hinaus eine begünstigte Besteuerung je nach nachgewiesener Dienstzeit ermöglicht. [Bei der hier nachgewiesenen] Dienstzeit von mehr als 25 Jahren können 12/12 der letzten 12 Monatsbezüge begünstigt mit 6% besteuert werden. § 67 Abs. 6 zweiter Satz enthält jedoch eine Kürzungskomponente für dieses begünstigte Ausmaß: '...' [Wortlaut zitiert, Anm BFG]

[Nach Kürzung des begünstigten Höchstmaßes von 84.425,84 um die gesetzliche Abfertigung 2008] verbleiben nur mehr € 4.799,24 an möglicher  begünstigter Besteuerung gem. § 67 Abs.6 zweiter Satz EStG. Zu kürzen wäre das begünstigte Ausmaß aber auch um bereits erhaltene gesetzliche Abfertigungen oder Abfertigungen iS des § 67 Abs. 6 EStG für die Dienstzeit bei der Firma1. (...)
Der Arbeitnehmer hat eine Sozialplanzahlung erhalten, mit welcher sämtliche Ansprüche seinerzeit bereinigt wurden. Inwieweit (gemeint: in welcher jeweiligen Höhe, Anm. BFG) hier auch eine gesetzliche oder freiwillige Abfertigung mit abgegolten wurde, ist am Lohnzettel im Detail nicht ersichtlich. Laut Sachverhalt wurde hinsichtlich des Sozialplanes offensichtlich eine pauschale Gesamtvereinbarung geschlossen. Faktum ist jedoch, dass der Arbeitnehmer bei Ausscheiden aus der Firma1 einen gesetzlichen Abfertigungsanspruch für die mehr als fünfjährige Dienstzeit arbeitsrechtlich hatte (= 3 Monatsentgelte). Dieser wurde durch eine 'Rückrechnung' aufgrund des Lohnzettels mit (umgerechnet) € 3.618,45 ermittelt. Zieht man diesen Anspruch auf gesetzliche Abfertigung vom restlichen begünstigungsmöglichen Betrag ab, verbleiben € 1.180,79. Inwieweit noch eine im Sozialplan enthaltene freiwillige Abfertigung oder die erhaltene Urlaubsabfindung (ATS 24.903,00 = € 1.809,77), welche seinerzeit ebenfalls gem. § 67 Abs. 6 EStG mit 6% besteuert wurde, vom begünstigten Ausmaß abzuziehen ist, obliegt dem Bundesfinanzgericht. Nach § 67 Abs. 6 EStG hat den Nachweis über die zu berücksichtigende Dienstzeit sowie darüber, ob und in welcher Höhe Abfertigungen iS des Abs. 3 oder dieses Absatzes bereits früher ausbezahlt worden sind, jedenfalls der Arbeitnehmer zu erbringen."

Der Bf erstattete durch seinen Steuerberater am (Datum der Postaufgabe) folgendes weitere Vorbringen:

"(...) Wir schließen uns dem bwFB dahingehend an, dass die verbliebene strittige Frage ist, inwieweit der mögliche begünstigt zu besteuernde Betrag von € 4.799,24 einer Kürzung gem. § 67 (6) EStG unterliegt.

Dazu möchten wir auch die LStRL 1089a zitieren:
'Aus dem Wortlaut des § 67 Abs. 6 EStG 1988 ergeben sich in Bezug auf die Abfertigungsansprüche zwei Kürzungskomponenten:

1. Die während der im zweiten Satz des § 67 Abs. 6 EStG 1988 genannten nachgewiesenen Dienstzeit bereits erhaltenen Abfertigungen iS des § 67 Abs. 3 EStG 1988 oder gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988, sowie

2. die bestehenden Ansprüche auf Abfertigungen iS des § 67 Abs. 3 EStG 1988 (vgl. ; ).'

Relevant im gegenständlichen Fall ist der erste Punkt, der unserer Meinung nach nicht zutrifft.

Bei den Beendigungszahlungen der Firma1 an [unseren Mandanten] handelt es sich arbeitsrechtlich um Sozialplanzahlungen und keine Abfertigungszahlungen iS des § 67 (3) EStG.

Zwar versuchte der bwFB in seinem E-Mail vom über eine fiktive Aufgliederung der Beendigungszahlungen ... und eine fiktive Besteuerung dieser fiktiven Beendigungszahlungsteile nachzuweisen, wie die tatsächliche Steuerbelastung zustande kam, um aus dem Umkehrschluss wiederum nachzuweisen, dass von der Firma1 'versteckt' doch eine Abfertigung iS des § 67 (3) EStG zur Auszahlung gelangte.

Diese 'Rekonstruktion' der Steuerbelastung der Beendigungsansprüche ist dem bwFB allerdings nicht gelungen bzw. konnte gar nicht gelingen. Bei dem zur Anwendung gelangten Steuersatz von 21% handelte es sich nämlich um einen Steuersatz, der für die gesamte damals ausgeschiedene Belegschaft (aufgrund Betriebsschließung) galt und um keinen für unsere Mandantschaft individuell ermittelten.

Somit ist ersichtlich, dass es sich bei den Beendigungszahlungen der Firma1 um einen Sozialplan handelte, der korrekt unter § 67 (8) EStG zu subsumieren ist. Derartige Zahlungen kürzen aber aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlautes keinesfalls eine Abfertigung gem. § 67 (6) EStG. Wir sind daher nach wie vor der Meinung, dass die gegenständlichen € 4.799,24 begünstigt zu besteuern wären."

Beweiswürdigung

1. Laut Lohnstreifen der Firma1 (übertitelt mit "Nachtrag Juni 1986") wurden die Urlaubsansprüche des Bf mit dem Brutto-Betrag von ATS 24.903,00 (entspricht EUR 1.809,77) bzw. nach Abzug der zum begünstigen Satz einbehaltenen Lohnsteuer von ATS 1.494,18 (EURO 108,59) mit dem ausgezahlten Netto-Betrag von ATS 23.408,82 (EUR 1.701,19) abgefunden (siehe dazu unter "Rechtslage" und "Erwägungen").

2. Laut demselben Lohnstreifen wurden des Weiteren folgende Brutto-Beträge berücksichtigt und Netto-Beträge unter der jeweiligen Überschrift ausbezahlt:
"Abfertigung" 201.302,00; "Brennstoff" 5.225,00;" Zucker/Sachbezug" 1.460,15; "Zucker/Bar" 4.818,50, zusammen Brutto 212.805,65, nach Abzug der einbehaltenen Lohnsteuer von ATS 46.149,34 daher netto ATS 166.656,31. Laut handschriftlichem Zusatzvermerk unter dem Lohnstreifen wurden "21% Pauschalsteuersatz" angewendet.

Die ausgewiesenen Sachbezüge waren jeweils in einer Höhe angesetzt, die nach Überzeugung des Gerichtes ihre Eigenschaft als Abfindungen (und nicht als fortlaufende Zuwendungen für den Lohnzahlungszeitraum Juni 1986) anzunehmen erlaubt.

In dem aus Abfertigung und Abfindungen für zustehende Sachbezüge zusammengesetzten Gesamtbetrag von ATS 212.805,65 war unzweifelhaft auch jener Betrag an Abfertigung für mehr als 5 Jahre Dienstzeit enthalten, auf den der Bf gemäß § 67 Abs. 3 EStG einen gesetzlichen und somit beim Arbeitssgericht einklagbaren Anspruch hatte. Der Bf verkennt die Sachlage, wenn er aus der Tatsache der Lohnversteuerung des Gesamtbetrages mit einem Pauschalsatz von 21% den Schluss zieht, dass der Arbeitgeber die gesetzliche Abfertigung nicht ausbezahlen wollte, rechtlich besehen nicht ausbezahlen musste und daher auch nicht ausbezahlte. Das würde nämlich bedeuten, dass es sich bei dem Betrag von ATS 201.302,00 nur um eine freiwillige Abfertigung handelte, die angelehnt an die Regeln des § 67 Abs. 6, aber davon abweichend mit einem gesondert vereinbarten Pauschalsatz von 21% (dem damaligen Eingangssteuersatz) versteuert wurde, und dass dadurch die dem Bf unabhängig davon zustehende gesetzliche Abfertigung nach dem Sozialplan völlig verloren ging. Tatsächlich handelte es sich jedoch, wie dem bwFB an Hand seiner indirekten Ermittlung der damaligen Besteuerungsgrundlagen darzustellen gelungen ist, um mehrere Komponenten des Gesamtbetrages: Ein indirekt ermittelbarer Teil entfiel auf die gesetzliche Abfertigung, ein Teil auf die darüber hinaus gewährte freiwillige Abfertigung und ein weiterer Teil auf die Abfindung von Sachbezugsansprüchen. Dass der damalige Arbeitgeber den gesetzlichen Abfertigungsanspruch des Bf keineswegs ignoriert haben kann, wird schon daraus ersichtlich, dass er die dem Bf zustehende Abfindung des nicht verbrauchten Urlaubes begünstigt mit 6% versteuert hatte.

Die exakte Ermittlung dieser einzelnen Komponenten war dem Finanzamt aus eigenem, ohne die Mitwirkung des Bf, angesichts des mehr als 26 Jahre (1986 - 2013) zurückliegenden Sachverhaltes unmöglich und auch unzumutbar, zumal es Sache des Bf gewesen wäre, die tatsächlichen Umstände bei der Ermittlung des Gesamtabfindungsbetrages von ATS 212.805,65 nachzuweisen (zu den Arbeitnehmerpflichten gemäß § 67 Abs. 6 EStG siehe unter "Rechtslage").

Davon zu unterscheiden ist die Frage, auf Grund welcher Überlegungen und Berechnungen die damaligen Gesprächspartner (Firma, Finanzamt und BMF) den pauschale Steuersatz von 21% vereinbarten, der sodann vom Arbeitgeber im Zuge der Lohnverrechnung angewendet wurde.
Die Rückrechnung des bwFB macht es für das BFG eindeutig nachvollziehbar, dass die Besteuerung der gesetzlichen Abfertigung 1986 mit dem begünstigten Steuersatz von 6% intendiert war und im pauschalen Steuerbetrag zum Satz von 21% auch tatsächlich Berücksichtigung fand. Beachtung verdient in diesem Zusammenhang der Umstand, dass die vom Arbeitgeber durchgeführte Besteuerung von der sämtliche Komponenten des Gesamtabfindungsbetrages analysierenden Kontrollrechnung des bwFB nur geringfügig - und zwar nach unten! - abweicht. Die Differenz erklärt sich aus dem Fehlen von nachprüfbaren Unterlagen betreffend die Höhe der dem Bf gewährten  freiwilligen Abfertigung sowie betreffend die Berechnungsgrundlage für die gesetzlich zustehende Abfertigung von 3/12 der laufenden Monatsbezüge des Referenzzeitraumes 7/1985 - 6/1986. Der Bf hat diesbezüglich nichts zur Aufklärung beigetragen, obwohl es ihm frei gestanden wäre, dem Arbeitgeber des Jahres 2008 entsprechende Daten zwecks Aufnahme in das Lohnkonto vorzulegen.

Nach Abzug der 2008 erhaltenen gesetzlichen Abfertigung (9/12) von dem in Ansehung der Gesamtdienstzeit möglichen Höchstmaß (12/12) ist der verbleibende, grundsätzlich begünstigungsfähige Restbetrag durch die hier gebotene Gegenrechnung der 1986 empfangenen gesetzlichen Abfertigung sowie der erkennbar ebenso begünstigt besteuerten freiwilligen Abfertigung und der Urlaubsabfindung bereits ausgeschöpft, sodass eine darüber hinausgehende begünstigte Besteuerung mit dem Satz von 6% nicht in Betracht kommt (siehe unten "Rechtslage").

Rechtslage

Für die Lösung der gegenständlich einzigen Streitfrage,
ob die 1986 in einer nicht detaillierten Gesamtsumme empfangenen Beträge aus dem Titel gesetzliche Abfertigung, freiwillige Abfertigung und Urlaubsabfindung mit der 2008  im Ausmaß von 12/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate nach Abs. 1 begünstigungsfähige, aber infolge der Nicht-Meldung des Bf von Vordienstzeiten an den Arbeitgeber tatsächlich nur mit 9/12 ausbezahlte freiwillige Abfertigung gegenzurechnen sind (Standpunkt des FA) oder nicht (Standpunkt des Bf), ist § 67 Abs. 6 Satz 3 und Abs. 8 EStG 1988 einschlägig.

Diese Bestimmungen lauten:

"§ 67. (6) Sonstige Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen (wie zum Beispiel freiwillige Abfertigungen und Abfindungen, ...) sind mit dem Steuersatz des Abs. 1 [6%] zu versteuern, soweit sie insgesamt ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate nicht übersteigen; Abs. 2 [Sechstelbestimmung] ist nicht anzuwenden. Über das Ausmaß des ersten Satzes hinaus sind freiwillige Abfertigungen bei einer nachgewiesenen Dienstzeit von ... 25 Jahren bis zur Höhe von ... 12/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate mit den Steuersätzen des Abs. 1 zu versteuern; Abs. 2 ist nicht anzuwenden.
Während dieser Dienstzeit bereits erhaltene Abfertigungen iS des Abs. 3 [Abfertigungen, auf die ein einklagbarer Rechtsanspruch besteht] oder gemäß den Bestimmungen dieses Absatzes sowie ... kürzen das steuerlich begünstigte Ausmaß. Den Nachweis über die zu berücksichtigende Dienstzeit sowie darüber, ob und in welcher Höhe Abfertigungen iS des Abs. 3 oder dieses Absatzes bereits früher ausgezahlt worden sind, hat der Arbeitnehmer zu erbringen; bis zu welchem Zeitpunkt zurück die Dienstverhältnisse nachgewiesen werden, bleibt dem Arbeitnehmer überlassen. Der Nachweis ist vom Arbeitgeber zum Lohnkonto (§ 76) zu nehmen. Soweit die Grenzen des ersten und zweiten Satzes überschritten werden, sind solche sonstigen Bezüge wie ein laufender Bezug im Zeitpunkt des Zufließens nach dem Lohnsteuertarif des jeweiligen Kalendermonats der Besteuerung zu unterziehen. (...)

(8) Für die nachstehend angeführten sonstigen Bezüge gilt Folgendes:
...
d) Ersatzleistungen (Urlaubsentschädigungen, Urlaubsabfindungen sowie freiwillige Abfertigungen oder Abfindungen  für diese Ansprüche)  für nicht verbrauchten Urlaub sind, soweit sie laufenden Arbeitslohn betreffen, als laufender Arbeitslohn, soweit sie sonstige Bezüge betreffen, als sonstiger Bezug im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen.
...
f) Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses im Rahmen von Sozialplänen als Folge  von Betriebsänderungen iS des § 109 Abs. 1 Z 1 bis 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes oder vergleichbarer gesetzlicher Bestimmungen anfallen, soweit sie nicht nach Abs. 6 mit dem Steuersatz des Abs. 1 zu versteuern sind, sind bis zu einem Betrag von 22.000 Euro  mit der Hälfte des Steuersatzes, der sich bei gleichmäßiger Verteilung des Bezuges auf die Monate des Kalenderjahres als Lohnzahlungszeitraum ergibt, zu versteuern. [Hervorhebung BFG]

(9) Sonstige Bezüge, die mit festen Steuersätzen versteuert werden, bleiben bei der Veranlagung der Einkommensteuer außer Betracht. [§ 41 Abs. 4]
Als fester Steuersatz gelten auch .... sowie die Tariflohnsteuer des Abs. 8 lit e und f.
 

§ 67 Abs. 8 lit. f ist anzuwenden auf Bezüge, "soweit sie nicht nach Abs. 6 mit dem Steuersatz des Abs. 1 zu versteuern sind". Damit unterscheidet das Gesetz solche Bezüge von jenen, die nach Abs. 6 mit dem Steuersatz des Abs. 1 zu versteuern sind [nicht: tatsächlich so versteuert worden sind]. Wird nun die Besteuerung der im Rahmen von Sozialplänen gewährten Bezüge durch gesonderte Vereinbarung mit der Finanzverwaltung pauschal günstiger geregelt als es die Bestimmungen des § 67 vorsehen, so ist damit weder der Anspruch auf gesetzliche Abfertigungen und einklagbare Abfindungen noch deren Anerkennung durch den Arbeitgeber beseitigt; ebenso wenig kann dann die vom Arbeitgeber ausdrücklich als "Abfertigung" bezeichnete Gesamtabfindungssumme in ein nicht § 67 Abs. 3 und 6 unterfallendes aliud umgedeutet werden. Die Kürzungsvorschrift des Abs. 6  bleibt in einem solchen Fall anwendbar, wenn festgestellt wird, dass im  Gesamtabfindungsbetrag mit einem begünstigten Steuersatz nach 67 Abs. 1 zu versteuernde Komponenten enthalten sind, welche die erwähnten Ansprüche des Arbeitnehmers betreffen und abdecken.

Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde (sinngemäß: das Bundesfinanzgericht) unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Erwägungen

Dem Bf gelingt es mit seinem Vorbringen nicht, die vom BFG, wie weiter oben ausgeführt, bestätigte Feststellung des Finanzamtes, dass er 1986 eine nach § 67 Abs. 6 iVm Abs. 1 begünstigt zu versteuernde (und im Ergebnis tatsächlich so besteuerte) gesetzliche und freiwillige Abfertigung sowie eine begünstigt zu versteuernde (und tatsächlich so besteuerte) Urlaubsabfindung erhalten habe, zu widerlegen. Sein Antrag auf eine weitere Tarifbegünstigung der freiwilligen Abfertigung 2008 im Ausmaß der Differenz zwischen dem tatsächlich erhaltenen und dem begünstigungsfähigen Betrag erscheint daher auf Grund der Ausschöpfung des verfügbaren Restbetrages von 4.799,24 durch die 1986 empfangenen, de facto mit dem festen Steuersatz des § 67 Abs. 1 besteuerten Abfertigungsbeträge (umgerechnet EUR 3.618,45 und 3.074,79, zusammen 6.693,24) unbegründet.

Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang der als Werbungskosten anerkannten Fahrtspesen für Jobsuche abzuändern.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Ein solcher Fall liegt nicht vor, da lediglich die nach ihrem Wortlaut und Zweck eindeutig bestimmte Regelung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 unter Zugrundelegung des ermittelten Sachverhaltes anzuwenden war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.7103019.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at