Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.02.2017, RV/1100936/2015

Fahrtkosten eines Außendienstmitarbeiters einer Versicherung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin AA in der Beschwerdesache BF, vertreten durch BB, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Feldkirch vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2014 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (im Folgenden abgekürzt: Bf.), der im Streitjahr als Außendienstmitarbeiter einer Versicherung nichtselbständig erwerbstätig war, machte in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung unter anderem Fahrtkosten in Höhe von 9.642,78 € geltend.

Mit Bescheid vom wurde lediglich der Pauschbetrag für Werbungskosten in Höhe von 132,00 € berücksichtigt. Begründend wurde hinsichtlich der Fahrtkosten sinngemäß ausgeführt, die beigebrachten Aufzeichnungen seien als Nachweis dieser Kosten ungeeignet. Vorzulegen gewesen wäre ein Fahrtenbuch, in welchem hinsichtlich jeder einzelnen Fahrt folgende Angaben anzuführen gewesen wären: Datum, Kilometerstand, Anzahl der beruflich zurückgelegten Tageskilometer, Ausgangs- und Zielpunkt jeder Fahrt, Zweck der Fahrt sowie die privaten Fahrten.

In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde wandte sich der Bf. gegen die Nichtanerkennung der Fahrtkosten mit der Begründung, er habe die Kosten für die beruflich bedingten Fahrten selbst getragen. Als Beweis werde er dem Finanzamt eine vom Arbeitgeber bestätigte Reisekostenaufstellung nachreichen, aus welcher zu ersehen sei, dass sein Arbeitgeber für die Fahrten zu Kunden keine Kostenersätze geleistet habe.

In der Folge legte der Bf. dem Finanzamt ein mit datiertes Schreiben seines Arbeitgebers vor, in dem dieser bestätigte, dass für Kundenbesuche kein Kilometergeld vergütet werde und auch kein sonstiger Kostenersatz gewährt werde. Übermittelt wurde zudem ein Fahrtenbuch, in welchem des KFZ-Kennzeichen, der Kilometerstand zum , der Kilometerstand zum , das Datum der beruflichen Fahrt, der Wochentag, die jeweiligen Zielorte sowie die beruflich und privat gefahrenen Kilometer angeführt waren.

Mit Vorhalt vom ersuchte das Finanzamt den Bf. um Bekanntgabe des jeweiligen Grundes für die einzelnen Dienstreisen (Namen der Kunden) und um die Adresse seines Büros sowie um Mitteilung, weshalb seine täglichen Privatfahrten exakt 8 km betragen würden.

Im Antwortschreiben vom teilte der Bf. dem Finanzamt mit, sein Büro befinde sich in der X-Straße in D.. Die einfache Wegstrecke zwischen Büro und seiner Wohnung betrage 4 km. In seiner Reisekostenaufstellung seien deshalb täglich 8 km als Privatfahrten ausgewiesen, weil er jeden Tag einmal sein Büro aufsuche.

Für den Bf. sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Angaben in seinem Fahrtenbuch, in dem sogar die angefahrenen Gemeinden ausgewiesen seien, nicht als Nachweis für seine dienstlich gefahrenen Kilometer ausreichen würden. Er sei aus Gründen des Datenschutzes nicht zur Weitergabe der Namen der Kunden an das Finanzamt befugt. Im Unternehmen seines Dienstgebers würden die Kunden absolute Diskretion hinsichtlich ihrer Versicherungsverträge genießen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde teilweise Folge gegeben. In der gesondert übermittelten Begründung wurde im Wesentlichen dargelegt, aufgrund der Benützung eines privaten Kraftfahrzeuges anfallende Fahrtkosten könnten lediglich dann als Werbungskosten gemäß § 16 EStG 1988 berücksichtigt werden, wenn Nachweise vorlägen, die eine Kontrolle dieser Fahrten erlaubten. Als Nachweis geeignet sei unter anderem ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch, welches laut  Rz 289, Rz 290 und Rz 371 der Lohnsteuerrichtlinien jedenfalls Beginn und Ende der Dienstfahrt, den Kilometerstand, die Gesamtzahl der gefahrenen Kilometer sowie Ziel und Zweck der Fahrt zu enthalten habe. Die Anforderungen an die Qualität der Aufzeichnungen würden mit der Anzahl der dienstlich gefahrenen Kilometer steigen. Zudem müsse jedes einzelne Fahrziel angeführt werden, nicht nur das am weitesten entfernte.

Das seitens des Bf. vorgelegte Fahrtenbuch enthalte weder Angaben über Beginn und Ende der Dienstfahrt noch den jeweiligen Zweck der Fahrt. Auch erscheine es unglaubwürdig, dass mit Ausnahme von ca. 20 Tagen im Streitjahr an Arbeitstagen nur 8 km täglich aus privaten Gründen zurückgelegt worden seien. Deshalb sei gemäß § 184 Abs. 3 BAO eine (pauschale) Kürzung der beantragten Kosten vorzunehmen. Als beruflich veranlasst würden 50% der im Streitjahr laut Fahrtenbuch zurückgelegten Kilometer angesehen werden (insgesamt gefahrene Kilometer: 24.950; davon 50 %: 12.475), sodass Werbungskosten in Höhe von 5.239,50 € anzuerkennen seien (12.475 mal 0,42 € ergibt 5.239,50 €).

Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag wurde ergänzend vorgebracht, entgegen den Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung sei im vergleichsweise sehr sauber und ordentlich geführten Fahrtenbuch sowohl der Anfangs- als auch der Endkilometerstand angegeben worden. Zweck jeder beruflichen Reise seien Kundenbesuche gewesen. Die Namen der Kunden könnten aber, wie bereits dargelegt worden sei, aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht bekannt gegeben werden. Auch sei die Anzahl der berufsbedingt gefahrenen Kilometer als branchenüblich einzustufen.

Im Rahmen eines Telefongesprächs mit der für den Beschwerdefall zuständigen Richterin, über welches ein Aktenvermerk angefertigt wurde, gab der Bf. bekannt, dass er sein Kraftfahrzeug wegen der hohen Kosten nur in Ausnahmefällen privat nutze. Sofern möglich, unternehme er private Fahrten mit dem Fahrrad. Da er alleinstehend und sportlich sei, wäre dies für ihn das ideale Fortbewegungsmittel. Ansonsten verwende er öffentliche Verkehrsmittel. Er habe weder eine Jahreskarte für öffentliche Verkehrsmittel noch ein weiteres Kraftfahrzeug.

II. Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

In Streit steht das Ausmaß der durchgeführten beruflich veranlassten Fahrten sowie die Höhe der aus diesem Grund anzuerkennenden Werbungskosten.

Als Sachverhalt steht fest, dass der als Außendienstmitarbeiter eines Versicherungsunternehmens tätige Bf. Kunden seines Arbeitgebers in ganz Y betreut. Für diese Fahrten zu den jeweiligen Kunden, die der Bf. mit seinem privaten Kraftfahrzeug durchführt, erhält er von seinem Dienstgeber keine Fahrkostenersätze. Einmal täglich sucht der Bf. ein ihm von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestelltes Büro auf.

Maßgeblich sind im zu beurteilenden Fall insbesondere die folgenden Normen:

Gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen Werbungskosten.

Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung insoweit zu schätzen, als sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

Gemäß § 184 Abs. 2 BAO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.

Gemäß § 184 Abs. 3 BAO ist ferner zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Beruflich veranlasste Fahrten sind stets in der tatsächlich angefallenen Höhe als Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 zu berücksichtigen. Als Schätzungshilfe kann aber bei der Verwendung eines privaten PKW von der Behörde das amtliche Kilometergeld herangezogen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die tatsächlichen Kosten bei höheren Kilometerleistungen degressiv entwickeln, weshalb ab einer gewissen Kilometerleistung (nach den LStR 2002, Rz 371, bei beruflichen Fahrten von mehr als 30.000 km im Kalenderjahr) der Ansatz der tatsächlichen Aufwendungen erforderlich sein wird (vgl. Doralt, EStG13, § 16 Tz 220 "Fahrtkosten" mit Judikaturverweisen).

Nach einheitlicher Lehre und Judikatur (siehe dazu z.B. ; ; ; ; ; Renner, Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit eines Fahrtenbuches, in SWK 27/2008, 728ff) hat der Nachweis der Fahrtkosten grundsätzlich mittels eines laufend geführten Fahrtenbuches zu erfolgen, aus dem der Tag (Datum) der beruflichen Fahrt, Ort, Zeit und Kilometerstand jeweils am Beginn und am Ende jeder beruflichen Fahrt, Zweck jeder einzelnen beruflichen Fahrt und die Anzahl der gefahrenen Kilometer, aufgegliedert in beruflich und privat gefahrene Kilometer, ersichtlich sind. Die Führung eines Fahrtenbuches kann entfallen, wenn durch andere Aufzeichnungen (beispielsweise durch Reisekostenabrechnungen gegenüber dem Arbeitgeber) eine verlässliche Beurteilung möglich ist, wenn also die Aufzeichnungen mit einem vertretbaren Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sind.

Im Beschwerdefall erfüllen die beigebrachten Aufzeichnungen über die Fahrtkosten insbesondere deshalb nicht die seitens der Lehre und Judikatur gestellten Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch, als als Zweck der als beruflich gekennzeichneten Fahrten lediglich ganz allgemein „Kundenbesuche“, nicht aber die Namen und Adressen der jeweiligen Kunden bekannt gegeben wurden. Somit konnte eine stichprobenhafte Überprüfung, ob tatsächlich berufliche Fahrten im angeführten Ausmaß durchgeführt wurden, nicht erfolgen. Eine solche Überprüfung wäre gegenständlich aber schon allein deshalb geboten gewesen, weil laut den beigebrachten Aufzeichnungen im Streitjahr lediglich 1991 km privat zurückgelegt wurden, wobei sich mit Ausnahme von 14 Fahrten im Gesamtausmaß von 178 km die Privatfahrten auf die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle (Büro) beschränkten. Ein derart geringfügiges Ausmaß von Privatfahrten steht nach Auffassung des BFG außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung und zieht deshalb eine umso höhere Beweispflicht nach sich.

Soweit der Bf. die Offenlegung der Namen und Adressen der Kunden mit dem Hinweis auf Datenschutzbestimmungen verweigert, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Organe der Abgabenbehörde und des Bundesfinanzgerichts gemäß § 48a BAO zur Geheimhaltung der ihr im Rahmen ihrer Amtsausübung zukommenden Daten verpflichtet sind (siehe dazu auch ; Ritz, BAO5, § 48a Tz 1ff). Auch kann aus dem Umstand, dass nach Aussage des Bf. seine Arbeitskollegen keine detaillierteren Aufzeichnungen betreffend Fahrtkosten führen als die von ihm vorgelegten, nicht abgeleitet werden, dass sich die streitgegenständlichen Aufzeichnungen als Beweis bzw. zur Glaubhaftmachung für die Richtigkeit seiner Aufzeichnungen eignen.

Da der Bf. weder ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vorgelegt hat noch die Richtigkeit seiner Angaben durch sonstige geeignete Aufzeichnungen (beispielsweise durch Reiseaufzeichnungen oder einen Terminkalender) glaubhaft gemacht hat, war das Finanzamt zur Schätzung der beruflich veranlassten Fahrtkosten berechtigt. Das vom Finanzamt angenommene Ausmaß der privaten Fahrten - 50% der insgesamt im Streitjahr gefahrenen Kilometer - wird allerdings als zu hoch erachtet. Denn nach Auffassung des BFG kann bei einem Außendienstarbeiter, dem die Betreuung von im gesamten Bundesgebiet (Y) ansässigen Kunden seines Arbeitgebers obliegt, und der diese Kunden zu diesem Zweck am jeweiligen Wohnort aufsucht, davon ausgegangen werden, dass das Ausmaß der beruflichen Fahrten in der Regel deutlich höher ist als jenes der Privatfahrten. Das BFG kommt daher im Rahmen der Beweiswürdigung zum Ergebnis, dass 70% der im Streitjahr laut Fahrtenbuch zurückgelegten Kilometer als beruflich veranlasst anzusehen sind. Unter dem Titel "Fahrtkosten" sind somit Werbungskosten in Höhe von 7.335,30 € zu berücksichtigen (beruflich und privat im Streitjahr zurückgelegte Kilometer: 24.950; davon 70%: 17.465 km; 17.465 x 0,42 ergibt 7.335,30 €).

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall lag diese Voraussetzung schon deshalb nicht vor, weil die Frage des Ausmaßes  der durchgeführten beruflich veranlassten Fahrten und in weiterer Folge die Höhe der aus diesem Grund anzuerkennenden Werbungskosten in freier Beweiswürdigung zu beurteilen war. Eine (ordentliche Revision) ist daher nicht zulässig.

Gesamthaft war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 184 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 184 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 184 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.1100936.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at