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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.01.2017, RV/7106163/2016

Kinderbetreuungskosten iSd § 34 Abs. 9 EStG 1988

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Christine Smolle in der Beschwerdesache Bf., AdresseBf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2015 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird teilweise Statt gegeben.

Der Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2015 wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2015 begehrte die Beschwerdeführerin (Bf.), die ausschließlich nichtselbständige Einkünfte erzielte, Ausgaben für Kinderbetreuung in Höhe von € 3.156,60 als außergewöhnliche Belastungen anzusetzen.

Das Finanzamt einen Einkommensteuerbescheid und berücksichtigte lediglich Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen, die den Selbstbehalt in Höhe von € 3.301,22 jedoch nicht überstiegen. Dadurch kam es zu keiner steuerlichen Auswirkung. Hinsichtlich der Kinderbetreuungskosten wurde ausgeführt, dass die Bf. in Österreich keine Familienbeihilfe beziehe und daher die Kinderbetreuungskosten nicht anzuerkennen seien.

In der rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte die Bf. aus, dass die Begründung des Finanzamtes für EU-Bürger gelten würde, die nicht in Österreich lebten und daher auch keine Steuern in Österreich bezahlten.

Die Bf. wohne in Spanien, zahle ihre Steuern in Österreich und solle daher wie jeder Steuerzahler in Österreich von den steuerlichen Vorteilen wie z.B. „Kinderbetreuungsgeld“ profitieren.

Außerdem stehe d ie Begründung des Bescheides im Widerspruch zur Begründung der Bescheide von österreichischen WKO-Arbeitskollegen, die ebenfalls in Madrid arbeiten, nicht in Österreich wohnen, aber Steuern in Österreich bezahlen würden. Diese Arbeitskollegen erhielten Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld. Diese Ansicht widerspreche dem Gleichbehandlungsgrundsatz.

Nach Meinung der Bf. sei der gegenständliche Fall ein "gesonderter Fall", der nicht allgemein zu behandeln sei.

In der Beschwerdevorentscheidung anerkannte das Finanzamt, allerdings unter Berücksichtigung eines Selbstbehaltes in Höhe von € 3.301,22, sowohl die Krankheitskosten in Höhe von € 710,55, als auch die Ausgaben für Kinderbetreuung in Höhe von € 3.156,60 als außergewöhnliche Belastungen.

Im rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag führte die Bf. aus, dass sie als spanische Mitarbeiterin des österreichischen xxx in Madrid tätig sei und aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Spanien und Österreich in Österreich steuerpflichtig und in Spanien sozialversicherungspflichtig sei. Dies führe dazu, dass sie in Spanien keine Sonderausgaben für ihre beiden Töchter geltend machen könne, da sie in Spanien keine Steuern zahle. Andererseits dürfe sie in Österreich keine Kinderbetreuungskosten absetzen, da dies davon abhängt, ob sie Kinderbeihilfe beziehe.

Die Kinderbetreuungskosten der Bf. seien gemeinsam mit den Krankheitskosten unter der Rubrik außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt berücksichtigt worden. Dies ergebe jedoch einen kleineren steuerlichen Vorteil, als eine Vergünstigung in Höhe von € 2.300,--, wenn die Kinderbetreuungskosten ohne Ansatz des Selbstbehaltes berücksichtigt würden.

Da die Bf. in Österreich Steuer zahle, solle sie wie jeder österreichische Steuerzahler an den steuerlichen Vorteilen wie z.B. das Kinderbetreuungsgeld oder der Kinderfreibetrag teilhaben. Die Bf. solle wie jeder Steuerzahler mit zwei kleinen Kindern eine geringere Steuerbelastung haben. Dies sei bei ihr nicht der Fall und widerspreche daher dem Gleichbehandlungsgrundsatz.

Die Kinderbetreuungskosten für ihre zwei kleinen Kinder seien bei der Arbeitnehmerveranlagung die einzigen Kosten, um diese Ungleichbehandlung etwas zu kompensieren.

Die Bf. ersuchte nochmals um eingehende Überprüfung.

Das Finanzamt legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vor.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkten Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).

  • Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

  • Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Gemäß Abs. 3 leg.cit. erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

§ 34 Abs. 4 EStG 1988 normiert auszugsweise: Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen von mehr als € 14.600,-- bis € 36.400,-- 10 %.

§ 34 Abs. 5 EStG 1988 lautet: Sind im Einkommen sonstige Bezüge im Sinne des § 67 enthalten, dann sind als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Zwecke der Berechnung des Selbstbehaltes die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, erhöht um die sonstigen Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 u. 2 anzusetzen.

In § 34 Abs. 6 EStG 1988 ist auszugsweise geregelt, welche Aufwendungen ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden können:

  • Aufwendungen für die Kinderbetreuung im Sinne des Abs. 9.

§ 34 Abs. 9 EStG 1988 normiert: Aufwendungen für die Betreuung von Kindern bis höchstens € 2.300,-- pro Kind und Kalenderjahr gelten unter folgenden Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung:

Z. 1. Die Betreuung betrifft ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 oder ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 2.

Z. 2. Das Kind hat zu Beginn des Kalenderjahres das 10. Lebensjahr oder, im Falle des Bezuges erhöhter Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 für das Kind, das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet. Aufwendungen für die Betreuung können nur insoweit abgezogen werden, als sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

Als Kinder im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten Kinder, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner (Abs. 3) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 zusteht (§ 106 Abs. 1 EStG 1988).

Als Kinder im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch Kinder, für die dem Steuerpflichtigen mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Unterhaltsabsetzbetrag nach § 33 Abs. 4 Z 3 zusteht (§ 106 Abs. 2 EStG 1988).

Wenn die Bf. in der Beschwerde vorbringt, sie wohne in Spanien und zahle ihre Steuern in Österreich und solle daher wie jeder andere Steuerzahler in Österreich von den steuerlichen Vorteilen wie z.B. Kinderbetreuungsgeld profitieren, ist ihr entgegenzuhalten, wenn die Voraussetzungen für die Anerkennung der außergewöhnlichen Belastung vorliegen würden, würde das Finanzamt diese auch anerkennen. Wie zuvor unter § 34 Abs. 9 EStG 1988 ausgeführt, gelten Aufwendungen für die Betreuung von Kindern nur unter bestimmten Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes. Zum Einen muss die Betreuung für ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 oder Abs. 2 erfolgen und zum Anderen darf das Kind das 10. Lebensjahr noch nicht vollendet haben bzw. bei Bezug von erhöhter Familienbeihilfe darf das Kind das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Dass die Bf. keine Kinder im Sinne des § 106 Abs. 1 EStG 1988 oder Abs. 2 EStG 1988 hat, wird auch von ihr nicht bestritten.

Hinsichtlich des von der Bf. behaupteten Widerspruchs der Begründung ihres Bescheides zur Begründung der Bescheide von österreichischen WKO-Arbeitskollegen ist auf die ständige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, wonach aus einem allfälligen Fehlverhalten der Behörde in anderen Fällen ein Recht auf gleiches behördliches Fehlverhalten nicht abgeleitet werden kann ().

Soweit die Bf. vermeint, der gegenständliche Fall sei nicht allgemein zu prüfen, weil er besonders gelagert sei, ist darauf hinzuweisen, dass ein "besonders gelagerter" Sachverhalt nach Ansicht des Gerichtes eben nicht vorliegt. Gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 können Aufwendungen für die Kinderbetreuung im Sinne des Absatzes 9 ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden; da jedoch im vorliegenden Fall keine Kinderbetreuung im Sinne des Absatzes 9 gegeben ist, können auch die Kosten für die Kinderbetreuung nicht ohne Anwendung des Selbstbehaltes Berücksichtigung finden.

Hinsichtlich des behaupteten Widerspruchs der Bescheidbegründungen von österreichischen WKO-Arbeitskollegen ist zu erwidern, dass es eben nicht nur darauf ankommt, ob jemand in Madrid arbeitet und nicht in Österreich wohnt, aber in Österreich Steuern zahlt, sondern ob die Voraussetzungen zur Anwendung der Bestimmungen des § 34 Abs. 6 und Abs. 9 EStG 1988 vorliegen. Im gegenständlichen Fall liegen eben diese Voraussetzungen nicht vor.

Betreffend das Vorbringen der Bf., sie solle wie jeder Steuerzahler mit zwei kleinen Kindern eine geringere Steuerbelastung haben, dies treffe bei ihr nicht zu und widerspreche daher dem Gleichbehandlungsgrundsatz, ist auszuführen, dass gem. § 7 Abs. 1 B-VG alle Staatsbürger vor dem Gesetz gleich sind. Es ist jedoch festzuhalten, dass es dem österreichischen Gesetzgeber im Rahmen seines sozialpolitischen Gestaltungsspielraumes freistehen muss, unter welchen Voraussetzungen die Aufwendungen für Kinderbetreuung als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind.  Das Gericht gelangt daher zur Ansicht, dass die Anerkennung von Kinderbetreuungskosten ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes als außergewöhnliche Belastung durchaus sachlich gerechtfertigt ist. § 34 Abs. 9 EStG 1988 ist verfassungsgemäß und verletzt somit nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Da die Kinderbetreuungskosten seitens des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung unter Berücksichtigung des Selbstbehaltes anerkannt wurden, ist der Beschwerde somit teilweise Statt zu geben.

Ermittlung der außergewöhnlichen Belastung


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Krankheitskosten
710,55
Kinderbetreuungskosten
3.156,60
außergewöhnliche Belastung
3.867,15

Ermittlung des Selbstbehaltes


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Steuerpflichtige Bezüge
28.168,36
Sonstige Bezüge
+ 5.657,54
Sonderausgaben
- 547,32
Gewerkschaftsbeitrag
- 134,40
Werbungskosten-Pauschale
- 132,00
 
33.012,18
davon 10 % = Selbstbehalt
3.301,22

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine derartige Rechtsfrage liegt im gegenständlichen Fall nicht vor, weil sich die Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten als außergewöhnliche Belastung direkt aus den gesetzlichen Bestimmungen (§ 34 Abs. 6 EStG 1988 und § 34 Abs. 9 EStG 1988) ergibt. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Es war demnach spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.7106163.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at