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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.01.2017, RV/7101422/2012

Vorsteuerpauschalierung bei Schätzung von Erlösen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter, Mag. Dieter Fröhlich über die Bescheidbeschwerde des Bf., X.X geboren, A. wohnhaft, vertreten durch Mag. Thomas Heinrich Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatung GmbH, 1230 Wien, Lehmanngasse 7, vom gegen die Umsatzsteuerbescheide des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart, StNr.: 38 189/5051, vom , zugestellt am , für die Jahre 2006, 2007, 2008, 2009 und 2010

zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird stattgegeben.

Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2006 bis 2010 werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und diese bilden einen Bestandteil des Spruches.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art 133 Abs. 4 B VG i.V.m. § 25a VwGG eine Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (in der Folge Bf. genannt) wohnt und arbeitet in Wien. Neben seiner beruflichen Haupttätigkeit betreibt er in der Rechtsform eines nicht protokollierten Einzelunternehmens eine Gemischtwarenhandlung in einer kleinen Gemeinde in Mittelburgenland, nahe der ungarischen Grenze. Die Arbeiten im Geschäft werden vorwiegend von seiner Schwiegermutter verrichtet.

Der Jahresumsatz bewegt sich im Streitzeitraum 2006 bis 2010 zwischen rund 50.000 und 60.000 Euro. Im Zuge einer Betriebsprüfung wurde festgestellt, dass der Bf. über die Tageslosungen keine Aufzeichnungen geführt habe. Die Erlöse seien einfach auf Grund der kalkulierten Zuschläge zu den Preisen des Wareneinkaufs errechnet worden.

In Folge der abgabenbehördlichen Prüfung wurden die Veranlagungsverfahren von Amts wegen wiederaufgenommen und entsprechend den Feststellungen der Außenprüfung geänderte Umsatzsteuerbescheide 2006 bis 2010 erlassen.

Der Bf. stellte daraufhin einen ausführlich begründeten Antrag auf Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO. Er begehrte eine Änderung der Schätzung der Bemessungsgrundlage und die Berücksichtigung der ihm gesetzliche zustehende Vorsteuerpauschalierung (Seite 7 u. 10 des Schriftsatzes vom ).

Das Finanzamt (FA) führte mit Bescheiden vom die Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO durch und erließ gleichzeitig geänderte Umsatzsteuerbescheide 2006 bis 2010. Die Umsatzsteuerbescheide enthielten überhaupt keine Begründung. In den Aufhebungsbescheiden erschöpfte sich die Begründung in dem Verweis, auf Einnahmen-Ausgabenrechnungen vom des steuerlichen Vertreters. Eine solche Einnahmen-Ausgabenrechnung vom (das Datum der Bescheiderlassung) befindet sich aber nicht im vorgelegten Steuerakt. Offenbar wurde damit die dem Antrag gemäß § 299 BAO vom vom Bf. angeschlossene sogenannte „Überschlagsrechnung“ betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer gemeint.

Entgegen dem vom Bf. gestellten Antrag wurde vom FA in den Umsatzsteuerbescheiden 2006 bis 2010 vom ohne eine Begründung die erklärte Vorsteuerpauschale nicht angesetzt.

Der Bf. erhob durch seinen steuerlichen Vertreter mit Schriftsatz vom gegen diese Umsatzsteuerbescheide form- und fristgerecht Berufung.

Es werde beantragt, das gemäß § 14 Abs. 1 Z. 1 UStG vorgesehene Vorsteuerpauschale in folgender Höhe – entsprechend den detaillierten Berechnungen der beiliegenden Aufstellung – zu berücksichtigen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr 2006
Euro 1.252,00
Jahr 2007
Euro 1.120,08
Jahr 2008
Euro 1.089,57
Jahr 2009
Euro    999,28
Jahr 2010
Euro    961,34
Gesamt
Euro 5.422,27

Die Voraussetzungen für die Gewährung des gesetzlichen Vorsteuerpauschales seien eindeutig gegeben. Der Steuerpflichtige übe mit dem Gemischtwarenhandelsunternehmen eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 23 EStG aus und die Umsätze der Vorjahre sind jeweils unter € 220.000 gelegen.

Das Rechtsmittel wurde mit Vorlagebericht vom dem Unabhängigen Finanzsenat (UFS) zur Entscheidung vorgelegt. Darin führt das FA Folgendes aus:

„Streitgegenstand bildet die Nichtgewährung des Vorsteuerpauschales. Das FA beantragt die Berufung abzuweisen und verweist zur Begründung seines Rechtsstandpunktes auf die Ausführungen der Betriebsprüfung in Tz. 3 der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom :

Neben der Pauschalierung in der ESt kann in der USt eine Vorsteuerpauschalierung in Anspruch genommen werden. Nach den EStR 2000 setzt das Nettosystem mit gleichzeitiger Vorsteuerpauschalierung die Basispauschalierung voraus.

Aus ertragsteuerlicher Sicht sind im Rahmen der Basispauschalierung nach 126 BAO die Betriebseinnahmen und die gesondert absetzbaren Betriebsausgaben aufzuzeichnen, bzw. die entsprechenden Belege aufzubewahren. Aus den Aufzeichnungen muss der Zeitpunkt der Bezahlung hervorgehen.

Der Unternehmer hat im gesamten Prüfungszeitraum keine Tageslosungen aufgezeichnet. Von der Betriebsprüfung wird die Basispauschalierung daher nicht gewährt. Dies hat zur Folge, dass auch die Vorsteuerpauschalierung nicht zusteht.“

Gemäß § 323 Abs. 38 BAO ist diese beim UFS anhängig gewesene Berufung nunmehr vom Bundesfinanzgericht (BFG) als Beschwerde im Sinn des Art 130 Abs.1 B-VG zu erledigen.

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

In Streit steht die Rechtsfrage, ob dem Bf. die gesetzliche Vorsteuerpauschalierung für sein Einzelunternehmen zusteht.

Die Bestimmung des § 14 UStG 1994 in der maßgeblichen Fassung lautet:
„Vorsteuerabzug nach Durchschnittssätzen

(1) Unternehmer können die abziehbaren Vorsteuerbeträge wahlweise nach folgenden Durchschnittssätzen ermitteln:

  • Unternehmer, bei denen die Voraussetzungen gemäß § 17 Abs. 2 Z 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 für die Ermittlung der Betriebsausgaben mit einem Durchschnittssatz vorliegen, können die abziehbaren Vorsteuerbeträge mit einem Durchschnittssatz von 1,8% des Gesamtumsatzes aus Tätigkeiten im Sinne des § 22 und § 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 mit Ausnahme der Umsätze aus Hilfsgeschäften, höchstens jedoch mit einer abziehbaren Vorsteuer von 3 960 Euro, berechnen. Eine Ermittlung der abziehbaren Vorsteuerbeträge mit dem Durchschnittssatz ist gesondert für jeden Betrieb möglich. Mit diesem Durchschnittssatz werden sämtliche Vorsteuern abgegolten, ausgenommen

a) Vorsteuerbeträge für Lieferungen von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen und deren Anschaffungskosten 1 100 Euro übersteigen, sowie für die Lieferung von Grundstücken des Anlagevermögens. Diese Ausnahme gilt sinngemäß für die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer für Einfuhren, die diesen Lieferungen entsprechen;

b) Vorsteuerbeträge für sonstige Leistungen im Zusammenhang mit der Herstellung von abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, deren Herstellungskosten 1 100 Euro übersteigen;

c) Vorsteuerbeträge für Lieferungen von Waren, Rohstoffen, Halberzeugnissen, Hilfsstoffen und Zutaten, die nach ihrer Art und ihrem betrieblichen Zweck in ein Wareneingangsbuch (§ 128 der Bundesabgabenordnung) einzutragen sind oder einzutragen wären, sowie Vorsteuerbeträge für Fremdlöhne, soweit diese unmittelbar in Leistungen eingehen, die den Betriebsgegenstand bilden. Diese Ausnahme gilt sinngemäß für die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer für Einfuhren, die diesen Lieferungen entsprechen.

Diese Vorsteuerbeträge sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 zusätzlich abziehbar.

  • Der Bundesminister für Finanzen kann weiters mit Verordnung für die Ermittlung der abziehbaren Vorsteuerbeträge Durchschnittssätze für Gruppen von Unternehmern aufstellen. Die Durchschnittssätze sind auf Grund von Erfahrungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse bei der jeweiligen Gruppe von Unternehmern festzusetzen.

(2) In der Verordnung gemäß Abs. 1 Z 2 werden bestimmt:

  • Die Gruppe von Betrieben, für welche Durchschnittssätze anwendbar sind;

  • die für die Ermittlung der Durchschnittssätze jeweils maßgebenden Merkmale. Als solche kommen insbesondere Art und Höhe der an den Betrieb ausgeführten Umsätze in Betracht;

  • der Umfang, in dem Unternehmern, deren Vorsteuer nach diesen Durchschnittssätzen zu ermitteln ist, Erleichterungen in der Führung von Aufzeichnungen gewährt werden.

(3) Die Durchschnittssätze gemäß Abs. 1 Z 2 müssen zu einer Vorsteuer führen, die nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der sich ohne Anwendung der Durchschnittssätze ergeben würde.

(4) Unternehmer, bei denen die Voraussetzungen für eine Ermittlung des Vorsteuerabzuges nach Durchschnittssätzen gegeben sind, können bis zur Rechtskraft des Bescheides gegenüber dem Finanzamt schriftlich erklären, daß sie ihre abziehbaren Vorsteuerbeträge nach Durchschnittssätzen ermitteln. Sowohl die Erklärung, die Vorsteuerbeträge nach Abs. 1 Z 1, als auch die Erklärung, die Vorsteuerbeträge nach Abs. 1 Z 2 zu ermitteln, bindet den Unternehmer mindestens für zwei Kalenderjahre.

(5) Die Erklärung gemäß Abs. 4 kann nur mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist bis zur Rechtskraft des dieses Kalenderjahr betreffenden Bescheides gegenüber dem Finanzamt schriftlich zu erklären. Mit dem Widerruf kann der Unternehmer erklären,

a) die Durchschnittssätze anstelle nach Abs. 1 Z 1 nach Abs. 1 Z 2 oder umgekehrt zu ermitteln. Diese Erklärung bindet den Unternehmer wieder für mindestens zwei Kalenderjahre;

b) die Vorsteuerbeträge nach den allgemeinen Vorschriften zu ermitteln. Eine erneute Ermittlung des Vorsteuerabzuges nach Durchschnittssätzen ist frühestens nach Ablauf von fünf Kalenderjahren zulässig.“

Um den Vorsteuerabzug nach Durchschnittssätzen vornehmen zu können, muss der Unternehmer bis zur Rechtskraft des Bescheides gegenüber dem FA die schriftliche Erklärung abgeben, die abziehbaren Vorsteuern nach Durchschnittssätzen ermitteln zu wollen (§ 14 Abs 4). Die Erklärung muss präzisieren, ob die gesetzliche oder die Verordnungspauschalierung in Anspruch genommen wird. Einer (bescheidmäßigen) Zustimmung des FA bedarf es nicht. Die Erklärung bindet den Unternehmer mindestens (d.h. jedenfalls) für zwei Kalenderjahre. Danach kann sie widerrufen werden, allerdings nur mit Wirkung von Beginn eines Kalenderjahres an. Die Bindung bezieht sich auf die dem betreffenden Kalenderjahr folgenden beiden Kalenderjahre, unabhängig davon, wann die Erklärung abgegeben wird (Ruppe/Achatz, UStG4, § 14, Tz 9).

Der Bf. hat jedenfalls in der Berufung vom die Inanspruchnahme der gesetzlichen Vorsteuerpauschalierung gemäß § 14 Abs. Z. 1 UStG für die Kalenderjahre 2006 bis 2010 schriftlich erklärt. Dazu ist anzumerken, dass vom Bf. auch bei der Veranlagung der Vorjahre die gesetzliche Vorsteuerpauschalierung bereits in Anspruch genommen worden ist. Die formale Voraussetzung der Abgabe einer rechtzeitigen, eindeutigen und schriftlichen Erklärung ist daher zweifelsfrei erfüllt.

Die gesetzliche Vorsteuerpauschalierung können Unternehmer in Anspruch nehmen, bei denen die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 für die Ermittlung der Betriebsausgaben mit einem Durchschnittssatz vorliegen. Gemäß § 17 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 (idF BGBl I 100/2006) ist Voraussetzung für die Betriebsausgabenpauschalierung, dass die Umsätze iSd § 125 Abs 1 BAO im vorangegangenen Wirtschaftsjahr nicht mehr als € 220.000 betragen haben. Die zweite Voraussetzung für die Betriebsausgabenpauschalierung gemäß § 17 Abs 2 Z 1 EStG (keine Buchführungspflicht, keine freiwillige Buchführung) ist durch die eigentümliche Verweistechnik nicht Bedingung der Vorsteuerpauschalierung. Der Anwendungsbereich der Vorsteuerpauschalierung erstreckt sich somit auch auf buchführungspflichtige oder freiwillig buchführende Unternehmer, die nach ESt-Recht ihre Betriebsausgaben nicht nach Durchschnittssätzen abziehen können. Die Inanspruchnahme der Vorsteuerpauschalierung ist unabhängig von der einkommensteuerrechtlichen Vorgangsweise möglich (vgl. Ruppe/Achatz, UStG4, § 14, Tz 14 mit Hinweis auf die UStR Rz. 2226 zur Vorsteuerpauschalierung: „Die Inanspruchnahme von Pauschalierungen kann für Zwecke der ESt und der USt jeweils unabhängig voreinander erfolgen“, ebenso UFS, , RV/1977-W/04 zur Gewinnermittlung durch Pauschalierung und VSt-Pauschalierung bei Schätzung).

Die Einwendung des Bf. war daher zu Recht. Die persönlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der gesetzlichen Vorsteuerpauschalierung liegen eindeutig vor. Ein Zuschätzung gemäß § 184 BAO steht der Vorsteuerpauschalierung gemäß § 14 Abs. 1 Z. 1 UStG nicht entgegen. Dem Beschwerdebegehren war somit Folge zu geben.

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Im gegenständlichen Fall war keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Das Ergebnis entspricht der ständigen Rechtsprechung des VwGH und der herrschenden Rechtsmeinung zur gesetzlichen Vorsteuerpauschalierung (so auch die UStR Rz. 2226).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.7101422.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
BAAAC-13059