Inanspruchnahme als Haftender nach § 9 BAO
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf als ehemaliger Geschäftsführer der O-GmbH, Adr, vertreten durch die V., Adr1, über die als Beschwerde geltende Berufung vom gegen den Bescheid des Zollamtes Z. vom 29. September 2011, Zahl xxxxxx/xxxxx/4/2011, betreffend die Inanspruchnahme als Haftender gemäß § 9 iVm § 80 BAO,
zu Recht erkannt:
1. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer war laut Firmenbuch seit alleiniger Geschäftsführer der O-GmbH mit Sitz in A.. Mit Beschluss des Landesgerichtes A. vom wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet und mit Beschluss vom mangels Kostendeckung aufgehoben.
Mit Vorhalt vom teilte das Zollamt dem Beschwerdeführer mit, dass es beabsichtige ihn für näher bezeichnete Zeiträume für die von der O-GmbH nicht entrichtete Mineralölsteuer und Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt € 4.724.050,21 zur Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO heranzuziehen, weil die Abgaben in seiner Vertretungsperiode fällig geworden und aufgrund des Konkurses als uneinbringlich anzusehen seien. Der Beschwerdeführer werde ersucht, Nachwiese über das Nichtvorliegen ausreichender Mittel bzw. über die Beachtung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung vorzulegen, andernfalls davon ausgegangen werden müsse, das eine schuldhafte Pflichtverletzung vorliege.
Nach Bewilligung einer Fristverlängerung für die Beantwortung des Vorhaltes teilte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 21. November (richtig wohl September) 2011 mit, dass er zu den bekannt gegebenen Beträgen an Mineralölsteuern und Säumniszuschlägen im Zeitraum März bis September [2010] keine konkreten Angaben machen könne, zumal diese Beträge in der Buchhaltung keinen Niederschlag gefunden hätten und laut Auskunft der Steuerberatung nicht gebucht worden seien. Es entziehe sich seiner objektiven Wahrnehmung inwieweit diese Vorschreibung richtig und als gerechtfertigt anzusehen sei.
Es sei richtig, dass er im fraglichen Zeitraum Geschäftsführer gewesen sei. Er könne mit besten Wissen und Gewissen sagen, dass er darauf vertraut habe, dass die ihm gezeigten Unterlagen des Steuerberaters der Richtigkeit entsprochen hätten. Niemals sei eine Kontonachricht zu ihm gelangt, in denen derartige Beträge aufgeschienen seien. Aus diesem Grund habe er auch keinerlei Bedenken gehabt, dass die O-GmbH größere Zahlungsverpflichtungen gehabt hätte.
Er könne sich daher nicht der Ansicht des Zollamtes anschließen, den abgabenrechtlichen Pflichten nicht nachgekommen zu sein, da für ihn niemals ersichtlich gewesen sei, dass Abgaben zu zahlen gewesen wären.
Zur Uneinbringlichkeit der Abgaben könne er nach derzeitigem Stand ebenfalls keine Angaben machen, da laut Auskunft des Masseverwalters er derzeit bestrebt sei allenfalls noch Gelder von Kunden zu lukrieren.
Sollten Abgaben im Zeitraum März bis September [2010] fällig gewesen sein und er Kenntnis davon gehabt hätte, wären diese Abgaben rechtzeitig abgeführt worden. In diesen Zeiträumen hätten keinerlei nicht bedienbare Verbindlichkeiten bestanden. Alle Lieferantenverbindlichkeiten und Abgaben seien bezahlt worden.
Mit den ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen könnte jedoch der Vorhalt nicht in dem geforderten Umfang im Detail beantwortet werden, da wesentliche Teile der Buchhaltung nicht vorhanden seien.
Von ihm sei auf keinem Fall eine Gläubigerbevorzugung erfüllt worden, da er stets davon ausgegangen sei, dass alle Gläubiger gleich bedient worden seien und er keinerlei Kenntnis von der Mineralölsteuer gehabt habe und somit diese Verbindlichkeit auch nicht bedienen haben können.
Mit Schreiben vom reichte der Beschwerdeführer OP-Listen der Gesellschaft per nach.
Mit Bescheid vom , Zahl xxxxxx/xxxxx/4/2011, zog das Zollamt den Beschwerdeführer zur Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO für folgende Abgabenschuldigkeiten der Gemeinschuldnerin heran und schränkte das Ausmaß der Haftung auf den Betrag von € 3.779.240,16 (80 %) ein, weil das Konkursverfahren noch nicht abgeschlossen und erfahrungsgemäß maximal mit einer Quote von 20 % zu rechnen sei:
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Abgabenart | Betrag (€) | Fälligkeit |
Mineralölsteuer | 589.210,50 | März 2010 |
Erster Säumniszuschlag | 11.784,21 | März 2010 |
Mineralölsteuer | 693.925,88 | April 2010 |
Erster Säumniszuschlag | 13.878,54 | April 2010 |
Mineralölsteuer | 960.384,00 | Mai 2010 |
Erster Säumniszuschlag | 19207,68 | Mai 2010 |
Mineralölsteuer | 1.091.143,50 | Juni 2010 |
Erster Säumniszuschlag | 21.822,87 | Juni 2010 |
Mineralölsteuer | 706.629,38 | Juli 2010 |
Erster Säumniszuschlag | 14.132,58 | Juli 2010 |
Mineralölsteuer | 556.189,88 | August 2010 |
Erster Säumniszuschlag | 11.123,79 | August 2010 |
Mineralölsteuer | 33.938,63 | September 2010 |
Erster Säumniszuschlag | 678,77 | September 2010 |
Summe: | 4.724.050,21 |
Ein Geschäftsführer habe dafür Sorge zu tragen, dass die Gesellschaft ihren steuerlichen Verpflichtungen ordnungsgemäß nachkomme. Wenn Abgaben nicht eingebracht werden könnten, weil der Geschäftsführer die ihm auferlegten Pflichten schuldhaft verletzt habe, hafte dieser gemäß § 9 BAO für diese Ansprüche. Bei Selbstbemessungsabgaben sei maßgelblich, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Es treffe nicht zu, dass bei nicht ordnungsgemäßer Selbstberechnung, erst mit dem Zeitpunkt der Festsetzung durch das Zollamt, welche am erfolgt sei, die Pflicht zur Abgabenentrichtung entstehe. Das Vorbringen im Schreiben vom und Übermittlung der OP-Listen sei nicht geeignet, den Vorwurf der Ungleichbehandlung der Gläubiger zu entkräften. Aus den Ausführungen ergebe sich vielmehr, dass liquide Mittel vorhanden waren und die Forderungen sämtlicher anderer Gläubiger im maßgeblichen Zeitraum voll befriedigt worden sind.
Mit Eingabe vom erhob der Beschwerdeführer gegen den Haftungsbescheid das Rechtsmittel der Berufung (nunmehr Bescheidbeschwerde).
Begründend führte der Beschwerdeführer aus, dass es grundsätzlich richtig sei, dass er im Zeitraum März bis September 2010 Geschäftsführer der O-GmbH gewesen sei. Er habe den wahren Sachverhalt mit seiner Eingabe vom 21. September 2011 dargelegt und möchte nochmals betonen, dass er seine Sorgfaltspflicht als nicht auffallend sorglos gesehen habe, da er stets bemüht gewesen sei, alle für einen Geschäftsführer notwendigen Pflichten auch einzuhalten. Selbstverständlich gehöre es auch dazu, alle jeweils zu zahlenden Abgaben rechtzeitig und pflichtgemäß, insbesondere bei der Selbstberechnung durchzuführen und abzuliefern.
Eine Berechnung der Mineralölsteuer sei für ihn zu keinem Zeitpunkt erkennbar gewesen, da, soweit ihm bekannt, lediglich steuerfreie Mineralöle importiert worden seien, welche wiederum auch exportiert werden hätten sollen. Er verweise auf seine Einvernahme am 1. September 2010 vor dem Zollamt, bei der er bereits dargelegt habe von den Ölgeschäften im Detail keine Kenntnis gehabt zu haben.
Zur Billigkeit führte der Beschwerdeführer an, das er finanzstrafrechtlich unbescholten sei und seine Steuern immer ordnungsgemäß abgeführt habe. Zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen führte er aus, dass er seine Anstellung bei den B. verloren habe und seit diesem Zeitpunkt arbeitslos sei. Derzeit erhalte er Notstand. Er habe sich zwar redlich mit Hilfe des Arbeitsamtes um Arbeit bemüht, sein angeschlagener Gesundheitszustand sei aber offensichtlich nicht förderlich. Er könne daher mit maximal € 800,00 rechnen. Es lägen somit genügend Unbilligkeitsgründe für eine Haftungsinanspruchnahme vor.
Das Zollamt gab der Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom teilweise statt und schränkte die Haftung aus Billigkeitsgründen auf einen Betrag von € 200,000 ein.
Dagegen richtet sich die mit Schreiben vom erhobene Beschwerde (nunmehr Vorlageantrag).
Er habe in seiner letzten Eingabe den genauen Sachverhalt geschildert und zum Ausdruck gebracht, dass er alle ihm bekannten Abgabenzahlungen pünktlich durchgeführt habe. Die Unterlagen seien eindeutig und auf keinen Fall seien die Lieferungen gemäß den ausgestellten Fakturen mineralölsteuerpflichtig gewesen. Er habe keine Gläubigerbenachteiligung begangen.
Erst nachträglich sei festgestellt worden, dass angeblich Mineralölsteuer zu bezahlen gewesen wäre. Diesen Umstand bekämpfe er, da für importiertes Basisöl keine Verbrauchsteuer zu entrichten gewesen sei. Diese sei vielmehr entstanden durch den Verkauf der Waren durch die E-GmbH in C., in der er keinerlei Funktion gehabt habe. Das Basisöl sei in seiner Funktion als Geschäftsführer in E. eingelagert gewesen. Dieser Vorgang sei nicht dazu angetan, dass die Mineralölsteuer zu entrichten gewesen wäre. Ihm sei 100%ig versichert worden, dass das Basisöl ordnungsgemäß weiterverkauft werde, zutreffendenfalls auch keine Mineralölsteuer zu entrichten gewesen wäre. Nur durch die widmungsfremde Verwendung der Basisöle ausschließlich durch die E-GmbH ist die Mineralölsteuer angefallen. Alle Geschäftsvorgänge der E-GmbH würden sich seiner Zurechnungssphäre entziehen. Allein deshalb sei der Haftungsbescheid ungerechtfertigt.
Er erlaube sich auch nochmals auf seine schwierige finanzielle Situation hinzuweisen. Er sei nicht mehr arbeitsfähig, schwer krank und werde nach Auskünften der Ärzte und des AMS wohl in absehbarer Zeit um die Frühpension ansuchen müssen. Derzeit erhalte er Notstand von ca. € 750,00. Es bestehe kaum jemals die Möglichkeit, dass er Zahlungen für die Haftung nachkommen könne und bitte daher nochmals, unabhängig von der rechtlichen Beurteilung im Falle einer rechtskräftigen Entscheidung durch den UFS, ihn von der Haftung aus Billigkeitsgründen zu entbinden.
Im Rahmen des am angesetzten Erörterungstermins (§ 269 BAO) wurde dem Bundesfinanzgericht mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer nunmehr rechtsfreundlich durch die V. vertreten werde und die bisherigen Vorbringen ohne weitere Zusätze vollinhaltlich aufrechterhalten bleiben. Ein inhaltliches Eingehen auf die Sach- und Rechtlage wurde abgelehnt. Gleichzeitig wurde eine aktuelle Mitteilung über den Leistungsanspruch betreffend Notstandshilfe (€ 29,51 täglich) vorgelegt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist gemäß § 323 Abs. 38 BAO die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängig gewesene Beschwerde vom Bundesfinanzgericht als Beschwerde im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 7 Abs. 2 BAO erstrecken sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche (§ 3 Abs. 1 und 2 BAO).
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Die Inanspruchnahme als Haftender setzt daher die Stellung als Vertreter, das Bestehen einer Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Uneinbringlichkeit, die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Vertreter, das Verschulden des Vertreters und die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit voraus.
Die Stellung des Beschwerdeführers als Vertreter der O-GmbH im Zeitraum März bis September 2010 ist unbestritten. Strittig ist hingegen das Bestehen der Abgabenforderung gegen den Vertretenen und die schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten.
Insoweit sich der Beschwerdeführer gegen das Bestehen der Abgabenschuld wendet, ist zunächst festzustellen, dass die als Bescheid intendierte Erledigung des Zollamtes vom , Zahl xxxxxx/xxxx2/33/2010, gegenüber der O-GmbH keine Rechtswirksamkeit zu entfalten vermochte. Sie war an die Gemeinschuldnerin zu Handen des Masseverwalters gerichtet. Der Masseverwalter ist für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Konkursmasse gesetzlicher Vertreter der Gemeinschuldnerin iSd § 80 BAO, der an die Stelle der Gemeinschuldnerin tritt, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Konkursmasse handelt. Abgaben sind daher während des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Masseverwalter, der insofern die Gemeinschuldnerin repräsentiert, festzusetzen (vgl. mit Hinweisen zur Rechtsprechung).
Die Inanspruchnahme als Haftender setzt aber nicht in jedem Fall zwingend die vorherige Erlassung eines Abgabenbescheides an den Primärschuldner voraus. In jenen Fällen, in denen gegenüber dem Primärschuldner kein Bescheid erlassen worden ist, ist aber dem Haftenden im Rahmen des Haftungsverfahrens der Abgabenanspruch bekannt zu geben. Dieser kann in der Folge im Beschwerdeverfahren gegen den Haftungsbescheid auch den Abgabenanspruch anfechten (vgl. Ritz, BAO5, § 248 Tz 6 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung).
Mit der Haftungsinanspruchnahme ist dem Beschwerdeführer die Höhe des Abgabenanspruchs durch die Übermittlung der als Bescheid intendierten Erledigung bekannt gegeben worden. Dieser hat sein Recht den Abgabenanspruch im Rahmen der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid anzufechten wahrgenommen.
Mit dem insoweit rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom wurde festgestellt, dass die den Spruchteilen I und I.1. näher bezeichneten Personen im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter bzw. als faktischer Geschäftsführer der O-GmbH vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht dadurch, dass sie im hier maßgeblichen Zeitraum veranlassten, dass unversteuertes Basisöldieselgemisch von der Slowakei erworben, nach Österreich verbracht und als Kraftstoff an verschiedene Abnehmer in Österreich verkauf wurde, indem einerseits innergemeinschaftliche Lieferungen von Basisöl nach Ungarn, Slowenien und Tschechien vorgetäuscht und andererseits inhaltlich falsche Rechnungen und Lieferscheine über den Verkauf von Diesel sowie Wiegescheine und inhaltich falsche CMR-Frachtbriefe und darauf angebrachte Stempel hergestellt wurden, durch Unterlassen der ordnungsgemäßen Anzeige gemäß § 23 Abs. 2 und 6 MinStG und der Abfuhr der selbst zu berechnenden Mineralölsteuer eine Verkürzung von Mineralölsteuer bewirkt haben. Das Landesgericht ging in seinem Urteil davon aus, dass es sich beim importierten Mineralöl um solches der Warennummer 2710 1900 gehandelt hat.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl. Ritz, BAO5, § 116 Tz 14), entfaltet ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Schuldspruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt. Die Bindungswirkung erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen.
Die Kombinierte Nomenklatur (Anhang I zur Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den gemeinsamen Zolltarif, ABlEG Nr. L 256 vom , in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung der Verordnung (EG) Nr. 948/2009 der Kommission vom , ABlEU Nr. L 287 vom sieht in ihrem Kapitel 27 in der Position 2710 die Unterposition 2710 19 "andere" (als Leichtöle und Zubereitungen) vor. Unter die dort genannten Schweröle fallen u.a. Gasöle der Unterpositionen 2710 1931 bis 2710 19 49, Heizöle der Unterpositionen 2710 1951 bis 2710 1969 sowie Schmieröle und andere Öle der Unterpositionen 2710 19 71 bis 2710 1999, wie etwa Motorenöle, Hydrauliköle, Getriebeöle, Metallbearbeitungsöle, Formöle usw.
Das gegenständliche in das Steuergebiet verbrachte Basisöldieselgemisch fällt in die Unterposition 2710 1999 "andere Schmieröle und andere Öle".
Gemäß § 1 Abs. 1 Mineralölsteuergesetz 1995 (MinStG 1995) unterliegen Mineralöl, das im Steuergebiet hergestellt oder in das Steuergebiet eingebracht wird, sowie Kraftstoffe und Heizstoffe, die im Steuergebiet verwendet werden, einer Verbrauchsteuer (Mineralölsteuer).
Als Mineralöl im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten u.a. die Waren der Positionen 2705 bis 2712, ausgenommen Erdgas der Unterposition 2711 2100.
§ 41 Abs. 1 MinStG 1995 lautet:
"§ 41. (1) Wird Mineralöl aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates zu gewerblichen Zwecken bezogen, entsteht die Steuerschuld dadurch, daß der Bezieher
1. das Mineralöl im Steuergebiet in Empfang nimmt oder
2. das außerhalb des Steuergebietes in Empfang genommene Mineralöl in das Steuergebiet verbringt oder verbringen läßt.
Steuerschuldner ist der Bezieher und jede Person, in deren Gewahrsame sich das Mineralöl befindet. Der Bezug durch eine Einrichtung des öffentlichen Rechts steht dem Bezug zu gewerblichen Zwecken gleich."
Kraftstoffe im Sinne des MinStG sind gemäß § 2 Abs. 2 leg. cit. alle im § 2 Abs. 1 nicht angeführten Waren, die als Treibstoff oder als Zusatz oder Verlängerungsmittel von Treibstoffen dienen mit Ausnahme von Waren, die dem Erdgasabgabegesetz oder dem Kohleabgabegesetz unterliegen.
Gemäß § 2 Abs. 8 MinStG 1995 finden, soweit in diesem Bundesesetz nicht anderes bestimmt ist, die Mineralöl betreffenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nur auf die unter Z 1 bis 6 angeführten und diesen nach Abs. 9 gleichgestellten Waren Anwendung. Auf anderes Mineralöl sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes über Kraftstoffe und Heizstoffe anzuwenden.
Erzeugnisse der Unterposition 2710 1999 der Kombinierten Nomenklatur scheinen in den Ziffern 1 bis 6 des § 2 Abs. 8 MinStG 1995 nicht auf.
§ 19 Abs. 1 MinStG 1995 lautet:
"§ 19. (1) Kraftstoffbetriebe im Sinne dieses Bundesgesetzes sind im Steuergebiet gelegene Betriebe, aus denen ein Kraftstoff zur Verwendung als Treibstoff oder zur Weitergabe zu diesem Zweck abgegeben oder in denen ein im Betrieb erzeugter Kraftstoff als Treibstoff verwendet wird. Als Betriebsinhaber gilt die Person oder Personenvereinigung, für deren Rechnung der Betrieb geführt wird."
§ 21 Abs. 1 MinStG 1995 lautet auszugsweise:
"§ 21. (1) Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, entsteht die Steuerschuld dadurch,
...
5. dass ein Kraftstoff oder ein Heizstoff im Steuergebiet erstmals zur Verwendung als Treibstoff oder zum Verheizen abgegeben wird; durch eine Verwendung nach dieser Abgabe und in jenen Fällen, in denen der Kraftstoff oder Heizstoff in einem Steuerlager zur Herstellung von Mineralöl einem solchen beigemischt wird, entsteht keine Steuerschuld;"
Die Steuerschuld entsteht gemäß § 21 Abs. 4 Z 4 MinStG 1995 in den Fällen des § 21 Abs. 1 Z 5 leg. cit. im Zeitpunkt der Abgabe.
Eine Verwendung von Kraftstoff als Treibstoff liegt gemäß § 21 Abs. 6 MinStG 1995 vor, wenn der Kraftstoff als Treibstoff verwendet wird oder in einen Behälter eingefüllt wird, der mit einem Motor in Verbindung steht, oder wenn ein Behälter, in dem sich ein Kraftstoff befindet, mit einem Motor verbunden wird.
Steuerschuldner ist gemäß § 22 Abs. 1 Z 4 MinStG 1995 in den Fällen des § 21 Abs. 1 Z 5 leg. cit., wenn der Kraftstoff oder der Heizstoff im Rahmen eines Betriebes abgegeben wird, dessen Geschäftsleitung sich im Steuergebiet befindet, der Inhaber dieses Betriebes; ist dies nicht der Fall, der Verwender.
Daraus folgt, dass der Bezug von Mineralöl der KN-Unterposition 2710 1999 aus einem anderen Mitgliedstaat noch nicht die Entstehung einer Mineralölsteuerschuld nach § 41 Abs. 1 MinStG 1995 auslöste. Damit fehlt es an der gegen die vom Beschwerdeführer vertretenen Gesellschaft bestehenden Abgabenforderung, auf die sich die belangte Behörde in ihrem Haftungsbescheid bezogen hat.
Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den hier nicht interessierenden Fällen des § 278 immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
Die Abänderungsbefugnis nach § 279 Abs. 1 BAO kommt dem Bundesfinanzgericht nur innerhalb der "Sache" im Sinn des § 279 Abs. 1 erster Satz BAO zu. Sache ist die Angelegenheit, die den durch den Spruch des vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Bescheides zum Ausdruck gebrachten Inhalt des Verfahrens gebildet hat (vgl. ).
Das Entstehen einer Mineralölsteuerschuld durch die Abgabe des Mineralöls als Kraftstoff bezieht sich auf einen anderen Sachverhaltskomplex. Dem Bundesfinanzgericht ist es aber verwehrt, sich in seiner Entscheidung auf einen anderen Sachverhaltskomplex zu stützen, als denjenigen, von dem die belangte Behörde ausgegangen ist (vgl. , ).
Der Haftungsbescheid war daher aufzuheben.
Zur Unzulässigkeit einer Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2016:RV.5200077.2012 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at