Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.01.2017, RV/4100635/2016

Gewährung der Familienbeihilfe, wenn die Beschäftigung Mitte des Monats begann?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag.a CP in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch Steuerberatungskanzlei, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamt S vom , betreffend Familienbeihilfe (Differenzzahlung) für Dezember 2015 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist slowakischer Staatsbürger. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Die Ehegattin und die Kinder sind ebenfalls slowakische Staatsbürger.

Das Finanzamt (FA) ersuchte den Bf. mit Schreiben vom um Vorlage eines Tätigkeitsnachweises.

Am legte der Bf. einen Auszug aus dem elektronischen Datensammelsystem der Salzburger Gebietskrankenkasse vor. Daraus geht hervor, dass der Bf. als Kellner mit Inkasso ab im Hotel W beschäftigt ist. Dem Formular E 411 (Anfrage betreffend den Anspruch auf Familienleistungen in dem Mitgliedstaat, in dem die Familienangehörigen wohnen) ist zu entnehmen, dass die Ehegattin des Bf. "in der Zeit vom bis.."(Anmerkung: nicht ausgefüllt) keine berufliche Tätigkeit ausgeübt hatte. Bescheinigt wurde weiters, dass "in der Zeit von bis.." (Anmerkung: nicht ausgefüllt) die Ehegattin Familienleistungen in Höhe von € 47,04 pro Monat für die Kinder A, geb. a, und B, geb. b, bezogen hat.

Laut dem Sozialversicherungsdatenauszug vom war der Bf. in Österreich wie folgt beschäftigt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
von
bis
Arbeitgeber
Hotel W
11-04.2014
FR
Hotel W
WG GmbH
WGH GmbH
Arbeitssuchend AMS
Hotel W

Die Gattin des Bf. war ab bis im Hotel W beschäftigt.

Das FA wies den (nicht aktenkundigen) Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe vom für den Monat Dezember 2015 für die Kinder B und A mit Bescheid vom ab. Zur Begründung wurde auf Art. 59 der VO (EG) Nr. 987/2009 sowie auf die Durchführungsverordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit verwiesen. Demnach hat der Mitgliedstaat, der die Familienleistungen zu Beginn dieses Monats gewährt die Familienleistungen bis zum Ende dieses Monats auszuzahlen.

Der Vertreter des Bf. erhob mit Schriftsatz vom , beim FA eingelangt am , Beschwerde und begründete diese wie folgt:

"Herr C. war vom 01.01. – , vom 17.04.- , vom 01.10. – und vom 14.12.- in Österreich nichtselbständig beschäftigt. Lt. Bestätigung 401 (richtig: 411) war seine Frau im Sinne der VO 883/2004 bis nicht berufstätig, ab den übte sie eine nichtselbständige Tätigkeit in Österreich aus. Das Finanzamt hat den Antrag auf Familienbeihilfe für den Monat 12/2015 mittels Abweisungsbescheid vom , zugestellt am , mit der Begründung verneint, dass aufgrund des Zuständigkeitswechsels zwischen zwei Mitgliedstaaten der Anspruch auf die Familienbeihilfe nicht gegeben ist.

Hier irrt aber das Finanzamt, denn bei solch gelagerten Fällen gelte die VO 883/2004 und die Durchführungsverordnung 987/2009. Herr C. falle als EU Staatsbürger unter den persönlichen Geltungsbereich der VO 883/2004. Da es sich bei der Ausgleichszahlung um eine Familienleistung iS Art. 1 Buchstabe z der VO 883/2004 handle und die VO nach Art. 3 Abs. 1 auch für Familienleistungen gelte, falle sie auch unter deren sachlichen Geltungsbereich. Nach Art. 4 der VO hätten die Personen, für die diese VO gelte, die gleichen Rechte und Pflichten wie die Staatsangehörigen dieses Staates.
Die Vertretung führt idF die Art. 7, 67, 11 der VO 883/2004 aus und gelangt zu dem Ergebnis, dass für Herrn C. nach Art. 68 der VO 883/2004 durch die Beschäftigung in Österreich der Beschäftigungsstaat vorrangig zuständig wäre. Bezüglich der Beschäftigungsverhältnisse, die nicht einen vollen Monat dauerten, werde auf die umfangreiche Rechtsprechung des Unabhängigen Finanzsenates sowie des Bundesfinanzgerichtes verwiesen.
Es werde daher beantragt, die Ausgleichszahlung für den Monat 12/2015 auszuzahlen.

Das FA wies mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde wegen Fristversäumnis zurück. Die Frist für die Beschwerde sei am abgelaufen. Die Beschwerde wäre daher verspätet eingebracht.

Am beantragte der Vertreter die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Er stellte dar, dass der Postlauf des mit datierten, ohne Zustellnachweis zugestellten Abweisungsbescheides, am  begonnen habe und die Beschwerde somit rechtzeitig eingebracht worden sei.
Im Übrigen beantrage er die Auszahlung der Ausgleichszahlung für den Monat 12/2015.

Das FA führte im Vorlagebericht aus, dass der Einwand der nicht rechtzeitig eingebrachten Beschwerde vom FA nicht aufrechterhalten werde. Inhaltlich verweise es auf Art. 59 der VO (EG) 987/2009. Daraus ergebe sich, dass im Falle einer Änderung der Zuständigkeit für die Gewährung von Familienleistungen jener Staat für die Zahlung der Familienleistungen zuständig sei, der zu Beginn des Monats zuständig war. Es verwies dabei auf das Erkenntnis des .

Über die Beschwerde wurde erwogen:

2. Rechtsgrundlagen:

Nach § 2 Abs. 1 lit. a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idgF (FLAG) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährige Kinder Anspruch auf Familienbeihilfe. Nach Abs. 2 leg cit hat jene Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten überwiegend für das Kind trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist. 

§ 4 Abs. 1 FLAG 1967 normiert, dass Personen, die Anspruch auf eine gleichartige Beihilfe haben, keinen Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe haben.

In § 4 Abs. 2 FLAG 1967 ist vorgesehen, dass österreichische Staatsbürger, die gemäß Abs. 1 und § 5 Abs. 5 vom Anspruch auf Familienbeihilfe ausgeschlossen sind, eine Ausgleichszahlung erhalten, wenn die Höhe der gleichartigen ausländischen Beilhilfe, auf die sie oder eine andere Person Anspruch haben, geringer ist als die Familienbeihilfe, die ihnen nach diesem Bundesgesetz ansonsten zu gewähren wäre.

Nach Abs. 3 leg. cit wird die Ausgleichszahlung in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der gleichartigen ausländischen Beihilfe und der Familienbeihilfe, die nach diesem Bundesgesetz zu gewähren wäre, geleistet.

§ 4 Abs. 6 FLAG 1967 normiert, dass die Ausgleichszahlung, mit Ausnahme der Bestimmungen über die Höhe der Familienbeihilfe, als Familienbeihilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt. 

Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

In diesem Zusammenhang bestimmt jedoch § 53 Abs. 1 FLAG 1967, dass Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt sind. Hierbei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten. 

Im Beschwerdefall sind nicht nur die innerstaatlichen Bestimmungen des FLAG 1967 zu beachten. Vielmehr sind die Verordnungen (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, in der Folge als VO (EG) Nr. 883/2004 bezeichnet, und (EG) Nr. 987/2009 vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der VO (EG) Nr. 883/2004, die beide ab in Kraft traten, anzuwenden. Diese haben allgemeine Geltung, sind in allen ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat ("Durchgriffswirkung"). Die Verordnungen gehen dem nationalen Recht in ihrer Anwendung vor ("Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts"). 

Artikel 1 lit a der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 lautet:
Für Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

a) "Beschäftigung" jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt; 

Die Verordnung gilt nach ihrem Art. 2 für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.

Die Verordnung gilt nach ihrem Artikel 3 lit. j auch für Familienleistungen.

Nach Art 4 der Verordnung haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten wie die Staatsangehörigen dieses Staates.

Artikel 11 Abs. 1 und Abs. 3 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 lauten:

(1) Personen, für diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

.... 

(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:
a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

....

e) Jede andere Person, die nicht unter die Buchstaben a) bis d) fällt, unterliegt unbeschadet anders lautender Bestimmungen dieser VO, nach denen ihr Leistungen auf Grund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstatten zustehen, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates.

Artikel 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 lautet:
Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen

Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Ein Rentner hat jedoch Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des für die Rentengewährung zuständigen Mitgliedstaats. 

Artikel 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 lautet:
Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen

(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:

i)) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;

ii)) bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, und subsidiär gegebenenfalls die längste Dauer der nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten;

iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.

(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird. 

(3) Wird nach Artikel 67 beim zuständigen Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften gelten, aber nach den Prioritätsregeln der Absätze 1 und 2 des vorliegenden Artikels nachrangig sind, ein Antrag auf Familienleistungen gestellt, so gilt Folgendes:

a) Dieser Träger leitet den Antrag unverzüglich an den zuständigen Träger des Mitgliedstaats weiter, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, teilt dies der betroffenen Person mit und zahlt unbeschadet der Bestimmungen der Durchführungsverordnung über die vorläufige Gewährung von Leistungen erforderlichenfalls den in Absatz 2 genannten Unterschiedsbetrag;

b) der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, bearbeitet den Antrag, als ob er direkt bei ihm gestellt worden wäre; der Tag der Einreichung des Antrags beim ersten Träger gilt als der Tag der Einreichung bei dem Träger, der vorrangig zuständig ist. 

Die zuständige Verwaltungskommission fasste zur Auslegung des Artikels 68 der VO (EG) Nr. 883/2004 den Beschluss Nr. F1 vom (2010/C 106/04). Dieser lautet:

Für die Zwecke des Artikels 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 gelten Ansprüche auf Familienleistungen insbesondere dann als "durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst", wenn sie erworben wurden

a) aufgrund einer tatsächlichen Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit oder auch

b) während Zeiten einer vorübergehenden Unterbrechung einer solchen Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit

i) wegen Krankheit, Mutterschaft, Arbeitsunfall, Berufskrankheit oder Arbeitslosigkeit, solange Arbeitsentgelt oder andere Leistungen als Renten in Zusammenhang mit diesen Versicherungsfällen zu zahlen sind, oder

ii) durch bezahlten Urlaub, Streik oder Aussperrung oder

iii) durch unbezahlten Urlaub zum Zweck der Kindererziehung, solange dieser Urlaub nach den einschlägigen Rechtsvorschriften einer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt ist. 

In der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 heißt es in Art. 59 bezüglich Beschäftigungsverhältnisse, die nicht ein volles Monat dauern:

Ändern sich zwischen den Mitgliedstaaten während eines Kalendermonates die Rechtsvorschriften und/oder die Zuständigkeit für die Gewährung der Familienleistungen, so setzt der Träger, der die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gezahlt hat, nach denen die Leistungen zu Beginn dieses Monates gewährt wurden, unabhängig von den in den Rechtsvorschriften dieser Mitgliedstaaten für die Gewährung von Familienleistungen vorgesehenen Zahlungsfristen die Zahlungen bis zum Ende des laufenden Monates fort (Art. 59, Abs. 1).

Er unterrichtet den Träger des anderen betroffenen Mitgliedstaates oder die anderen betroffenen Mitgliedstaaten von dem Zeitpunkt, zu dem er die Zahlung dieser Familienleistungen einstellt. Ab diesem Zeitpunkt übernehmen der andere betroffene Mitgliedstaat oder die anderen betroffenen Mitgliedstaaten die Zahlung der Leistungen (Art. 59 Abs. 2 DVO).

Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die FB ist gemäß § 10 Abs 2 und 4 FLAG der Monat. Das Bestehen des FB-Anspruches für ein Kind kann somit je nach dem Eintritt von Änderungen der Sach-und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein.

Beweiswürdigung:

3. Folgender Sachverhalt steht fest:

Der Bf., seine beiden mj. Kinder und die Ehegattin sind slowakische Staatsbürger. Sie haben ihren ständigen Aufenthalt am Familienwohnsitz in der Slowakei.

Der Bf. war in Österreich als Kellner beschäftigt und unterlag als solcher der Pflichtversicherung der gesetzlichen Sozialversicherung. In der Slowakei war der Bf. nicht beschäftigt.

Die Gattin des Bf. übte im Dezember 2015 keine Beschäftigung in der Slowakei aus. Sie bezog in der Slowakei im Dezember Familienleistungen für die beiden Kinder iHv € 47,04 (E 411).

Der Bf. war vom 01.01.- , 17.04.- , 01.10.- und vom 14.12 – in Österreich nichtselbständig beschäftigt. Mit dem Formular E 411 bestätigte die Slowakei, dass die Gattin des Bf.  keine berufliche Tätigkeit ausgeübt hat und dass Familienleistungen für Dezember von 47,04 € bezogen worden sind und dass die Kinder in L, wohnhaft sind.

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die Angaben des Bf, auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen des Bf. sowie auf die Ergebnisse der von der Behörde bzw vom BFG durchgeführten Ermittlungen.

4. Rechtliche Beurteilung:

Die VO 883/2004 und die DVO 987/2009 traten am in Kraft und sind daher für den gegenständlichen Fall anwendbar. Der Bf. fällt als EU-Staatsbürger unter den persönlichen Geltungsbereich der VO 883/2004.

Nach Art. 11 Abs. 1 der VO 883/2004 gelten die Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates. Dies ist entsprechend dem Grundsatz des Art. 11 Abs. 3 lit. a der VO der Staat, in dem die Person abhängig beschäftigt oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, unabhängig davon, ob sie in einem anderen Mitgliedstaat wohnt. Es kommt daher Art. 68 Buchstabe b zur Anwendung. Demnach ist Österreich als Beschäftigungsstaat vorrangig zuständig.

Strittig ist im gegenständlichen Fall aber, ob Österreich für die Gewährung der Familienleistungen auch für den Monat Dezember 2015 zuständig ist, in dem der Bf. seine Beschäftigung in Österreich erst während des Monates begonnen hat und somit zum Monatsersten nicht in Österreich beschäftigt war.

Die DVO 987/2009 enthält in Art. 59 Regelungen für jene Fälle in denen sich die anzuwendenden Rechtsvorschriften und/oder die Zuständigkeit für die Gewährung von Familienleistungen während eines Monates ändern: Danach hat gemäß Art. 59 der DVO im Fall eines Zuständigkeitswechsels während eines Kalendermonates der zu Beginn dieses Kalendermonates zuständige Staat die Familienleistungen bis zum Monatsende zu erbringen.

Der Bf. nahm mit seine unselbständige Beschäftigung in Österreich auf. Der Bf. hat im Streitzeitraum und darüber hinaus ausschließlich in Österreich gearbeitet.

Das FA vermeint nun, dass sich die Zuständigkeit für die Gewährung der Familienleistungen geändert habe, weil der Bf. nicht zu Beginn des Monates Dezember, sondern erst ab dem in Österreich einer (unselbständigen) Beschäftigung nachging. Das FA beruft sich dabei auf Art. 59 DVO Nr. 987/2009.

Nach Ansicht des BFG liegt aber kein Anwendungsfall der Zuständigkeitsänderung für die Gewährung der Familienleistungen während eines Kalendermonates vor. Grundsätzlich sollen die Betroffenen nur dem System der sozialen Sicherheit eines einzigen Mitgliedstaates unterliegen, sodass die Kumulierung anwendbarer nationaler Rechtsvorschriften und die Schwierigkeiten, dies sich daraus ergeben könnten, vermieden werden (s. und C 612/10 Waldemar Hudzinski und Jaroslaw Wawrzyniak). Dies ist entsprechend dem Grundsatz des Art. 11 Abs. 3 lit. a der VO der Staat, in dem die Person abhängig beschäftigt ist.

Der Bf. sowie die Ehegattin waren im Dezember 2015 in der Slowakei nicht beschäftigt. Der Anspruch auf Familienleistungen gründete sich aus diesem Grunde nur auf den Wohnsitz der Gattin und den Wohnsitz ihrer Kinder in der Slowakei.

Der Bf. (wie auch seine Gattin) begannen am (wieder) in Österreich mit ihrer nichtselbständigen Beschäftigung. Die gegen Österreich auf Grund der nichtselbständigen Beschäftigung gerichteten Ansprüche gehen somit (allfälligen) durch den Wohnort gegen die Slowakei gerichteten Ansprüchen vor. In diesem Zusammenhang ist auch auf den Beschluss Nr. F1 vom zur Auslegung des Artikels 68 der VO (EG) Nr. 883/2004 hinzuweisen, in welchem (unter anderem) ausgeführt wird, in welchen Fällen Ansprüche auf Familienleistungen als "durch eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit" erworben werden.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Sind Leistungen in verschiedenen Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so stehen an erster Stelle die durch Beschäftigung ausgelösten Ansprüche.

Die Familienbeihilfe (Differenzzahlung) steht daher auch aus diesem Grunde für den Monat Dezember 2015 zu.

Es war daher stattgebend zu entscheiden.

5. Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzungen liegen im Beschwerdefall nicht vor (siehe dazu Zl. 2012/16/0066, RV/0531-W/13 vom ). D ie Revision ist daher nicht zulässig.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 2 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 4 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 4 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 4 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 5 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 53 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 67 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 68 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Schlagworte
Slowakei
Beschäftigung
Mitte des Monats
Art 59 DVO 987/2009 versus Art 68 VO 883/2004
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.4100635.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at