Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.12.2016, RV/7105248/2016

Behauptete Verfassungswidrigkeit der Bestimmung des § 122 Abs. 7 WKG

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache NameBf, vertreten durch X Steuerberatungsgesellschaft m.b. H., AdresseVertreter, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom , betreffend Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für März 2016 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf) beantragte mit Schreiben vom , den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für März 2016 mit Bescheid festzusetzen. Er führte aus, in seinem Unternehmen beschäftige er eine Dienstnehmerin in Teilzeit. Für den Monat März sei der Freibetrag nach dem FLAG in Höhe von EUR 1.095,00 überschritten worden. Der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag hätte für den Monat März 2016 EUR 6,38 betragen. Eine Überweisung dieses Betrages sei aber unterblieben, weil er die Auffassung vertrete, dass die als Abgabe eingekleidete Kammerumlage nicht erhoben werden dürfe. Es handle sich nicht um eine Umlage, sondern wegen der engen Verflochtenheit der Kammer mit dem Wirtschaftsbund um einen Parteibeitrag. Ein Parteibeitrag dürfe aber nicht als Pflichtbeitrag eingehoben werden, weil dies gegen das wichtigste demokratische Recht, sich seine Partei frei wählen zu können, verstoße. Damit sei Art. 11 EMRK verletzt.

Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Monat März mit EUR 6,38 fest.

In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde führte der Vertreter des Bf aus, die Selbstberechnungs- und Abfuhrpflicht des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag nach § 122 Abs. 7 WKG verstoße gegen den Grundrechtsschutz. Art. 11 EMRK sei auch auf Parteien anzuwenden ( EGMR , Vereinigte Kommunistische Partei der Türkei gegen Türkei). Die Vereinigungsfreiheit habe auch eine negative, ausschließende Wirkung. Niemand könne in eine Partei gezwungen werden. Die WKO sei mit der politisch dominierenden wahlwerbenden Gruppe, dem Wirtschaftsbund, derart verbunden, dass die Pflichtmitgliedschaftsorganisation als Teilorganisation einer Partei, der ÖVP, zu betrachten sei. Äußeres Anzeichen dafür sei, dass die Bezirksstellensekretäre in vielen Fällen auch gleichzeitig Sekretäre der Wirtschaftsbundorganisation vor Ort seien. Folglich werde mit der Kammerumlage eigentlich ein Parteibeitrag eingehoben und damit das wichtigste demokratischen Recht, seine Partei frei wählen zu können, verletzt.

Das Finanzamt legte die Beschwerde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Der Bf beschäftigt eine Dienstnehmerin, für die er im März 2016 infolge Überschreitens der Freigrenze die Kammerumlage II gemäß § 122 Abs. 7 WKG in Höhe von EUR 6,38 zu entrichten hat.

Diese Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig. Dagegen sprechende Umstände wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.

Der Bf räumt ausdrücklich den gesetzmäßigen Normenvollzug durch die Abgabenbehörde ein. Er vertritt aber die Ansicht, dass die Bestimmung des § 122 Abs. 7 WKG verfassungswidrig ist, weil diese gegen Art. 11 EMRK verstößt.

Das Bundesfinanzgericht teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken des Bf aus folgenden Erwägungen nicht:

Gemäß § 120a Abs. 1 B-VG können Personen zur selbständigen Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, die in ihrem ausschließlichen oder überwiegenden gemeinsamen Interesse gelegen und geeignet sind, durch sie gemeinsam besorgt zu werden, durch Gesetz zu Selbstverwaltungskörpern zusammengefasst werden.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist die Einrichtung der Selbstverwaltung im Organisationsplan der Bundesverfassung gelegen (VfSlg 8215/1977), wobei der Gesetzgeber Selbstverwaltungskörper nur entsprechend den vom Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur ausgearbeiteten Grundsätzen gestalten darf (VfSlg 17.023/2003, 17.869/2006; , G 29/2014).

Zur wirtschaftlichen Selbstverwaltung hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass in einem solchen Selbstverwaltungskörper nur Personen zusammengefasst und dementsprechend zur Finanzierung herangezogen werden dürfen, die unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme am Wirtschaftsleben typischerweise ähnliche Interessen bzw in die gleiche Richtung weisende Interessenlagen aufweisen (VfSlg 19.017/2010) Bei der Abgrenzung ist der Gesetzgeber allgemein an das Sachlichkeitsgebot gebunden, im Rahmen dessen steht ihm aber ein großer Ermessensspielraum zu (VfSlg 19.017/2010, 19.751/2013).

§ 122 Abs. 7 WKG lautet:

"Die Landeskammern können zur Bedeckung ihrer Aufwendungen festlegen, dass die Kammermitglieder eine weitere Umlage zu entrichten haben. Diese ist beim einzelnen Kammermitglied von der Summe der in seiner Unternehmung (seinen Unternehmungen) nach § 2 anfallenden Arbeitslöhne zu berechnen, wobei als Bemessungsgrundlage die Beitragsgrundlage nach § 41 Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967, gilt (Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag). Die Umlage ist in einem Hundertsatz dieser Beitragsgrundlage zu berechnen. Der Hundertsatz ist vom Wirtschaftsparlament der Landeskammer festzusetzen; er darf 0,29 vH der Beitragsgrundlage nicht übersteigen. Hat ein Kammermitglied gemeinsam mit einem oder mit mehr als einem anderen Kammermitglied eine Arbeitsgemeinschaft gebildet, so wird die weitere Umlage hinsichtlich der Arbeitslöhne, die bei der Arbeitsgemeinschaft anfallen, durch diese entrichtet. Bei einer Personengesellschaft des Handelsrechts, bei der ein Komplementär eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechts ist, gehören die diesbezüglichen, bei der Komplementärgesellschaft anfallenden Arbeitslöhne auch dann zur Beitragsgrundlage, wenn die Komplementärgesellschaft keine Berechtigung nach § 2 besitzt. Die Bestimmungen der §§ 42a und 43 Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967, finden auf die Umlage sinngemäß Anwendung. Ein im Verhältnis zur Summe der Arbeitslöhne der Arbeitnehmer der Mitglieder der einzelnen Landeskammern ungleichgewichtiges Aufkommen aus der weiteren Umlage ist zwischen den Landeskammern auszugleichen (Finanzausgleich)."

Artikel 11 EMRK lautet:

"Abs. 1 Alle Menschen haben das Recht, sich friedlich zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen, einschließlich des Rechts, zum Schutze ihrer Interessen Gewerkschaften zu bilden und diesen beizutreten.

Abs. 2 Die Ausübung dieser Rechte darf keiner anderen Einschränkung unterworfen werden als den vom Gesetz vorgesehenen, die in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der äußeren und inneren Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutze der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Dieser Artikel verbietet nicht, dass die Ausübung dieser Rechte für Mitglieder der Streitkräfte, der Polizei oder der Staatsverwaltung gesetzlichen Einschränkungen unterworfen wird."

Im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , V 37/2014, G 32/2014, wird unter Hinweis auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ausgesprochen, dass gesetzlich errichtete Körperschaften keine Vereinigungen im Sinne des Art. 11 EMRK darstellen (EGMR , Fall Le Compte ua.).

Bei der Wirtschaftskammer handelt es sich um eine solche gesetzlich errichtete Körperschaft. Die zur Finanzierung von den Mitgliedern eingehobenen Abgaben sind daher nicht als Parteibeiträge zu qualifizieren, weshalb deren Einhebung nicht gegen Art. 11 EMRK verstößt.

Das vom Bf zitierte Erkenntnis des EGMR vom , Bsw 19392/92 (nicht: Bsw 23885/94) ist in Anbetracht des oben zitierten VfGH-Erkenntnisses nicht geeignet, beim Bundesfinanzgericht Bedenken hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit des § 122 Abs. 7 WKG zu wecken.

Anzumerken ist, dass der Verfassungsgerichtshof zur vergleichbaren Bestimmung des § 57 HKG im Erkenntnis vom , B 1933/94, weder die in der seinerzeit erhobenen Beschwerde vorgetragenen Bedenken teilte noch sonst verfassungsrechtliche Bedenken (z.B. im Hinblick auf § 11 EMRK) gegen die angewendeten Bestimmungen hegte.

Die Pflicht zur Entrichtung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag knüpft an die Kammermitgliedschaft an. § 122 Abs. 7 WKG regelt lediglich die Details der Berechnung der Kammerumlage II. Die Art der Berechnung hielt aber einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle stand ().

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Pflicht zur Entrichtung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag sowie die Höhe der Abgabe ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz und werden vom Bf auch nicht bestritten. Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war daher zu verneinen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 11 EMRK, Europäische Menschenrechtskonvention, BGBl. Nr. 210/1958
§ 122 Abs. 7 WKG, Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998
§ 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 120a Abs. 1 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.7105248.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at