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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.12.2016, RV/7105833/2016

Keine Pflichtveranlagung, wenn im Kalenderjahr nicht gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden, bezogen wurden

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache NameBf, AdresseBf, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2014 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf) reichte am eine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2014 beim Finanzamt ein. 

Im Zuge der erklärungsgemäß durchgeführten Veranlagung wurde die Einkommensteuer 2014 in Höhe von EUR 833,00 festgesetzt. In der Begründung führte das Finanzamt wie folgt aus:

"Bei der Ermittlung des Steuersatzes (Progressionsvorbehalt) - siehe Hinweise zur Berechnung - wurden zuerst Ihre steuerpflichtigen Einkünfte auf den Jahresbetrag umgerechnet, Sonderausgaben und andere Einkommensabzüge berücksichtigt und anhand der sich für das umgerechnete Einkommen ergebenden Tarifsteuer ein Durchschnittssteuersatz ermittelt und auf Ihr Einkommen angewendet (Umrechnungsvariante). Danach ist anhand einer Kontrollrechnung festzustellen, ob sich bei Hinzurechnung der Bezüge gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 gegenüber der Umrechnungsvariante eine niedrigere Steuer ergibt. Da dies in Ihrem Fall zutrifft, wurde der Tarif auf ein Einkommen von 15.721,34 € angewendet".

Die Bf erhob dagegen Beschwerde und führte aus, sie sei geringfügig beschäftigt gewesen und habe gleichzeitig Notstandhilfe bezogen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der angefochtene Bescheid geändert und die Einkommensteuer mit EUR 520,00 festgesetzt und in der Begründung ausgeführt:

"Die geringfügigen Bezüge für die Beschäftigung bei MB und bei der HN-OG wurden aus der Umrechnung herausgenommen. Da bei den gemeldeten Einkünften von SF Lohnsteuer ausgewiesen, können diese Einkünfte nicht aus der Umrechnung herausgenommen werden. Ihrer Beschwerde war somit teilweise stattzugeben."

Mit Vorlageantrag vom zog die Bf ihren Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2014 zurück, da die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung im Kalenderjahr 2014 nicht vorgelegen seien.

Das Beschwerdebegehren wurde dem Bundesfinanzgericht am  von der Abgabenbehörde zur Entscheidung vorgelegt.

Laut Vorlagebericht bestehen von Seiten des Finanzamtes keine Bedenken, der Beschwerde stattzugeben.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Die Bf bezog im Streitjahr 2014 folgende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
SF
3.168,76 €
01.01.-
HN-OG
1.628,98 €
27.08.-
MB
165,19 €
29.07.-

Für folgende Tage bezog die Bf Notstandshilfe:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
01.01.-
568,50 €
29.01.-
644,30 €
20.02.-
227,40 €
26.02.-
1.288,60 €
24.05.-
2.842,50 €
07.08.-
151,60 €
06.09.-
492,70 €
25.10.-
1.329,49 €
13.12.-
701,67 €

Diese Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig. Dagegen sprechende Umstände wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.

Nach Feststellung des Sachverhaltes hat das Bundesfinanzgericht über die vorliegende Beschwerde rechtlich erwogen:

§ 39 Abs. 1 EStG 1988 bestimmt:

"Die Einkommensteuer wird nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Hat der Steuerpflichtige lohnsteuerpflichtige Einkünfte bezogen, so erfolgt eine Veranlagung nur, wenn die Voraussetzungen des § 41 vorliegen. ...."

Gemäß § 41 Abs. 1 EStG 1988 kommt es nur bei Vorliegen eines der Tatbestände des § 41 Abs. 1 EStG 1988 zu einer Pflichtveranlagung, wobei auf die Anwendung des § 39 Abs. 1 dritter Satz explizit hingewiesen wird.

§ 41 Abs. 1 und 2 EStG 1988 lauten:

" (1) Sind im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten, so ist der Steuerpflichtige zu veranlagen, wenn

1. er andere Einkünfte bezogen hat, deren Gesamtbetrag 730 Euro übersteigt,

2. im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden, bezogen worden sind,

3. im Kalenderjahr Bezüge gemäß § 69 Abs. 2, 3, 5, 6, 7, 8 oder 9 zugeflossen sind,

4. ein Freibetragsbescheid für das Kalenderjahr gemäß § 63 Abs. 1 bei der Lohnverrechnung berücksichtigt wurde,

5. der Alleinverdienerabsetzbetrag, der Alleinerzieherabsetzbetrag, der erhöhte Pensionistenabsetzbetrag oder Freibeträge nach § 62 Z 10 berücksichtigt wurden, aber die Voraussetzungen nicht vorlagen,

6. der Arbeitnehmer eine unrichtige Erklärung abgegeben hat oder seiner Meldepflicht gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 nicht nachgekommen ist,

7. der Arbeitnehmer eine unrichtige Erklärung gemäß § 3 Abs. 1 Z 13 lit. b 5. Teilstrich abgegeben hat oder seiner Verpflichtung, Änderungen der Verhältnisse zu melden, nicht nachgekommen ist,

8. er Einkünfte im Sinn des § 3 Abs. 1 Z 32 bezogen hat,

9. er Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 27a Abs. 1 oder entsprechende betriebliche Einkünfte erzielt, die keinem Kapitalertragssteuerabzug unterliegen,

10. er Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen im Sinne des § 30 erzielt, für die keine Immobilienertragsteuer gemäß § 30c Abs. 2 entrichtet wurde, oder wenn keine Abgeltung gemäß § 30b Abs. 2 gegeben ist,

11. der Arbeitnehmer nach § 83 Abs. 3 unmittelbar in Anspruch genommen wird.

 § 39 Abs. 1 dritter Satz ist anzuwenden.

(2) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vor, so erfolgt eine Veranlagung nur auf Antrag des Steuerpflichtigen. Der Antrag kann innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraums gestellt werden. §  39 Abs. 1 dritter Satz ist anzuwenden."

Jeder Lohnsteuerpflichtige, der nicht nach § 41 Abs. 1 EStG 1988 zwingend zu veranlagen ist, kann gemäß § 41 Abs. 2 EStG 1988 eine Veranlagung beantragen (Antragsveranlagung).

Entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen unterbleibt eine Veranlagung - sofern gemäß § 41 Abs. 2 EStG 1988 kein entsprechender Antrag gestellt wird - grundsätzlich immer dann, wenn das Einkommen nur aus (lohnsteuerpflichtigen) Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit besteht und gleichzeitig kein Pflichtveranlagungstatbestand gemäß § 41 Abs. 1 EStG 1988 vorliegt.

Dies hat aber zur Folge, dass - soweit kein Pflichtveranlagungstatbestand gegeben ist - beantragte Veranlagungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des betreffenden Abgabenverfahrens entweder durch einen entsprechenden Abgabenbescheid des Finanzamtes oder durch Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes, wie andere Parteianträge auch, zurückgezogen werden können.

Die Bf hat im Vorlageantrag vom  den Antrag auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2014 zurückgezogen, da gemäß § 41 Abs. 1 EStG keine Verpflichtung zur Veranlagung bestehe.

Für die Bf wurden im Kalenderjahr 2014 - wie dies auch das Finanzamt im Vorlagebericht feststellte - nicht zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Bezüge ausbezahlt.

Steuerfreie Einkünfte gehören nicht zu den "anderen Einkünften" (Jakom/Baldauf, EStG, 2015, § 41, Rz 7).

Im gegenständlichen Beschwerdefall liegt somit kein Pflichtveranlagungstatbestand im Sinne der gesetzlichen Vorschriften des § 41 EStG 1988 vor. Das Finanzamt beantragte im Vorlagebericht selbst die Stattgabe der Beschwerde.

Da die Veranlagung ausschließlich auf Antrag der Bf erfolgte, kann diese ihren Antrag bis zur Rechtskraft der Arbeitnehmerveranlagung zurückziehen (; ).

Da der Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung von der Bf im Rechtsmittelverfahren, also vor Rechtskraft der Arbeitnehmerveranlagung zurückgenommen wurde, war der Beschwerde stattzugeben und der Einkommensteuerbescheid 2014 vom gemäß § 279 Abs. 1 BAO ersatzlos aufzuheben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beurteilung der Frage, wann ein Pflichtveranlagungstatbestand vorliegt, weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 41 Abs. 1 und 2 EStG 1988 ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 3 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 39 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 41 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.7105833.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at