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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.11.2016, RV/3100565/2016

Einwendungen gegen den Abgabenanspruch im Haftungsverfahren

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache des Bf., vertreten durch RA L, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Innsbruck vom  zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird im Umfang der Beschwerdevorentscheidung teilweise stattgegeben.
Die Haftung wird auf den Betrag von 17.568,09 Euro eingeschränkt (zur Aufgliederung des Haftungsbetrages siehe unten).

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1.1. Mit Bescheid vom zog das Finanzamt den Beschwerdeführer (kurz: Bf.) zur Haftung gemäß § 12 BAO für Abgabenschulden der „P-OG“ im Gesamtbetrag von 19.520 €, nämlich Umsatzsteuer 2011 (10.000 €) samt Verspätungszuschlag (1.000 €) und Säumniszuschlag (700 €), Umsatzsteuer 2012 (7.000 €) samt Verspätungszuschlag (700 €) und Säumniszuschlag (140 €), Dienstgeberbeitrag 2011 (418,45 €) und 2012 (19,78 €) sowie Dienstgeberzuschlag 2011 (39,98) und 2012 (1,89 €) heran.

1.2. In der fristgerechten Beschwerde gegen den Haftungsbescheid wurde die ersatzlose Aufhebung beantragt und ausgeführt, dass der Bf. mit Gesellschaftsvertrag vom (richtig: ) gemeinsam mit dem seit 2012 geschiedenen Ehepaar X und Y die „P-OG“ errichtet habe.

Nur Y sei Gastronom gewesen, während seine damalige Ehegattin Hausfrau gewesen sei. Der Bf. sei erst im Dezember 2010 nach Österreich gekommen, wo er um Asyl angesucht habe. Damals habe er kein Wort Deutsch gesprochen. Zirka drei Wochen nach Errichtung der Gesellschaft sei Y als Gesellschafter ausgeschieden, was dem Firmenbuch am 4.4.20111 bekanntgegeben worden sei. Die Gesellschaft habe zu keinem Zeitpunkt irgendwelche wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet, weshalb ihr auch keine wirtschaftliche Tätigkeit zuzurechnen sei.

Y, der einmal eine Pizzeria „Z“ in F und ein Cafe in I betrieben habe, habe seit seinem Ausscheiden aus der erstschuldnerischen Gesellschaft keine Geschäftsführungsbefugnisse gehabt. Von der Insolvenz der erstschuldnerischen Gesellschaft habe der Bf. keine Kenntnis erlangt, weil sie sich nie wirtschaftlich betätigt habe.

Geschäftstätigkeiten des Y, der mehrfach wegen Verstößen gegen die Gewerbeordnung angezeigt worden sei, seien weder der „P-OG“ noch dem Bf. zuzurechnen. Die Zurechnung der (Y treffenden) Abgaben an die erstschuldnerische Gesellschaft sei offenbar irrtümlich erfolgt.

1.3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das Finanzamt der Beschwerde teilweise statt, indem es die Haftung (aufgrund einer Minderung des Rückstandes der Erstschuldnerin) auf den Betrag von 17.568,09 € einschränkte. Ausgeführt wurde nach Zitat des § 12 BAO, dass der Bf. vom bis zur Auflösung der Gesellschaft infolge rechtskräftiger Abweisung des Insolvenzverfahrens mangels Kostendeckung Gesellschafter der „P-OG“ gewesen sei. Gesellschafter einer OG hafteten unbeschränkt, solidarisch und unmittelbar. Aus der formalrechtlichen Anknüpfung an die (nach bürgerlichem Recht zu beurteilende) Gesellschafterstellung folge, dass der Gesellschafter einer OG auch dann hafte, wenn er de facto keinen Einfluss auf die Betriebsführung gehabt habe. Da die Abgaben bei der Erstschuldnerin uneinbringlich seien und der Bf. unbeschränkt haftender Gesellschafter sei, sei seine Haftungsinanspruchnahme zweckmäßig und würden Billigkeitserwägungen (iSd § 20 BAO) in den Hintergrund treten. Auf die Argumente des Bf. ging die Beschwerdevorentscheidung nicht ein.

1.4. Im Vorlageantrag vom wurde der Beschwerdestandpunkt aufrechterhalten und bemängelt, dass eine Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen unterblieben sei. Nicht die Erstschuldnerin, sondern Y habe nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft eine wirtschaftliche Tätigkeit im eigenen Namen und auf eigene Rechnung entfaltet. Sollte sich aus Rechnungen oder Verträgen etwas anderes ergeben, sei dies zu prüfen. Dabei werde sich herausstellen, dass kein Gesellschafter bzw. kein zur Vertretung der Gesellschaft befugtes Organ nach dem Ausscheiden des Y wirksame Rechtsgeschäfte für die Gesellschaft abgeschlossen habe. Sollten Firmenpapier oder Firmendaten missbräuchlich verwendet worden sein, müssten die sich daraus ergebenden Abgabenverbindlichkeiten der betreffenden Person (und nicht der Gesellschaft) zugerechnet werden. Aus dem Firmenbuch sei klar ersichtlich, dass ab dem nur mehr der Bf. und X zur Vertretung der Gesellschaft befugt gewesen seien.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

2.1. Gemäß § 12 BAO haften die Gesellschafter von als solche abgabepflichtigen und nach bürgerlichem Recht voll oder teilweise rechtsfähigen Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit persönlich für die Abgabenschulden der Personenvereinigung. Der Umfang ihrer Haftung richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts.

Die Gesellschafter einer OG werden vom Haftungstatbestand des § 12 BAO erfasst, wobei es auf die förmliche, nach Gesellschaftsrecht zu beurteilende Gesellschafterstellung ankommt (vgl. Ritz, BAO5, § 12 Tz 1). Eine entgegenstehende, im Innenverhältnis getroffene Vereinbarung wäre Dritten gegenüber unwirksam (vgl. ).

Für den Umfang der Haftung, die sich nach den Bestimmungen des Unternehmensgesetzbuches richtet, ist für den Gesellschafter einer OG § 128 UGB maßgebend. Der Bf. ist im Firmenbuch seit als unbeschränkt haftender, zur selbständigen Vertretung befugter Gesellschafter der OG eingetragen. Als solcher haftet der Bf. unmittelbar, primär, unbeschränkt, persönlich und solidarisch allein auf Grund seiner Gesellschafterstellung. Er haftet auch dann, wenn ihm de facto kein Einfluss auf die Führung des Betriebes zukam.

Die Haftung nach § 12 BAO ist auch keine Ausfallshaftung, sie ist verschuldensunabhängig (vgl. Ritz, a. a. O., § 12, Tz 5). Allerdings verringert die zwischenzeitig erfolgte Zahlung der X (1.952,01) die Haftung im Umfang der Beschwerdevorentscheidung.

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt. Dabei ist die Ermessenentscheidung i. S. d. § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Da der Zweck der gegenständlichen Haftungsnorm in der Besicherung der Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft liegt, ist wesentliches Ermessenskriterium für den Haftungsausspruch die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Da die Abgaben bei der Hauptschuldnerin, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet wurde, uneinbringlich sind (vgl. ), erweist sich die Haftungsinanspruchnahme des Bf. als gesetzeskonform.

2.2. Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2, 4 und 5 sinngemäß.

Der Bf. hat mit seinem Vorbringen zum Ausdruck gebracht, dass er auch die Festsetzung der Abgaben gegenüber der Erstschuldnerin aus den oben dargelegten Gründen für unzutreffend hält. Die vorliegende Beschwerde ist somit ihrem materiellen Inhalt nach auch als Beschwerde gegen die Abgabenfestsetzung – die nicht in einem gesonderten Schriftsatz eingebracht werden muss (vgl. ) – zu werten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde für den Fall, dass einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid vorangeht, daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten (vgl. ; ). Im vorliegenden Beschwerdefall wurden die gegenüber dem Bf. im Haftungsweg geltend gemachten Abgabenansprüche gegenüber der Erstschuldnerin bescheidmäßig festgesetzt. Somit besteht im Haftungsverfahren Bindung an die Umsatzsteuer- und Verspätungszuschlagsbescheide 2011, 2012 vom sowie an den Säumniszuschlagsbescheid vom und die Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages 2011, 2012 vom .

Wird – wie im Streitfall – von dem zur Haftung Herangezogenen gegen die Haftung und den Abgabenanspruch Beschwerde erhoben, ist zunächst über die Beschwerde gegen die Geltendmachung der Haftung zu entscheiden, weil sich erst aus dieser Entscheidung ergibt, ob eine Legitimation zur Beschwerde gegen den Abgabenanspruch überhaupt besteht (vgl. ). Die Voraussetzungen für eine Verbindung der beiden Verfahren zu einem gemeinsamen Verfahren liegen daher nicht vor (vgl. Ritz, BAO5, § 248, Tz 16; ).

Aus dieser Rechtslage folgt für den Streitfall, dass die Einwendungen des Bf. gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung vom Finanzamt in einem gemäß § 248 BAO durchzuführenden Abgabenverfahren zu prüfen sein werden (vgl. ).

Da keine Gründe vorgebracht wurden, die eine Haftung des Bf. nach § 12 BAO ausschließen, war spruchgemäß zu entscheiden. Aufgrund der oben erwähnten Zahlung besteht die Haftung für folgende Abgabenschuldigkeiten:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Umsatzsteuer
2011
10.000
Umsatzsteuer
2012
7.000
Dienstgeberbeitrag
2011
418,45
Dienstgeberzuschlag
2011
39,98
Dienstgeberbeitrag
2012
19,78
Dienstgeberzuschlag
2012
1,89
Säumniszuschlag
2013
87,99
Summe
 
17.568,09

2.3. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die hier maßgeblichen Rechtsfragen durch die Rechtsprechung, insbesondere durch die oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes einheitlich und vollständig beantwortet sind.

Innsbruck, am

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