Stornos von Datensätzen wegen Eingabefehlern oder gelöschte Grundaufzeichnungen?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch SOT Süd-Ost Treuhand GmbH, 7400 Oberwart, Hauptplatz 11, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom , betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2000 – 2004 und Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate 01-06/2005 nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vom und entschieden:
I. Die Beschwerde wird abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
II. Gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Als die im Spruch angeführten Bescheide angefochten wurden, war der Unabhängige Finanzsenat für die Rechtsmittelerledigung zuständig. Diese Zuständigkeit des Unabhängigen Finanzsenates endete am . An die Stelle des Unabhängigen Finanzsenates trat am das Bundesfinanzgericht (BFG), das alle mit Ablauf des anhängigen Rechtsmittelverfahren – und damit auch dieses Rechtsmittelverfahren – weiterführt. Mit Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit () haben sich die Bezeichnungen der Rechtsmittel geändert. Das Bundesfinanzgericht verwendet in seinen Verfahren die verwaltungsgerichtsübliche Terminologie: „Berufungen“ werden als „Beschwerden“ bezeichnet, „Berufungsvorentscheidungen“ als „Beschwerdevorentscheidungen“ und „Berufungswerber“ als „Beschwerdeführer (Bf.)“.
Aus den Verwaltungsakten:
1. Der Beschwerdeführer (Bf.) hatte u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Friseur.
2. Bei einer Außenprüfung gemäß § 250 BAO idgF wurden die elektronischen Aufzeichnungen des Bf. überprüft. Auffällig war die Anzahl der Stornierungen. Aus dem Datenbestand konnte der Systemprüfer nicht feststellen, ob es sich bei den Stornos um berechtigte Stornos oder um unerlaubt gelöschte Grundaufzeichnungen handelte.
Da die Auswertung dieser Daten in jedem geprüften Jahr mehr Stornierungen als tatsächlich erzielte Kundenumsätze ergab, Terminkalender und eingelöste Gutscheine nicht aufbewahrt wurden und dadurch die Angaben des Bf. über die Stornos nicht nachprüfbar waren, ging der Systemprüfer davon aus, dass die Buchhaltung des Bf. sachlich unrichtig ist und führte Erlös- und Gewinnzuschätzungen durch.
2004 wurde auch ein Privatanteil – Pkw iHv EUR 400,00 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erhöhend hinzugerechnet.
3. Die nach dieser Außenprüfung erlassenen Bescheide wurden in der Beschwerde vom im Wesentlichen mit der Begründung angefochten, der Systemprüfer habe hinzugeschätzt, obwohl er nicht habe feststellen können, ob es sich bei den Stornos um berechtigte Stornos oder um unerlaubt gelöschte Grundaufzeichnungen handle. Auch habe er für das Jahr 2004 keine Abweichungen festgestellt.
In einer Beilage zur Beschwerde gab der Bf. u.a. an, dass der Systemprüfer nur das „Kassaprogramm“ überprüft habe, das vom Bf. nur für Preisabfragen, Preisvergleiche, für die Preisermittlung bei Gutscheinverkäufen und zum Üben des EDV-Programms verwendet worden sei. EDV – programmbedingt habe bei jeder Abfrage eine Laufkundennummer vergeben werden müssen. Bei der letzten Betriebsprüfung seien nicht aufbewahrte Terminkalender und Gutscheine nicht beanstandet worden. Für bis seien infolge eines EDV – Programmabsturzes keine Daten vorhanden. In der Woche vom bis seien die Losungen händisch erfasst worden.
4. In seiner Stellungnahme zur Beschwerde verwies der Prüfer auf eine während der Außenprüfung vorgelegte „Punktation“ mit 11 Gründen für Kundenstornos, deren Auswertung ergeben habe, dass den Aussagen der Ehegattin – © Seite 2, Absatz 1 – „keine sehr hohe Glaubwürdigkeit abgewonnen werden“ könne, da die Anzahl der Stornos höher als die Kundenanzahl sei. Warum storniert worden sei, sei nicht dokumentiert worden. Die Kalkulation sei eine „Grobkalkulation“.
In dieser „Punktation“ steht: 1. Preisauskunft – Leute kommen in den Salon, 2. Preisauskunft an Leute im Salon, 3. Telefon, 4. Flugblatt, Zeitungen – Konkurrenz, 5. Angestellte verlieren Stammkunden, 6. Gutscheinverkauf, 7. Karteiausdruck vertippt sich, 8. Kunde eingetippt unter Laufkunde, 9. Kunde zahlt nicht – bitte aufschreiben oder Mama kommt und zahlt (Kind), 10. Übungen bei MA, 11. Beim Kopieren – es wird anstatt Haarschnitt nur Teilschnitt gerechnet …
5. In der Gegenäußerung vom stellte der Bf. den Ablauf der Schlussbesprechung dar und wiederholte im Wesentlichen seine bisherigen Ausführungen.
6. Mündliche Verhandlung; Niederschrift vom :
„Der Systemprüfer hat dem Bf. gezeigt, wie man Abfragen ohne Eingabe einer Kundennummer durchführen kann. Die Abfragemöglichkeit ohne Eingabe einer Kundennummer wurde damals nicht verwendet. Laut Verordnung müssen Preise im Geschäft ausgezeichnet werden, eine elektronische Abfrage sei nicht notwendig. Eine allgemeine Preisliste ist im Geschäft vorhanden gewesen, die Preise für spezielle Kundenwünsche standen nicht auf dieser Liste. Die Abfragen fanden während der Öffnungszeiten statt, am Montag war geschlossen. Wann die Öffnungszeiten an Dienstagen bis Samstagen waren, kann nicht gesagt werden. Das Programm hatte einen Trainingsmodus für Schulungen, dieser wurde nicht verwendet. Der Terminkalender wurde nicht vorgelegt, es wurden Gutscheine verkauft, die bar bezahlt wurden und im Zeitpunkt des Verkaufes nicht verbucht wurden, sondern erst später. Die Gutscheine wurden nicht aufbewahrt, das Finanzamt konnte nicht nachvollziehen, dass diese Gutscheine tatsächlich später verbucht worden sind. Das verwendete EDV-System konnte manipuliert werden und ist nach Meinung des Finanzamtes auch angeblich manipuliert worden. Ca. 3.000 Stornos sind damals anerkannt worden.
Richterin: Festgehalten wird, dass die Kalkulation aus Stornierung und eine Grafik für die Jahre 2002 ff vom Finanzamt der Richterin und dem Beschwerdeführer ausgehändigt wurden. Dem Beschwerdeführer wird aufgetragen, die Terminkalender aus den Streitjahren vorzulegen. Dem Finanzamt wird aufgetragen, eine Tabelle mit den anerkannten Stornos vorzulegen und einen innerbetrieblichen Betriebsvergleich für die Folgejahre durchzuführen.
Dem Beschwerdeführer wird eine Kopie des Aktenvermerkes über die Systemprüfung vom ausgehändigt.
7. Schreiben des Bf. vom ; lautend:
„1. Öffnungszeiten: Die Öffnungszeiten waren grundsätzlich Dienstag bis Freitag von 08:00 bis 18:00 Uhr und Samstag von 07:00 bis 15 Uhr. Eine Mitarbeiterin war jedoch schon ab 07:30 Uhr im Salon und öffnete diesen für die Kunden. Montags war der Salon grundsätzlich geschlossen. In Ausnahmefällen (z.B. wenn der nächste Tag ein Feiertag war, wie z.B. der und der ) wurde der Salon aufgrund einer Empfehlung der Wirtschaftskammer geöffnet.
2. Innerbetrieblicher Vergleich: Der Klient hat uns den in der Anlage beigefügten innerbetrieblichen Betriebsvergleich für die Jahre 2000 bis 2010 zur Verfügung gestellt. Geprüft wurden die Jahre 2000 bis Juni 2005 sowie 2008 bis 2010. Bei der Betriebsprüfung 2008 bis 2010 wurden trotz besonderem Augenmerk auf die Stornos und Gutscheinverbuchung keine Feststellungen getroffen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO erforderlich gemacht hätten. Laut innerbetrieblichem Betriebsvergleich kam es auch im Zeitraum nach 2004 zu keinem signifikanten Umsatzanstieg, der die Erlöszuschätzung der Streitjahre bestätigen würde.
3. Terminkalender aus den Streitjahren: Eine Nachreichung der Terminkalender für die Jahre 2000 bis 2004 ist nicht möglich, da diese – wie bereits im Rahmen der damaligen Betriebsprüfung ausgeführt – nicht aufbewahrt wurden. Dem Klienten war zum damaligen Zeitpunkt nicht bewusst, dass diese Grundaufzeichnungen darstellen, die der Aufbewahrungspflicht unterliegen. Nach den Prüfungsfeststellungen wurden die Terminkalender vorschriftsgemäß aufbewahrt ...“
8. eMail des Finanzamtes vom :
1. … Der innere Betriebsvergleich 2000 – 2010 zeige in den einzelnen Jahren keine signifikanten Abweichungen. Die Parameter (RAK, LAK und gesamter RAK) seien sowohl in den Beschwerdejahren (2000 – 2002), als auch in den nachfolgenden erklärten Jahren (2005 – 2007) bzw. 2008 – 2010 in etwa gleich hoch. Der innere Betriebsvergleich stammt aus dem Arbeitsbogen der Betriebsprüfung II (2008 – 2010).
2. Tabellen mit den anerkannten Stornos: Lt. Schreiben der steuerlichen Vertretung waren die Öffnungszeiten Dienstag bis Freitag von 08:00 bis 18:00 Uhr bzw. am Samstag von 07:00 – 15:00 Uhr. Der Vergleich der anerkannten Stornos mit den nicht anerkannten Stornos 2000 – 2005 zeige, dass die bemängelten Stornos an den umsatzstarken Tagen Freitag und Samstag exorbitant ansteigen, während die anerkannten Stornos Freitag und Samstag sinken. In der Gegenäußerung des Bf. werde angeführt, dass die anerkannten Stornos zum erheblichen Teil auf Preisauskünfte von Schülerinnen und Schülern der umliegenden Schulen zurückzuführen seien. Die Auswertung der Stornierungen habe ergeben, dass an Samstagen am meisten storniert worden sei. In den umliegenden Schulen sei Freitag nachmittags und Samstag ganztags schulfrei gewesen. Auch sei nach Betriebsende (18:00 Uhr) in der Zeit von 18:00 – 19:00 Uhr wie folgt storniert worden: Jahr 2002: Stornierung 8,56% der Gesamtbonierungen; Jahr 2003: Stornierung 7,92% der Gesamtbonierungen; Jahr 2004: Stornierung 9,96% der Gesamtbonierungen und Jahr 2005: Stornierung 8,56% der Gesamtbonierungen.
Der Sicherheitszuschlag lt. Betriebsprüfungsbericht vom sei wegen nachfolgender Mängel verhängt worden: fehlende bzw. nicht aufbewahrte Grundaufzeichnungen (Terminkalender), Nichtverbuchung (=Kassamangel) und Nichtaufbewahrung von Gutscheinen und Stornierungen. Jeder einzelne dieser Mängel berechtige zur Schätzung.
9. BFG-Betriebsvergleich: erkläre Erlöse 2000 bis 2004 – Erlöse lt. Betriebsprüfung 2000 bis 2004 – Erlöse 2008 bis 2010:
Die Erlöse lt. Steuererklärungen iHv EUR 235.948,16 (2000), EUR 237.660,94 (2001), EUR 244.040,77 (2002), EUR 248.046,77 (2003) und EUR 260.761,02 (2004) ergeben EUR 1.226.457,66 und durchschnittliche Erlöse iHv EUR 245.291,53 per anno.
Lt. Betriebsprüfungsbericht vom betragen die Erlöszuschätzungen jeweils 8% der erklärten Erlöse; 5576 Stornierungen bei 31.781 regulär verbuchten Belegen ergeben 17,55%. Die gelöschten Datensätzen können nicht wiederhergestellt werden, weshalb Leistung und Betrag nicht feststellbar sind (Arbeitsbogen/Betriebsprüfung, Seite 22).
Die geschätzten und mit den v.a. Erlösen lt. Steuererklärungen addierten Besteuerungsgrundlagen betragen EUR 18.873,14 (2000), EUR 19.011,21 (2001), EUR 19.500,00 (2002), EUR 19.800,00 (2003) und EUR 20.900,00 (2004); diese Beträge zusammengezählt ergibt geschätzte Erlöse iHv EUR 98.084,35 und geschätzte durchschnittliche Erlöse iHv EUR 19.616,87 per anno.
Die Erlöse lt. angefochtenen Bescheiden iHv EUR 254.821,30 (2000), EUR 256.672,15 (2001), EUR 263.540,77 (2002), EUR 267.846,77 (2003) und EUR 281.661,02 (2004) ergeben EUR 1.324.542,01 und durchschnittliche Erlöse iHv EUR 264.908,40 per anno.
Die im Betriebsprüfungsverfahren II nicht beanstandeten Erlöse EUR 262.165,84 (2008), EUR 266.464,30 (2009) und EUR 263.681,85 (2010) ergeben EUR 792.311,99 und durchschnittliche Erlöse iHv EUR 264.104,00 per anno.
10. eMail des Bf. mit Schreiben vom :
1. Innerer Betriebsvergleich: Das Finanzamt bestätige in seiner eMail vom , dass der innere Betriebsvergleich 2000 bis 2010 in den einzelnen Jahren keine signifikanten Abweichungen zeige. Die Parameter (RAK, LAK und gesamter RAK) seien sowohl in den Beschwerdejahren (2000 - 2004) als auch in den nachfolgenden erklärten Jahren (2005 - 2007) bzw. der Betriebsprüfung 2008 - 2010 in etwa gleich hoch. Ausdrücklich werde darauf hingewiesen, dass es auch im Zeitraum nach 2004 (= nach der strittigen Betriebsprüfung) zu keinem signifikanten Umsatzanstieg gekommen sei, der die Erlöszuschätzungen der Streitjahre bestätigen würde.
2. Tabellen mit anerkannten Stornos: Nach Auskunft des Bf. sollen die bemängelten Stornos u.a. Preisauskünfte an Kunden betreffen. Freitag und Samstag seien die umsatzstärksten Wochentage gewesen, weshalb plausibel sei, dass auch an diesen Tagen die meisten Preisauskünfte erteilt worden seien. Die Preisauskünfte seien wegen geringer Häufigkeit vernachlässigbar. Die in der eMail vom angeführten Prozentangaben zu den mangelhaften Stornos (ca. 9% pro Jahr) seien nicht korrekt errechnet worden und würden ein falsches Bild vermitteln. Die angeführten Prozentsätze ergäben sich, wenn man die Zahl der bemängelten Stornos zwischen 18:00 und 19:00 Uhr durch die Zahl der gesamten bemängelten Stornos dividiert. Errechne man das Verhältnis der bemängelten Stornos zwischen 18:00 und 19:00 Uhr zu den Gesamtbonierungen ergäben sich folgende Werte: Jahr 2002: Stornierung 1,59 % der Gesamtbonierungen; Jahr 2003: Stornierung 1,36% der Gesamtbonierungen; Jahr 2004: Stornierung 1,88% der Gesamtbonierungen; Jahr 2005: Stornierung 2,05% der Gesamtbonierungen.
Im Zeitraum zwischen und seien zwischen 18:00 und 19:00 Uhr insgesamt 528 Stornierungen von der Finanzbehörde bemängelt worden. Dies entspräche durchschnittlich ca. 0,7 Stornierungen pro Arbeitstag …
4. Vorschlag zur Schätzung nach Durchschnittserlösen der Jahre 2008 bis 2010: Eine Zuschätzung aufgrund der bemängelten Stornos für die Jahre 2000 – 2005 basierend auf den Durchschnittserlösen 2008 bis 2010 sei nicht adäquat, da die von der Finanzbehörde bemängelten Stornierungen zu keiner Umsatzverkürzung geführt haben. Zudem lägen die Zeiträume weit auseinander und es werden bei dieser Methode keine Inflationseffekte berücksichtigt. Auch sei diese Zuschätzung höher als die Zuschätzung der Betriebsprüfung. Als Kompensation für Mängel iZm mit den nicht aufbewahrten Terminkalendern und der Nichtverbuchung bzw. Nichtaufbewahrung von Gutscheinen werde ein Zuschlag zu den Umsatzerlösen iHv EUR 2.000,00 pro Jahr vorgeschlagen.
11. Mündliche Verhandlung; Niederschrift vom :
„Der Bf. ist damit einverstanden, dass seine Ehegattin Fragen für ihn beantwortet … Das Programm ist sowohl von der Ehegattin des Bf. als auch von den Angestellten verwendet worden. Das neue Programm wurde seit 2001 verwendet; das ist nach der Euroumstellung gewesen. Vor Verwendung des Programmes hatten der Bf. und seine Ehegattin keine EDV-Kenntnisse. Der Bf. und seine Ehegattin wurden einen Tag lang vom Programmhersteller eingeschult, es hat sich dabei um eine einmalige Einschulung gehandelt. Unterlagen sind dem Bf. und seine Ehegattin damals ausgehändigt worden, sie haben sich jedoch nicht damit beschäftigt. Es wurde nur das Kassaprogramm verwendet, hätte man eine Programmerweiterung gewollt, hätte es eine zusätzliche Einschulung vom Programmhersteller gegeben. Die Angestellten wurden von der Ehegattin des Bf. eingeschult. Die Ehegattin des Bf. hat keine Umsatz verringernden Stornos durchgeführt, sie hat jedoch auch Eingabefehler nach Betriebsende korrigiert.
Finanzamt: Wir haben im Zeitraum vom bis 3.722 Stornos anerkannt, 5.577 Stornos bemängelt und 31.756 Gesamtbonierungen. Bei diesen bemängelten Stornos handelt es sich um Stornos nach Abschluss des Eingabevorganges. Bei den bemängelten Stornos handelt es sich um Stornos, die nur nach Eingabe eines Passwortes durchgeführt werden konnten und dieses Passwort hatte nur die Ehegattin des Bf.; dem Bf. war dieses Passwort auch bekannt.
Vorgelegt wird eine Liste „das EDV-Kassaprogramm wurde wie folgt verwendet ...“ Die Liste wird zum Akt genommen.
Es gab viele Stammkunden und auch Laufkunden, das Verhältnis Stammkunden zu Laufkunden kann nicht angegeben werden. Umsatzeinbrüche haben glaublich nicht stattgefunden.
Der Bf. erklärt den vom Betriebsprüfer während der Betriebsprüfung gemachten Schätzungsvorschlag zu seinem Beschwerdevorbringen; ein diesbezüglicher Beschwerdeantrag wird jedoch nicht gestellt.
Steuerliche Vertreterin: Eine Schätzungsbefugnis wegen der Stornos besteht nicht. Die Schätzungsbefugnis wird zur Gänze bestritten. In den Folgejahren haben die Gutscheine € 7.000,00 bis € 8.000,00 betragen. Gegen eine Schätzung nach den Durchschnittserlösen 2008 – 2010 sprechen 10 Jahre Unterschied. Die Zahlen müssen inflationsbereinigt werden und dazu wird eine Berechnung vorgelegt, die zum Akt genommen wird.
Vom Finanzamt wird dazu kein Vorbringen erstattet. Auf die bisherigen Ausführungen wird verwiesen.
Die steuerliche Vertreterin verweist auf den fehlenden, signifikanten Umsatzanstieg in den Jahren zwischen den beiden Betriebsprüfungen.
Die Verfahrensparteien stellen keine weiteren Beweisanträge. Das Beweisverfahren wird geschlossen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Da die Beschwerde vom frist- und formgerecht eingebracht worden ist, ist über die Beschwerde „in der Sache“ zu entscheiden.
Beschwerdepunkt/e
In der Sache sind Schätzungsberechtigung und Schätzungsgrundlagen für Erlös- und Gewinn(hinzu)schätzungen strittig.
Rechtslage
Gemäß § 184 Abs 1 Bundesabgabenordnung – BAO idgF sind die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, wenn diese nicht ermittelt oder berechnet werden können. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Gemäß § 184 Abs 2 BAO idgF ist insbesondere dann zu schätzen, wenn Abgabepflichtige über ihre Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermögen oder weitere Auskunft über Umstände verweigern, die für die Ermittlung der Grundlagen nach Abs 1 leg.cit. wesentlich sind. Gemäß § 184 Abs 3 BAO idgF ist ferner zu schätzen, wenn Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die sie nach den Abgabenvorschriften zu führen haben, nicht vorlegen oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.
Sach- und Beweislage
Der ggstl. Entscheidung ist die im Betriebsprüfungsverfahren festgestellte, vom Bf. nicht bestrittene, Sachlage zugrunde zu legen, die darin besteht, dass 1.) elektronische Eingaben storniert, 2.) Terminkalender nicht aufbewahrt und 3.) Gutscheine nicht aufbewahrt oder nicht verbucht worden sind.
Zum entscheidungsrelevanten Sachverhalt gehört auch, dass die stornierten Eingaben entweder als berechtigte Stornos anerkannt oder als nicht berechtigte Stornos verwendet worden sind, um die Besteuerungsgrundlagen erlös- und gewinnerhöhend zu schätzen. Ein Schätzungsgrund sind daher jene Stornos gewesen, bei denen nicht festgestellt werden konnte, ob sie berechtigte Stornos oder unerlaubt gelöschte Grundaufzeichnungen gewesen sind. Weitere Schätzungsgründe sind die nicht aufbewahrten Terminkalender und die nicht aufbewahrten oder nicht verbuchten Gutscheine gewesen.
Ad. Schätzungsgrund berechtigte Stornos oder unerlaubt gelöschte Grundaufzeichnungen:
Ob berechtigte Stornos vorliegen oder unerlaubt gelöschte Grundaufzeichnungen , ist eine auf der Ebene der Beweiswürdigung zu beantwortende Sachfrage. Bei dieser Beweisführung darf jedes geeignete und zweckdienliche Beweismittel verwendet werden und nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens ist nach freier Überzeugung zu beurteilen, welche Fakten als erwiesen oder nicht erwiesen anzunehmen sind (§ 166 BAO idgF, § 167 Abs 2 BAO idgF). Von mehreren Versionen darf die wahrscheinlichste als erwiesen angenommen werden (Ritz, BAO4, § 167, Tz 8, und die do. zit. Judikate ; …).
Die Stornos hat der Bf. u.a. damit begründet, dass nach dem Wissenstand der das EDV-Programm Anwendenden Laufkundennummern vergeben werden mussten, um Preise abzufragen: Eine Auswertung der Abfragen hat ergeben, dass Datensätze auch an Montagen gelöscht worden sind, obwohl der Friseursalon an Montagen geschlossen hatte und dass an allen Werktagen Datensätze auch nach Betriebsschluss gelöscht worden sind. Da auszuschließen ist, dass der Rechner für Preisabfragen verwendet wird, wenn der Friseursalon geschlossen hat, ist anzunehmen und nach der vorzit. VwGH-Rechtsprechung als erwiesen anzusehen, dass an Montagen und an allen Werktagen nach Betriebsschluss Grundaufzeichnungen gelöscht worden sind.
Plausibel und damit der Entscheidung zugrunde zu legen ist, dass Anwender von EDV-Programmen in der Lern- oder Übungsphase viele Eingabefehler machen und dass sie immer weniger Eingabefehler machen, je öfter sie mit einem bestimmten EDV-Programm arbeiten. Die Anzahl der Eingabefehler muss sich daher im Laufe der Zeit verringert haben. Die Auswertung der gelöschten Datensätze hat ergeben, dass 2000 bis 06/2005 (und damit während eines 66 Monate dauernden Zeitraumes) an den Werktagen Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag jeweils 15% - 22% der Datensätze gelöscht worden sind. Da eine im Wesentlichen gleichbleibende Anzahl der Eingabefehler in einem 66 Monate umfassenden Zeitraum nicht glaubwürdig ist, ist davon auszugehen, dass Grundaufzeichnungen gelöscht worden sind.
Wer ein EDV-Programm durch Testeingaben erlernt, wird dieses EDV-Programm irgendwann beherrschen und muss nach abgeschlossener Lern- und Übungsphase nicht mehr zu Übungszwecken Testeingaben machen, weshalb regelmäßig im Ausmaß von 15% - 22% gelöschte Datensätze auch aus diesem Grund dafür sprechen, dass Grundaufzeichnungen gelöscht worden sind.
Die v.a. Ausführungen zusammenfassend ist als erwiesen anzusehen, dass Grundaufzeichnungen gelöscht worden sind, weshalb die Aufzeichnungen zumindest teilweise sachlich unrichtig sind. In welchem Umfang diese Aufzeichnungen abgeändert werden müssen, damit sie sachlich richtig sind, kann aus den gelöschten Datensätzen nicht ermittelt und nicht berechnet werden. Die Besteuerungsgrundlagen sind daher wegen gelöschter Grundaufzeichnungen zu schätzen“.
Ad. Schätzungsgrund nicht aufbewahrte Terminkalender:
Der Bf. hat nicht bestritten, dass er Terminkalender nicht aufbewahrt hat. Da ohne Terminkalender nicht überprüfbar ist, ob die Aufzeichnungen (und damit die erklärten Besteuerungsgrundlagen) sachlich richtig oder unrichtig sind, sind die Besteuerungsgrundlagen wegen nicht aufbewahrter Terminkalender zu schätzen.
Ad. Schätzungsgrund nicht aufbewahrte und/oder nicht verbuchte Gutscheine:
Der Bf. hat nicht bestritten, dass er eingelöste Gutscheine nicht aufbewahrt hat. Da ohne diese Gutscheine nicht überprüfbar ist, ob die Aufzeichnungen (und damit die erklärten Besteuerungsgrundlagen) sachlich richtig oder unrichtig sind, sind die Besteuerungsgrundlagen wegen nicht aufbewahrter Gutscheine zu schätzen.
Rechtliche Würdigung und Entscheidung
Wie bereits ausgeführt, berechtigen die gelöschten Datensätze (= „Stornos“), die nicht aufbewahrten Terminkalender und die eingelösten und darum nicht aufbewahrten Gutschriften, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen.
Ist eine Schätzung zulässig, so steht die Wahl der anzuwendenden Schätzungsmethode der Abgabenbehörde im Allgemeinen frei, doch muss das Schätzungsverfahren einwandfrei abgeführt werden, müssen die zum Schätzungsergebnis führenden Gedankengänge schlüssig und folgerichtig sein und muss das Ergebnis, das in der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen besteht, mit der Lebenserfahrung im Einklang stehen. Das gewählte Verfahren muss stets auf das Ziel gerichtet sein, diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, welche die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben. Dabei muss im Rahmen des Schätzungsverfahrens auf alle vom Abgabepflichtigen substantiiert vorgetragenen und für die Schätzung relevanten Behauptungen eingegangen werden (bspw. ; , 2010/15/0088, 0089, mwN, und vom , 2010/13/0016). Die Begründung muss in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist (bspw. , mwN).
Über die Schätzung im Beschwerdefall ist festzustellen, dass jeweils 8% der erklärten Erlöse hinzugeschätzt worden sind. Eine Schätzung mit 8% der erklärten Erlöse ist plausibel, da nach Betriebsende 8,56% (2002), 7,92% (2003), 9,96% (2004) und 8,56% (2005) der Gesamtbonierungen storniert worden sind, diese Prozentsätze zusammengezählt 35%; dividiert durch 4 Jahre 8,75% und abgerundet 8% ergibt. Ein für alle Jahre gleichhoher Prozentsatz ist auch deshalb gerechtfertigt gewesen, da die nicht berechtigten Stornos regelmäßig jeweils 15 – 22% betragen haben und die Terminkalender sowie Gutscheine in allen Streitjahren nicht aufbewahrt worden sind.
Ein innerbetrieblicher Vergleich mit den erklärten Besteuerungsgrundlagen der Folgejahre 2006 bis 2009 hat ergeben, dass diese erklärten Betriebsergebnisse erheblich schwanken, obwohl nach Wahrnehmung des Bf. keine Umsatzspitzen oder Umsatzeinbrüche stattgefunden haben. Da die erklärten Betriebsergebnisse 2006 bis 2009 nicht Gegenstand einer Betriebsprüfung gewesen sind, ist nicht nachvollziehbar, ob die Grundaufzeichnungen für diese Jahre sachlich richtig oder unrichtig sind, weshalb sich diese Betriebsergebnisse nicht dazu eignen, um Rückschlüsse auf die wahren Besteuerungsgrundlagen der Streitjahre zu ziehen.
Die Erlöse in den Jahren 2008 bis 2010 sind Gegenstand einer Betriebsprüfung gewesen die ergeben hat, dass die Grundaufzeichnungen 2008 bis 2010 sachlich richtig sind, da nicht berechtigte Stornos nicht durchgeführt und Terminkalender und Gutscheine aufbewahrt worden sind. Wer einen Friseursalon aufsucht, tut dies nach allgemeiner Lebenserfahrung in regelmäßigen Abständen und nimmt – mit wenigen Ausnahmen – dieselben Friseurleistungen in Anspruch, was dafür spricht, dass die (in richtiger Höhe erklärten) Umsätze und Gewinne 2008 bis 2010 nicht wesentlich von den tatsächlich erzielten Umsätzen und Gewinnen der Streitjahre abweichen. Die Erlöse 2008 bis 2010 eignen sich daher, um die strittige Schätzung daraufhin zu überprüfen, ob sie den wahren Besteuerungsgrundlagen der Streitjahre nahe kommt oder nicht.
Die durchschnittlichen Erlöse 2008 bis 2010 betragen EUR 264.104,00 per anno und sind damit um EUR 804,41 niedriger als die durchschnittlichen geschätzten Erlöse der Streitjahre 2000 bis 2004, die EUR 264.908,40 per anno betragen. Erlösschätzungen iHv EUR 264.104,00 per anno sind wegen der mit EUR 804,41 geringfügigen Differenz zu den geschätzten durchschnittlichen Erlösen der Streitjahre nicht durchzuführen.
Die vom Bf. vorgeschlagene inflationsbereinigte Schätzung ist nicht durchzuführen, da die mit den gelöschten Datensätzen stornierten Leistungen und Preise nicht feststellbar sind.
Welche Überlegungen dem Schätzungsvorschlag der Betriebsprüfung zugrunde lagen, ist nicht nachvollziehbar, da der einzige Hinweis auf diesen Schätzungsvorschlag darin besteht, dass auf Seite 1 des Arbeitsbogens/Betriebsprüfung – Prüfungsablauf – unter dem Datum angemerkt wird, der Bf. habe einen Sicherheitszuschlag iHv 5% nicht akzeptiert. Wie dem weiteren Prüfungsablauf zu entnehmen ist, ist erst später bekannt geworden, dass der Bf. Gutscheine nicht aufbewahrt hat, weshalb davon auszugehen ist, dass der Schätzungsgrund „nicht aufbewahrte Gutscheine“ bei der Schätzung mit 5% nicht berücksichtigt worden ist. Da eine Schätzung auch wegen nicht aufbewahrter Gutscheine zulässig ist, ist eine Schätzung mit 5% nicht durchzuführen.
Die vom Bf. vorgeschlagene Schätzung mittels Sicherheitszuschlag iHv EUR 2.000,00 per anno wegen Aufzeichnungsmängel anstelle der strittigen Schätzung iHv 8% der erklärten Erlöse wird vom Bundesfinanzgericht abgelehnt, da eine Schätzung auch wegen nicht berechtigter Stornos zulässig ist.
Da Preisabfragen und Eingabefehler teilweise als berechtigte Stornos anerkannt worden sind, sind die geschätzten Erlöse nicht zu reduzieren.
Die v.a. Ausführungen zusammenfassend ist als erwiesen anzusehen und festzustellen, dass die den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegende Schätzung jene Schätzung ist, die den tatsächlichen Betriebsergebnissen der Streitjahre am nächsten kommt. Allfällige Ungenauigkeiten hat der Bf., der durch nicht berechtigte Stornos, nicht aufbewahrte Terminkalender und nicht aufbewahrte Gutschriften Anlass zu dieser Schätzung gegeben hat, hinzunehmen (siehe bspw. ; , 98/14/0026; , 96/14/0111; , 2009/17/0119 bis 0122).
Die Beschwerdebegehren sind daher abzuweisen.
Revision
Gemäß Art 133 Abs 1 Z 4 B-VG ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Eine grundsätzlich bedeutende Rechtsfrage musste das Bundesfinanzgericht nicht beantworten, da im Beschwerdefall Sachfragen im Beweisverfahren zu beantworten waren und Sachfragen nicht Gegenstand eines Revisionsverfahrens sind ().
Die (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 184 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2016:RV.7100866.2006 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at