Bescheidbeschwerde – Senat – Beschluss, BFG vom 28.09.2016, RV/2101135/2014

Vorsteuer- und Betriebsausgabenabzug: Vermietung eines Einfamilienhauses durch eine GmbH an den Gesellschafter-Geschäftsführer als steuerneutrale Tätigkeit (Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde)

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/2101135/2014-RS1
wie RV/2100279/2016-RS1
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2013/15/0284, erstmalig ausgesprochen hat, ist Voraussetzung für die Beurteilung eines Wohngebäudes als ein (körperschaftsteuer-)neutrales und deshalb zum Ausschluss des Vorsteuerabzuges nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 führendes Vermögen, dass es für das von der Körperschaft errichtete Mietobjekt keinen funktionierenden Mietenmarkt gibt und der tatsächliche Mietzins - nicht nur moderat - unter einer angemessenen Renditemiete liegt (also zu niedrig ist).
RV/2101135/2014-RS2
wie RV/2100279/2016-RS2
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2013/15/0284, ebenfalls erstmalig ausgesprochen hat, ist eine abstrakte Renditeberechnung jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, wenn es für das von der Körperschaft errichtete Mietobjekt einen funktionierenden Mietenmarkt gibt (ebenso: ).
RV/2101135/2014-RS3
wie RV/2100279/2016-RS4
Für die Körperschaftsteuer gilt bei nicht als (körperschaftsteuer-)neutral einzustufenden Wohngebäuden, dass - da dem Betriebsvermögen der Körperschaft zugehörig - ein unangemessen niedriger Mietzins bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen einer verdeckten Ausschüttung (§ 8 Abs. 2 KStG 1988) zum Ansatz fremdüblicher Betriebseinnahmen (Mieterträge) der Körperschaft führt (vgl. zB ).
RV/2101135/2014-RS4
wie RV/2100279/2016-RS3
Ist ein Wohngebäude nicht als (körperschaftsteuer-)neutrales und deshalb zum Ausschluss des Vorsteuerabzuges nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 führendes Vermögen einzustufen, so darf der Vorsteuerabzug nur versagt werden, wenn die Vermietungstätigkeit nicht als wirtschaftliche (unternehmerische) Tätigkeit einzustufen ist. Um bei der Überlassung des Gebrauches das Vorliegen einer unternehmerischen Tätigkeit ausschließen zu können, kommt entscheidendes Gewicht dem Gesamtbild der Verhältnisse zu, wobei nicht nur auf die Angemessenheit des Mietzinses abgestellt werden darf (vgl. ).

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Dr. Andrea Ornig und die weiteren Senatsmitglieder Dr. Michael Rauscher, Dr. Bernhard Koller und Mag. Petra Kühberger im Beisein der Schriftführerin Claudia Schmölzer über die als Beschwerden zu erledigenden Berufungen der X-GmbH, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Umsatzsteuer 2009 und 2010 sowie Körperschaftsteuer 2008 bis 2010 und gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer für 01/2010 am  beschlossen:

Die angefochtenen Bescheide werden unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gesellschafter ist ua. Dr. XX (auch Geschäftsführer). Betriebsgegenstand ist die Wirtschaftsprüfung.

Aufgrund des Bescheides über einen Prüfungsauftrag vom führte die belangte Behörde bei der Beschwerdeführerin eine Außenprüfung betreffend Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer für 2008 bis 2010 durch. Dabei traf der Prüfer die streitgegenständliche Feststellung, dass die Vermietung der Liegenschaft mit der Adresse X-Gasse mit dem darauf befindlichen Wohnhaus umsatz- und körperschaftsteuerlich unbeachtlich sei, weil es sich um ein Gebäude handle, das nicht jederzeit im betrieblichen Geschehen einsetzbar bzw. repräsentativ sei und es nicht zum Unternehmensbereich gehöre.

Aufgrund dieser (und anderer) Feststellungen setzte die belangte Behörde mit den hier angefochtenen Bescheiden vom die Umsatzsteuer 2009 und 2010 sowie die Körperschaftsteuer 2008 bis 2010 im wiederaufgenommenen Verfahren neu fest. Weiters zog die belangte Behörde die Beschwerdeführerin mit dem ebenfalls hier angefochtenen Bescheid vom zur Haftung für Kapitalertragsteuer für 01/2010 im Betrag von 381.291,20 Euro heran.

Dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom ist dazu zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin die Liegenschaft mit Kaufvertrag vom von Dr. XX um 500.000 € erworben habe. In der Folge sei das darauf befindliche Wohngebäude um rund 1,4 Mio. € saniert worden. Ab sei die Liegenschaft an Dr. XX vermietet worden. Die Miete betrage 1.800 € netto/Monat (Anmerkung: ohne Betriebskosten). Die Miete sei gemessen an den Investitionskosten im Fremdverglich zu gering. Eine Miete in dieser Höhe sei in Graz, auch in dieser Lage, nicht zu erzielen. Ein fremder Vermieter hätte nicht derart hohe Anschaffungs- und Errichtungsinvestitionen getätigt. Der Ertragswert des Gebäudes liege bei 1,143.788,66 €, der "Gesamtwert" bei 1,385.328,76 € und die "tatsächlichen AK + HK" bei 1,404.000 €. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Liegenschaft bereits im September 2011 unentgeltlich an die X-Privatstiftung übertragen worden sei.

Die Beschwerdeführerin erhob nach Fristverlängerung mit Eingabe vom Berufungen gegen die angefochtenen Bescheide. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Außenprüfung jede Aussage schuldig bleibe, wie hoch die ortsübliche Miete für diese Wohnfläche und die Liegenschaft sein sollte. Die retrograde Rechnung aus einer Rendite heraus werde durch keine fremdüblichen Mieten im Raum Graz in "bevorzugter Wohnanlage" auch nur annähernd gestützt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Berufung betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer als unbegründet ab.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wies die belangte Behörde auch die Berufungen betreffend Umsatzsteuer 2009 und 2010 sowie Körperschaftsteuer 2008 bis 2010 als unbegründet ab. Der der gesonderten Bescheidbegründung vom beigefügten Stellungnahme der BMF Steuer- und Zollkoordination, Fachbereich, vom ist zu entnehmen, dass die Renditemiete (kalkulatorische Kostenmiete) für das Objekt 5.570 € monatlich betrage. 

Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin die Entscheidung über die Berufungen durch das Verwaltungsgericht.

Die belangte Behörde legte die Berufungen dem Bundesfinanzgericht im August 2014 zur Entscheidung vor.

Die Aufhebung der angefochtenen Bescheide unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erfolgt aus folgenden Gründen:

Dem Erkenntnis des , ist zu entnehmen, dass die Überlassung von Wohngebäuden durch eine Körperschaft an ihre Gesellschafter (bzw. an Personen, die den Gesellschaftern nahe stehen) eine verdeckte Ausschüttung darstellen und gegebenenfalls zum Ausschluss des Vorsteuerabzuges nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 führen kann.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2013/15/0284, erstmalig ausgesprochen hat, ist Voraussetzung für die Beurteilung eines Wohngebäudes als ein (körperschaftsteuer-)neutrales und deshalb zum Ausschluss des Vorsteuerabzuges nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 führendes Vermögen, dass es für das von der Körperschaft errichtete Mietobjekt keinen funktionierenden Mietenmarkt gibt und der tatsächliche Mietzins - nicht nur moderat - unter einer angemessenen Renditemiete liegt (also zu niedrig ist).

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2013/15/0284, ebenfalls erstmalig ausgesprochen hat, ist eine abstrakte Renditeberechnung jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, wenn es für das von der Körperschaft errichtete Mietobjekt einen funktionierenden Mietenmarkt gibt (ebenso: ).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat die Abgabenbehörde daher festzustellen, ob für Mietobjekte der streitgegenständlichen Art ein entsprechender Mietenmarkt vorliegt (vgl. nochmals ).

Ist ein Wohngebäude nicht als (körperschaftsteuer-)neutrales und deshalb zum Ausschluss des Vorsteuerabzuges nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 führendes Vermögen einzustufen, so darf der Vorsteuerabzug nur versagt werden, wenn die Vermietungstätigkeit nicht als wirtschaftliche (unternehmerische) Tätigkeit einzustufen ist. Um bei der Überlassung des Gebrauches das Vorliegen einer unternehmerischen Tätigkeit ausschließen zu können, kommt entscheidendes Gewicht dem Gesamtbild der Verhältnisse zu, wobei nicht nur auf die Angemessenheit des Mietzinses abgestellt werden darf (vgl. nochmals ).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde zwar Feststellungen zum Gesamtbild der Betätigung getroffen, die jedoch - wie der Verwaltungsgerichtshof auch im Erkenntnis vom , 2013/15/0301, erkennen lässt - nicht hinreichen, das Vorliegen einer unternehmerischen Tätigkeit ausschließen zu können.

Für die Körperschaftsteuer gilt bei diesen Wohngebäuden, dass - da dem Betriebsvermögen der Körperschaft zugehörig - ein unangemessen niedriger Mietzins bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen einer verdeckten Ausschüttung (§ 8 Abs. 2 KStG 1988) zum Ansatz fremdüblicher Betriebseinnahmen (Mieterträge) der Körperschaft führt (vgl. zB ). 

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung wäre also im Beschwerdefall das Einfamilienhaus der Beschwerdeführerin nur dann als (körperschaftsteuer-)neutrales und deshalb zum Ausschluss des Vorsteuerabzuges nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 führendes Vermögen zu beurteilen, wenn es für Mietobjekte der streitgegenständlichen Art keinen funktionierenden Mietenmarkt gibt und der tatsächliche Mietzins - nicht nur moderat - unter einer angemessenen Renditemiete liegt (also zu niedrig ist).

Gemäß § 278 Abs. 1 BAO kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können.

Die belangte Behörde wird im weiteren Verfahren unter Inanspruchnahme der Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführerin zu ermitteln und festzustellen haben, ob für Mietobjekte der streitgegenständlichen Art ein funktionierender Mietenmarkt vorliegt. Kann die belangte Behörde feststellen, dass für Mietobjekte der streitgegenständlichen Art kein entsprechender Mietenmarkt vorliegt, so wird die belangte Behörde in einem weiteren Schritt zu ermitteln und festzustellen haben, ob der tatsächliche Mietzins - nicht nur moderat - unter einer angemessenen Renditemiete liegt. Kommt die belangte Behörde zum Ergebnis, dass kein (körperschaftsteuer-)neutrales Vermögen vorliegt, wird sie abhängig davon, ob negative Einkünfte aus der Bewirtschaftung der Liegenschaft erzielt wurden, auch jene Sachverhaltsumstände zu ermitteln haben, anhand derer die Beurteilung getroffen werden kann, ob die Vermietungstätigkeit umsatzsteuerlich und körperschaftsteuerlich als Liebhaberei zu beurteilen ist.

Die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde ist zweckmäßig, weil es die Kapazitäten des Verwaltungsgerichtes übersteigt, die sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen für das Vorliegen von steuerneutralem Vermögen (erstmals) zu ermitteln. Diese Ermittlungen können vom Verwaltungsgericht selbst (durch eigene Ermittlungsschritte oder durch Beauftragung der belangten Behörde) nicht rascher durchgeführt werden. Die Durchführung durch das Verwaltungsgerichts selbst wäre auch nicht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof - ausgehend von dem die Rechtslage prägenden Erkenntnis vom , 2005/14/0083, - im Erkenntnis vom , 2013/15/0284, zum ersten Mal verlangt hat, dass für die Beurteilung von Wohngebäuden als (körperschaftsteuer-)steuerneutrales Vermögen das Vorliegen (bzw. Nichtvorliegen) eines funktionierenden Mietenmarktes (ohne abstrakte Renditeberechnung) festzustellen ist (in den Erkenntnissen vom , 2009/15/0215, und vom , 2012/15/0105, hat der Verwaltungsgerichtshof dazu noch geschwiegen), sodass die Behörden bei der Frage des Vorliegens von (körperschaftsteuer-)neutralem Vermögen am Anfang der notwendigen Ermittlungen steht.

Von der mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 274 Abs. 3 Z 3 BAO abgesehen.

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da diese Voraussetzung im Hinblick auf die oben wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vorliegt, war auszusprechen, dass die Revision nicht zulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
Fuhrmann in immolex 2018/69
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.2101135.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at