Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.09.2016, RV/7103777/2016

Vorgesehene Studienzeit (inkl. Toleranzsemester) zur Absolvierung eines Studienabschnittes bei Unterbrechung des Studiums durch die Ableistung des Zivildienstes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin EB in der Beschwerdesache Bf, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe vom für das Kind S, für Dezember 2014 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf) stellte am einen Antrag auf Familienbeihilfe ab Dezember 2014 für ihren am xx.xx.xxxx geborenen Sohn S.

Mit Abweisungsbescheid vom wies das Finanzamt den Antrag für den Monat Dezember 2014 unter teilweiser Zitierung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ab.

Dagegen erhob die Bf fristgerecht Beschwerde. Begründend führte sie aus, sie habe gleichzeitig mit dem Abweisungsbescheid auch die Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe mit der Anspruchsgewährung von Juli 2014 bis November 2014 sowie Jänner 2015 bis September 2017 erhalten. Das Vorliegen aller notwendigen Voraussetzungen für den Familienbeihilfenbezug sei aufgrund der von ihr eingebrachten Belege für diese Monate bestätigt und anerkannt worden. Exakt der gleiche Sachverhalt gelte auch für den Monat Dezember 2014, welcher sich inmitten eines der betreffenden und anerkannten Studiensemester befinde.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Der Sohn der Bf habe sein Studium der Rechtswissenschaften im Oktober 2012 begonnen. Im Zeitraum Oktober 2013 bis Juni 2014 habe er den Zivildienst absolviert. Den ersten Studienabschnitt habe er am abgeschlossen. Laut Studiendatei der Uni hätte dieser Abschnitt mit November 2014 abgeschlossen sein müssen. Tatsächlich sei der Abschnitt erst im Jänner 2015 absolviert worden, sodass erst ab diesem Zeitpunkt die Familienbeihilfe wieder gewährt werden könne.

Die Bf stellte fristgerecht einen Vorlageantrag. Mit der Begründung der BVE sei ihr erstmals bewusst geworden, dass das Finanzamt, offensichtlich irrtümlich, davon ausgehe, dass das sogenannte Toleranzsemester in Ansehung des Studienfortschritts im gegenständlichen Fall Ende November 2014 geendet hätte. Offenbar werde dieser Annahme zugrunde gelegt, dass das Toleranzsemester das Sommersemester 2014 gewesen wäre und das Ende der Prüfungsnachfrist, in der Prüfungen für dieses Semester angerechnet würden, Ende November 2014 gewesen sei. Ihr Sohn sei im Sommersemester 2014 nicht inskribiert gewesen. Er habe nach Absolvierung von zwei Semestern den ordentlichen Zivildienst abgeleistet und sei währenddessen für zwei Semester (von bis ) von der Uni beurlaubt gewesen.
Dem Erfordernis der Erreichung von 16 ECTS Punkten bzw. 14 ECTS Punkten an STEOP Prüfungen als Erfolgsnachweis bezüglich des ersten Studienjahres sei entsprochen worden.
Hätte ihr Sohn das Studium nicht wegen Nachkommens seiner Staatsbürgerpflicht nach zwei Semestern unterbrechen müssen, hätte er auch im Kontinuum ein weiteres ganzes Semester (als Toleranzsemester für die Absolvierung des ersten Studienabschnittes) Anspruch auf Familienbeihilfe gehabt. Eine Schlechterstellung eines Präsenz-/Zivildienstleistenden in Ansehung des Anspruchs auf Familienbeihilfe bei Studienunterbrechung könne vom Gesetzgeber nicht intendiert gewesen sein.
Ihr Sohn habe das Studium im Wintersemester 2014/15 fortgesetzt und es habe das Toleranzsemester regulär erst mit Ende Februar 2015 geendet. Im Jänner 2015 habe der Sohn den ersten Studienabschnitt positiv absolviert. Dem Vorlageantrag werde ein Auszug aus der Rückmeldungsdatenbank der Uni beigelegt, aus dem ersichtlich sei, dass der erste Abschnitt in drei Semestern absolviert worden sei.

Im Vorlagebericht vom führte das Finanzamt in seiner Stellungnahme aus, der erste Studienabschnitt hätte mit Toleranzsemester mit Februar 2014 beendet sein sollen. Die neun Monate des Zivildienstes würden dazugerechnet, sodass der erste Studienabschnitt spätestens mit November 2014 abzuschließen gewesen wäre.

2. Sachverhalt

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt, der dem Erkenntnis zugrunde gelegt wird, ergibt sich aus dem vom Finanzamt vorgelegten Familienbeihilfenakt und ist unstrittig.

Der am xx.xx.xxxx geborene Sohn der Bf, S, begann im Wintersemester 2012/13 das Studium der Rechtswissenschaften.

Die vorgesehene Studienzeit zur Absolvierung des ersten Abschnitt dieses Studiums umfasst zwei Semester.

Im Zeitraum bis leistete er seinen Zivildienst. Im Wintersemester 2013/14 und Sommersemester 2014 war der Sohn von der Universität beurlaubt.

Im Wintersemester 2014/15 beendete der Sohn am den ersten Studienabschnitt.

Das Finanzamt gewährte für den Zeitraum nach Absolvierung des Zivildienstes Familienbeihilfe für die Monate Juli 2014 bis November 2014 und ab Jänner 2015.

Strittig ist der Familienbeihilfenanspruch für Dezember 2014.

3. Rechtsgrundlagen

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten.

4. Rechtliche Würdigung

Im gegenständlichen Fall beträgt die vorgesehene Studienzeit für den ersten Studienabschnitt zwei Semester. Unter Einschluss des Toleranzsemesters beträgt die in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vorgesehene Zeit der Berufsausbildung somit drei Semester.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei den in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 im Zusammenhang mit der Berufsausbildung von Kindern, die eine in § 3 StudFG 1992 genannte Einrichtung besuchen, angesprochenen Zeiträumen um Semester oder Vielfache von Semestern. Diese Semester (oder Vielfache von Semestern) zählen zur Gänze als Zeiten, in denen sich das Kind in Berufsausbildung befindet. Es sind „vollständige“ Semester gemeint, unabhängig davon, ob die Berufsausbildung während eines Semesters begonnen hat ().

Der Sohn der Bf hatte vor Antritt des Zivildienstes am die ersten beiden Semester seines Studiums absolviert. Zum Abschluss des ersten Studienabschnittes stand ihm nach Beendigung des Zivildienstes am daher noch ein weiteres vollständiges Semester zur Verfügung. Das erste vollständige Semester, das auf diesen Zeitpunkt (bzw. die Beurlaubung vom Studium im Sommersemester 2014) folgte, war das Wintersemester 2014/15, das am endete. Im Beschwerdezeitraum Dezember 2014 stand der Sohn der Bf daher in Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967. Der Anspruch auf Familienbeihilfe war gegeben.

Die vom Finanzamt vertretene Auffassung, wonach der erste Studienabschnitt unter Berücksichtigung des Zivildienstes spätestens Ende November 2014 (Februar 2014 + 9 Monate) hätte abgeschlossen sein sollen, steht nicht mit der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in Einklang. Bei dieser Befristung stehen zur Absolvierung des ersten Studienabschnittes nicht drei vollständige Semester zur Verfügung; zudem wird auch die Beurlaubung vom Studium im Sommersemester 2014 nicht berücksichtigt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

5. Zulässigkeit einer Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Es liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Das Bundesfinanzgericht folgt der im Erkenntnis dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.7103777.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at