Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 29.09.2016, RV/3100298/2014

Unzuständigkeit und Einstellung

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. A in der Beschwerdesache B, Str, 9999, vertreten durch C Wirtschaftstreuhandgesellschaft OG, Str1, 9991, gegen die Bescheide des Finanzamtes D betreffend Umsatzsteuer 2011 und 2012 und über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO 2011 und 2012 jeweils mit Ausfertigungsdatum beschlossen:

1. Es wird die Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes festgestellt.

2. Das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht wird eingestellt.

3. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Hinweis

Der Beschluss wirkt gegen alle, denen Einkünfte zugerechnet werden (§ 191 Abs. 3 BAO). Mit der Zustellung dieses Beschlusses an eine nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person gilt die Zustellung an alle an alle am Gegenstand der Feststellung Beteiligten als vollzogen (§ 101 Abs. 3 und 4 BAO).

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die Gesellschafter der Beschwerdeführerin "B" (kurz: Bf.) sind deutsche Staatsbürger, die im Jahr 2006 in Österreich einen Bauplatz erworben und dort ein Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung errichtet haben. Trotzdem die Gesellschafter laut Kaufvertrag die Verpflichtung eingegangen sind, das erworbene Grundstück nicht als Freizeitwohnsitz zu verwenden, beantragte die Bf. im Hinblick auf eine beabsichtigte Gästevermietung beim zuständigen Finanzamt eine Steuernummer und erklärte auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 zu verzichten. Die Bf. reichte für das Jahr 2006 und die Folgejahre 2007 bis 2012 Umsatzsteuererklärungen und Erklärungen über Einkünfte von Personengesellschaften/-gemeinschaften ein.

2. Das Finanzamt fertigte für die Jahre 2007 und 2008 am , für 2009 am und für 2010 am erklärungsgemäße vorläufige Bescheide betreffend Umsatzsteuer und über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO aus. In der Begründung führte das Finanzamt aus, dass weiterhin Ungewissheit bezüglich der Erfolgsaussichten der Vermietungstätigkeit bestehe. Für die Frage ob Liebhaberei vorliege, sei die Kenntnis der wirtschaftlichen Entwicklung künftiger Jahre, insbesondere das Zutreffen der Umsatz- und Zinsentwicklung laut Prognoserechnung von Bedeutung.

3. Im Zuge einer die Jahre 2007 bis 2012 umfassenden Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest (Bericht vom , ABNr. 12), dass die Vermietungstätigkeit der Bf. als Liebhabereitätigkeit einzustufen sei. Diesen Feststellungen folgend erließ das Finanzamt für die Jahre 2007 bis 2010 - nach Aufhebung zunächst erlassener Wiederaufnahmebescheide betreffend die Umsatzsteuer und die Feststellung von Einkünften - schlussendlich mit Ausfertigungsdatum endgültige Umsatzsteuer- und Feststellungsbescheide. Für die Jahre 2011 und 2012 wurden am Erstbescheide hinsichtlich der Umsatzsteuer und der Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO ausgefertigt.

4. Mit Schreiben vom erhob die Bf. unter anderem gegen die Umsatzsteuer- und Feststellungsbescheide für die Jahre 2011 und 2012 Berufung.

5. Auch gegen die endgültigen Umsatzsteuer- und Feststellungsbescheide der Jahre 2007 bis 2010 wurde mit Eingabe vom Beschwerde eingebracht und beantragt die Ausfertigung einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 Abs. 2 lit. a BAO aus verfahrensökonomischen Gründen entfallen zu lassen und die Beschwerde direkt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

6. Das Finanzamt legte beide Beschwerden mit Vorlagebericht am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Die Beschwerde vom gegen die (gem. § 200 Abs. 2 endgültigen) Bescheide betreffend die Umsatzsteuer und über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO der Jahre 2007 bis 2010 ist hier nicht Gegenstand des Verfahrens.

II. Sachverhalt

1. Das Finanzamt hat über die Beschwerde vom gegen die am ausgefertigten Bescheide betreffend Umsatzsteuer und die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO für die Jahre 2011 und 2012 nicht mittels einer Beschwerdevorentscheidung abgesprochen.

2. Diese Beschwerde vom wurde dem Bundesfinanzgericht mit Vorlagebericht am zur Entscheidung vorgelegt.

III. Rechtslage

1. Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.
Gemäß Abs. 2 hat die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zu unterbleiben,
a) wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird und
b) wenn die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt.
Wird in der Bescheidbeschwerde lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet, so ist gemäß Abs. 3 keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, sondern die Bescheidbeschwerde unverzüglich dem Verwaltungsgericht vorzulegen.
Gemäß Abs. 4 ist weiters keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, wenn der Bundesminister für Finanzen den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

2. Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann gemäß § 264 Abs. 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht gestellt werden.

3. Gemäß § 265 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde, über die keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder über die infolge eines Vorlageantrages vom Verwaltungsgericht zu entscheiden ist, nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen ohne unnötigen Aufschub dem Verwaltungsgericht vorzulegen.

4. Gemäß § 291 Abs. 1 BAO ist das Verwaltungsgericht - soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht anderes vorsehen - verpflichtet, über Anträge der Parteien und über Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden. Im Verfahren über Bescheidbeschwerden beginnt die Entscheidungsfrist mit der Vorlage der Beschwerde (§ 265 BAO). In den Fällen des § 284 Abs. 5 beginnt die Entscheidungsfrist mit Ablauf der vom Verwaltungsgericht gesetzten Frist.

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Ro 2015/15/0001 ausgesprochen, dass der Vorlagebericht für sich nicht als Antrag der Abgabenbehörde als Partei im Beschwerdeverfahren (§ 265 Abs. 5 BAO) zu beurteilen ist, der gemäß § 291 Abs. 1 BAO der Entscheidungspflicht unterliegen würde (vgl. auch ; ).

IV. Erwägungen

1. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum FVwGG 2012 (2007 BlgNR 24. GP 18) wird u.a. ausgeführt, § 265 Abs. 2 und 3 BAO "soll den Verwaltungsgerichten den Überblick über die strittigen Sach- und Rechtsfragen erleichtern".

Der Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes unterliegt nach diesen Bestimmungen die von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht vorgelegte Bescheidbeschwerde. Zuständig zu einer Entscheidung (in der Sache) ist das Bundesfinanzgericht freilich im Regelfall nur dann, wenn zuvor bereits die Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat und dagegen ein Vorlageantrag erhoben wurde. Der Vorlagebericht dient hingegen - wie aus den Gesetzesmaterialien hervorgeht - bloß dazu, um den Verwaltungsgerichten den Überblick zu erleichtern. Der Vorlagebericht (für sich) ist nicht als Antrag der Abgabenbehörde als Partei im Beschwerdeverfahren (§ 265 Abs. 5 BAO) zu beurteilen, der gemäß § 291 Abs. 1 BAO der Entscheidungspflicht unterliegen würde. Auch ist es nicht der Vorlagebericht, der den Lauf der Entscheidungsfrist auslöst; die Entscheidungsfrist beginnt vielmehr mit der Vorlage der Beschwerde. Dass eine Mangelhaftigkeit des Vorlageberichts Auswirkungen auf die Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes zur Entscheidung in der Sache oder auf den Beginn des Laufes der Entscheidungsfrist hätte, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die Beifügung des Vorlageberichtes im Rahmen einer Beschwerdevorlage erfolgt in Erfüllung einer Rechtspflicht des Finanzamtes, nicht aber um die Geltendmachung eines Rechtes durch das Finanzamt (als Partei im Beschwerdeverfahren) (vgl. ).

2. Grundsätzlich sind die Abgabenbehörden gemäß § 262 Abs. 1 BAO dazu verpflichtet, über Bescheidbeschwerden mit Beschwerdevorentscheidung abzusprechen. Damit soll die Abgabenbehörde dazu verhalten werden, sich vor Beschwerdevorlage an das Verwaltungsgericht eingehend mit dem Beschwerdevorbringen auseinanderzusetzen und erforderliche Ermittlungen zu ergänzen (vgl. Fischerlehner, Abgabenverfahren2, § 262 Anm 2).

3. Im gegenständlichen Beschwerdefall wurde gegen die am ausgefertigten Umsatzsteuer- und Feststellungsbescheide der Jahre 2011 und 2012 am Beschwerde (vormals Berufung) eingebracht. Diese Beschwerde wurde nicht vor Ablauf des dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt. Gemäß § 323 Abs. 42 BAO idF AbgÄG 2014, BGBl. I 2014/13, ist § 262 (Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung) nicht anwendbar, wenn Berufungen vor dem , ohne vorher eine Berufungsvorentscheidung zu erlassen, der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorgelegt worden sind.

4. Da die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht am erfolgte, hatte die Abgabenbehörde der gesetzlichen Anordnung des § 262 Abs. 1 BAO (die in den Absätzen 2 bis 4 genannten Fälle lagen im Beschwerdefall nicht vor) entsprechend zuvor mit Beschwerdevorentscheidung über die Beschwerde abzusprechen.  

5. Da im gegenständlichen Beschwerdefall über die Beschwerde nicht mittels Beschwerdevorentscheidung abgesprochen (Punkt II.1. und 2.) und in der Folge ein Vorlageantrag nicht gestellt worden ist, trifft das Bundesfinanzgericht in dieser Sache keine Entscheidungspflicht iSd § 291 Abs. 1 BAO, vielmehr ist die Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes festzustellen.

6. Das Finanzamt hat als belangte Behörde im fortzusetzenden Verfahren seine Entscheidungspflicht gemäß § 262 Abs. 1 BAO durch Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung wahrzunehmen und im Falle des Einlangens eines Vorlageantrages durch die beschwerdeführende Partei die Beschwerde samt Akten dem Bundesfinanzgericht gemäß § 265 BAO erneut vorzulegen.

V. Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG in Verbindung mit Art. 133 Abs. 9 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da sich die Verpflichtung der belangten Behörde zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung unmittelbar aus dem Gesetz (§ 262 Abs. 1 BAO) ergibt, das Nichtvorliegen eines der in § 262 Abs. 2 bis 4 BAO genannten Ausnahmetatbestände eine reine Sachverhaltsfrage darstellt und die Unzuständigkeit zur Entscheidung in der Sache dem Erkenntnis des VwGH (Punkt III.5.) entspricht, war spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 265 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 291 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.3100298.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at