Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.09.2016, RV/7104699/2016

Organschaft: Aberkennung der Voraussetzungen nicht mittels (gesonderten) Feststellungsbescheid

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7104699/2016-RS1
Gemäß dem in § 92 Abs. 1 BAO normierten Grundsatz der Subsidiarität von Feststellungsbescheiden ist kein Feststellungsbescheid zu erlassen, wenn die Frage in einem Abgabenverfahren mittels Abgabenbescheid geklärt werden kann (vgl. Zl. 89/17/0174). Über den Bestand oder Nichtbestand eines Organschaftsverhältnisses im umsatzsteuerlichen Sinn ist daher im jeweiligen Abgabenbescheid des Organträgers und der Organgesellschaft abzusprechen. Ein vorgelagertes Feststellungsverfahren iSd § 92 BAO ist im Rahmen der Organschaft demnach nicht vorgesehen und rechtlich auch nicht möglich.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerde der C-GmbH, PLZ-Ort, Straße1, vertreten durch BDO Austria GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Kohlmarkt 8-10, PLZ-Ort, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Anerkennung einer Organschaft iSd UStG zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden mit Bf bezeichnet) ist eine Kapitalgesellschaft, die mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet wurde. Den Betriebsgegenstand dieser Gesellschaft bildet die Verwaltung von Beteiligungen von institutionelle Investoren und bietet vermögenden Privatpersonen spezielle Anlageinstrumente, die solide langfristige und risikoadjustierte Renditen aufweisen.

Mit Eingabe vom teilte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin (Bf.) dem Finanzamt mit, dass ab dem Voranmeldungszeitraum 10/2015 zwischen der Bf. als Bf. als Organträger und der W-GmbH, St.Nr. StNr2, als Organgesellschaft ein Organschaftsverhältnis gemäß § 2 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 begründet worden sei.

Nach Darlegung der entsprechenden Voraussetzungen für das Vorliegen einer Organschaft (finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung) ersuchte die Bf. zuletzt um Bestätigung des Finanzamtes, dass diese Voraussetzungen gegeben seien.

Nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens hinsichtlich des Kriteriums der wirtschaftlichen Eingliederung erließ das Finanzamt mit den in diesem Verfahren angefochtenen Abweisungsbescheid, der folgenden Spruch aufweist:

"Der Antrag der Bf. ... betreffend Anerkennung der Organschaft wird abgewiesen."

Die Abweisung des Antrages auf Anerkennung einer umsatzsteuerlichen Organschaft wurde im wesentlichen damit begründet, dass die Leistungen von der Bf. als Organmutter an die W-GmbH und nicht umgekehrt erfolgen. Eine wirtschaftliche Eingliederung oder ein Dienen der W-GmbH als Organtochter an die Bf. seien somit nicht gegeben. Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Organschaft seien somit nicht erfüllt. Der Antrag sei daher abzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom , in der beantragt wird, diesen Bescheid aufzuheben und durch einen neuen zu ersetzen, in dem unter Bezugnahme auf die weiteren Ausführungen zur wirtschaftlichen Eingliederung die zwischen der Bf. und der W-GmbH bestehende umsatzsteuerliche Organschaft anerkannt werde.

Weiters wurde das Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 Abs. 2 Z 1 BAO beantragt.

Die gegenständliche Beschwerde wurde entsprechend dem gemäß § 262 Abs. 2 lit. a BAO gestellten Antrag, mit dem auf das Ergehen einer Beschwerdevorentscheidung verzichtet wurde, ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt. 

Im weiteren Verfahren betreffend die W-GmbH teilte das Bundesfinanzgericht beiden Parteien die beabsichtigte Entscheidung mit, hinsichtlich der sowohl die steuerliche Vertreterin als auch das Finanzamt keine Einwendungen erhoben.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 92 Abs. 1 BAO sind Erledigungen einer Abgabenbehörde als Bescheid zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen

a) Rechte oder Pflichten begründen, abändern oder aufheben, oder
b) abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen, oder
c) über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses absprechen.

Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird gemäß § 2 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 nicht nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person dem Willen eines Unternehmers derart untergeordnet ist, dass sie keinen eigenen Willen hat. Eine juristische, Person ist dem Willen eines Unternehmers dann derart untergeordnet, dass sie keinen eigenen Willen hat (Organschaft), wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in sein Unternehmen eingegliedert ist.

Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als Unternehmer.

Den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites bildet die Frage, in welchem Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine umsatzsteuerliche Organschaft abzusprechen ist.

Gemäß dem in § 92 Abs. 1 BAO normierten Grundsatz der Subsidiarität von Feststellungsbegehren ist etwa kein Feststellungsbescheid zu erlassen, wenn die Erlassung eines Abgabenbescheides möglich ist (vgl. Zl. 97/15/0178; , Zl. 2002/17/0282, 0291; , Zl. 2000/17/0245; , Zl. 2004/16/0281).

Ein Feststellungsbescheid ist daher nicht zu erlassen, wenn die Frage in einem Verfahren (insbesondere im Abgabenverfahren mittels Abgabenbescheid) geklärt werden kann (vgl. Zl. 89/17/0174).

Die Bildung einer Organschaft nach § 2 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 ermöglicht es, mehrere Unternehmen für umsatzsteuerliche Zwecke zu einem einzigen Steuerpflichtigen zusammenzufassen. Diese Organschaftslehre ist im Steuerrecht von der deutschen Rspr entwickelt und in weiterer Folge gesetzlich verankert worden.

Nach dem Unionsrecht (Art. 11 MwSt-RL) ist den Mitgliedstaaten eine Organschaftsregelung freigestellt worden, die jedoch der Konsultation des Mehrwertsteuerausschusses bedarf. Österreich wurde unter Beibehaltung der Regelung unter Einschränkung auf inländische Gesellschaften zugestanden (vgl. Ruppe/Achatz, UStG, § 2 Rz. 99f).

Bei Zutreffen der Voraussetzungen für eine Organschaft ist eine Organschaft von Amts wegen zu berücksichtigen. Dies insbesondere, als das Vorliegen einer Organschaft als eine Rechtsfrage von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. Zl. 1881/70).

Nach einhelliger österreichischer und deutscher Lehre und Rechtsprechung treten die Folgen einer Organschaft von Gesetzes wegen ein, wenn und solange die Voraussetzungen vorliegen. Dabei ist die Organschaft ab dem Zeitpunkt des Vorliegens sämtlicher Voraussetzungen zu beachten, somit auch ab einem Zeitpunkt innerhalb eines Veranlagungszeitraumes. Dies gilt auch für den Wegfall einer der Eingliederungsvoraussetzungen. Ob eine Organschaft vorliegt, ist demnach eine Rechtsfrage und daher von Amts wegen zu prüfen (vgl. Zl. 1881/70).

Für den Steuerpflichtigen ist demnach auch kein Antragsrecht vorgesehen, da es per definitionem auf die tatsächlichen Verhältnisse, also die "gelebte Realität" ankommt (vgl. Kühbacher, Die umsatzsteuerliche Organschaft in Österreich und Deutschland, SWI 2012, S. 411).

Aus diesem Grund wurde von der Bf. auch kein "Antrag" auf Feststellung einer umsatzsteuerlichen Organschaft gestellt, sondern dem Finanzamt lediglich das Bestehen einer solchen mitgeteilt und ausdrücklich um "Bestätigung" des Vorliegens einer Organschaft ersucht.

Dessen ungeachtet hat das Finanzamt den angefochtenen Bescheid erlassen und damit  einen "Antrag" auf Anerkennung der Organschaft abgewiesen. In der dazu ergangenen Begründung wurde im Wesentlichen festgestellt, dass keine wirtschaftliche Eingliederung der W-GmbH in die Bf. gegeben sei.

Nach Lehre und Rechtsprechung kann aber mangels besonderer gesetzlicher Anordnung eines Feststellungsbescheides ein solcher nur über Rechte und Rechtsverhältnisse ergehen, wenn dies von einer Partei beantragt wird, diese ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat, es sich um ein notwendiges, letztes und einziges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung handelt oder wenn die Feststellung im öffentlichen Interesse liegt und zudem die maßgeblichen Rechtsvorschriften eine Feststellung dieser Art nicht ausschließen (vgl. Zl. 89/17/0174; Ritz, BAO, § 92, Rz. 9).

Somit ist gemäß dem Grundsatz der Subsidiarität auch kein Feststellungsbescheid zu erlassen, wenn die Erlassung eines Abgabenbescheides möglich ist (vgl. Zl. 2000/17/0245; , Zl. 2004/16/0281).

Für den vorliegenden Fall folgt daraus, dass über den Bestand oder Nichtbestand eines Organschaftsverhältnisses im jeweiligen Abgabenbescheid des Organträgers und der Organgesellschaft abzusprechen ist. Ein vorgelagertes Feststellungsverfahren iSd § 92 BAO ist im Rahmen der Organschaft demnach nicht vorgesehen und auch rechtlich nicht möglich (s. sinngemäß Rz 366 KÖSt-RL in historischer Fassung).

So im vorliegenden Fall das Finanzamt mit gesonderten "Abweisungsbescheid" vom  über die Aberkennung einer umsatzsteuerlichen Organschaft entschieden hat, ist dies rein aus verfahrensrechtlichen Gründen rechtswidrig und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.

Vielmehr wäre über das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine umsatzsteuerliche Organschaft in den Umsatzsteuerbescheiden der Bf. und allenfalls der W-GmbH abzusprechen.

Da der in diesem Verfahren angefochtene und gesondert ergangene Abweisungsbescheid vom nicht hätte ergehen dürfen, wird dieser aufgehoben.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall folgt das Bundesfinanzgericht in der hier zu lösenden Rechtsfrage der Judikatur des Verwaltungsgerichtshof, dass ein gesonderter Feststellungsbescheid über das Bestehen bzw. Nichtbestehen einer Organschaft nicht zu erlassen ist, da über diese Rechtsfrage im Umsatzsteuerbescheid der Bf. und allenfalls im Umsatzsteuerbescheid der W-GmbH abzusprechen ist (vgl. Zl. 89/17/0174).

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 92 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2 Abs. 2 Z 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.7104699.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at