Berufspilot – ohne Operation nicht flugtauglich – drohender Arbeitsplatzverlust – Operation im Privatspital – Operationskosten: Werbungskosten oder außergewöhnliche Belastung?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf. vertreten durch Steuerberatung Construktiv Mag. Sonja Buchinger – Czech, 2013 Göllersdorf, Wischathal 59, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom , zugestellt am , betreffend Einkommensteuer 2007 entschieden:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Als der im Spruch angeführte Bescheid angefochten wurde, war der Unabhängige Finanzsenat für die Rechtsmittelerledigung zuständig. Diese Zuständigkeit des Unabhängigen Finanzsenates endete am . An die Stelle des Unabhängigen Finanzsenates trat am das Bundesfinanzgericht (BFG), das alle mit Ablauf des anhängigen Rechtsmittelverfahren – und damit auch dieses Rechtsmittelverfahren – weiterführt. Mit Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit () haben sich die Bezeichnungen der Rechtsmittel geändert. Das Bundesfinanzgericht verwendet in seinen Verfahren die verwaltungsgerichtsübliche Terminologie: „Berufungen“ werden als „Beschwerden“ bezeichnet, „Berufungsvorentscheidungen“ als „Beschwerdevorentscheidungen“ und „Berufungswerber“ als „Beschwerdeführer (Bf.)“.
Aus den Verwaltungsakten:
1. Der Bf. ist Berufspilot bei X . Im Veranlagungsverfahren 2007 erklärte er Krankheitskosten iHv EUR 5.709,04 als Werbungskosten und legte die Honorarnote vom eines Privatspitals iHv EUR 5.709,04 für eine operativ behandelte sonstige Spontanruptur eines oder mehrerer Bänder des Kniegelenks/Innenband vor.
2. Im Einkommensteuerbescheid 2007 wurden Krankheitskosten iHv EUR 5.709,04 mit der Begründung, sie seien nicht iZm einer typischen Berufskrankheit getätigt worden, nicht als Werbungskosten anerkannt.
Die Krankheitskosten iHv EUR 5.709,04 wurden als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt anerkannt, was sich nicht einkommensmindernd auswirkte, da der Selbstbehalt auch EUR 5.709,04 betrug.
Dieser Bescheid wurde am zugestellt, war innerhalb 1 Monats ab Zustellung mit Beschwerde anfechtbar und wurde mit der Beschwerde vom angefochten.
3. In der Beschwerde vom brachte der Bf. vor, er habe die Operationskosten tätigen müssen, um seine Einnahmen als Berufspilot zu erhalten und zu sichern. Ohne sofort erfolgten operativen Eingriff sei er nicht flugtauglich gewesen. Eine Operation ohne Wartezeit sei nur in einem privat geführten Krankenhaus durchführbar gewesen. In einem nicht privat geführten Krankenhaus hätte der Bf. 2 – 3 Monate auf einen Operationstermin warten müssen. Wäre der Bf. 2 – 3 Monate nicht flugtauglich gewesen, hätte wegen der massiven Kündigungswelle bei X der Verlust seines Arbeitsplatzes gedroht und da weltweit Fluggesellschaften Personal abgebaut hätten, hätte er keinen neuen Arbeitsplatz gefunden.
4. Die Beschwerde vom wurde mit der Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen. Begründet wurde diese Entscheidung mit der ständigen Rechtsprechung in /00142 u.a., wonach Krankheitskosten dann Werbungskosten sind, wenn sie für die Behandlung von typischen Berufskrankheiten getätigt werden oder für Krankheiten, bei denen ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen Beruf und Krankheit besteht. Die diagnostizierte sonstige Spontanruptur eines oder mehrere Bänder des Kniegelenks sei jedoch weder eine typische Berufskrankheit, von der gehäuft Piloten betroffen seien, noch bestehe ein unmittelbarer, ursächlicher Zusammenhang zwischen Beruf und Krankheit, was im Verfahren auch nicht behauptet worden sei.
Die Beschwerdevorentscheidung vom war innerhalb 1 Monats ab Zustellung mit Vorlageantrag anfechtbar und wurde mit dem Vorlageantrag vom angefochten.
5. Im Vorlageantrag vom führte der Bf. aus: „… In der Bescheidbegründung … wird die Abweisung der Berufung dahingehend begründet, dass es sich diesfalls um keine typische Berufskrankheit handeln würde, das ist richtig, leider wurde nur dieser Aspekt behandelt. Die in dem Berufungsschreiben vom von uns beschriebene Notwendigkeit dieser Operation, um den Arbeitsplatz zu erhalten, wurde völlig außer Acht gelassen. Da diesfalls das Indiz für eine berufliche Veranlassung der Operation die Erhaltung des Arbeitsplatzes ist, ist unseres Erachtens das Fehlen einer privaten Veranlassung gegeben“.
6. BFG – Ermittlungen:
6.1. Eine Sehnenruptur ist ein Einriss oder eine Zerreißung (Ruptur) einer Sehne bei plötzlicher Überbelastung der Sehne oder ruckartiger Kontraktion des zugehörigen Muskels (Website, de.wikipedia.org).
6.2. Gemäß § 177 Abs 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG in der 2007 geltenden Fassung gelten als Berufskrankheiten die in der Anlage 1 zu diesem Bundesgesetz bezeichneten Krankheiten unter den dort angeführten Voraussetzungen, wenn sie durch Ausübung der die Versicherung begründenden Beschäftigung in einem in Spalte 3 der Anlage bezeichneten Unternehmen verursacht sind ...
Lt. Anlage 1 zu diesem Bundesgesetz ist eine sonstige Spontanruptur eines oder mehrerer Bänder des Kniegelenks/Innenband keine Berufskrankheit iSd § 177 Abs 1 ASVG.
Gemäß § 177 Abs 2 ASVG gilt eine Krankheit, die ihrer Art nach nicht in Anlage 1 zu diesem Bundesgesetz enthalten ist, im Einzelfall als Berufskrankheit, wenn der Träger der Unfallversicherung auf Grund gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse feststellt, dass diese Krankheit ausschließlich oder überwiegend durch die Verwendung schädigender Stoffe oder Strahlen bei einer vom Versicherten ausgeübten Beschäftigung entstanden ist; diese Feststellung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Der Vorlageantrag ist frist- und formgerecht eingebracht worden. Deshalb scheidet die Beschwerdevorentscheidung mit dieser Entscheidung aus dem Rechtsbestand aus und wird zum Vorhalt. Da die Beschwerde auch frist- und formgerecht eingebracht worden ist, ist über die Beschwerde „in der Sache“ zu entscheiden.
Beschwerdepunkt/e
In der Sache ist strittig, ob die Kosten einer Operation an den Bändern am Kniegelenk im Privatspital Werbungskosten bei einem Berufspiloten sind.
Sach- und Beweislage
Der Entscheidung wird folgende, nicht strittige, Sachlage zugrunde gelegt:
A. Der Bf. ist Berufspilot bei X. Im Streitjahr wurde eine sonstige Spontanruptur eines oder mehrerer Bänder an seinem Kniegelenk/Innenband operativ in einem privat geführten Spital behandelt. Die Operationskosten betrugen EUR 5.709,04.
B. Eine sonstige Spontanruptur eines oder mehrerer Bänder des Kniegelenks/Innenband ist keine Berufskrankheit iSd § 177 Abs 1 ASVG iVm Anlage 1 zu diesem Bundesgesetz. Eine Feststellung nach § 177 Abs 2 ASVG ist nicht getroffen worden.
C. Eine sonstige Spontanruptur eines oder mehrerer Bänder des Kniegelenks/Innenband ist zweifelsfrei schmerzhaft und muss operativ behandelt werden. Da der Bf. operativ behandelt werden muss, ist davon auszugehen und der Entscheidung zugrunde zu legen, dass er erst nach der Operation wieder flugtauglich und damit arbeitsfähig ist.
Rechtslage
Gemäß § 16 Abs 1 Einkommensteuergesetz – EStG 1988in der im Streitjahr geltenden Fassung sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – VwGH sind Krankheitskosten nur dann als (Betriebsausgaben oder) Werbungskosten absetzbar, wenn es sich um eine typische Berufskrankheit handelt oder der Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Beruf eindeutig feststeht ( mwN).
Rechtliche Würdigung und Entscheidung
Das Bundesfinanzgericht legt die vorzit. VwGH-Rechtsprechung seiner Entscheidung zugrunde und stellt fest:
I. Im Vorlageantrag hat der Bf. außer Streit gestellt, dass die sonstige Spontanruptur eines oder mehrerer Bänder des Kniegelenks/Innenband eine typische Berufskrankheit eines Berufspiloten ist. Da sich auch nach Aktenlage und § 177 Abs 1 ASVG keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine sonstige Spontanruptur eines oder mehrerer Bänder des Kniegelenks/Innenband eine derartige Berufskrankheit ist und keine Feststellung nach § 177 Abs 2 ASVG getroffen worden ist, wird vom Bundesfinanzgericht festgestellt, dass der Bf. keine Berufskrankheit eines Berufspiloten hatte.
II. Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Operationskosten und Beruf des Bf. besteht, wenn er wegen einer 2 – 3 Monate später stattfindenden Operation seinen Arbeitsplatz verloren hätte.
Arbeitnehmer verlieren ihren Arbeitsplatz, wenn sie vom Arbeitgeber gekündigt werden. Nach ständiger OGH-Rechtsprechung können nicht arbeitsfähige Arbeitnehmer von ihren Arbeitgebern kündigt werden, wenn in erhöhtem Ausmaß und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass sie auch in Zukunft längere Zeit nicht arbeitsfähig sein werden (Oberster Gerichtshof – , mwN).
Der Bf. in der ggstl. Beschwerdesache hat seine Arbeitsfähigkeit dadurch wiedererlangt, dass er sich operieren hat lassen und da diese Operation die Ursache seiner Fluguntauglichkeit beseitigt hat, ist zu erwarten, dass er auch in Zukunft flugtauglich und damit arbeitsfähig sein wird. Die Gefahr, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, wenn er sich nicht sofort operieren lässt sondern 2 – 3 Monate auf einen Operationstermin wartet, hat daher nicht bestanden, weshalb er die Operationskosten nicht getätigt hat, um seinen Arbeitsplatz zu erhalten und zu sichern. Die Operationskosten sind daher keine Werbungskosten aus nicht selbständiger Arbeit.
Droht dem Bf. der Verlust des Arbeitsplatzes wegen einer Kündigungswelle, ist der Kündigungsgrund eine betriebsbedingte organisatorische Maßnahme des Arbeitgebers, weshalb eine Kündigung bei einer Kündigungswelle nicht durch eine sofort durchgeführte Operation verhindert werden kann. Operationskosten sind daher auch dann keine Werbungskosten aus nicht selbständiger Arbeit, wenn das bestehende Arbeitsverhältnis wegen Personalabbau gekündigt wird und andere Fluggesellschaften keine neuen Arbeitnehmer einstellen.
Das Beschwerdebegehren ist daher abzuweisen.
Revision
Gemäß Art 133 Abs 1 Z 4 B-VG ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Eine grundsätzlich bedeutende Rechtsfrage musste das Bundesfinanzgericht nicht beantworten, da der Verwaltungsgerichtshof die hier entscheidungsrelevante Rechtsfrage in , bereits beantwortet hat und von dieser Rechtsprechung de dato nicht abgewichen ist.
Die (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2016:RV.7100942.2010 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at