Wechselkennzeichen bei Parkkleber als Rechtfertigungsgrund
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7500690/2015-RS1 | Da die belangte Behörde in den - innerhalb der Frist des § 31 Abs 1 VStG 1991 - am abgefertigten Straferkenntnissen die strafbare Handlung wie oben dargestellt beschrieben hat UND darin § 5 Abs 3 Pauschalierungsverordnung in der Begründung wiedergibt, konnte kein Zweifel daran bestehen, dass die belangte Behörde die Verwaltungsübertretung darin erblickt hat, dass der Parkkleber nicht in der oberen rechten Ecke der Windschutzscheibe angebracht war. Das BFG wäre daher grundsätzlich berechtigt, den Spruch der angefochtenen Straferkenntnisse in diesem Sinn zu präzisieren. |
RV/7500690/2015-RS2 | Die behördliche Auskunft, bei Wechselkennzeichen den Parkkleber gemäß § 5 Abs 3 Pauschalierungsverordnung nicht in die obere rechte Ecke kleben zu müssen, sondern stattdessen zu folieren und auf dem Armaturenbrett abzulegen, um ihn in beiden Fahrzeugen verwenden zu können, ist ein tauglicher Rechtfertigungsgrund iSd § 6 VStG 1991. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in den Verwaltungsstrafsachen gegen den Beschuldigten B, betreffend Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs 3 Pauschalierungsverordnung, ABl. der Stadt Wien vom , Nr 29/2007, in Verbindung mit § 4 Abs 3 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl für Wien vom , Nr 9/2006, jeweils in der geltenden Fassung, über die Bescheidbeschwerden des Beschuldigten jeweils vom gegen die Straferkenntnisse des Magistrats der Stadt Wien MA 67 als Abgabenstrafbehörde vom , MA 67-PA-769381/4/1 und MA 67-PA-777812/4/7, zu Recht erkannt:
I.) Den Bescheidbeschwerden wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben, die angefochtenen Straferkenntnisse werden aufgehoben und die Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG 1991) eingestellt.
II.) Gemäß § 52 Abs 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten für das Beschwerdeverfahren zu leisten.
III.) Gemäß § 52 Abs 9 VwGVG hat der Magistrat der Stadt Wien als belangte Behörde die Kosten des Verfahrens zu tragen, falls sie aber schon gezahlt sind, zurückzuerstatten.
IV.) Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof durch die vor dem Bundesfinanzgericht belangte Behörde zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit beiden Straferkenntnissen des Magistrates der Stadt Wien als belangte Behörde vom , Zlen. MA 67-PA-769381/4/1 und MA 67-PA-777812/4/7, wurde der Beschuldigte nach Durchführung von Ermittlungsverfahren schuldig erkannt, in einem dem Kennzeichen nach näher bestimmten Kraftfahrzeug im Bereich einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone in Wien nicht für einen ordnungsgemäß angebrachten Parkkleber gesorgt zu haben, da dieser nicht hinter der Windschutzscheibe und daher nicht kontrollierbar angebracht war. Dadurch habe er gegen ein verwaltungsbehördliches Gebot verstoßen, weshalb über den Beschuldigten gemäß § 5 Abs 3 Pauschalierungsverordnung, ABl der Stadt Wien vom , Nr 29/2007, idgF, in Verbindung mit § 4 Abs 3 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl für Wien Nr 9/2006, idgF, jeweils eine Geldstrafe von € 36,00 verhängt, und die Ersatzfreiheitsstrafe mit je 8 Stunden bestimmt wurde. Der Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens wurde mit je € 10,00 festgesetzt.
Dem Verwaltungsakt MA 67-PA- 777812/4/7 liegen zwei Fotos, dem Verwaltungsakt MA 67-PA-769381/4/1 ein Foto ein. Die Beanstandungen erfolgten durch zwei verschiedene Kontrollorgane und zwar in beiden Fällen zunächst wegen "Abstellens des Fahrzeugs, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen Parkschein gesorgt zu haben."
Schriftsätze der vorangegangenen Verwaltungsstrafverfahren wurden in den gegenständlichen Verwaltungsakten nur unvollständig vorgelegt, doch ist davon auszugehen, dass jene Verwaltungsstrafverfahren aufgrund der Einwendungen des Beschuldigten eingestellt wurden.
Wesentlich ist der in Kopie dem Akt MA 67-777812/4/7 einliegende Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, MBA 1/8, vom , mit dem dem Beschuldigten für zwei näher bestimmte mehrspurige Kraftfahrzeuge mit dem Wechselkennzeichen W-4711 eine Ausnahme gemäß § 45 Abs 4 StVO 1960 von der im 1. Wiener Gemeindebezirk sowie drei weiteren bezeichneten Straßen im 6. und 8. Bezirk in der Kurzparkzone geltenden Parkzeitbeschränkung gültig vom bis bewilligt wurde.
In den Einsprüchen, Stellungnahmen und Bescheidbeschwerden beider Verfahren hat der Beschuldigte auf den Umstand hingewiesen, dass er ein Wechselkennzeichen zu zwei Fahrzeugen besitze, aber nur einen Parkkleber für beide Fahrzeuge gemeinsam erhalten habe. Bereits gegenüber dem Amtsorgan des MBA 1/8 habe er anlässlich der Aushändigung des Parkklebers vorgetragen, dass er den Parkkleber, sobald er einmal in einem der beiden Fahrzeuge hinter der Windschutzscheibe geklebt wäre, nicht mehr von dort entfernen könnte, um ihn in seinem zweiten Fahrzeug zu verwenden, weil der Parkkleber beim Entfernen von der Windschutzscheibe zerstört würde. Das Amtsorgan des MBA 1/8 habe ihm die Auskunft erteilt, dass das Gesetz einen Parkkleber nur je Kennzeichen zulasse, und zwar auch im Fall von Wechselkennzeichen. Er könne daher keinen zweiten Parkkleber bekommen. Das Amtsorgan habe ihm empfohlen, den Parkkleber auf eine durchsichtige Folie zu kleben und gut ersichtlich auf dem Armaturenbrett wie auch Parkscheine abzulegen. Da die Meldungsleger ohnedies das Armaturenbrett nach Parkscheinen kontrollieren müssten, müsste ihnen dabei der Parkkleber auffallen.
Der Bescheid vom enthält den Hinweis auf §§ 5 Abs 1 und 3 der Pauschalierungsverordnung, wobei die Wortfolge "rechten oberen Ecke anzubringen" in Fettschrift hervorgehoben ist.
Weiters bringt der Beschuldigte vor, dass er im Jahr 2014 trotz angebrachten Parkklebers bisher rund zehn Mal zu Unrecht eine Strafverfügung erhalten habe. Daraus lasse sich ableiten, dass die Kontrollorgane nicht mit der gebotenen Sorgfalt ihrer Tätigkeit nachgingen. Einer dem vorgelegten Akt einliegenden Abfrage zufolge, wurden mehrere gegen den Beschuldigten in Parkometerangelegenheiten geführte Verwaltungsstrafverfahren eingestellt, und zwar für das Jahr 2012 fünf und für die Jahre 2013 und 2014 jeweils vier Verwaltungsstrafverfahren.
In beiden Bescheidbeschwerden bestreitet der Beschuldigte die ihm angelastete Tat, das mit dem Kennzeichen näher bestimmte Kraftfahrzeug zu besagter Zeit am besagten Ort abgestellt zu haben, ohne für die Kennzeichnung mit einem ordnungsgemäß angebrachten Parkkleber gesorgt zu haben, da dieser nicht hinter der Windschutzscheibe und daher nicht kontrollierbar angebracht gewesen sei. Bei Wechselkennzeichen dürfe der Parkkleber gut sichtbar hinter der Windschutzscheibe angebracht werden. Schließlich beantragt der Beschuldigte, in beiden Fällen die Einstellung der Verfahren.
Über die Beschwerden wurde erwogen:
Die Beschwerden sind zulässig und begründet.
Gemäß § 44 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) hat das Verwaltungsgericht (grundsätzlich) eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 44 Abs 2 VwGVG entfällt die Verhandlung u.a. jedoch dann, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, was gegenständlich der Fall ist, wobei auf die zur Rechtswidrigkeit dargelegten rechtlichen Ausführungen verwiesen wird.
Rechtsrundlagen:
Gemäß § 5 Abs 1 Wiener Pauschalierungsverordnung idgF gilt als Hilfsmittel zur Kontrolle der Abgabenentrichtung in den Fällen des § 2 Abs 1 lit a ein Parkkleber gemäß Anlage I.
Gemäß § 5 Abs 3 Wiener Pauschalierungsverordnung idgF ist der in Absatz 1 genannte Parkkleber bei Kraftfahrzeugen mit einer Windschutzscheibe hinter dieser und durch diese gut lesbar, in der rechten oberen Ecke anzubringen. Die Einlegetafel gemäß Abs. 1 und Abs. 2, die Tagespauschalkarte und die Wochenpauschalkarte gemäß Abs. 1 sind bei Kraftfahrzeugen mit einer Windschutzscheibe hinter dieser und durch diese gut lesbar, bei anderen Kraftfahrzeugen an sonst geeigneter Stelle gut wahrnehmbar anzubringen und auf Verlangen den Organen der öffentlichen Aufsicht zur Einsichtnahme auszuhändigen. Die Anbringung von Kopien oder Abschriften ist unzulässig.
Gemäß § 4 Abs 3 Wiener ParkometerG 2006 idgF sind die sonstigen Übertretungen der Gebote und Verbote dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu 120 Euro zu bestrafen.
Gemäß § 6 VStG 1991 ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.
Das Bundesfinanzgericht nimmt folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
Beschwerdefall MA 67-PA-777812/4/7:
Der Beschuldigte hat am um 9:40 Uhr das mehrspurige Kraftfahrzeug (Automarke) mit dem behördlichen Wechselkennzeichen W-4711 in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone in Wien 01, Lothringerstraße 11 (Nebenfahrbahn) abgestellt, ohne den für dieses Kennzeichen genehmigten Parkkleber hinter der Windschutzscheibe und durch diese gut lesbar, in der rechten oberen Ecke angebracht zu haben. Der Parkkleber lag stattdessen in einer Folie auf dem Armaturenbrett.
Beschwerdefall MA 67-PA-769381/4/1:
Der Beschuldigte hat am um 9:19 Uhr das mehrspurige Kraftfahrzeug (Automarke) mit dem behördlichen Wechselkennzeichen W-4711 in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone in Wien 01, Lothirngerstraße 11 (Nebenfahrbahn) abgestellt, ohne den für dieses Kennzeichen genehmigten Parkkleber hinter der Windschutzscheibe und durch diese gut lesbar, in der rechten oberen Ecke angebracht zu haben. Der Parkkleber lag stattdessen in einer Folie auf dem Armaturenbrett.
obige Sachverhaltsfeststellung gründet sich auf folgende Beweiswürdigung:
Da beiden Verwaltungsstrafverfahren bereits Verfahren wegen Fehlens des Parkscheines vorangegangen waren, ist die Machart der Fotos geradezu unverständlich, weil gerade zum Beweis des Fehlens eines Parkscheines das Armaturenbrett zu fotografieren gewesen wäre. In beiden Fällen sind die Fotos keine tauglichen Beweismittel dafür, dass der Parkkleber nicht hinter der Windschutzscheibe und daher nicht kontrollierbar angebracht war. Der diesbezügliche Einwand des Beschuldigten ist berechtigt.
Auch der Hinweis des Beschuldigten auf insgesamt zehn im Jahr 2014 wegen desselben Delikts gegen ihn geführte Verwaltungsstrafverfahren, die auch nach dem von der belangten Behörde angefertigten Ausdruck, allesamt eingestellt wurden, lässt tatsächlich vermuten, dass die Kontrollorgane nicht mit der gebotenen Sorgfalt kontrolliert haben. Es ist als Erfahrungstatsache anzusehen, dass der Mensch in erster Linie das wahrnimmt, wonach er sucht bzw was er erwartet. War das Kontrollorgan beim Kontrollieren des Armaturenbretts also an dieser Stelle fixiert auf Parkscheine, so ist es durchaus denkbar, dass es aus diesem Grund den Parkkleber auf dem Armaturenbrett nicht wahrgenommen hat. Von dieser menschlichen Erfahrungstatsache geht auch offenbar der Verwaltungsgerichtshof aus (), denn der hohe Gerichtshof hielt es im Beschwerdefall für denkbar, dass der Parkkleber anstatt in der rechten oberen Ecke in der rechten unteren Ecke angebracht gewesen sein könnte. Zu berücksichtigen ist auch der Zeitdruck, unter dem die Kontrollorgane bei ihrer Arbeit stehen, und dass in beiden Fällen die Kontrollorgane Anzeige wegen Fehlens von Parkscheinen machten.
Schließlich erscheint die Auskunft des Mitarbeiters des MBA 1/8 glaubhaft, zumal auf dem Bescheid vom selbst darauf hingewiesen wird, dass der Parkkleber (bzw. seine gesamten Reste) in näher bezeichneten Fällen zurückzubringen ist. Es ist daher anzunehmen, dass der die Pauschalierungsverordnung vollziehenden Behörde bekannt ist, dass im Fall von Wechselkennzeichen dem Gesetz nicht Genüge getan werden kann, wenn der Berechtigte den Parkkleber in beiden Fahrzeugen verwenden möchte, weil sich der Parkkleber nicht unversehrt von der Windschutzscheibe abnehmen lässt.
Da das Armaturenbrett auf den Fotos nicht einsehbar ist, erscheint es in der Zusammenschau aller Fakten und Überlegungen glaubhaft, dass der folierte Parkkleber auf dem Armaturenbrett gelegen ist.
Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses:
Dem Spruch eines Straferkenntnisses kommt im Hinblick auf die in § 44a Z 1 bis 5 VStG 1991 festgelegten Erfordernisse besondere Bedeutung zu. Der Beschuldigte hat ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert, welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde, usw (vgl , 0212; ).
Die oben vom BFG im Vergleich zum Spruch der angefochtenen Straferkenntnisse vorgenommene Präzisierung der angelasteten Tat ist zulässig. Der Beschuldigte ist nicht im Recht, wenn er vorträgt, den Parkkleber durch Folieren und Ablegen auf dem Armaturenbrett ordnungsgemäß hinter der Windschutzscheibe angebracht zu haben. Diese Handlung genügt dem klaren Wortlaut des § 5 Abs 3 Pauschalierungsverordnung nicht, denn das Gesetz kennt nur eine einzige Stelle an der Windschutzscheibe, an der der Parkkleber ordnungsgemäß angebracht ist, und zwar ausschließlich in der rechten oberen Ecke (nochmals VwGH 2005/17/0081).
Auch wenn die belangte Behörde weder in den Straferkenntnissen noch in vorangegangen schriftlichen Verfolgungshandlungen (Strafverfügungen, Verständigungen vom Ergebnis der Beweisaufnahme) "das Fehlen des Parkklebers in der rechten oberen Ecke der Windschutzscheibe" in die Beschreibung der Tathandlung aufgenommen hat, liegen in concreto dennoch taugliche Verfolgungshandlungen vor.
Unter anderem muss eine Verfolgungshandlung wegen eines bestimmten (strafbaren) Sachverhalts erfolgen. Dies erfordert, dass sie sich auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente zu beziehen hat. Dem Beschuldigten gegenüber ist die Tat ausreichend zu konkretisieren. Keine taugliche Verfolgungshandlung beinhaltet der Vorwurf einer Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs 1 S 1 KFG, der den bloßen Gesetzestext wiedergibt, ohne die bestehenden Mängel zu nennen. Demgegenüber liegt dennoch eine taugliche Verfolgungshandlung vor, wenn die Sachverhaltselemente keinen Zweifel darüber lassen, weswegen verfolgt wird (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens , 6. Auflage, Lindeverlag, VStG § 32 S 1459/60 mwN).
Anders als § 102 Abs 1 S 1 KFG, die dem Kraftfahrzeuglenker die Inbetriebnahme des Kraftfahrzeuges untersagt, wenn dieses nicht den in Betracht kommenden Vorschriften entspricht, sodass es dem Organ bei Erlassen der individuellen Norm obliegt, genau zu präzisieren, welche Vorschrift konkret verletzt wurde, bestimmt § 5 Abs 3 Pauschalierungsverordnung den Platz hinter der Windschutzscheibe, an der der Parkkleber einzig ordnungsgemäß anzubringen ist, mit abschließender Bestimmtheit: rechte obere Ecke der Windschutzscheibe.
Da die belangte Behörde in den - innerhalb der Frist des § 31 Abs 1 VStG 1991 - am abgefertigten Straferkenntnissen die strafbare Handlung wie oben dargestellt beschrieben hat UND darin § 5 Abs 3 Pauschalierungsverordnung in der Begründung wiedergibt, konnte kein Zweifel daran bestehen, dass die belangte Behörde die Verwaltungsübertretung darin erblickt hat, dass der Parkkleber nicht in der oberen rechten Ecke der Windschutzscheibe angebracht war. Das BFG wäre daher grundsätzlich berechtigt, den Spruch der angefochtenen Straferkenntnisse in diesem Sinn zu präzisieren. Im Hinblick auf die zur Rechtswidrigkeit gemachten Ausführungen kann die Ergänzung des Spruches jedoch unterbleiben.
objektive Tatseite:
Dem Beschuldigten ist beizupflichten, dass die Fotos das Armaturenbrett nicht erkennen lassen. Klar und deutlich ist aber die gesamte Windschutzscheibe zu erkennen und daher auch, dass hinter dieser in der rechten oberen Ecke kein Parkkleber angebracht war.
Dass der Parkkleber ordnungsgemäß NUR in der oberen rechten Ecke der Windschutzscheiben angebracht ist, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Verwaltungsgerichtshof entschieden (nochmals 2005/17/0081). Nach dem Beschwerdevorbringen sollte der Parkkleber in der rechten unteren Ecke angebracht gewesen sein, was beim Strafmaß zu berücksichtigen gewesen wäre. Der Parkkleber ist zufolge diesem Erkenntnis lediglich Hilfsmittel und das Kleben desselben in der rechten oberen Ecke der Windschutzscheibe nicht Teil der Entrichtungsform.
Mit obigen Sachverhaltsfeststellungen hat der Beschuldigte in beiden Fällen den Tabestand des § 5 Abs 3 Pauschalierungsverordnung Wien am und am verwirklicht. Dadurch hat der Beschuldigte (zunächst) gegen ein gesetzliches Gebot verstoßen und eine sog. sonstige Übertretung nach § 4 Abs 3 Wiener Parkometergesetz begangen (nochmals VwGH 2005/17/0081).
Rechtswidrigkeit:
Tatbestandsmäßigkeit indiziert grundsätzlich Rechtswidrigkeit. Das Beschwerdevorbringen ist aus folgenden Gründen als Rechtfertigungsgrund anzusehen.
Die Bestimmung des § 6 VStG, wonach eine Tatbestandsverwirklichung nicht strafbar ist, wenn sie „vom Gesetz geboten oder erlaubt ist“, hat verweisenden Charakter. Es besteht kein Numerus Clausus von Rechtfertigungsgründen; diese ergeben sich aus der gesamten Rechtsordnung und entfalten Wirkung auch im Verwaltungsstrafrecht. Von den Entschuldigungsgründen hebt § 6 den entschuldigenden Notstand eigens hervor. Im VStG gelten ua auch die – einen Entschuldigungsgrund bildenden – Regeln über die unverschuldete Notwehrüberschreitung (Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 6 VStG (Stand , rdb.at) Tz 2 mwN).
Zur gesamten Rechtsordnung zählen jedenfalls sämtliche generellen und individuellen Normen, daher auch der Bescheid vom . Darüber hinaus gelten gemäß Artikel 9 Abs 1 B-VG die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechtes als Bestandteile des Bundesrechtes. Zu den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts zählt u.a. der Grundsatz von Treu und Glauben. Der Vertrauensgrundsatz ist also Bestandteil der gesamten Rechtsordnung iSd § 6 VStG 1991.
Der Beschuldigte stützt sich bei seiner Rechtfertigung auf die vom zuständigen Mitarbeiter des MBA erteilte Auskunft, die überdies eindeutig dem auf dem Bescheid angebrachten Hinweis und dem dort zitierten § 5 Abs 3 Pauschalierungsverordnung widerspricht. Die Auskunft ist daher sogar contra legem. Der Mitarbeiter hat offenbar bei Auskunftserteilung die unbefriedigende Sach- und Rechtslage erkannt und wusste möglicherweise von einer ausgleichenden Verwaltungspraxis.
Auf dem Bescheid vom selbst wird im Hinweis ausgeführt, dass der Parkkleber (bzw. seine gesamten Reste) in näher bezeichneten Fällen zurückzubringen ist. Es ist daher anzunehmen, dass auch der zuständigen Behörde bekannt ist, dass im Fall von Wechselkennzeichen dem Gesetz nicht Genüge getan werden kann. Dennoch verknüpft die Pauschalierungsverordnung die Anzahl der Parkkleber mit der Anzahl der Kennzeichen, und nicht mit der Anzahl mit unter dem Wechselkennzeichen berechtigten Kraftfahrzeuge.
Mit dieser Auskunft seitens der für Parkkleber zuständigen Behörde wurde dem Beschuldigten im Ergebnis die Erlaubnis zu dieser Rechtsverletzung erteilt. Die Auskunft war verbindlich, weil sie von derselben Behörde erteilt wurde, die auch nunmehr das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschuldigten eingeleitet hat, dem Magistrat der Stadt Wien, und der Beschuldigte sich im Sinne dieser Auskunft verhalten hat. Diese Auskunft einzuhalten, ist der Magistrat der Stadt Wien daher verbunden. Dass innerhalb der Behördenstruktur des Magistrats der Stadt Wien verschiedene Abteilungen oder ein Magistratisches Bezirksamt tätig waren, ändert daran nichts. Die Handlung des Beschuldigten rechtfertigt daher den Gesetzesverstoß, sodass sich eine Auseinandersetzung mit der subjektiven Tatseite erübrigt.
Darüber hinaus wird bemerkt, dass das Handeln des Beschuldigten jedenfalls berücksichtigungswürdig ist. Wäre nicht bereits die Rechtswidrigkeit aufgrund der erteilten Auskunft iVm dem Vertrauensgrundsatz zu verneinen, so wäre mangelndes Verschulden auf der Stufe der subjektiven Tatseite anzunehmen. Dies wäre zB dann der Fall, wenn der Beschuldigte sich nicht um eine Auskunft bemüht hätte, sondern dieses Verhalten aufgrund eigener Überlegungen gesetzt hätte, um hier den Spagat zu schaffen, einerseits durch das Gesetz berechtigt zu sein, den Parkkleber für zwei Fahrzeuge verwenden zu dürften, diesen aber nicht von einem Fahrzeug ins andere wechseln zu können, weil der Parkkleber vorschriftsmäßig an der Windschutzscheibe anzukleben ist und beim Entfernen kaputtgeht.
Auch ohne Einholung der behördlichen Auskunft wäre dem Beschuldigten zu Gute zu halten, dass er alles denkbar Mögliche getan hätte, um § 5 Abs 3 Pauschalierungsverordnung bei gegebener Sach- und Rechtslage bestmöglich einzuhalten. Vor diesem rechtlichen Hintergrund könnte dem Beschuldigten kein sorgfaltswidriges Verhalten vorgeworfen werden, wenn das Gesetz ihn für zwei Fahrzeuge berechtigt, aber der von der Verwaltung ausgeteilte Parkkleber eine abwechselnde Verwendung in den Fahrzeugen aufgrund seiner Machart nicht zulässt.
Kostenentscheidung
Gemäß § 52 Abs 8 und 9 VwGVG hat der Beschuldigten weder einen Beitrag zu den Kosten des verwaltungsbehördlichen noch zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
Zur Zulässigkeit der Revision
Zur gegenständlich vom BFG beantwortenden Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, ob es als Rechtfertigungsgrund iSd § 6 VStG 1991 anzusehen ist, wenn im Fall von Wechselkennzeichen das für Parkkleber zuständige Organ des Magistrat der Stadt Wien (konkret eines MBA) die Auskunft erteilt hat, der Parkkleber dürfe entgegen dem Wortlaut des § 5 Abs 3 Wiener Pauschalierungsverordnung foliert werden, damit er abwechselnd in beiden Kraftfahrzeugen verwendet werden könne, und in den Fahrzeugen auf dem Armaturenbrett platziert werden, fehlt eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die ordentliche Revision war für die belangte Behörde daher zuzulassen.
Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Verwaltungsstrafsachen Wien |
betroffene Normen | § 6 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 44a Z 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 5 Abs. 3 Wiener Pauschalierungsverordnung, ABl. Nr. 29/2007 § 5 Abs. 1 Wiener Pauschalierungsverordnung, ABl. Nr. 29/2007 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2016:RV.7500690.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at