Zahlungen aufgrund einer Bürgschaftsübernahme als außergewöhnliche Belastung?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., Adr.Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom , betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2013 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unveändert.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) erzielte im streitgegenständlichen Jahr (2013) Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Im Zuge der Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 2013 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer gemäß Einkommensteuererklärung fest.
Dagegen erhob der Bf. Beschwerde und führte darin aus, dass ihm außergewöhnliche Belastungen zwangsläufig erwachsen seien, die seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen würden. Sie seien weder Betriebsausgabe, noch Werbungskosten, noch Sonderausgaben. Die außergewöhnlichen Belastungen in Form von Zinsen und Rückzahlungen an die Bank würden aus Bürgschaften des früheren Generalunternehmens des Bf. und der Baufirma stammen, die zu einem Zeitpunkt übernommen worden seien, als die beiden Unternehmen gegründet bzw. erweitert worden seien, da sich der Geschäftsbetrieb gut entwickelt habe. Es sei nicht absehbar gewesen, dass es nach Jahren zur Insolvenz komme. Aufgrund der Gesellschaftsanteile (1 x 100%, 1 x 95%) sei der Bf. wie ein Einzelunternehmer gesehen und von der Bank so behandelt worden. Die Kontokorrent-Geschäftskonten hätten Eigenkapital ersetzenden Charakter gehabt. Ohne diese wäre ein Geschäftsbetrieb nicht möglich gewesen.
Die abweisende Beschwerdevorentscheidung begründete das Finanzamt damit, dass die Inanspruchnahme einer Bürgschaft die zugunsten des Arbeitgebers eingegangen worden sei, keine außergewöhnliche Belastung darstelle. Gleiches gelte für eine Bürgschaft, die der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft zu Gunsten der Gesellschaft eingehe. Diese Bürgschaft geschehe im Rahmen des Unternehmerwagnisses.
Im rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag brachte der Bf. vor, dass die Zahlungen an die Bank für ihn als Bürge außergewöhnlich und nicht üblich seien. Ohne nachvollziehbaren Grund unterscheide die Rechtsprechung zwischen Gesellschafter (und Geschäftsführer), Einzelunternehmer und Arbeitnehmer. Der Bf. sei ein und dieselbe Person, er habe persönlich die außergewöhnliche Belastung.
Zur Zwangsläufigkeit der Belastung führte der Bf. aus, dass man als kleiner Unternehmer in der heutigen Praxis der Bank gegenüber für jeden Kontokorrent-Kredit als Gesellschafter (Geschäftsführer) bürgen müsse. Diese Bürgschaft habe Eigenkapital ersetzenden Charakter. Die Bank gewähre ohne entsprechende persönliche Haftung überhaupt keinen Kredit. In der Realität entspreche es nicht der gängigen Praxis, dass die Gesellschaft völlig getrennt von den Gesellschaftern sei, sodass bei der Beurteilung von Tatbeständen die wirtschaftliche Betrachtungsweise heranzuziehen sei. Es müsse daher auch im Fall einer für den Steuerpflichtigen vorteilhaften Anwendung die wirtschaftliche Betrachtungsweise herangezogen werden.
Die Entscheidung, eine Bürgschaft zu übernehmen, könne man nicht als freiwillig bezeichnen, denn ohne diese zwingende Erfordernis sei ein Geschäftsbetrieb nicht möglich gewesen. In jeder Bürgschaft sei ein Wagnis enthalten, sodass die Mitübernahme eines Unternehmerwagnisses als Bürge nicht als Versagungsgrund gelte.
Lediglich das Unternehmerwagnis als Ausschließungsgrund vorzugeben, widerspreche dem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz. Damit sei nämlich ein Unternehmer anders behandelt als ein privater Steuerpflichtiger.
Bei einem Einzelunternehmer sei eine ähnliche Situation, wenn er sein Unternehmen mit Verlust beende. In diesem Falle könne er den erlittenen Verlust mit seinem übrigen Einkommen verrechnen. Es sei nicht einleuchtend, warum ein wirtschaftlich gleichgelagerter Sachverhalt im Hinblick auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise zu seinem Nachteil beurteilt worden sei.
Betreffend die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit errechnete der Bf. unter Berücksichtigung eines 12%igen Selbstbehaltes einen geringeren anrechenbaren Betrag der außergewöhnliche Belastung und schränkte diese auf den geringeren Betrag ein.
Nicht nachvollziehbar sei, weshalb die Übernahme einer Bürgschaft, die der Gesellschafter (Geschäftsführer) einer GesmbH zugunsten der GesmbH eingehe keine außergewöhnliche Belastung darstelle, weil der Gesellschafter durch die Bürgschaftsübernahme ein Wagnis übernehme, das dem eines Unternehmens gleiche. Als Unternehmer sei man genauso ein Steuerpflichtiger wie jeder andere Arbeitnehmer, mit dem Unterschied, dass der Unternehmer zur Erzielung seines Einkommens ein meist hohes Risiko eingehe.
Wenn der Bf. im Jahr 1990 das Wagnis nicht übernommen hätte, mit seinem Generalunternehmen tätig zu werden, dann wären bis zur Insolvenz im Jahr 2009 keine Aufträge für den Neubau und die Sanierung von Einfamilienhäusern von über € 25 Mio. durchgeführt worden.
Für das eingegangene Wagnis erwarte der Bf., dass er nicht benachteiligte werde, weil es letztlich nicht geklappt habe.
Es sei daher recht und billig, dass er als ehemaliger Gesellschafter (Geschäftsführer) vor dem Gesetz gleichbehandelt werde, wie jeder andere auch.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 34 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1) Sie muss außergewöhnlich sein.
2) Sie muss zwangsläufig erwachsen.
3) Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten, noch Sonderausgaben, sein.
Abs. 2 leg.cit normiert, dass die Belastung außergewöhnlich ist, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse, erwächst.
Abs. 3 lautet: Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Abs. 4 leg.cit: Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen von mehr als € 36.400,00 12%.
Voraussetzung für die außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 ist, dass sämtliche Merkmale (Außergewöhnlichkeit, Zwangsläufigkeit, wesentliche Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit) kumulativ gegeben sind.
Wenn der Bf. zur Zwangsläufigkeit ausführt, dass man als kleiner Unternehmer gegenüber der Bank in der heutigen Praxis für jeden Kontokorrent-Kredit als Gesellschafter (Geschäftsführer) bürgen müsse, dass man ohne entsprechende persönliche Haftung von der Bank überhaupt keinen Kredit gewährt bekomme, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung hierzu ausführt, dass Bürgschaftszahlungen eines Gesellschafter-Geschäftsführer grundsätzlich durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind. Sie (die Bürgschaftszahlungen) erwachsen nicht zwangsläufig, wenn sie sich als Folge eines vom Steuerpflichtigen übernommenen Unternehmerwagnisses darstellen. Genau dieser Sachverhalt liegt im gegenständlichen Fall vor und wird auch vom Bf. nicht bestritten.
Der Bf. vermeint jedoch, dass für die Beurteilung dieses Tatbestandes die wirtschaftliche Betrachtungsweise heranzuziehen sei, da in der Realität die Gesellschaft nie völlig von den Gesellschaftern getrennt betrachtet worden sei. In diesem Punkt irrt der Bf. Während bei einer Personengesellschaft die persönlich unbeschränkte Haftung der Gesellschafter im Vordergrund steht, beruht die Kapitalgesellschaft (wie z.B. die Gesellschaft mit beschränkter Haftung) auf dem Trennungsprinzip. Die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft haften, wenn sie ihren Anteil eingezahlt haben grundsätzlich nicht mit ihrem Privatvermögen für die Verbindlichkeit der Gesellschaft. Das Risiko der Gesellschafter wird dadurch deutlich eingeschränkt. Den Gläubigern steht damit nur das Gesellschaftsvermögen als Haftkapital zur Verfügung. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist ein eigenständiger Träger von Rechten und Pflichten und verfügt über ein eigenes Vermögen. Die Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung berechtigt weder den Steuerpflichtigen noch die Amtspartei im Rahmen der wirtschaftlichen Betrachtungsweise diese als eigenes Steuersubjekt zu negieren. Wenn nun der Bf. für die Verbindlichkeiten des früheren Generalunternehmens und der Baufirma die Haftung übernimmt, dann geschah dies, wie der Bf. selbst ausführt, zur Erweiterung des Geschäftsbetriebes. Wenn nun der Bf. seine Gesellschaft von vornherein mit einem entsprechend hohen Eigenkapital ausgestattet hätte, welches infolge von Verlusten der Gesellschaft verloren ginge, macht es keinen Unterschied, ob er später die Schulden der Gesellschaft als Bürge bezahlt. Die Übernahme der Bürgschaft hängt somit mit der Gesellschafterstellung des Bf. zusammen und muss bei Zahlungen aus Anlass einer Bürgschaft die Zwangsläufigkeit schon für das Eingehen der Bürgschaftsverpflichtung gegeben gewesen sein. Diese Zwangsläufigkeit liegt im gegenständlichen Fall nicht vor.
Eine zwangsläufige Belastung liegt nämlich dann vor, wenn der Steuerpflichtige sich dieser aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen gründen nicht entziehen kann. Tatsächliche Gründe sind in der Person des Steuerpflichtigen gelegen (z.B. Krankheitskosten). Rechtliche Gründe entspringen dem Verhältnis des Steuerpflichtigen zu anderen Personen. Sie können sich aus dem Gesetz, einer vertraglichen Vereinbarung oder Ähnlichem ergeben, doch darf die rechtliche Verpflichtung nicht auf einen freiwilligen Entschluss des Steuerpflichtigen zurückführen. Sittliche Gründe ergeben sich aus dem Kreis der Sittlichkeit bzw. der Sitte, wie sie im mitteleuropäischen Kulturkreis allgemein anerkannt sind. Es reicht jedoch nicht aus, dass das Handeln des Steuerpflichtigen menschlich verständlich oder wünschenswert erscheint. All diese Gründe sind im vorliegenden Fall nicht gegeben, sodass der Bf. weder aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen gezwungen gewesen war, eine Bürgschaftserklärung abzugeben.
Der Bf. begründet die Zwangsläufigkeit der Bürgschaftsübernahme auch damit, dass diese ein zwingendes Erfordernis für die Durchführung des Geschäftsbetriebes gewesen sei. Diesem Einwand ist entgegenzuhalten, dass in ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichthofes Aufwendungen, die sich als Folge eines vom Steuerpflichtigen übernommenen Unternehmerwagnisses darstellen, eben keine außergewöhnliche Belastung bilden ().
Wenn der Bf. ausführt, es sei nicht einleuchtend, dass ein wirtschaftlich gleichgelagerter Sachverhalt zu seinem Nachteil ausgelegt würde, denn wenn ein Einzelunternehmer sein Unternehmen mit Verlust beende, könne er diesen mit dem übrigen Einkommen verrechnen, ist darauf hinzuweisen, dass eben kein gleichgelagerter Sachverhalt vorliegt. In einem Fall ist eine Kapitalgesellschaft tätig geworden, im anderen Fall eine natürliche Person.
Soweit der Bf. vorbringt, er sei als ehemaliger Gesellschafter (Geschäftsführer) vor dem Gesetz gleich zu behandeln, wie jeder andere auch, ist zu erwidern, dass für jeden Steuerpflichtigen in gleicher Weise die Voraussetzungen für das Vorliegen einer außergewöhnlichen Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 gegeben sein müssen. Das Gericht hat in seiner Entscheidung ausführlich und sachlich das Nichtvorliegen einer zwangsläufig eingegangenen Bürgschaftsübernahme durch den Bf. begründet und damit seinem Begehren, ihn vor dem Gesetz gleich zu behandeln, wie jeden anderen auch, entsprochen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass ein zwangsläufiges Erwachsen der Zahlungen nicht gegeben ist; damit erübrigt sich aber ein weiteres Eingehen auf die anderen Merkmale der außergewöhnlichen Belastung, da für die Anerkennung dieser sämtliche zu Beginn der Erwägungen angeführten Voraussetzungen vorliegen müssen. Eine außergewöhnliche Belastung ist demnach nicht anzuerkennen, sodass § 34 EStG 1988 nicht zur Anwendung gelangt.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das Gericht ist bei der Beurteilung von Zahlungen aus einer Bürgschaftsübernahme des Bf. nicht von der ständigen VwGH-Judikatur () abgewichen. Eine Revision ist daher nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2016:RV.7104350.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at