Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.09.2016, RV/4100359/2013

Mittelpunkt der Lebensinteressen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Ingrid Mainhart in der Beschwerdesache B.G., Adr., gegen die Bescheide des Finanzamtes Innsbruck vom , betreffend Festsetzung der Umsatzsteuer und Verspätungszuschlag, betreffend Festsetzung der Normverbrauchsabgabe 6/2010 und Verspätungszuschlag sowie betreffend Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für den Zeitraum von 7/2010 bis 12/2012 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.

1. Der Bescheid vom betreffend Festsetzung der Umsatzsteuer (für den Erwerb neuer Fahrzeuge) für den Monat 6/2010 wird ersatzlos aufgehoben.

2. Der Bescheid vom über einen Verspätungszuschlag betreffend Umsatzsteuer für den Monat 6/2010 wird ersatzlos aufgehoben.

3. Der Bescheid vom betreffend Festsetzung der Normverbrauchsabgabe wird insoweit abgeändert, als die Festsetzung der genannten Abgabe für den Monat Dezember 2010 in der Höhe von € 800,00 erfolgt.

4. Der Bescheid vom über einen Verspätungszuschlag wird ersatzlos aufgehoben.

5. Der Bescheid vom betreffend Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 7-12/2010 wird insofern abgeändert, als die Festsetzung für den Zeitraum von 10-12/2010 mit € 78,00 erfolgt.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Die Bescheide vom über die Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 1-12/2011 sowie 1-12/2012 bleiben unverändert.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Vorweg wird darauf hingewiesen, dass die Berufung am beim Unabhängigen Finanzsenat anhängig war und nach § 323 Abs. 38 BAO als Beschwerde im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG vom Bundesfinanzgericht zu erledigen ist.

B.G. (Beschwerdeführer, in der Folge Bf.) ist deutscher Staatsbürger.

Auf Grund einer anonymen Anzeige gelangte dem Finanzamt im August 2012 zur Kenntnis, dass der Bf. ein Kraftfahrzeug mit ausländischem Kennzeichen in Österreich benutzt.

Bei der am erfolgten Befragung durch die Finanzpolizei gab der Bf. an, dass er Besitzer des am zugelassenen Kraftfahrzeuges der Marke C.N. (ausländisches behördliches Kennzeichen X) sei. Das Kraftfahrzeug sei mit dem Kauf nach Österreich verbracht worden. Den Mittelpunkt der Lebensinteressen habe er seit seiner Hauptwohnsitzgründung in Österreich, aus persönlichen Gründen (Kinder und Enkel, pflegebedürftige Mutter, Freunde) habe er den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Deutschland. Die Kinder seien 25 und 29 und wohnhaft in Deutschland. Er habe eine Freundin in XY/Österreich. Er besitze seit eine Eigentumswohnung, davor sei er in einer Mietwohnung gewesen, seinen Hauptwohnsitz in Deutschland habe er mit  abgemeldet. In Österreich sei er berufstätig, in Deutschland lebe seine Mutter in einem Pflegeheim. Er arbeite als Pfleger in einem Altenheim in Z, davor sei er in einem Altenheim in S beschäftigt gewesen. Der zeitlich überwiegende Aufenthalt sei Österreich.

Mit Bescheiden des Finanzamtes vom wurde dem Bf., die Normverbrauchsabgabe für den Zeitraum 6/2010 in der Höhe von € 1.008,40 sowie ein Verspätungszuschlag in der Höhe von 10% des Abgabenbetrages, somit € 100,84, Umsatzsteuer in der Höhe von 20% der Bemessungsgrundlage von € 12.605,04, ds. € 2.521,01 sowie ein Verspätungszuschlag von € 252,10 (10% des Abgabenbetrages) und Kraftfahrzeugsteuer von insgesamt € 1.170,00 zur Vorschreibung gebracht. Der insgesamt vorgeschriebene Abgabenbetrag beträgt insgesamt € 5.052,35. Begründend wurde im Bescheid betreffend Normverbrauchsabgabe ausgeführt, dass das gegenständliche Kraftfahrzeug, das am ins Inland verbracht und gemäß § 82 Abs. 8 KFG widerrechtlich in Österreich verwendet worden sei; auf die Niederschrift vom werde hingewiesen. Wegen nicht entschuldbarer Unterlassung der Einreichung der Erklärung sei ein Verspätungszuschlag festzusetzen gewesen. Im Bescheid betreffend Umsatzsteuer ist festgehalten, dass nach Art. 1 Abs. 7 UStG der Erwerb eines neuen Kraftfahrzeuges durch einen Erwerber, der nicht Unternehmer ist, unter den Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 ein innergemeinschaftlicher Erwerb sei. Ein Fahrzeug gelte als neu, wenn die erste Inbetriebnahme nicht mehr als 6 Monate zurückliege und das Fahrzeug nicht mehr als 6000 km zurückgelegt habe. Gemäß Art. 1 Abs. 1 UStG unterliege der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt der Umsatzsteuer. Der Gegenstand müsse dabei bei der Lieferung an den Erwerber aus dem Gebiet eine Mitgliedsstaates (Ursprungsland) in das Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates (Österreich) eingeführt werden. Da das gegenständliche Kraftfahrzeug im Juni 2010 nach Österreich verbracht worden sei, sei die Umsatzsteuer für den Zeitraum 6/2010 festzusetzen. In den Bescheiden über die Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer wurde auf den § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG hingeweisen (widerrechtliche Verwendung) und ausgeführt, dass das gegenständliche Kraftfahrzeug seit Juni 2010 widerrechtlich verwendet worden sei.

Mit Eingabe vom , beim Finanzamt eingelangt am , erhob der Bf. Beschwerde gegen die angeführten Bescheide, wobei diese sich nach den Angaben des Bf. gegen die Höhe der festgesetzten Abgaben sowie zum Teil gegen die Festsetzungen in der Sache überhaupt richten würden. Zum Lebensmittelpunkt führte der Bf. aus, dass er deutscher Staatsbürger, geschieden und alleinlebend sei. Als Vater von zwei erwachsenen Kindern habe er bis November 2009 in Deutschland gelebt und gearbeitet und habe anschließend seinen Arbeitsplatz nach Österreich gewechselt. Zu dieser Zeit habe keine Absicht bestanden den Lebensmittelpunkt nach Österreich zu verlegen, sondern habe der Bf. die Lebens- und Arbeitsbedingungen in Österreich kennen lernen wollen, weshalb der Bf. auch nur einen Nebenwohnsitz in Österreich angemeldet (und seinen Hauptwohnsitz in Deutschland beibehalten) habe. Wenn sich das Finanzamt auf die Arbeitsausübung in Österreich und auf den Nebenwohnsitz beziehe, so würden zahlreiche andere, rechtlich bedeutsame Aspekte außer Betracht gelassen. Demnach liege der Mittelpunkt der Lebensinteressen dort, wo die engeren persönlichen Beziehungen eines Steuerpflichtigen gegeben seien; dies komme besonders in Bindungen zu Personen (Eltern, Verlobte, Freundes- und Bekanntenkreis, Vereinszugehörigkeiten etc.) zum Ausdruck. Entscheidend seien auch die Fahrten an den Hauptwohnsitz, die bei Verheirateten sechs Mal im Jahr, bei Alleinstehenden mindestens zweimal im Monat erfolgen müssten. Im Fall des Bf. würden seine Kinder, seine Mutter, sein Enkelkind sowie Freunde und Bekannte in Deutschland leben. Auf Grund der Betreuungspflichten (persönliche Zuwendung, Erledigung von Einkäufen und Ausflügen, Ordnung persönlicher Angelegenheiten etc.) der (an den Rollstuhl gefesselten) Mutter gegenüber bestehe eine besondere Bindung an Deutschland; diese Pflicht werde durch Blocken der Arbeitszeit und in längeren freien Zeiten und somit mehrmals im Jahr durchgeführt, weil die Entfernung über 500 km betrage. Eine Bindung an Deutschland sei auch durch seine bereits erwachsenen Kinder (wobei die Tochter bis Februar 2012 von ihm alimentiert wurde) gegeben, denen gegenüber er sich verantwortlich fühle und denen er Beistand in persönlichen Angelegenheiten biete. Weiters seien in Deutschland Freunde, Bekannte, ehemalige Arbeitskollegen und Nachbarn, zu denen zahlreiche Verbindungen bestünden. Er verweise auch auf sein Heimatgefühl, Zugehörigkeitsgefühl, medizinische Betreuung, Werkstätten, Automobilclub, Bibliothek etc.. Insgesamt gesehen habe sein Mittelpunkt der Lebensinteressen bis zur Abmeldung seines Hauptwohnsitzes in Deutschland () eben dort bestanden. Der streitgegenständliche PKW sei am erstzugelassen und von ihm am mit einem Kilometerstand von 5.072 erworben worden. Primärer Zweck sei es gewesen, seiner behinderten Mutter einen Urlaub in Tirol zu ermöglichen. Außerdem habe der Bf. seinem Sohn sein Kraftfahrzeug in Deutschland zur Benützung in erster Linie im Zusammenhang mit dessen behinderter Tochter bis Anfang August 2011 überlassen; dies für zwei bis drei Wochen im Monat. Erforderliche Fahrten habe der Bf. mit Fahrzeugen von Bekannten und öffentlichen Verkehrsmitteln bewerkstelligt. Aus diesem Grund könne von einer Einführung des PKW nach Österreich unter Berücksichtigung der vier Wochen Regelung frühestens ab September 2011 ausgegangen werden (Stand 30.000 km). Der Arbeitsplatzwechsel in ein fremdes Land sei kein ruckartiger, sprunghafter und plötzlicher, sondern vielmehr ein allmählicher und kontinuierlicher Prozess, der erst über einen längeren Zeitraum zu einer Entscheidung führe, ob es möglich oder erstrebenswert sei, in diesem fremden Land tatsächlich bleiben zu wollen. Sein erster Arbeitsvertrag sei von vornherein auf ein Jahr begrenzt gewesen. Der Bf. habe auch keine Kenntnis, dass sein PKW nach so kurzer Zeit umgemeldet werden müsse. Als EU-Bürger erwarte sich der Bf. schon, dass nicht von vorneherein eine Strafe verhängt, sondern zunächst Aufklärung betrieben werde. Zwischenzeitlich sei der Bf. drei Jahre in Österreich, was aus seiner Sicht genug Zeit darstelle, den Lebensmittelpunkt hier anzuerkennen. Er habe hier auch eine Partnerin kennengelernt. Im Ergebnis dieser Entwicklungen habe er am seinen Hauptwohnsitz nach Österreich umgemeldet. Er begehre die Neufestsetzung der in Rede stehenden Abgaben, wobei er als Ausgangspunkt das Datum seiner Hauptwohnsitzmeldung in Österreich vorschlage.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Darin wurde angeführt, dass das streitgegenständliche Kraftfahrzeug am vom Bf. um € 15.000,00 gekauft worden sei, die Laufleistung mit 0 anzusetzen sei, der Bf. in Österreich seit wohnhaft und seit  beschäftigt und die Absicht des Bf. darauf gerichtet  gewesen sei das Kraftfahrzeug in Österreich zu verwenden. Es liege somit ein innergemeinschaftlicher Erwerb vor, der die Festsetzung der Umsatzsteuer auslöse. Die NoVA-Pflicht gründe sich auf § 7 Abs. 1 Z 1a NoVAG sowie die Kraftfahrzeugsteuerpflicht auf § 1 Abs. 1 KfzStG. Aus der durchgehenden Beschäftigung des Bf. in Österreich, seinem Wohnsitz ab , seinem zeitlich überwiegenden Aufenhalt in Österreich (samt Freundin und Eigentumswohnung) sei abzuleiten, dass sich der Bf. in Österreich niedergelassen habe, um hier den Mittelpunkt der Lebensinteressen zu haben. Der Hauptwohnsitz des Bf. liege daher in Österreich, sodass die Standortvermutung des § 82 Abs. 8 KFG zum Tragen komme. Den Gegenbeweis habe der Bf. nicht erbracht; seiner Verantwortung, dass er keine Kenntnis von der Anmeldung des PKW nach so kurzer Zeit gehabt hat, sei der Grundsatz "Unwissenheit schützt vor Strafe nicht" entgegenzuhalten. Der Bf. habe daher die Verpflichtung gehabt, das Kraftfahrzeug binnen eines Monats ab der Einbringung in das Bundesgebiet in Österreich zuzulassen. Sowohl für die Umsatzsteuer als auch die Kraftfahrzeugsteuer sei irrelevant, dass der Bf. die Steuern im Ausland entrichtet habe.

Mit beim Finanzamt am eingelangter Eingabe beantragte der Bf. die Entscheidung über die Beschwerde durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Darin brachte er zum Ausdruck, dass aus seiner Sicht die Beschwerde in ihrer zusammenhängenden Gesamtheit, Folgerichtigkeit und Inhaltlichkeit nicht berücksichtigt worden sei. Ziel seiner Beschwerde sei gewesen, inhaltlich darzustellen, wie sein Entwicklungsweg von Deutschland nach Österreich sich arbeitsmäßig, wohnsitzmäßig und bindungsmäßig entwickelt habe. Er habe seine Wurzeln in Deutschland und dort umfangreiche Bindungen zu Angehörigen, Verwandten und Freunden und daraus auch Verpflichtungen. Daneben sei er bestrebt gewesen sich in Österreich zu integrieren. Er habe einen terminlichen Kompromissvorschlag unterbreitet und weise auch auf die menschlichen Umstände hin, die mit dem Wechsel des Lebensmittelpunktes in ein anderes Land verbunden seien; dies könne jedenfalls nicht innerhalb eines Monats erfolgen, zumal seine erste Arbeitsstelle in Österreich auf ein Jahr befristet gewesen sei und seine zweite Arbeitsstelle auf ein halbes Jahr. Auch habe er eingehend auf seine persönlichen Umstände im Zusammenhang mit seiner Mutter und seiner Enkeltochter hingewiesen, die vollkommen unberücksichtigt geblieben seien. Der Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes fehle jedes humanistische Gedankengut. Weiters sei auch unberücksichtigt geblieben, dass er seinen Hauptwohnsitz bis Mai 2012 in Deutschland gehabt habe, was seine Lebensmittelpunktfrage manifestiere. Alle Aspekte hätten für ihn einen Anknüpfungspunkt im Mai 2012 ergeben, das sei die Gründung seines Hauptwohnsitzes in Österreich gewesen. Er beantrage einen mündlichen Verhandlungstermin zur Abklärung der noch offenen Fragen.

Am  erging vom Bundesfinanzgericht ein Vorhalt an den Bf. folgenden Inhaltes:

"Bezug nehmend auf unser Telefonat von heute bitte ich Sie um die Beantwortung der folgenden Fragen und die Vorlage folgender Unterlagen für die Erledigung Ihrer Beschwerde:

1. Nach den im Akt erliegenden Unterlagen standen Sie ab in einem Dienstverhältnis in Österreich (als Altenpfleger im Pflegeheim S bzw. nunmehr im Pflegeheim Z). Laut Meldedaten waren Sie ab in Österreich mit einem Nebenwohnsitz gemeldet. Geben Sie die Beweggründe für Ihr Tätigwerden bzw. Ihre Wohnsitznahme in Österreich sowie bekannt, wo Sie sich vom bis privat aufgehalten haben.

2. In der Niederschrift vom gaben Sie an, dass Sie eine Freundin in XY haben. Geben Sie bitte bekannt, seit wann diese Beziehung besteht und wer Ihre Lebensgefährtin ist.

3. Welchen Tätigkeiten gingen Sie in Deutschland unmittelbar vor Ihrem Arbeitsbeginn in Österreich seit wann nach? Geben Sie die Höhe Ihrer Einkünfte aus der letzten Tätigkeit bekannt.

4. Wo befand sich Ihr Hauptwohnsitz in Deutschland (den Sie Ihren Angaben nach am aufgegeben haben)? Seit wann sind Sie geschieden, wo war Ihr Familienwohnsitz? An welcher Adresse ist Ihre geschiedene Frau gemeldet?

5. Geben Sie bitte das Alter Ihrer Kinder sowie deren Wohnsitze in Deutschland bekannt.

Belegen Sie nach Möglichkeit Ihre Angaben."

Die Antwort des Bf. lautete am  wie folgt:

"1. Beweggründe für meinen Tätigkeitswechsel nach Österreich waren äußerst unzufriedenstellende Bedingungen im Arbeitsbereich. In meinem Beruf als Altenpfleger/Stationsleiter wurde ich zunehmend mit Situationen konfrontiert, die mit einer ungenügenden Betreuung, Vernachlässigung und sogar Gefährdung des anvertrauten Personenkreises zu tun hatten. Meine Bemühungen zur Abänderung der Misere mündeten nur in leeren Versprechungen. Meine Pläne zu einer anonymen Anzeige gegen die verantwortliche Einrichtung (eine gesetzlich vorgegeben Möglichkeit in diesem Bereich zur Aufdeckung von Missständen) wurden mir in einem vertraulichen, hilfesuchenden Gespräch mit meinem Hausarzt abgeraten. Letztendlich schüchterte mich ein dienstliches Vorkommnis stark ein, das glücklicherweise ohne Schaden ausging, aber leicht zu arbeits-, zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen hätte führen können, und durch Unwahrheiten der zuständigen Leitung die Verantwortungsbereiche verschoben werden sollten. In diesem Zusammenhang erinnerte ich mich an die länger zurückliegenden Worte einer ehemaligen Arbeitskollegin aus Österreich, dass in Österreich bei der Pflege noch menschliche Aspekte im Vordergrund stehen sollten. Bei einem Besuch in S/Tirol fuhr ich zufällig bei der Seniorenresidenz vorbei und entschloss mich kurzfristig, einen ersten Eindruck zu erlangen. Nach einem anschließenden Probearbeitstag hatte ich mir vorgenommen, als EU-Bürger die Arbeits- und Lebensumstände im europäischen Nachbarland näher kennenzulernen und nahm dazu ein Dienstverhältnis in ihrem Land auf. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht den Vorsatz, auf Dauer in Österreich zu bleiben.

Bevor ich am (richtig ) eine Nebenwohnung in XY bezog, hielt ich mich in meiner Nebenwohnung in K/See (B) oder in einem zur Verfügung stehendem Zimmer im Altenheim in S  auf. Da die Dienstzeiten von 07.00-20.00 Uhr abzuleisten waren, war es bei aufeinanderfolgenden Diensttagen im Interesse der Regenerierung der Arbeitskraft zweckdienlicher, gleich vor Ort zu bleiben. An dienstfreien Tagen fuhr ich zu meinem Hauptwohnsitz nach D.

2. Meine jetzige Freundin, Frau S.M., geb. am a wh.: Adr.1, kenne ich seit Juni 2011.

3. Seit 2004 arbeitete ich ununterbrochen als Altenpfleger in Einrichtungen in D und B in Deutschland.

Zuletzt war ich von Juli bis Oktober 2009 in der Seniorenresidenz Sch als Stationsleiter mit einem Bruttogehalt von 2.200,00 Euro beschäftigt.

4. Mein Hauptwohnsitz befand sich bis Mai 2012 in Deutschland, Adr.2. Hier war mein Lebensmittelpunkt. Von hier aus betreute ich meine schwerstpflegebedürftige Mutter, besuchte meine Kinder und Enkel, unterhielt enge persönliche Kontakte zu Freunden, Bekannten, Umfeld und betrieb meine Hobbys. Ebenfalls hatte ich bis März 2011 eine enge Beziehung zu meiner damaligen Lebensgefährtin, Frau GK, Adr.3. Von meiner ersten Ehefrau bin ich seit 1991 geschieden. Sie wohnte damals in Ort und mit ihr unterhalte ich bis heute gute persönliche Kontakte. Von meiner zweiten Ehefrau bin ich seit 1999 geschieden. Sie lebt in Adr.4;  zu ihr besteht seit der Scheidung keine Verbindung mehr.

5. Mein Sohn J.G., geb. am wohnt in Adr.5, und meine Tochter A.G., geb. am wohnt in Adr.6.

6. Zu dem Zeitwert meines PKW für Dezember 2010 kann ich leider keine Angaben machen. Versuche bei mehreren diesbezüglichen Portalen im  Internet führten zu keinem Ergebnis. Es sind nur die Zeitwerte von Fahrzeugen zum gegenwärtigen Zeitpunkt feststellbar. Ein geeigneter Vergleich mit neueren PKW ist nicht möglich, da der entsprechende Typ schon mehrere Jahre nicht mehr hergestellt wird und aktualisiert somit von den vorbereiteten Masken nicht angenommen wird. Eine telefonische Nachfrage bei einem meiner genutzten Autohäuser, Wickenhäuser GmbH & Co. KG, Vertragshändler für Subaru, Vertragshändler für Opel, Servicebetrieb für Chevrolet, Hans-Urmiller-Ring 42, 82515 Wolfratshausen, Deutschland, http://www.wickenhaeuser-automobile.de,  führte auch zu keinem eindeutigen Resultat. Erschwert wird die Feststellung dadurch, dass sich der Lieferant vom europäischen Markt zurück gezogen hat. Der zuständige Mitarbeiter schätzte unter Beachtung der Fehlermöglichkeit unter Vorbehalt 12.000 Euro bei einem Alter von einem Jahr und der Laufleistung von 15.000 km (mein PKW im Dezember 2010)."

Vom Bundesfinanzgericht erging eine Mitteilung an den Bf. folgenden Inhaltes:

"A us dem von mir Ihnen skizzierten Lösungsvorschlag (Mittelpunkt Ihrer Lebensinteressen seit in Österreich) würden sich folgende steuerlichen Konsequenzen ergeben:

  • Normverbrauchsabgabe: Berechnung an Hand des Mittelwertes der Eurotax-Notierungen für Dezember 2010; genaue ziffernmäßige Herabsetzung der NoVA (von € 1.008,40) (noch) nicht benennbar (s.u.);

  • Verspätungszuschlag zur Normverbrauchsabgabe: Herabsetzung auf 5% des noch zu ermittelnden Betrages unter Punkt 1;

  • Umsatzsteuer und Verspätungszuschlag: ersatzlose Aufhebung des Bescheides vom wegen Zeit- und Kilometerüberschreitung (länger als ein halbes Jahr seit der ersten Inbetriebnahme und von 5.072 auf über 6.000 Kilometer), € 2.773,11;

  • Kraftfahrzeugsteuer: Stattgabe hinsichtlich Juli bis November 2010 (Steuersenkung für 2010 auf € 39,00), Abgabenbeträge für 2011 und 2012 unverändert;

  • Verkürzungszuschlag: Herabsetzung auf Grund der neuen Abgabenbeträge.

Der Lösungsvorschlag wäre noch mit dem Finanzamt zu diskutieren. Vielleicht ist es Ihnen zunächst möglich mir den oa. Wert Ihres Kraftfahrzeuges zum Dezember 2010 bekanntzugeben. Ein Online-Versuch von mir ist soeben ergebnislos geblieben."

Dem Ersuchen des Bundesfinanzgerichtes vom , den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. erst ab in Österreich anzunehmen und die ergangenen Bescheide entsprechend zu berichtigen, hielt das Finanzamt einen ähnlich gelagerten Fall, bei dem Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben wurde, entgegen. In diesem Ersuchen wurde dem Finanzamt auch zur Kenntnis gebracht, dass nach einer vom Bundesfinanzgericht beim ÖAMTC Kärnten eingeholten Auskunft der Zeitwert des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges zum mit € 12.000,00 anzunehmen ist.

Der Bf. zog seinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück. Er erklärte sich mit dem Ansatz eines Zeitwertes von € 12.000,00 für das gegenständliche Kraftfahrzeug einverstanden.

An Sachverhalt ergibt sich im gegenständlichen Fall Folgendes:

1. Der Bf. ist deutscher Staatsbürger und war bis mit seinem Hauptwohnsitz in A/Deutschland (Stadt im Erzgebirgskreis/D) gemeldet.

2. Am gründete der Bf. einen Nebenwohnsitz in Österreich; mit dem Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet ist der Bf. (nach seiner diesbezüglichen Abmeldung in Deutschland am ) seit .

3. Vor seiner Beschäftigung in Österreich war der Bf. in mehreren Altenwohnheimen in D und B beschäftigt, zuletzt von Juli bis Oktober 2009 bei einer Seniorenresidenz am Schsee/B. Er bewohnte während dieser Zeit in K/See (45 Minuten mit dem Auto von Schsee entfernt) eine Mietwohnung.

4. Mit trat der Bf. in ein bis befristetes Dienstverhältnis zum Gemeindeverband Altenwohnheim T (mit Verwendung im Pflegeheim S) als Altenfachbetreuer ein. Der angeführten Tätigkeit ging der Bf. bis nach.

5. Ende Oktober 2010 erlangte der Bf. davon Kenntnis, dass er ab  als Altenfachbetreuer bei der Marktgemeinde Z beschäftigt wird; das angeführte Dienstverhältnis war vorerst auf 6 Monate (einschließlich Probezeit) befristet, und ging danach in ein solches auf unbestimmte Dauer über. 

6. Am  bestellte der Bf. bei einem Autohandel in Ellefeld (Gemeinde in D) ein Kraftfahrzeug der Marke C.N. 200 CDX mit einem Kilometerstand von ca. 5000 und einem Kaufpreis von € 15.000,00 (€ 12.605,04 zuzüglich Umsatzsteuer von € 2.394,96).

7. Der Bf. meldete dieses Kraftfahrzeug in Deutschland am (Landratsamt Erzgebirgskreis) zum Verkehr an. Die Erstzulassung dieses Kraftfahrzeuges erfolgte am .

8. Der Zeitwert des unter Punkt 5 angeführten Kraftfahrzeuges zum beträgt € 12.000,00 (€ 10.000,00 zuzüglich Umsatzsteuer € 2.000,00).

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, dem Zentralen Melderegister sowie aus einer beim ÖAMTC Kärnten eingeholten Auskunft zum Zeitwert des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges vom .

Rechtliche Sicht und Schlussfolgerungen:

Umsatzsteuer:

Der Erwerb eines neuen Fahrzeuges durch Privatpersonen, das aus einem EU-Mitgliedstaat in das Inland gelangt, unterliegt gemäß Art. 1 Abs. 7 UStG 1994 (Binnenmarktregelung) unter den Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 der Erwerbsbesteuerung im Inland. Ein Personenkraftwagen nach Abs. 8 dieser Bestimmungen gilt dann als neu, wenn die erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als sechs Monate zurückliegt oder wenn das Fahrzeug nicht mehr als 6.000 Kilometer zurückgelegt hat (Art. 1 Abs. 9 UStG 1994). Steuerschuldner ist der Erwerber des neuen Personenkraftwagens (Art. 19 Abs. 1 Z 1 leg.cit.) und die Steuerschuld entsteht am Tag des Erwerbes (Art 19 Abs. 2 Z 2 leg.cit.).

Nach Art. 20 Abs. 2 UStG 1994 ist beim innergemeinschaftlichen Erwerb neuer Fahrzeuge durch andere Erwerber als die in Art. 1 Abs. 2 Z 2 genannten Personen die Steuer für jeden einzelnen steuerpflichtigen Erwerb zu berechnen (Fahrzeugeinzelbesteuerung).

Normverbrauchsabgabe:

Gemäß § 1 Z 3 Normverbrauchsabgabegesetz (NoVAG) unterliegt der Normverbrauchsabgabe die erstmalige Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr im Inland. Die Verwendung eines Fahrzeuges im Inland gilt dann als erstmalige Zulassung, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz zuzulassen wäre.

Durch die Einführung dieses Auffangtatbestandes sollten all jene Fälle, in denen nur zum Zweck der Vermeidung der Normverbrauchsabgabe dauerhaft im Inland verwendete Fahrzeuge im Ausland zugelassen werden, der Normverbrauchsabgabe unterworfen werden ().

Kraftfahrzeugsteuer:

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 Kraftfahrzeugsteuer (KfzStG) unterliegen Kraftfahrzeuge, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland ohne die kraftfahrrechtliche Zulassung verwendet werden (widerrechtliche Verwendung), der Kraftfahrzeugsteuer.

Steuerschuldner ist dabei die Person, die das Kraftfahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland verwendet (§ 3 Z 2 KfzStG). Die Steuerpflicht dauert im Falle der widerrechtlichen Verwendung vom Beginn des Kalendermonates, in dem die Verwendung einsetzt, bis zum Ablauf des Kalendermonates, in dem die Verwendung endet (§ 4 Abs. 1 Z 3 KfzStG).

Gemäß § 82 Abs. 8 Kraftfahrgesetz (KFG) sind Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen (Standortvermutung).

Der gegenständliche Fall steht oder fällt damit, ab wann beim Bf. von einem Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich auszugehen ist.

Das Finanzamt geht von einem solchen ab aus, indem dem Bf. die Umsatzsteuer für den Erwerb neuer Fahrzeuge an Hand des Kaufpreises des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges samt Verspätungzuschlag, die Normverbrauchsabgabe samt Verspätungszuschlag für den Zeitraum 6/2010 sowie ab die Kraftfahrzeugsteuer zur Vorschreibung gebracht wurde.

Der Bf. sieht sich insofern im Recht, als er von der Verlegung seines Hauptwohnsitzes erst ab seiner diesbezüglichen polizeilichen Meldung ab Juni 2012 ausgeht; dies deshalb, weil der Entschluss in einem anderen Land zu leben, kein ruckartiger, sprunghafter oder plötzlicher Prozess sei, sondern ein solcher, der erst über einen längeren Zeitraum zu einer Entscheidung führen könne. Bei ihm falle für Deutschland ins Gewicht, dass seine gesamte Familie (Mutter und Kinder) sowie seine vormalige Lebensgefährtin dort ansässig seien und seine Bindungen dorthin stärker ausgeprägt seien als seine Bindungen zu Österreich.  

Das Finanzamt hat sich demgegenüber darauf berufen, dass der Bf. seit 11/2009 durchgehend in Österreich beschäftigt sei, sein zeitlich überwiegender Aufenthalt Österreich sei und er auch eine Freundin und eine Eigentumswohnung in Österreich habe. Der Bf. habe sich somit in Österreich in der Absicht niedergelassen, Österreich zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen und nicht nur vorübergehend in Österreich zu bleiben.

Festzuhalten ist zunächst, dass gemäß Art. VIII Z. 1 und 5 des Hauptwohnsitzgesetzes, BGBl. Nr. 505/1994, mit Wirkung vom der Begriff "ordentlicher Wohnsitz" in Bundesgesetzen und somit auch im KFG 1967, durch den Begriff "Hauptwohnsitz" ersetzt. Das ebenfalls durch dieses Gesetz geänderte Meldegesetz 1991 enthält in § 1 Abs. 6 und 7 Begriffsbestimmungen sowohl des "Wohnsitzes" als auch des "Hauptwohnsitzes".

Ein Wohnsitz eines Menschen ist an einer Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, dort bis auf weiteres einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen zu haben (§ 1 Abs. 6 Meldegesetz).

Der Hauptwohnsitz einer Person ist an jener Unterkunft begründet, an der sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu machen. Trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehung eines Menschen auf mehrere Wohnsitze zu, so hat er jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem er das überwiegende Naheverhältnis hat (§ 1 Abs. 7 Meldegesetz).

Bei mehreren Wohnsitzen vereinigt jeweils einer die stärksten persönlichen Beziehungen auf sich; demnach gibt es nur einen Mittelpunkt der Lebensverhältnisse ().

Zusammenfassend gesagt liegt der Mittelpunkt der Lebensinteressen dort, wo eine Person die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen unterhält.

Für die Beurteilung der Frage, an welchem Ort (in welchem Staat) der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Unter letzteren sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz innehat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Verbindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Neigungen und Interessen. Wirtschaftliche Bindungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln, welcher Staat für die Person der bedeutungsvollere ist. Bei der Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist regelmäßig nicht nur auf die Verhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen (vgl. VwGH 2011/15/0193).

Was die wirtschaftlichen Verhältnisse anbelangt, ist im gegenständlichen Fall in Betracht zu ziehen, dass der Bf. zunächst einer befristeten Beschäftigung in Österreich nachging, die für sich genommen noch keinen Schluss darauf zulässt, dass von einem Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. in Österreich auszugehen wäre. 

Wie der Bf. zu Recht ausgeführt hat, ist der Mittelpunkt der Lebensinteressen in erster Linie an Hand der persönlichen Bindungen zu bestimmen. Für seine Bindung zu Deutschland hat der Bf. seine Familie, seine damalige Freundin, seine Verwandten und seine Freunde ins Treffen geführt. Diese Argumentation ist schon deshalb stichhaltig, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes persönliche Bindungen der Vorrang vor wirtschaftlichen Bindungen zu geben ist. Das Bundesfinanzgericht hält die vom Bf. vorgebrachten Argumente - auch im Hinblick darauf, dass der Bf. im Streitjahr 2010 im sechsten Lebensjahrzehnt stand - als für die gegenständliche Beurteilung entscheidungswesentlich. 

Aus denselben Gründen hält das Bundesfinanzgericht das Verstreichen einer gewissen Zeit als für den Bf. erforderlich, sich an die geänderten Arbeits- und Lebensbedingungen in Österreich zu gewöhnen und darauf basierend die Entscheidung zu treffen dauerhaft in Österreich zu verbleiben. Dies hat er glaubhaft auch in seinen Beschwerdeeingaben ausgeführt.

Die Auffassung, dass ein längerer Beobachtungszeitraum für die Bestimmung des Mittelpunktes der Lebensinteressen erforderlich ist, findet in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seine Entsprechung . Damit kommen aus der Sicht des Bundesfinanzgerichtes die vom Bf. genannten Kriterien wie Heimatgefühl, Zugehörigkeitsgefühl und gesellschaftliche Integration zum Tragen, also Umstände, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht auf Knopfdruck gegeben sind, sondern sich erst nach und nach entwickeln.

Die Argumentation des Finanzamtes, die sich ua. auf die neue Freundin des Bf. und seine Eigentumswohnung stützt, kann demgegenüber schon deshalb nicht durchschlagen, weil der Kontakt zur Erstgenannten erst seit Juni 2011 besteht und der Erwerb der Eigenumtswohnung erst im Mai 2012 erfolgte.

Der Bf. erlangte im gegenständlichen Fall Ende Oktober 2010 davon Kenntnis, dass er in ein ab beginnendes befristetes Dienstverhältnis aufgenommen wird, das sich letztendlich in ein solches auf unbestimmte Zeit umwandelte. 

Im Hinblick darauf, dass für den Bf. bis Ende Oktober 2010 Ungewissheit im Hinblick auf seine berufliche Zukunft in Österreich bestand, ist bis zu diesem Zeitpunkt - im Zusammenhalt mit den vom Bf. weiters vorgebrachten Argumenten - davon auszugehen, dass Österreich noch nicht den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. darstellte. Von einem solchen in Österreich ist aus der Sicht des Bundesfinanzgerichtes erst ab auszugehen, sodass die  gegenständliche Besteuerung erst ab diesem Zeitpunkt greifen kann.

Der Bf. hat sich mit der Annahme seines Lebensmittelpunktes ab  in Österreich im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht einverstanden erklärt, sodass seine weiteren Argumente, dass das Dienstverhältnis ab  vorerst nur befristet eingegangen wurde und er erst ab eine Freundin in Österreich hatte, nicht beleuchtet werden müssen. Ebenso hat der Bf. keine Einwendungen gegen den Ansatz eines Zeitwertes des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges zum mit € 12.000,00 erhoben.  

Zum wurde das in Rede stehende Kraftfahrzeug mehr als sechs Monate betrieben. Geht man vom Kilometerstand von 5.000 (zum ) aus, so ist nicht zuletzt auf Grund der glaubwürdigen Aussagen des Bf., dass er in seiner dienstfreien Zeit zu seinem Hauptwohnsitz nach D (500 km in einer Richtung) gefahren ist, davon auszugehen, dass das Kraftfahrzeug am einen Kilometerstand von mehr als 6.000 aufwies. Damit ist das Kraftfahrzeug zum Zeitpunkt der erforderlichen Zulassung im Inland nicht mehr als neu einzustufen. Der Umsatzsteuerbescheid (samt Verspätungszuschlag) war ersatzlos aufzuheben.

Die Normverbrauchsabgabe ist an Hand des Zeitwertes des Kraftfahrzeuges am zu bemessen. Dieser ist mit € 12.000,00 in Ansatz zu bringen, die Bemessungsgrundlage für die Normverbrauchsabgabe beläuft sich auf € 10.000,00, sodass die daraus resultierende Normverbrauchsabgabe € 800,00 beträgt.

Der Verspätungszuschlag von 5% in der Höhe von € 40,00 war zufolge § 135 BAO nicht festzusetzen. Die Herabsetzung auf 5% gründet sich darauf, dass im gegenständlichen Fall besonders belastende Umstände (wie  wiederholte bzw. absichtliche Säumnis, Nichtabgabe der Erklärung trotz mehrfacher Urgenzen, hohe lukrierte wirtschaftliche Vorteile wie Zinsersparnis, Liquiditätsvorteile, etc.) nicht vorliegen und der gegenständliche Verstoß das erste steuerliche Fehlverhalten des Bf. war.   

Die Kraftfahrzeugsteuer beträgt (für die Monate November und Dezember 2010/4. Quartal 2010) € 78,00.

Die Bescheide über die Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 1-12/2011 und 1-12/2012 bleiben zufolge des vom Bundesfinanzgericht festgestellten Mittelpunktes der Lebensinteressen des Bf. in Österreich ab unverändert.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Z 3 NoVAG 1991, Normverbrauchsabgabegesetz, BGBl. Nr. 695/1991
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.4100359.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at