Antrag gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG betreffend § 27a Abs. 4 Z 2 EStG 1988 (Kein Abzug von Anschaffungsnebenkosten bei nicht in einem Betriebsvermögen gehaltenen Wirtschaftsgütern und Derivaten)
Beim VfGH anhängig zur Zl. G 336/2016. Mit Erk. v. abgewiesen.
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch Stb., gegen den Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2013 beschlossen:
Das Bundesfinanzgericht stellt gemäß Art 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG in Verbindung mit Art. 135 Abs. 4 sowie Art. 89 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, er möge § 27a Abs. 4 Z 2 EStG 1988 (BGBl. Nr. 400/1988 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 163/2015) zur Gänze als verfassungswidrig aufheben.
Begründung
1. Streitfrage vor dem Bundesfinanzgericht
Beim Bundesfinanzgericht ist die im Spruch genannte Beschwerde betreffend die Nichtanerkennung von Anschaffungsnebenkosten gemäß § 27a Abs. 4 Z 2 EStG 1988 bei Veranlagung der Einkommensteuer 2013 anhängig. Strittig ist, ob diese Norm verfassungskonform ist.
2. Sachverhalt und bisheriges Verfahren
Der Beschwerdeführer (Bf.) erklärte im Rahmen der Veranlagung der Einkommensteuer 2013 u.a. (ausländische) Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von € 8.326,66 unter Hinweis, dass in diesem Betrag Wertpapiertransaktionskosten in Höhe von € 1.052,52 steuermindernd zum Ansatz gekommen seien.
Unter Bezugnahme auf § 27a Abs. 4 Z 2 EStG 1988 wurden diese Aufwendungen vom Finanzamt (FA) nicht anerkannt:
„Gemäß § 27a Abs. 4 Z 2 EStG 1988 sind bei Wirtschaftsgütern und Derivaten, auf deren Erträge der besondere Steuersatz gem. Abs. 1 anwendbar ist, die Anschaffungskosten ohne Anschaffungsnebenkosten anzusetzen. Die Wertpapiertransaktionskosten in Höhe von €1.052,52 wurden daher bei der Veranlagung nicht berücksichtigt.“
Gegen diesen Bescheid richtete sich die Beschwerde vom , welche sich ausschließlich auf die behauptete Verfassungswidrigkeit der angeführten Norm gründete. Durch die Anwendung des § 27a EStG 1988 erachtete sich der Bf. gleich in mehrfacher Hinsicht in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art 7 B-VG und Art 2 StGG), verletzt.
Zunächst sei es dem Gesetzgeber aufgrund des in Art 7 B-VG normierten Gleichheitsgrundsatzes verboten, willkürliche und unsachliche Differenzierungen auf den Gebieten der Normsetzung und des Normvollzuges (vergleiche VfSlg 3197 ua) zu setzen. Der Gleichheitsgrundsatz werde vom Gesetzgeber verletzt, wenn er Gleiches ungleich behandle (vgl. VfSlg 5737 ua).
In der von § 27a Abs. 4 Z 2 EStG provozierten Rechtsfolge, Anschaffungsnebenkosten nur im Betriebsvermögen anzuerkennen, demgegenüber – bei identen Transaktionen – im Privatvermögen keinerlei Ansatz der Anschaffungsnebenkosten zu erlauben, sei eine Ungleichbehandlung von gleichen Sachverhalten zu erblicken.
Dies sei grundsätzlich unzulässig, es sei denn der Gesetzgeber könne diese Ungleichbehandlung sachlich begründen. Betrachte man die Erläuterungen des Gesetzgebers, so werde ersichtlich, dass formell auch versucht werde, eine sachliche Begründung (nämlich die Verhinderung von Missbrauch) für diese Ungleichbehandlung bereitzustellen. Wie in der Folge darlegt, sei diese Begründung allerdings alles andere als ausreichend, um die durch § 27 Abs. 4 Z 2 EStG hergestellte ungleiche Behandlung von gleichen Sachverhalten zu rechtfertigen.
Einerseits erscheine es nämlich äußerst fraglich, ob und inwiefern das zur Begründung der Ungleichbehandlung geäußerte Ziel der Missbrauchsvermeidung durch ein Verbot des Ansatzes von Anschaffungsnebenkosten real wirklich erreicht werden könne. Die allgemeine Lebenserfahrung zeige nämlich, dass dem typischen Privatinvestor hinsichtlich der Anschaffungsnebenkosten kein Gestaltungsspielraum gegeben sei. Dies lasse sich wohl auch empirisch nachweisen. Zwar seien Missbrauchsfälle nicht denkunmöglich, allerdings sei es unangemessen, den Großteil der österreichischen Privatinvestoren pauschal zu bestrafen, bloß weil im Einzelfall Missbrauchsfälle auftreten könnten. Vielmehr seien gerade für solche Fälle die allgemeine Missbrauchsbestimmung der §§ 22 BAO ff vorgesehen. Auch sei es aus der Luft gegriffen, dass österreichische Banken Modelle entwickeln würden, die Depotkosten in Transaktionskosten „umwidmen“ würden.
Andererseits erscheine es darüber hinaus nicht nachvollziehbar, warum der Gesetzgeber einen derartigen Missbrauchsverdacht lediglich im außerbetrieblichen Bereich vermute. Wie oben ausgeführt, wenngleich zwar in der Realität unwahrscheinlich, wäre eine theoretische Verschiebung von nichtabzugsfähigen Aufwendungen in Richtung Anschaffungsnebenkosten auch im betrieblichen Bereich unter denselben Annahmen möglich. Dies verwundere daneben insofern, als durch die mittels StabG 2012 eingeführten Regelungen zur Immobilienbesteuerung hinsichtlich vergleichbarer Problematiken eine Berücksichtigung von Anschaffungsnebenkosten sowohl im betrieblichen wie auch im außerbetrieblichen Bereich zulässig sei.
Überdies liege ein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot vor. Das Leistungsfähigkeitsprinzip sei nach der Rechtsprechung des VfGH ein grundlegendes Ordnungsprinzip der Einkommensteuer. Demnach solle die Besteuerung an die persönliche Leistungsfähigkeit, die von der Höhe des Einkommens abhängig sei, anknüpfen. Hieraus folge wiederum der Grundsatz, dass das objektive Nettoprinzip beachtet werden müsse. Hieraus ergebe sich, dass Betriebsausgaben und Werbungskosten – soweit nicht ohnehin privat veranlasste Aufwendungen vorliegen, die daher nicht der Einkunftserzielung dienen – grundsätzlich abzugsfähig sein müssen. Auch ein Eingriff in die Prinzipien der Leistungsfähigkeit und des objektiven Nettoprinzips müsse demnach sachlich gerechtfertigt sein. Eine durch das Endbesteuerungsgesetz bedingte Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips erfolge in Bezug auf die zugrundliegenden Kapitalerträge nicht.
Tatsächlich würden diese Grundsätze durch das Abzugsverbot in § 27a Abs. 4 Z 2 EStG geradezu konterkariert. Denn dieses stelle in seiner Wirkung nichts anderes dar, als eine (zusätzliche) verdeckte Steuer von 25% auf Einkünfte. Eine sachliche Rechtfertigung fehle, „Umgehungsverhinderungsaspekte“ – wie in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage BBG 2011 als einzige Rechtfertigung angeführt – würden hierfür nicht ausreichen.
Da es sich bei dem gegenständlichen Abzugsverbot von Anschaffungsnebenkosten um eine Regelung handle, die offensichtlich dem Leistungsfähigkeitsprinzip entgegenstehe und dies durchaus dem Gesetzgeber bewusst gewesen sei, komme der Begründung in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage besondere Bedeutung zu. Es sei dem Gesetzgeber zuzumuten und dem Grunde nach auch geboten, dass er in Fällen, in denen Regelungen dem Leistungsfähigkeitsprinzip zuwiderlaufen, seine Motivation und die Rechtfertigung der gesetzlichen Regelungen klar und vollständig artikuliere. Da der Gesetzgeber als einzigen Grund Umgehungsverhinderung anführe, sei davon auszugehen, dass er keine anderen Gründe dafür gehabt habe. Andernfalls hätte er diese angeführt oder hätte sie – angesichts des Gewichtes dieser Regelung – anführen müssen, da andernfalls der Steuerpflichtige mit einer unbestimmten Regelung konfrontiert wäre. Insoweit sei also der vom Gesetzgeber einzige angeführte Grund kritisch zu beleuchten.
Die vom Gesetzgeber angestellte pauschale Missbrauchsvermeidung stelle mangels praktischer Wirksamkeit auf die vom Gesetzgeber gezeichnete Breite von Fällen eine unzureichende Begründung der vorliegenden Durchbrechung des Nettoprinzips im Bereich der Anschaffungsnebenkosten dar. Vielmehr würden hierdurch in der absoluten Mehrzahl Fälle erfasst, in denen redliche Steuerpflichtige untrennbar mit der Kapitalanlage in Zusammenhang stehende Anschaffungsnebenkosten, unter Minderung ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, in Kauf nehmen müssen.
Es sei nicht ersichtlich, weswegen der Gesetzgeber dem Bf. als Privatanleger in diesem Fall den Zugang zu einer systemkonformen Besteuerung seiner, nach Abzug der mit der Anschaffung der Einkunftsquelle derartig in Zusammenhang stehenden Ausgaben, erzielten Einnahmen verweigere.
Im gegenständlichen Fall seien Bruttoeinkünfte von € 9.379,17 erzielt worden, welche unter Berücksichtigung von Wertpapiertransaktionskosten in Höhe von € 1.052,52 somit Nettoeinkünfte von € 8.326,65 ergeben würden. Bei Nichtberücksichtigung der Wertpapiertransaktionskosten ergäbe sich daher eine Besteuerung von 28,16% der Nettoeinkünfte, welche somit wirtschaftlich über dem in § 1 Abs. 4 zweiter Satz Endbesteuerungsgesetz geregeltem Ausmaß liege. Der guten Ordnung halber werde festgehalten, dass die Anschaffungsnebenkosten im Falle des Bf. wegen des erzielten deutlich positiven Ergebnisses nur circa ein Neuntel der Einkünfte ausgemacht hätten. In weniger ertragreichen Jahren wäre das Verhältnis wohl noch stärker die Leistungsfähigkeit einschränkend.
Mit Vorlagebericht vom wurde die gegenständliche Beschwerde vom FA gemäß § 262 Abs. 3 BAO ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
3. Vom Bundesfinanzgericht anzuwendende Norm
In Erledigung dieser Beschwerde hat das Bundesfinanzgericht die Bestimmungen des § 27a Abs. 4 Z 2 EStG 1988 idgF anzuwenden.
Diese Bestimmungen lauten auszugsweise:
„(4) Für die Anschaffungskosten gilt Folgendes:
[…]
2. Bei Wirtschaftsgütern und Derivaten, auf deren Erträge ein besonderer Steuersatz gemäß Abs. 1 anwendbar ist, sind die Anschaffungskosten ohne Anschaffungsnebenkosten anzusetzen. Dies gilt nicht für in einem Betriebsvermögen gehaltene Wirtschaftsgüter und Derivate.“
Die Materialien zum Budgetbegleitgesetz 2011 führen zu § 27a Abs. 4 Z 2 EStG Folgendes aus:
„Für nicht in einem Betriebsvermögen gehaltene Wirtschaftsgüter und Derivate sieht Abs. 4 Z 2 den Ansatz der Anschaffungskosten ohne Anschaffungsnebenkosten vor. Als Anschaffungsnebenkosten im Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern und Derivaten kommen insbesondere Handelsgebühren (trading fees) oder eine rechtliche oder wirtschaftliche Beratung in Betracht. Dieser Ausschluss soll eine Umgehung des im § 20 Abs. 2 zweiter Teilstrich vorgesehenen Abzugsverbotes für Aufwendungen und Ausgaben im Zusammenhang mit Einkünften, die dem 25%igen Steuersatz unterliegen, verhindern (zB Verlagerung von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten auf Anschaffungsnebenkosten, etwa durch höhere Gebühren bei Kauf und Verkauf anstatt einer fixen Depotgebühr). Die Anschaffungsnebenkosten stellen gem. § 20 Abs. 2 zweiter Teilstrich nichtabzugsfähige Aufwendungen dar.“
4. Bedenken hinsichtlich der Verfassungskonformität
Gegen die angeführte Norm bestehen verfassungsrechtliche Bedenken in Hinblick auf den Gleichheitssatz.
Der Gleichheitsgrundsatz bindet nach ständiger Rechtsprechung des VfGH auch den Gesetzgeber. Gesetze verletzen den Gleichheitsgrundsatz, wenn sie Gleiches ungleich oder Ungleiches gleich behandeln. Unterschiede in der rechtlichen Gestaltung müssen ihre Grundlage in Unterschieden der ihnen zugrunde liegenden Tatsachen haben, ansonsten diese den Gleichheitsgrundsatz verletzen. Überdies muss nach dem allgemeinen Sachlichkeitsgebot die Normierung auch für sich genommen sachlich sein.
Das sich aus dem Gleichheitssatz ableitende Leistungsfähigkeitsprinzip und das daraus entspringende Nettoprinzip stellen das vom Gesetzgeber geschaffene Ordnungssystem des Ertragssteuerrechts dar. Danach soll im Einkommensteuerrecht der periodisch erzielte Zuwachs an persönlicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, ausgedrückt im Wesentlichen durch das am Markt erzielte (Rein)Einkommen, erfasst werden. Daher sind die zur Erzielung des Einkommens getätigten Aufwendungen von der Bemessungsgrundlage abzuziehen. Dieses Ordnungsprinzip darf vom Gesetzgeber nur dann durchbrochen werden, wenn es eine besondere sachliche Rechtfertigung dafür gibt. Rein fiskalische Gründe können ein solches Abgehen von diesem Ordnungssystem jedenfalls nicht rechtfertigen (VfSlg. 18.783/2009).
Das Bundesfinanzgericht hat wie folgt Bedenken bezüglich der Verfassungskonformität des Abzugsverbots von Anschaffungsnebenkosten für nicht in einem Betriebsvermögen gehaltene Wirtschaftsgüter und Derivate nach § 27a Abs. 4 Z 2 EStG 1988 idgF:
Das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 2 EStG 1988 ist durch das Endbesteuerungsgesetz für taxativ aufgezählte laufende Kapitalerträge verfassungsrechtlich abgesichert und in diesem Maße einer Prüfung des VfGH entzogen. Für das Anschaffungsnebenkostenabzugsverbot des § 27a Abs. 4 Z 2 EStG 1988 idgF gilt dieser Umstand jedoch nicht, weswegen dieses einer verfassungsrechtlichen Kontrolle zugänglich ist (Prechtl-Aigner, Verlustausgleich bei Kapitaleinkünften, in Lechner/Mayr/Tumpel (Hrsg), Handbuch der Besteuerung von Kapitalvermögen (2012), 209 (268); Prunbauer, Das Abzugsverbot des § 20 Abs. 2 EStG im Zusammenhang mit Kapitaleinkünften, in Lechner/Mayr/Tumpel (Hrsg), Handbuch Kapitalvermögen (2012), 185 (207)).
In Hinblick darauf, dass das Abzugsverbot eine Besteuerung bewirkt, welche nicht der tatsächlichen Leistungsfähigkeit entspricht, sind, wie oben ausgeführt, sachliche Gründe für die Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips notwendig, ansonsten eine Verletzung des Gleichheitssatzes als gegeben erscheint. Eine solche Durchbrechung kann nämlich in Konstellationen, in welchen faktisch Verluste erzielt wurden, zur Besteuerung von Einkünften führen, welche in realita nicht vorhanden sind (siehe auch , Slg. 16.760 sowie , Slg. 13.724).
Zusätzlich ist entsprechend den obigen Ausführungen zum Gleichheitssatz zu prüfen, ob die unterschiedliche Behandlung von Anschaffungsnebenkosten im betrieblichen und außerbetrieblichen Bereich sachlich gerechtfertigt ist, da die Regelung des § 27a Abs. 4 Z 2 EStG 1988 bei einer scheinbar gleichen Tatsachengrundlage eine Benachteiligung von Kapitalveranlagungen im außerbetrieblichen Vermögen im Unterschied zu Veranlagungen im Betriebsvermögen zur Folge hat.
Die Materialien zum Budgetbegleitgesetz 2011 führen zu § 27a Abs. 4 Z 2 EStG Folgendes aus:
„Für nicht in einem Betriebsvermögen gehaltene Wirtschaftsgüter und Derivate sieht Abs. 4 Z 2 den Ansatz der Anschaffungskosten ohne Anschaffungsnebenkosten vor. Als Anschaffungsnebenkosten im Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern und Derivaten kommen insbesondere Handelsgebühren (trading fees) oder eine rechtliche oder wirtschaftliche Beratung in Betracht. Dieser Ausschluss soll eine Umgehung des im § 20 Abs. 2 zweiter Teilstrich vorgesehenen Abzugsverbotes für Aufwendungen und Ausgaben im Zusammenhang mit Einkünften, die dem 25%igen Steuersatz unterliegen, verhindern (zB Verlagerung von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten auf Anschaffungsnebenkosten, etwa durch höhere Gebühren bei Kauf und Verkauf anstatt einer fixen Depotgebühr). Die Anschaffungsnebenkosten stellen gem. § 20 Abs. 2 zweiter Teilstrich nichtabzugsfähige Aufwendungen dar.“
Eine nachvollziehbare Begründung, welche die einfachgesetzliche Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips durch § 27a Abs. 2 Z 4 EStG an sich rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich, weswegen verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Norm bestehen.
Die Materialien versuchen lediglich die unterschiedliche Behandlung von betrieblichen und außerbetrieblichen Anschaffungsnebenkosten zu rechtfertigen. Begründet wird diese unterschiedliche Behandlung durch den Gesetzgeber damit, Umgehungen des Abzugsverbotes des § 20 Abs. 2 EStG 1988 für Aufwendungen und Ausgaben im Zusammenhang mit Einkünften, die dem 25%igen Steuersatz unterliegen, zu verhindern.
Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, weswegen die Gefahr der Umgehung lediglich im außerbetrieblichen Bereich bestehen soll, gilt doch das Abzugsverbot des § 20 Abs. 2 EStG 1988 für beide Bereiche.
Dem Argument, dass die Absetzbarkeit von Anschaffungsnebenkosten dem Gleichklang zwischen Steuerbilanz und UGB-Bilanz dient, kann nicht gefolgt werden. Dieser Umstand gründet sich auf Praktikabilitätsüberlegungen, welche eine unterschiedliche Behandlung sachlich nicht zu rechtfertigen vermögen. Alternativ wäre es möglich gewesen, eine gesetzliche Begrenzung der Anschaffungsnebenkosten für sowohl den betrieblichen als auch außerbetrieblichen Bereich einzuführen, da diese Kosten bei Kapitalanlagen und Derivaten idR von vergleichsweise untergeordneter Bedeutung sind und daher Unterschiede zwischen der Steuerbilanz und UGB-Bilanz weitgehend vermieden hätten werden können (Mayr/Schlager, Kapitalbesteuerung im betrieblichen Bereich, in Kirchmayr/Mayr/Schlager (Hrsg.), Besteuerung von Kapitalvermögen (2011), 375 (380)).
Überdies bewirkt auch das Abzugsverbot des § 20 Abs. 2 EStG EStG 1988 eine Abweichung von der UGB-Bilanz. Weswegen eine solche Abweichung in Hinblick auf laufende Aufwendungen toleriert werden soll, für Anschaffungsnebenkosten eine Abweichung jedoch vermieden werden soll, ist unverständlich (Prechtl-Aigner, Verlustausgleich, in Lechner/Mayr/Tumpel (Hrsg), Handbuch Kapitalvermögen (2012), 207 (274)).
Schließlich ist noch anzumerken, dass bei der vergleichbaren Problemlage der durch das 1. StabG 2012, BGBl 22/2012, neu eingeführten Immobilienbesteuerung Anschaffungsnebenkosten entsprechend den ErlRV zum 1. StabG 2012 durchaus auch im außerbetrieblichen Bereich absetzbar sind (Kofler, Verfassungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Neuordnung der Besteuerung von Kapitalvermögen, in Lechner/Mayr/Tumpel (Hrsg.), Handbuch Kapitalvermögen (2012), 33 (52)).
Aufgrund der oben genannten Erwägungen bestehen für das Bundesfinanzgericht daher Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 27a Abs. 4 Z 2 EStG 1988 idgF in Hinblick auf den Gleichheitssatz im Zusammenhang mit der Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips sowie der Ungleichbehandlung des außerbetrieblichen und des betrieblichen Bereiches.
Umfang der aufzuhebenden gesetzlichen Bestimmung:
Der Umfang der zu prüfenden Norm ist nach ständiger Rechtsprechung des VfGH so abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keinen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbaren Zusammenhang bestehenden Bestimmungen auch erfasst werden (VfSlg. 19.765/2013). Ein solcher untrennbarer Zusammenhang besteht insbesondere dann, wenn der nach einer – teilweisen – Aufhebung verbleibende Rest einer Bestimmung ein legislativer Torso bliebe (VfSlg. 15.935/2000).
In Hinblick auf diese Kriterien erscheint es für den Anlassfall notwendig und ausreichend § 27a Abs. 4 Z 2 EStG 1988 idgF gänzlich aufzuheben. Bereits aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber es für notwendig erachtete, Anschaffungsnebenkosten von der Abzugsfähigkeit im außerbetrieblichen Bereich auszunehmen, ist ersichtlich, dass Anschaffungsnebenkosten offensichtlich ein Teil der Anschaffungskosten darstellen, sodass bei Wegfall der Bestimmung keine diesbezüglichen Unklarheiten entstehen würden.
Würde lediglich die Wortfolge „ Dies gilt nicht für in einem Betriebsvermögen gehaltene Wirtschaftsgüter und Derivate“ aufgehoben, wäre es zusätzlich zum außerbetrieblichen Bereich auch dem betrieblichen Bereich verwehrt Anschaffungsnebenkosten abzusetzen. In einem solchen Fall wäre die problematische Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips noch weiter als zuvor gefasst.
Wien, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 27a Abs. 4 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 § 20 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2016:RN.7100005.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at