Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.09.2016, RV/2100814/2012

Fahrtkosten anlässlich der Betreuung der Mutter keine ag Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache

Beschwerdeführer, vertreten durch Steuerberater, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des FA Judenburg Liezen vom , betreffend Bescheidaufhebung gem. § 299 BAO und Einkommensteuer(Arbeitnehmerveranlagung) 2010 sowie den Bescheid des FA Judenburg Liezen vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2011 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und ist wohnhaft in A. Im Zuge seiner Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2010 und 2011 machte er Fahrtkosten zur Betreuung seiner in B wohnhaften Mutter als außergewöhnliche Belastung geltend. Im Jahr 2010 wurde er zunächst erklärungsgemäß veranlagt. Im Jahr 2011 wurde er aufgefordert, den Aufwand nachzuweisen. Dabei stellte das Finanzamt fest, dass die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Kosten nicht Pflegekosten im engen Sinn darstellen, sondern sich aus Kilometergeldern für den Besuch der Mutter zusammensetzen. Das Finanzamt hob den Einkommensteuerbescheid 2010 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf und erließ die nunmehr strittigen Einkommensteuerbescheide 2010 und 2011 in denen die Fahrtkosten unter Verweis auf das Erkenntnis des nicht als außergewöhnliche Belastung angesetzt wurden.

In der dagegen eingebrachten Berufung (nunmehr Beschwerde) brachte der steuerliche Vertreter vor, dass die Besuche aufgrund der Unbeweglichkeit der Mutter notwendig seien und das aufgrund der Entfernung nicht von Fahrten im Nahbereich ausgegangen werden könne. Fahrten zum Zwecke der Facharztbesuche und Einkaufsfahrten seien ausdrücklich nicht beantragt worden. Das vom Finanzamt zitierte Erkenntnis betreffe überdies einen „rüstigen“ Elternteil. Im Fall des Bf. sei die Mutter jedoch auf die Pflege durch den Bf. angewiesen.

Aktenkundig bezieht die Mutter des Bf. seit 2007 Pflegegeld in der Pflegestufe 1 (durchschnittlicher monatlicher Pflegebedarf von 65 Stunden). Sie selbst hat keine außergewöhnlichen Belastungen betr. Pflege geltend gemacht.

Rechtslage

§ 34. (1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

(4) Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen

von höchstens 7 300 Euro                             6%.

mehr als 7 300 Euro bis 14 600 Euro            8%.

mehr als 14 600 Euro bis 36 400 Euro          10%.

mehr als 36 400 Euro                                    12%

(…)

Das BFG hat erwogen

Bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein (Abs. 2), zwangsläufig erwachsen (Abs. 3) und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4). Sie darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1988 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst. Gemäß Abs. 3 der Bestimmung erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Gemäß Abs. 4 beeinträchtigt die Belastung wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen auf in diesem Absatz näher geregelte Weise zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.

Im Beschwerdefall besteht die außergewöhnliche Belastung aus Fahrtkosten, die durch die Betreuung bzw. Pflege der Mutter des Bf. veranlasst sind.

Solche Aufwendungen können (nur) in Form von Unterhaltsleistungen erwachsen weil grundsätzlich jedermann verpflichtet ist, selbst für das eigene Auskommen zu sorgen. Nur dann, wenn jemand nicht dazu in der Lage ist, können Angehörige im Rahmen des gesetzlichen Unterhaltes dazu verpflichtet sein. Nach § 143 ABGB (idF vor BGBl. I Nr. 15/2013, vgl. nunmehr § 234 ABGB) schuldet das Kind seinen Eltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat. Gemäß Abs. 3 der zitierten Bestimmung mindert sich dieser Unterhaltsanspruch insoweit, als dem Unterhaltsberechtigten die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist.

Unterhaltsleistungen wiederum sind gemäß § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden (vgl ).

Der VwGH hat am , 2013/15/0154 in einem Erkenntnis über Fahrtkosten, die eine pflegebedürftige Mutter ihrer Tochter ersetzt hat (und damit als außergewöhnliche Belastung in Abzug bringen wollte) abgesprochen: Aufgrund des Umstandes, dass die Betreuung durch die Tochter "kostenlos" bzw. "vollkommen unentgeltlich" erfolgte und dies aus "persönlichen und moralischen Gründen" erfolgte, sind die geltend gemachten Aufwendungen betreffend die Betreuung durch die Tochter nicht zwangsläufig erwachsen. Dass die Mutter der Tochter insoweit "gewillt und imstande" war, die Fahrtkosten zu tragen, begründete keine Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen.

Umgelegt auf den Beschwerdefall bedeutet das, dass die hier strittigen Aufwendungen bei der Mutter des Bf. keine außergewöhnlichen Belastungen darstellen würden und daher auch beim Sohn nicht in Abzug gebracht werden können.

Da für den Abzug von außergewöhnlichen Belastungen alle Voraussetzungen des § 34 EStG gleichzeitig erfüllt sein müssen, ist nicht (mehr) zu prüfen, ob auch die anderen Voraussetzungen (wie beispielsweise die Außergewöhnlichkeit) erfüllt sind oder nicht (vgl Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, EStG 1988, § 34 Anm 1).

Auch nach der Rechtsprechung des BFG erfüllen Fahrtkosten, die anlässlich der häuslichen Besuche eines pflegebedürftigen Vaters erwachsen sind, nicht die Voraussetzungen des § 34 EStG (zB oder auch allerdings mit der Begründung der Zwangsläufigkeit). Fahrtkostenzuschüsse für häusliche Besuche sind auch im Verhältnis betagter Eltern zu Kindern nicht unüblich und somit der gewöhnlichen Lebensführung zuzuordnen. Dass Kinder unterstützend bei der Entlastung der zu pflegenden Eltern mitwirken, entspricht den Erfahrungen des täglichen Lebens und ist keineswegs atypisch, sondern einer sittlichen Verpflichtung entsprechend.

Da nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung Fahrtkosten anlässlich der Pflege naher Angehöriger keine außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 darstellen, erfolgte auch die Bescheidaufhebung gem. § 299 BAO zu Recht, weil der aufgehobene Bescheid insofern mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet war.

Damit  war die Beschwerde wie im Spruch ersichtlich abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.2100814.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at