Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.09.2016, RV/2100293/2011

Fremdleistungen für Pflasterarbeiten und Fliesenlegen an bosnische Staatsbürger mit italienischen Gewerbescheinen - selbständige oder nichtselbständige Tätigkeit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache der Bf über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Judenburg Liezen vom betreffend Lohnsteuer, für deren Einbehaltung und Abfuhr die Beschwerdeführerin als Arbeitgeberin haftet, und die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichfonds für Familienbeihilfe und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2009 zu Recht erkannt:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Bei einer Baustellenkontrolle in A am wurde der in Bosnien geborene unbeschränkt haftende Gesellschafter der im Firmenbuch als KG eingetragenen Beschwerdeführerin, B, zusammen mit vier weiteren Personen, drei davon bosnischen Staatsbürger, bei Pflasterarbeiten angetroffen. Keine der genannten Personen war zum Zeitpunkt der Kontrolle im Besitz einer gültigen arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung und alle waren nicht zur Sozialversicherung angemeldet.

Im Zuge der daraufhin durchgeführten gemeinsamen Prüfung der lohnabhängigen Abgaben wurde laut Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung festgestellt, dass bei den Personen C im Zeitraum bis , D im Zeitraum bis und E im Zeitraum bis wesentliche Kriterien eines Dienstverhältnisses vorliegen würden, da in der niederschriftlich festgelegten Aussage des B festgestellt worden sei, dass eine Weisungsgebundenheit vorliegen würde, das firmeneigene Werkzeug verwendet werde, mit dem Firmenfahrzeug zu den Baustellen zu fahren sei und mit dem Pflichtigen Krankenstände, Urlaube und sonstige Dienstverhinderungen unverzüglich abzustimmen seien. Das Finanzamt folgte diesen Feststellungen und erließ die angefochtenen Bescheide.

In den dagegen erhobenen Beschwerden wurde eingangs allgemein darauf hingewiesen, dass ein Werkvertrag immer dann vorliegen würde, wenn für den Erfolg und nicht für ein Bemühen gehaftet werde. Wenn das Unternehmerrisiko beim Werkvertragsnehmer liegen würde (keine Leistung = kein Geld), freie Preisvereinbarung für die zu erbringende Leistung, Möglichkeit Helfer einsetzen zu können, die Möglichkeit Aufträge ablehnen zu können, Bestimmungsfreiheit, kein Konkurrenzverbot, freie Zeiteinteilung, usw. gegeben seien, handle es sich um einen Werkvertrag.

Bei einem Dienstverhältnis handle es sich um ein Dauerschuldverhältnis bei dem die Arbeitsleistung und nicht der Erfolg geschuldet werde. Weitere Merkmale für ein Dienstverhältnis seien, persönliche Arbeitspflicht, persönliche Abhängigkeit, Eingliederung in die Organisation des Betriebes, Entgelt für bestimmte Zeiträume, Entgelt auch bei Urlaub und Krankenstand, kein Unternehmerrisiko, keine Möglichkeit Aufträge abzulehnen, keine Möglichkeit für verschiedene Auftraggeber zu arbeiten, Dispositionsrecht des Dienstgebers über die Arbeitskraft.

Jedem im Wirtschaftsleben Tätigen sei bekannt, dass eine Werkvertragsleistung sowohl in der Erstellung eines Werkes, wie auch in der Bereitstellung von Regiestunden erbracht werden könne. Ebenso entspreche es der Erfahrung des täglichen Lebens, dass in bestimmten Fällen Werkvertraggeber und Werkvertragnehmer gemeinsam auf einer Baustelle arbeiten, um Kosten (zB Fahrtkosten, Beistellung von Arbeitsmittel — im vorliegenden Fall wertmäßig zu vernachlässigen) zu optimieren. Entscheidend sei der wahre wirtschaftliche Gehalt des Verhältnisses zwischen Werkvertragnehmer und Werkvertraggeber und nicht die äußere Erscheinungsform. Die Beurteilung habe jedoch objektiv und nicht zielorientiert und ungewichtet zu erfolgen.

Dem Finanzamt seien für die Werkvertragsnehmer D und E Unterlagen aus Italien (Camera di Commercio, Finanzamt, I.N.A.I.L — I.N.P.S) übergeben worden. Aus den Unterlagen gehe eindeutig hervor, dass die beiden Personen in Italien steuerlich erfasst seien, als Unternehmer tätig seien und eine Gewerbeberechtigung besitzen würden. Für Herrn C liege nur ein Brief des italienischen Steuerberaters vor, dass er mit ihm gesprochen habe, dieser aber seine Dienste in der Folge nicht mehr in Anspruch genommen habe. Weder dem italienischen Steuerberater, noch Herrn B sei es derzeit möglich, Herrn C zu erreichen, da die Telefonnummer nicht mehr funktionieren würde. Herr B sei aber bemüht, über dritte Personen Unterlagen von Herrn C über seine Unternehmertätigkeit in Italien zu beschaffen.

Die Unterlagen aus Italien seien vom Finanzamt im Zuge der Bescheiderlassung keiner rechtlichen Würdigung unterzogen worden. Obwohl mit diesen Unterlagen die Behauptung der Abgabenbehörde, es handle sich um keine Unternehmer, widerlegt worden sei. Steuernummer, UID-Nummer und Unternehmertum seien mit den Dokumenten nachgewiesen worden. Das Argument der Abgabenbehörde, dass Werkvertragnehmer nur für einen Auftraggeber arbeiten würden, sei für die Beurteilung eines Sachverhaltes nicht entscheidend. Hätte die Behörde Recht, müssten Tankstellenpächter (Betriebsmittel gehört der Mineralölfirma, Öffnungszeiten seien vorgegeben, Verkaufspreise seien vorgegeben, Provisionen würden nach Bedarf erhöht oder gekürzt), ausländische Pflegekräfte, die beim zu Pflegenden wohnen würden, die Räumlichkeiten samt Inventar (Küche, Bad, Geschirr, Wäsche) nutzen, auch als Dienstnehmer eingestuft werden. Da dies nicht der Fall sei, liege eine Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen und somit eine Verletzung des verfassungsrechtlich gewährten Rechtes auf Gleichbehandlung vor.

Eine weitere Folge der Einstufung der Werkvertragnehmer als Dienstnehmer durch die Behörde sei, dass von einer Tätigkeit zweimal Ertragsteuer (Lohnsteuer in Österreich und Einkommensteuer im Ausland) und Sozialversicherung (GKK in Österreich, Unternehmerversicherung im Ausland) zu entrichten sei. Es entspreche der Erfahrung des täglichen Lebens, dass jeder Werkvertraggeber mit seinem Werkvertragnehmer über den Ablauf der zu erbringenden Werkleistung Gespräche führen würde. Dazu gehöre auch, dass festgelegt werde, in welchem Zeitraum die Werkvertragsleistung zu erbringen sei.

Ebenso werde der Werkvertragnehmer verpflichtet, den Werkvertraggeber zu verständigen, wenn Leistungsunterbrechungen eintreten, da beim Werkvertraggeber unter Umständen Pönalzahlungen drohen und er daher Maßnahmen zu treffen habe, um eine termingerechte Fertigstellung zu gewährleisten.

Sollte die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung, dass die Werkvertragnehmer Dienstnehmer seien, richtig sein, würde dies bedeuten, dass eine österreichische Behörde feststellt, ob ein Unternehmer aus einem EU-Land mit gültiger Steuernummer, Sozialversicherung und Gewerbeschein in Österreich als Unternehmer anerkannt werde. Diese Vorgangsweise widerspreche eindeutig EU-Recht, da darin festgelegt werde, dass Gewerbeberechtigungen eines Landes im anderen EU-Land anzuerkennen seien. In der Begründung des Haftungsbescheides werde auf den Bericht vom verwiesen. Die Niederschrift sei jedoch vom Abgabepflichtigen nicht akzeptiert und auch nicht unterzeichnet worden. In der Bescheidbegründung fehle auch die Stellungnahme zur Abrechnung zwischen Werkvertraggeber und Werkvertragnehmer. Die Werkvertragnehmer seien nach erbrachter Leistung in unregelmäßigen Abständen je nach Bauabschnitt und vorgelegter Rechnung bezahlt worden. Für Abwesenheitstage, aus welchem Grunde auch immer, sei keine Entlohnung erfolgt. Vereinbarungen über Arbeitspreise seien je Baustelle bzw. Bauabschnitt getroffen worden. Außerdem würden die Werkvertragsnehmer für eine ordnungsgemäße Arbeit haften, bei sonstigem Abzug vom Rechnungsbetrag. Auf Dienstnehmer würden diese Punkte nicht zutreffen. Aufgrund der vorgebrachten Argumente und unter Abwägung aller Merkmale werde daher beantragt, die Werkvertragsnehmereigenschaft von Herrn D, E und C anzuerkennen und der Berufung stattzugeben.  

Das Finanzamt legte die Beschwerden an die damals zuständige Abgabenbehörde zweiter Instanz ohne Erlassung von Beschwerdevorentscheidungen zur Entscheidung vor und entgegnete den in der Beschwerde vorgebrachten Argumenten dahingehend, dass bezüglich der Unternehmereigenschaft in Italien die Behörde sehr wohl das Recht habe, festzustellen, ob die ausgeübte Tätigkeit der vermeintlichen Werkvertragsnehmer in Österreich nichtselbständig oder auf Werkvertragsbasis ausgeübt werde. Denn die Vergabe einer UID—Nummer oder das Vorhandensein eines Gewerbescheines habe keine Aussagekraft über die Unternehmereigenschaft, weder für österreichische noch für ausländische Staatsbürger.

Es sei richtig, dass ausländische Gewerbeberechtigungen aus dem EU-Raum grundsätzlich in Österreich anerkannt werden müssten. Dafür sehe die österreichische GewO zwei Möglichkeiten vor. Entweder hole sich der ausländische Unternehmer einen Gewerbeschein in Österreich nach § 28 GewO 1994 (Nachsicht vom Befähigungsnachweis — Gewerbeanmeldung und Erbringung der individuellen Befähigungsnachweises) oder er lässt seinen ausländischen Gewerbeschein gem. § 373c GewO 1994 über das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit mit Bescheid anerkennen. Gegenstand dieses Verfahrens sei die Feststellung, ob die entsprechende Tätigkeit außerhalb von Österreich in einem Mitgliedsstaat der EU oder einem Vertragsstaat des EWR tatsächlich ausgeübt worden sei. Die Anerkennung bedeute somit lediglich, dass die Voraussetzungen für die Anmeldung des Gewerbes und dessen Ausübung erfüllt seien, es werde aber nicht darüber abgesprochen, ob die Tätigkeit Merkmale der Selbständigkeit aufweisen würde (GewO 1994, Kinscher/Paliege-Barfuß, § 373c).

Bezüglich einer Doppelbesteuerung bzw. Doppelversicherung wird ausgeführt, dass von Österreich zahllose Doppelbesteuerungsabkommen unterzeichnet worden seien, um Doppelbesteuerungen zu vermeiden, so auch mit Italien. Eine Vermeidung der Doppelbesteuerung hätte in weiterer Folge im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung der einzelnen Dienstnehmer zu erfolgen und sei nicht Gegenstand der gegenständlichen Berufung. Im Sozialversicherungsrecht regle die VO 1408/71 bzw. VO 883/04, welcher Staat für die Erhebung der Sozialversicherung zuständig sei, sodass auch hier eine Doppelversicherung vermieden werde.

Zur Verweigerung der Unterschrift wird dargelegt, dass der Beschwerdeführer sowohl die Niederschrift im Zuge der Baustellenkontrolle am als auch die Niederschrift im Zuge der Prüfung am unterschrieben habe. Es sei lediglich die Unterschrift seitens der steuerlichen Vertretung im Zuge der Schlussbesprechung verweigert worden.

Unter dem Punkt „Entlohnung — Rechnungslegung“ führte das Finanzamt aus, dass die Rechnungen laufend gestellt worden seien und auch aus den Buchhaltungsunterlagen ersichtlich sei, dass die Arbeiter regelmäßig entlohnt worden seien, was für Werkvertragsnehmer untypisch sei, wobei in Einzelfällen eine Barauszahlung vermerkt sei. Laut Angaben des Beschwerdeführers werde mit den Arbeitern ein pauschaler Stundensatz vereinbart. Diese Abrechnung nach geleisteten Arbeitsstunden sei ein Indiz für das Vorliegen einer nichtselbständigen Tätigkeit. Konkrete Hinweise auf erfolgsabhängige Vergütungen seien vom Beschwerdeführer nicht erbracht worden.

Unter dem Punkt „Einstufung nach den tatsächlichen Verhältnissen“ wird ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer insoweit zuzustimmen sei, dass für die Beurteilung des Sachverhaltes der wahre wirtschaftliche Gehalt ausschlaggebend sei und nicht die äußere Erscheinungsform. Die Behörde komme allerdings aus nachfolgenden Gründen zum Ergebnis, dass es sich bei den durchgeführten Arbeiten der Herren D, E und C um Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit handeln würde:

Die Arbeiter seien lt. Niederschrift bei der Ausübung ihrer Tätigkeit auf den einzelnen Baustellen vom Beschwerdeführer überwacht worden‚ sodass keine einem Selbständigen vergleichbare Freizügigkeit bei der Arbeitseinteilung und Arbeitsdurchführung gegeben gewesen sei und daher von einer Weisungsgebundenheit gegenüber dem Auftraggeber und einer Eingliederung in dessen Unternehmen auszugehen sei.

Laut Angaben des Beschwerdeführers handle es sich bei den ausgeübten Tätigkeiten um Hilfstätigkeiten. Der VwGH habe in seinem Erkenntnis 2001/09/0080 vom und 2009/09/0150 vom ausgesprochen, dass im Falle von Bauhilfsarbeiten grundsätzlich von einem Dienstvertrag und nicht von einem Werkvertrag auszugehen sei.

Werkverträge würden zwar (teilweise) schriftlich abgeschlossen werden, das vereinbarte „Werk“ sei allerdings nur grob umrissen. Es werde lediglich vereinbart, auf welcher Baustelle zu arbeiten sei. Dementsprechend würden auch die Rechnungen der Arbeiter aussehen — diese würden lediglich die Baustellen aufweisen.

Eine Vertretung auf Kosten der Arbeiter sei nicht möglich. Im Urlaub oder im Krankheitsfall sorge der Beschwerdeführer für eine Vertretung, wobei der Urlaubsantritt mit dem Beschwerdeführer abzustimmen sei.

Betriebliche Strukturen seien (in Österreich) nicht vorhanden. Sie würden über kein Büro, keinen Lagerraum oder ein Firmenfahrzeug verfügen.

Die Arbeitseinteilung und der Tagesablauf würden vom Beschwerdeführer bestimmt werden.

Die Arbeiter seien für mehrere Wochen oder Monate durchgehend für den Beschwerdeführer tätig.

Die Auftragssuche – bzw. -vergabe finde hauptsächlich mittels Mundpropaganda statt (Niederschrift S. 16 ff und S 87).

Würde ein Bauunternehmer wie im konkreten Fall nicht über angestellte Bauhilfsarbeiter verfügen, fehle dem wirtschaftlichen Organismus ein wesentlicher Teil. Würden die Hilfsarbeiter im Werkvertrag beschäftigt werden, würden sie genau die fehlende Funktion ausfüllen und seien daher in den Organismus des Unternehmens eingegliedert ().

Fehle einem Werkvertragsnehmer die Möglichkeit, einnahmenseitig oder ausgabenseitig sein  Einkommen zu beeinflussen, weil einerseits Pauschalpreise (feste Stundensätze) vereinbart worden seien und andererseits das gesamte Arbeitsmaterial (bis auf Kleinwerkzeuge) vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt werde, liege kein Unternehmerrisiko vor. Die Übernahme der Haftung seitens der Arbeiter sei zwar vom Beschwerdeführer behauptet, jedoch nicht nachgewiesen worden. Eine Haftungsübernahme sei weder schriftlich vereinbart, noch würden Unterlagen (z.B. Abrechnungen) vorliegen, aus denen diese ersichtlich wäre. Nachdem die Merkmale der Unselbständigkeit überwiegen würden‚ sei im vorliegenden Fall von einem Dienstverhältnis der drei Mitarbeiter auszugehen. Die Behörde beantrage daher die Abweisung der Berufung.

 

Über die Beschwerden wurde erwogen:

Gemäß § 41 Abs. 1 FLAG 1967 haben alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen, den Dienstgeberbeitrag zu leisten.

Zu den Dienstnehmern gehören nach § 41 Abs. 2 FLAG 1967 Personen, die in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 stehen. Gemäß § 41 Abs. 1 FLAG 1967 ist der Beitrag des Dienstgebers von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen, die jeweils in einem Kalendermonat an die in Abs. 1 genannten Dienstnehmer gewährt worden sind, gleichgültig, ob die Arbeitslöhne beim Empfänger der Einkommensteuer unterliegen oder nicht (Beitragsgrundlage). Arbeitslöhne sind dabei Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a und b EStG 1988 sowie Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art im Sinne des § 22 Z 2 des EStG 1988.

Die Pflicht zur Entrichtung eines Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag gründet sich auf § 122 Abs. 7 und 8 Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998.

Gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.

Nach Hofstätter/Reichel/Fellner/Fuchs/Zorn, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 47 EStG 1988, Tz 4.3, ist die Definition des § 47 Abs. 2 EStG eine eigenständige des Steuerrechts, und weder dem bürgerlichen Recht, dem Sozialversicherungsrecht, noch anderen Rechtsgebieten entnommen. Die Absicht des historischen Gesetzgebers ging dahin, ein tatsächliches Verhältnis, oder mit anderen Worten, einen Zustand zu umschreiben (vgl. ). Die Tatsache, dass das EStG selbst vorschreibt, was als ein Dienstverhältnis anzusehen ist (selbständige Begriffsbestimmung im EStG), führt zwangsläufig dazu, dass ein- und derselbe Sachverhalt im Steuerrecht einerseits, z.B. im bürgerlichen oder Sozialversicherungsrecht andererseits unterschiedlich beurteilt werden kann.

Die Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG enthält zwei Kriterien, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. Der Begriff des Dienstverhältnisses ist durch § 47 jedoch nicht abschließend definiert, sondern wird als Typusbegriff durch eine Vielzahl von Merkmalen bestimmt, die nicht alle in gleicher Intensität ausgeprägt sein müssen (). Die beiden Merkmale "Weisungsgebundenheit" und "Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers" lassen sich nicht eindeutig voneinander abgrenzen und bedingen einander teilweise (vgl. ). In Fällen, in denen beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf weitere Abgrenzungskriterien (wie etwa auf das Vorliegen eines Unternehmerrisikos oder der Befugnis, sich vertreten zu lassen) Bedacht zu nehmen (vgl. das Erkenntnis vom , 2009/15/0200). Kennzeichnend für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses ist, dass der Verpflichtung des Arbeitnehmers, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft (laufend) zur Verfügung zu stellen, die Verpflichtung des Arbeitgebers gegenübersteht, dem Arbeitnehmer einem vom Erfolg unabhängigen Lohn zu bezahlen (vgl. , mwN). Es ist daher das Gesamtbild einer Tätigkeit darauf zu untersuchen, ob die Merkmale der Selbständigkeit oder jene der Unselbständigkeit überwiegen ().

Zu dem im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung genannten E, der zusammen mit dem unbeschränkt haftende Gesellschafter der beschwerdeführenden KG, B, laut Niederschrift des Finanzamtes Baden Mödling am auf einer Baustelle in A bei Pflasterarbeiten angetroffen wurde, gab B in der Niederschrift vom an, dass E eine Firma in F, Italien, habe und auch das Gewerbe Fliesenlegen ausüben würde. Er würde mit ihm Fliesen legen. Er würde seit 6 Monaten für ihn arbeiten. Sie hätten Verträge für andere Baustellen. Die Fliesen würde der Auftraggeber kaufen. E würde mit dem Werkzeug der Beschwerdeführerin arbeiten (Fliesenschneider, Flex, etc.) Auf diese Baustelle sei er vor vier Tagen gekommen. Er würde anrufen, wenn er E brauchen würde. Er habe 20 Euro pro Stunde bekommen, jetzt würde er 17 Euro bekommen. Das letzte Mal habe er vor ca. dreieinhalb Monaten gearbeitet.

Anlässlich einer weiteren Niederschrift am gab B an, dass die im Bericht genannten Personen einen eigenen Gewerbeschein besitzen würden. Sie hätten ihm diesen vorgezeigt. Dass Herr C keinen Gewerbeschein habe, sei ihm nicht bekannt. D und E würden ausschließlich für ihn seit Mai 2009 arbeiten, E seit September 2009. Sie würden das Werkzeug der KG benützen. Sie seien ihm gegenüber mit einer guten Arbeit verpflichtet. Sie würden auch sein Firmenauto fahren. Bei Urlaub müssten ihn diese beiden fragen, damit er für diese Zeit jemand anderen einsetzen könne. Bei Krankheit würde ebenfalls eine Mitteilungspflicht ihm gegenüber bestehen. Bei allen anderen sei dies nicht der Fall, sondern müssten sie die Arbeit bis zum vereinbarten Zeitpunkt abgeschlossen haben. Die Arbeitseinteilung und den Tagesablauf würde er bestimmen. Wenn er mitarbeiten würde, sei er der Chef.

Das für ein Dienstverhältnis sprechende persönliche Weisungsrecht fordert einen Zustand wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit und ist durch eine weitreichende Ausschaltung der eigenen Bestimmungsfreiheit gekennzeichnet (vgl. etwa das Erkenntnis des ). Die persönlichen Weisungen sind auf den zweckmäßigen Einsatz der Arbeitskraft gerichtet und dafür charakteristisch, dass der Arbeitnehmer nicht die Ausführung einzelner Arbeiten verspricht, sondern seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt ().

Unter Zugrundelegung dieser Umschreibung der Weisungsgebundenheit werden nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes die von den im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung genannten Personen durchgeführten Arbeiten für die Beschwerdeführerin nicht im weisungsfreien Raum als selbständige Tätigkeit im steuerlichen Sinn erledigt. Der Einsatz ihrer Arbeitskraft war ihnen in keiner Weise selbst überlassen und die Aufträge für diese Tätigkeiten erteilte ausschließlich der persönlich haftende Gesellschafter der Beschwerdeführerin, B. Das ergibt sich aus seinen Angaben, wonach er die Arbeitseinteilung und den Tagesablauf bestimmt und er der Chef ist, wenn er mitarbeitet. Daraus ist zweifellos eine nicht unbeträchtliche Leitungs- und Verfügungsmacht der Beschwerdeführerin über die im Bericht genannten Personen bei den Tätigkeiten zu erkennen. Aufgrund dessen, dass die betroffenen Personen in den strittigen Zeiträumen allein für die Beschwerdeführerin tätig waren, ist die für eine nichtselbständige Tätigkeit typische persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit einschließlich der Kontrollmöglichkeiten durch den persönlich haftenden Gesellschafter der Beschwerdeführerin zu erblicken. Dadurch war es den genannten Personen auch nicht möglich, Aufträge der Beschwerdeführerin in der Person des unbeschränkt haftenden Gesellschafters im Zusammenhang mit den oben beschriebenen Tätigkeiten abzulehnen. Damit verbunden ist die Schlussfolgerung, dass die betroffenen Personen nicht die Ausführung einzelner Arbeiten bis zum fertigen Produkt im Sinne der Herstellung eines Werkes in Aussicht, sondern ihre Arbeitskraft dauerhaft zur Verfügung gestellt haben.

Auch wenn die Beschwerdeführerin subjektiv vermeint, dass die betroffenen Personen nicht an ihre Weisungen gebunden waren, ist aufgrund des zu beurteilenden Sachverhaltes bei den Tätigkeiten der genannten Personen die geforderte Stärke des vorhandenen Weisungsrechtes für eine nichtselbständige Tätigkeit eindeutig zu erkennen.

Eine weitere Voraussetzung für das Vorliegen eines nichtselbständigen Beschäftigungsverhältnisses, nämlich die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers, zeigt sich unter anderem in der Vorgabe der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Arbeitsmittel durch den Auftraggeber sowie die unmittelbare Einbindung der Tätigkeit in betriebliche Abläufe des Arbeitgebers (vgl. etwa das Erkenntnis des ).

Die Tätigkeiten der im Bericht genannten Personen für die Beschwerdeführerin bedingte neben der Weisungsungebundenheit die unmittelbare Einbindung in betriebliche Abläufe und somit die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der Beschwerdeführerin im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988. Das ergibt sich aus den Angaben des B, wonach die im Bericht genannten Personen das Werkzeug der Beschwerdeführerin benützen würden, das Firmenauto der KG fahren würden, bei Urlaub den unbeschränkt haftenden Gesellschafter der Beschwerdeführerin fragen müssten, damit dieser für diese Zeit jemand anderen einsetzen könne und bei Krankheit würde ebenfalls eine Mitteilungspflicht gegenüber dem Komplementär bestehen. Dadurch, dass die betroffenen Personen somit bei Abwesenheiten oder Verhinderungen nicht uneingeschränkt über die Vertretung ihrer Leistungserbringung bestimmen konnten, stand die persönliche Zurverfügungstellung der Arbeitskraft im Vordergrund. Dass die betroffenen Personen auch kein Werk im Sinne einer selbständigen Tätigkeit erbracht haben, sondern ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellten, ergibt sich aus den Äußerungen des B anlässlich der Niederschrift am , wonach er bei Urlaub gefragt werden müsse, damit er für diese Zeit jemand anderen einsetzen könne. Über die Vertretung bei Abwesenheit der genannten Personen entscheidet somit die Beschwerdeführerin, was ebenfalls für eine nichtselbständige Tätigkeit spricht.  

Aufgrund dieser Ausführungen ist zu ersehen, dass bei den zu beurteilenden Tätigkeiten der betroffenen Personen die Merkmale für eine nichtselbständige Tätigkeit im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 vorliegen.

Das oben angesprochene für eine selbständige Tätigkeit sprechende weitere Merkmal, nämlich das Unternehmerrisiko, ist nach dem vom Finanzamt festgestellten Sachverhalt nicht erkennbar, da nicht ersichtlich ist, aufgrund welcher Umstände die im Bericht genannten Personen im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Beschwerdeführerin sowohl die Einnahmen- als auch die Ausgabenseite maßgeblich zu beeinflussen und solcherart den finanziellen Erfolg ihrer Tätigkeit weitgehend zu gestalten im Stande waren. Die von der Beschwerdeführerin angesprochenen Argumente dahingehen, die betroffenen Personen seien nach erbrachter Leistung in unregelmäßigen Abständen je nach Bauabschnitt und vorgelegter Rechnung bezahlt worden und würden für eine ordnungsgemäße Arbeit bei sonstigem Abzug vom Rechnungsbetrag haften, kann nach den vorgelegten handschriftlich in italienischer Sprache abgefassten Rechnungen nicht nachvollzogen werden, da im Wesentlichen lediglich das Datum, die vergütete Summe ohne Mehrwertsteuer, und der Ort der Baustelle entnommen werden kann. Ein wesentliches Unternehmerrisiko ist auch darin nicht zu erkennen, dass die betroffenen Personen nur dann ein Entgelt erhalten, wenn sie dafür arbeiten. Über die nach § 47 Abs. 2 EStG 1988 geforderten Voraussetzungen für das Vorliegen einer nichtselbständigen Beschäftigung wird in diesem Zusammenhang nichts ausgesagt. Ein ausgabenseitiges Unternehmerrisiko ist überhaupt nicht zu erkennen und wird auch gar nicht behauptet, wobei es in keiner Weise gegen eine nichtselbständige Tätigkeit spricht, wenn berufliche Aufwendungen von einem Arbeitnehmer zu tragen sind.

Zu den Ausführungen bezüglich der dem Finanzamt übermittelten Unterlagen aus Italien betreffend D und E, aus denen hervorgehen würde, dass sie in Italien steuerlich erfasst seien, als Unternehmer tätig seien und ein Gewerbeberechtigung besitzen würden, ist auf die Ausführungen des Finanzamtes im Vorlagebericht zu verweisen, wonach die Vergabe einer UID-Nummer bzw. eines Gewerbescheines keine Aussagekraft über die Unternehmereigenschaft eines Beschäftigten hat, da die Definition des § 47 Abs. 2 EStG 1988, wie bereits ausgeführt, eine eigenständige des Steuerrechts ist, die weder dem bürgerlichen Recht, dem Sozialversicherungsrecht, noch anderen Rechtsgebieten entnommen ist. Wenn daher die Tätigkeiten des D und E für die Beschwerdeführerin, wie oben dargestellt, nach nationalem Recht einer nichtselbständigen Tätigkeit gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 entsprechen, hat der Umstand, dass diese Personen in Italien oder generell im Ausland unternehmerisch tätig sind, auf diese Beurteilung keinen Einfluss. Ebenso kommt dem Vorbringen, dass diese Personen bereits im Ausland sozialversichert sind, dort Unternehmenssteuern abführen oder eine Gewerbeberechtigung besitzen für die Lösung der Frage - Selbständigkeit oder Nichtselbständigkeit - keine entscheidende Bedeutung zu (vgl. etwa , wonach es unerheblich ist, ob die betroffene Person bei der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft sozialversichert ist).

Die Verweigerung der Unterschrift auf der Niederschrift über die Schlussbesprechung des bevollmächtigten steuerliche Vertreters hat auf die Rechtmäßigkeit des durchgeführten Prüfungsverfahrens keine Auswirkungen, da im anschließenden Rechtsmittelverfahren alles vorgebracht werden kann, um die Rechtswidrigkeit des Prüfungsverfahrens aufzuzeigen. Weiters können alle gegen die Erlassung der angefochtenen Bescheide sprechenden nachvollziehbaren und kontrollierbaren Gründe vorgebracht und Unterlagen vorgelegt werden, um einen effizienten Rechtsschutz zu bewirken. Im gegenständlichen Fall hat die Beschwerdeführerin ihre Sichtweise umfangreich dargestellt, woraus zu ersehen ist, dass die Beschwerdeführerin im Wege des bevollmächtigten steuerlichen Vertreters trotz Verweigerung der Unterschrift auf der Niederschrift über die Schlussbesprechung ausreichend über die festgestellten Punkte der Prüfung informiert war. Auf eine Stellungnahme zu den Ausführungen des Finanzamtes zum Beschwerdeinhalt im Vorlagebericht hat die Beschwerdeführerin zudem verzichtet. Es ist daher aus der Verweigerung der Unterschrift des bevollmächtigten steuerlichen Vertreters bzw. des unbeschränkt Haftenden der Beschwerdeführerin auf der Niederschrift über die Schlussbesprechung keine rechtswidrige Vorgangsweise des Finanzamtes zu erkennen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da mit dem gegenständlichen Erkenntnis keine Rechtsfrage zu lösen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Auch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab oder fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auf die in der Begründung zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes wird verwiesen.  

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 41 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 41 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 47 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 122 Abs. 7 WKG, Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.2100293.2011

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at