Kein KFZ-Freibetrag gem. § 3 der VO über außergewöhnliche Belastung für ein behindertes Kind, für das erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache
Beschwerdeführer, vertreten durch Steuerberater, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA Graz-Stadt vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2010 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Vater eines behinderten Kindes, für das er erhöhte Kinderbeihilfe und Pflegegeld iHv (nach Abzug des Schulbeitrages) X Euro bezieht.
Im Rahmen seiner Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2010 machte er unter anderem Kosten für die Reparatur (Service, Austausch von Verschleißteilen, „Pickerl“) des behindertengerecht umgebauten KFZ geltend.
Das Finanzamt versagte den Abzug mit der Begründunge, dass die Kosten der privaten Lebensführung zuzurechnen seien und daher nicht abzugsfähig sind.
In der dagegen eingebrachten Berufung (nunmehr Beschwerde) führte der Bf. aus, dass die Reparaturkosten aufgrund des Alters des KFZ außergewöhnlich hoch aber unabwendbar für die Betriebssicherheit seien. Daher seien ihm die außergewöhnlichen Kosten zwangsläufig erwachsen. Im Endeffekt liege ein Fall des § 3 der VO über außergewöhnliche Belastungen vor, bei dem monatlich 190 Euro zu berücksichtigen sind. Alternativ könne das Finanzamt auch diesen Betrag gewähren.
Der Berufung legte er eine Bestätigung des LKH Graz sowie eine Bestätigung lt. StVO vor.
Rechtslage
Außergewöhnliche Belastung
§ 34. (1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
(4) Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.
(…)
(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden: (…)
- Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
(...)
§ 35. (1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen
– durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,
– bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-) Partners (§ 106 Abs. 3),
– ohne Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-) Partners (§ 106 Abs. 3), wenn dieser Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt,
– durch eine Behinderung eines Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird, und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.
(…)
(7) Der Bundesminister für Finanzen kann nach den Erfahrungen der Praxis im Verordnungsweg Durchschnittssätze für die Kosten bestimmter Krankheiten sowie körperlicher und geistiger Gebrechen festsetzen, die zu Behinderungen im Sinne des Abs. 3 führen.
Verordnung über außergewöhnliche Belastungen BGBl 303/1996 idF BGBl 430/2010:
„(1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen
durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,
bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-) Partners (§ 106 Abs. 3 EStG 1988),
ohne Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-) Partners (§ 106 Abs. 3 EStG 1988), wenn dieser Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt, oder
bei Anspruch des Steuerpflichtigen selbst oder seines (Ehe-)Partners auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag, durch eine Behinderung des Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2 EStG 1988), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird,
so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
(…)
§ 3 (1) Für Körperbehinderte, die zur Fortbewegung ein eigenes Kraftfahrzeug benützen, ist zur Abgeltung der Mehraufwendungen für besondere Behindertenvorrichtungen und für den Umstand, daß ein Massenbeförderungsmittel auf Grund der Behinderung nicht benützt werden kann, ein Freibetrag von 190 Euro monatlich zu berücksichtigen. Die Körperbehinderung ist durch eine Bescheinigung gemäß § 29b der Straßenverkehrsordnung 1960 oder einen Bescheid über die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 2 Abs. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1952, gemäß § 2 Abs. 1 Z 12 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1992 oder gemäß § 4 Abs. 3 Z 9 des Versicherungssteuergesetzes 1953 nachzuweisen.
§ 4 Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.
§ 5 (1) Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262 Euro vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) zu berücksichtigen.
(…)
Das BFG hat erwogen
Der Beschwerdeführer hat in seinem Antrag die strittigen KFZ-Kosten als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt aus der Behinderung seines Sohnes geltend gemacht. Ergänzend führte er in der Berufung an, dass nichts anderes vorliege als ein Fall des § 3 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen.
Der Abzug von Mehraufwendungen für behinderte Kinder, für die erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird, ist vom Gesetz in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt:
Grundsätzlich sind gem. § 34 Abs 1 EStG nur Aufwendungen abzugsfähig, die außergewöhnlich sind, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen (). Fehlt es an einer Voraussetzung ist der Abzug ausgeschlossen.
Im Beschwerdefall ist der Aufwand nicht außergewöhnlich, weil der Mehrzahl der Steuerpflichtigen Kosten aus der Wartung eines KFZ erwachsen. Damit erübrigen sich weitere Prüfungen wie die der Zwangsläufigkeit oder des Selbstbehaltes (der im Beschwerdefall die Kosten übersteigen würde).
Für Behinderte sieht das Gesetz weitere Abzugsmöglichkeiten ohne Selbstbehalt vor, die jedoch zusätzlich betragsmäßig eingeschränkt sind: Gemäß § 34 Abs 6 EStG 1988 können Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, abgezogen werden, wenn sie in ursächlichem Zusammenhang mit der Behinderung stehen (vgl. Baldauf in Jakom, EStG § 35 Tz 13). Der Abzug ist allerdings nur insoweit möglich, als der Aufwand die Summe der pflegebedingten Geldleistungen übersteigt. Abgesehen vom ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung sind die geltend gemachten Kosten im Beschwerdefall geringer als das Pflegegeld weshalb ein Abzug schon aus rechnerischen Gründen unmöglich ist.
Die Verordnung über außergewöhnliche Belastungen bei Behinderung wiederum sieht den Abzug von Pauschalbeträgen - wie den in der Berufung erwähnten Freibetrag für ein behindertengerechtes KFZ - nur für Aufwendungen vor, die durch eine Behinderung des Kindes verursacht sind, für das keineerhöhte Familienbeihilfe gewährt wird (vgl. Doralt, EStG15 § 35 Rz 19/1). Damit scheidet dieser Abzug aus, weil der Bf. erhöhte Familienbeihilfe bezieht.
Für den Beschwerdefall, in dem der Bf. erhöhte Familienbeihilfe bezieht, sieht § 5 der Verordnung den Abzug ( ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten) von monatlich 262 Euro vor. Dieser Betrag vermindert sich jedoch wieder um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen weshalb der Abzug beim Bf. zu keinen finanziellen Auswirkungen führt.
Der Aufwand fällt damit unter keinen im Gesetz vorgesehenen Abzugsposten bzw. aufgrund der gesetzlich gebotenen Gegenrechnung mit dem Pflegegeld zu keinen finanziellen Auswirkungen beim Bf. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 § 34 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 35 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2016:RV.2100567.2012 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at