Kosten in Zusammenhang mit einer Behinderung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache
Beschwerdeführer, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des FA Bruck Leoben Mürzzuschlag vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2009 und 2010 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf) leidet laut ärztlicher Bestätigung unter Gonarthrose ( Kniegelenksarthrose; vorzeitiger Verschleiß der knorpeligen Gelenkflächen des Kniegelenkes) die zu einer 30%igen Behinderung führt. Die Therapie besteht (laut der oben erwähnten Bestätigung) aus der Einnahme von NSAR und Medikamenten, die den Knorpel schützen sowie diversen Salben und Gelen. Wegen dieser Erkrankung benötigt er laut Bestätigung zusätzlich eine Physiotherapie. Auch Heilthermenbesuche mit dem zusätzlichen Angebot einer medizinischen oder physikalischen Therapie sollte er nutzen (ärztlich empfohlen).
Für die Streitjahre 2009 und 2010 hat der Bf. eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens angeregt, weil er vergessen hat, hier nicht strittige Aufwendungen in Zusammenhang mit seinen Kindern geltend zu machen. Das Finanzamt nahm die Wiederaufnahme zum Anlass, Nachweise über die Kosten aus der eigenen Behinderung anzufordern. Im Jahr 2009 beantragte der Bf. Kosten iHv 1.991,03 Euro und im Jahr 2010 Kosten iHv 1.416,78 Euro. Nach Kontrolle der beigebrachten Unterlagen setzte das Finanzamt im Jahr 2009 245,91 Euro als abzugsfähige nachgewiesene Kosten wegen Behinderung fest und begründete die Kürzung der Kosten damit, dass die Übungen im Gesundheitszentrum bzw. Massagen ohne ärztliche Verschreibung bzw. ohne Physiotherapeuten durchgeführt wurden weshalb eine Berücksichtigung als Heilbehandlung nicht möglich sei. Im Jahr 2010 kürzte das Finanzamt die abzugsfähigen Aufwendungen um 1.255,36 Euro für Teilkörpermassagen, Abos des Gesundheitszentrums, Stärkungsmittel, Nahrungsergänzungsmittel, Mittel zur Muskelentspannung und Energieaktivierung sowie um Hustentropfen auf 161,42 Euro. Begründend führte das Finanzamt dazu an, dass eine ärztliche Verordnung nicht erfolgt ist und keine Heilbehandlung gegeben sei.
In der gegen beide Bescheid erhobenen Berufung (nunmehr Beschwerde) erklärte der Bf, dass er sich die Therapien hätte verschreiben lassen können und dass die fehlende Verschreibung nichts daran ändere, dass es sich um zusätzliche Kosten wegen Behinderung handelt.
Im dem Bf. zugegangenen Vorlagebericht führte das Finanzamt zum Sachverhalt ergänzend aus, dass die Massagen durch eine „gewerbliche Masseurin" durchgeführt wurden, die laut Homepage des Bundesverbandes der Heilmasseure und medizinischen Masseure Österreichs nicht berechtigt ist, Heilbehandlungen durchzuführen. Das Abo Gesundheitszentrum betreffe laut telefonischer Besprechung mit dem Bf. den allgemeinen Zugang zum Gesundheitszentrum und speziell den Zugang zum Fitnessraum mit verschiedenen Geräten. Die Übungen seien in den Vorjahren mit Therapeuten eingeübt worden und können seitdem ohne ärztliche Überwachung bzw. ohne weitere Anleitung durch fachkundiges Personal durchgeführt werden. Hinsichtlich der medizinischen Präperate wurde seitens des Finanzamtes um Vorlage einer ärztlichen Verordnung ersucht, die laut Vorlagebericht nicht beigebracht werden konnte. Stattdessen konnte nur eine ärztliche „Empfehlung“ vorgelegt werden.
Der Bf. hat sich aktenkundig dazu nicht mehr geäußert.
Rechtslage
Außergewöhnliche Belastung
§ 34 (1) EStG 1988: Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
(…)
(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden: (…)
– Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).
– Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
§ 35. (1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen
- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung, (…)
und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.
(…)
(5) Anstelle des Freibetrages können auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6).
Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl II 303/1996 idF BGBl II 91/1998:
§ 1. (1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen
– durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung, (…)
so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
(…)
§ 4. Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.
Das BFG hat erwogen
Der Bf. ist unstrittig zu 30% behindert und möchte an Stelle des pauschalen Freibetrages die tatsächlichen Kosten in Zusammenhang mit seiner Behinderung geltend machen. Aufgrund des § 34 Abs 6 EStG 1988 iVm §§ 1 und 4 VO über außergewöhnliche Belastungen kann er nachgewiesene Aufwendungen für Heilbehandlungen (§ 4 VO), die durch seine Behinderung bedingt waren, als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt geltend machen.
Kosten der Heilbehandlung (§ 4 VO) sind Kosten für den Arzt, das Spital, ärztlich verordnete Kuren, Therapien und Medikamente, sofern sie mit der Behinderung in Zusammenhang stehen (vgl. Jakom/Baldauf EStG 2015, § 35 Rz 27; ).
Da die getätigten Maßnahmen nachweislich zur Heilung oder Linderung der Krankheit (Behinderung) notwendig sein müssen, fordern Lehre und Rechtsprechung für die Anerkennung der entsprechenden Aufwendungen als Nachweis jedenfalls eine ärztliche Verordnung , aus der sich die medizinische Notwendigkeit der betreffenden Maßnahme klar ergibt und die noch vor Beginn der Behandlungsleistungen zu erfolgen hat (; mwN; ). Das Vorliegen einer ärztlichen Verschreibung im Rahmen eines ärztlichen Behandlungsplanes ist insbesondere bei Kosten, die durch die allgemeine Lebensführung verursacht sein können ( mwN) wie der Besuch von Heilthermen, Fitnessstudios oder Massagen, unerlässlich, um eine nachweisbare Abgrenzung von Aufwendungen für die Vorbeugung von Krankheiten sowie für die Erhaltung der Gesundheit, die nach einhelliger Rechtsmeinung nicht abzugsfähig sind, treffen zu können (vgl. Doralt,EStG11, § 34 Rz 78 "Krankheitskosten"). Zu derartigen (nicht abzugsfähigen) allgemeinen Gesundheitsvorsorgemaßnahmen zählen auch Aufwendungen für Stärkungsmittel, Vitaminpräparate, Nahrungsergänzungsmittel oder Körperpflegeprodukte, außer die Verwendung ist im Einzelfall medizinisch indiziert, was der Steuerpflichtige nachzuweisen hat. Eine ärztliche Verschreibung ist auch für Behandlungsleistungen durch nichtärztliches medizinisches Personal erforderlich (Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG, § 34 Anm. 78 "Krankheitskosten").
In seinem Erkenntnis , hat der Verwaltungsgerichtshof bekräftigt, dass dieses Erfordernis einer ärztlichen Verordnung vor Beginn der Behandlung auch für den Besuch von Fitnessstudios gilt. In diesem Zusammenhang hat er auch auf ein Urteil des deutschen Bundesfinanzhofes BFH , III R 67/96, hingewiesen, in dem dieser betreffend Aufwendungen für eine "medizinische Trainingstherapie" in einem ärztlich betreuten Sportstudio die Notwendigkeit eines vorfeldweisen ärztlichen Gutachtens hervorgestrichen hat, weil derartige Aufwendungen ihrer Natur nach nicht ausschließlich von Kranken, sondern mitunter auch von Gesunden getätigt werden, um ihre Gesundheit zu erhalten, ihr Wohlbefinden zu steigern oder ihre Freizeit sinnvoll und erfüllt zu gestalten (so auch ).
Der Bf. hat seinem Antrag Kosten zugrunde gelegt, die er (subjektiv) in Hinblick auf die Erhaltung bzw. Verbesserung seiner Gesundheit getätigt hat. Das sind jedoch nicht zwangsläufig Kosten einer Heilbehandlung, die als tatsächlichen Kosten in Zusammenhang mit seiner Behinderung als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt in Abzug zu bringen sind.
So wurden die Massagen im Jahr 2009 und 2010 laut vorliegenden Rechnungen von einer „gewerblichen Masseurin“ durchgeführt. Wie das Finanzamt in seinem Vorlagebericht angeführt hat, sind gewerbliche Masseure nicht berechtigt, Heilbehandlungen durchzuführen. Damit kann schon nach allgemeinen Begriffen keine Heilbehandlung vorliegen. Dasselbe gilt für das Abo im Gesundheitszentrum (2009 und 2010), in dem laut Vorlagebericht Übungen ohne ärztliche Überwachung bzw. ohne Anleitung durch fachkundiges Personal durchgeführt werden. Wie bei allen anderen Steuerpflichtigen der Besuch des Fitnessstudios der Verbesserung der Gesundheit zuträglich ist, dient der Besuch des Gesundheitszentrums beim Bf. auch nicht der Heilbehandlung im engeren Sinn, sondern der Verbesserung der allgemeinen Beweglichkeit und stellt keine Heilbehandlung iSd § 4 der VO dar.
Im Jahr 2010 wurden zusätzlich dazu Aufwendungen für Stärkungsmittel, Nahrungsergänzungsmittel, Mittel zur Muskelentspannung und Energieaktivierung sowie Hustentropfen in Abzug gebracht. Hustentropfen haben sicher nichts mit dem Knie zu tun und können damit schon begrifflich keine Heilbehandlung im Zusammenhang mit der Behinderung darstellen. Aber auch für die übrigen Mittel gilt, dass sie – wie in einer telefonischen Besprechung des Finanzamtes mit dem Bf. erklärt – nicht unmittelbar im Zusammenhang mit ärztlichen Therapien stehen und daher nicht abzugsfähig sind.
Der Nachweis oder die Glaubhaftmachung einer außergewöhnlichen Belastung im Zusammenhang mit der Behinderung obliegt in erster Linie der Partei (vgl. Doralt, EStG11, § 34 Tz 7 und die dort zit. Jud.; Fuchs in Hofstätter/Reichel, EStG, § 34 Abs. 1 Tz 23 und die dort zit. Jud.; ). Der Bf. ist daher bei Geltendmachung höherer Beträge als der Pauschbeträge als außergewöhnliche Belastung zu einer den ursächlichen Zusammenhang von Heilbehandlungen mit der Behinderung erkennen lassenden Darstellung verpflichtet ( mwN). Aktenkundig konnte der Bf. den Ausführungen im Vorlagebericht nichts hinzufügen. Besondere Umstände, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten, sind daher auszuschließen.
In der Beschwerde hat der Bf. schließlich darauf verwiesen, dass er in den Vorjahren alle Bestätigungen vorlegen musste und ihn damals niemand darauf aufmerksam gemacht hat, dass er auch in Zukunft ärztliche Bestätigungen für die Massagen und Medizinprodukte vorlegen müsse.
Dieses Vorbringen kann nur als Verweis auf den Grundsatz von Treu und Glaube verstanden werden. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes schützt der Grundsatz von Treu und Glauben den Abgabepflichtigen dann, wenn er im Hinblick auf eine nicht offenkundig unrichtige Auskunft Dispositionen getroffen hat, die zu einem Vertrauensschaden führen (vgl Ritz, BAO5, § 114 Tz 11 mit vielen Verweisen auf die Judikatur des VwGH). Das Finanzamt hat jedoch überhaupt keine Auskunft gegeben. Das war offenbar auch nicht nötig, weil in den Vorjahren (wie vom Bf. selbst angegeben) sämtliche Voraussetzungen für die Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen ohne Selbstbehalt gegeben waren. Selbst wenn das Finanzamt in den Vorjahren eine unrichtige Veranlagung vorgenommen hätte, wäre der Bf. nicht durch den Grundsatz von Treu und Glaube geschützt, weil die Judikatur des VwGH das Vertrauen von Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit von unrichtigen Veranlagungen nicht schützt (Ritz, BAO5, § 114 Tz 9 mwN).
Abgesehen davon, können Übungen in einem Gesundheitszentrum (Fitnessstudio), die ohne Anleitung durchgeführt werden, auch mit „ärztlicher Verschreibung“ (vgl das Argument des Bf., er hätte sich die „Therapien verschreiben lassen können“) ebenso wenig wie „einfache Massagen“ Heilbehandlungen iSd Gesetzes darstellen.
Die Kürzung der Aufwendungen erfolgte im Sinne des Gesetzes. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 4 Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 |
Zitiert/besprochen in | Schantl in BFGjournal 2017, 96 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2016:RV.2100762.2012 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at