Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 29.07.2016, RV/7103010/2015

Beschwerde oder Antrag gemäß § 295a BAO?

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7103010/2015-RS1
Hier: Keine Beschwerde knapp zwei Jahre nach Bescheiderlassung, sondern Antrag nach § 295a BAO.
RV/7103010/2015-RS2
Wird ein Rechtsmittel mittels eines im Infocenter der im Finanzzentrum Wien Marxergasse 4 untergebrachten Finanzämter aufgelegten Formulars für Bescheidbeschwerden erhoben, ist zu beachten, dass es sich hierbei offenkundig um ein "Universalformular" handelt und offenkundig für die jeweils in Betracht kommenden Verfahrenshandlungen gesonderte Formulare nicht vorhanden sind, sodass bei Verwendung dieses, soweit ersichtlich vom Bundesministerium für Finanzen nicht autorisierten, Formulars durch unkundige Parteien hinsichtlich der Beurteilung der beabsichtigten Verfahrenshandlung Vorsicht geboten ist.
Folgerechtssätze
RV/7103010/2015-RS1
wie RV/7102796/2014-RS1
Stehen dem Steuerpflichtigen mehrere verfahrensrechtliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Bescheiden und zur Durchsetzung seines Rechtsstandpunkts zur Verfügung, ist davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige nicht eine Maßnahme wählt, die infolge Fristversäumnis schon von vornhinein zum Scheitern verurteilt ist, sondern einen Antrag stellen möchte, der einer inhaltlichen Erledigung zugänglich ist.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Elisabeth Wanke in der Beschwerdesache A B, Adresse_1160, hinsichtlich eines als "Beschwerde" bezeichneten, mit datierten und am beim Finanzamt eingebrachten Anbringens betreffend den Bescheid des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf, 1030 Wien, Marxergasse 4, vom , wonach zu Unrecht bezogene Beträge an Familienbeihilfe (€ 6.779,90 €) und Kinderabsetzbetrag (€ 2.978,40) für die im Mai 2000 geborene C B, für die im August 2008 geborene D B und für den im Juli 2010 geborenen E B für den Zeitraum November 2010 bis März 2012 gemäß § 26 FLAG 1967 und § 33 EStG 1988 zurückgefordert werden, Gesamtrückforderungsbetrag € 9.758,30, Sozialversicherungsnummer X, den Beschluss gefasst:

I. Die Beschwerdevorentscheidung vom , mit welcher eine Beschwerde des A B vom gegen den Rückforderungsbescheid vom gemäß § 260 BAO zurückgewiesen wird, wird gemäß § 279 BAO  ersatzlos aufgehoben.

II. Das Beschwerdeverfahren betreffend eine Beschwerde des A B vom gegen den Rückforderungsbescheid vom wird eingestellt.

III. Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 4 und Abs. 9 B-VG i. V. m. § 25a VwGG eine Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Rückforderungsbescheid

Das Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf erließ gegenüber dem vermeintlichen Beschwerdeführer (Bf) AB per Adresse Adresse_1120 mit Datum einen Bescheid, mit welchem es zu Unrecht bezogene Beträge an Familienbeihilfe (€ 6.779,90 €) und Kinderabsetzbetrag (€ 2.978,40) für die im Mai 2000 geborenen C B, für die im August 2008 geborene D B und für den im Juli 2010 geborenen E B für den Zeitraum November 2010 bis März 2012 gemäß § 26 FLAG 1967 und § 33 EStG 1988 zurückforderte.

Der Bescheid wurde dahingehend begründet, dass Personen, denen der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei, nur Familienbeihilfe gewährt werde, "wenn sie oder ein anderes Familienmitglied keinen Anspruch auf eine Leistung aus der Grundversorgung haben und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind". Da die Ehefrau G H F Grundversorgung für zwei Erwachsene und drei minderjährige Kinder erhalten habe, sei wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden gewesen.

Laut Bildschirmausdruck aus dem elektronischen Beihilfenprogramm langte der Bescheid als "nicht behoben" zurück, die Adresse sei laut ZMR-Abfrage aufrecht (aus dem Zentralen Melderegister ergibt sich, dass der Bf vom bis an der Anschrift Adresse_1120 gemeldet war).

Es ist ein Formular "Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe"aktenkundig, welches dem Bf vom Finanzamt am zugesandt und von diesem dem Finanzamt zurückgesandt wurde (das Formular enthält kein Unterfertigungsdatum und auch keinen Eingangsvermerk des Finanzamts, nur Ablagevermerke mit Datum bzw. 08.AUG.2012). In diesem Formular hat der Bf die vorgedruckte Adresse ausgebessert und in Adresse_1120 geändert.

Beschwerde

Unter Verwendung eines "internen" Formulars des Finanzamts erhob der Bf unter Angabe der Anschrift Adresse_1110 mit Datum (ausdrücklich als solche bezeichnete), eingebracht am , adressiert (die entsprechenden Kästchen sind angehakt) an die Finanzämter "1/23" und "3/6/7/11/15 SW, Gerasdorf", Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid vom mit dem ersichtlichen Antrag (einen ausdrücklichen Antrag sieht das Formular nicht vor) auf dessen Aufhebung. Die Begründung dafür lautet:

ich habe von 11.2010 bis 03.2012 familienbeihilfe und kinderabsetzbetrag bezogen. mein frau hat zur gleichen zeit aufgrund eines Missverständnis Grundversorgung bekommen. Nach Rücksprache mit dem fsw und dem Finanzamt kamen wir überein, dass ich die Grundversorgung zurückzahle und kinderabsetzbetrag und familienbeihilfe nicht zahlen muss

Die Aussetzung des strittigen Betrages von € 9.758,30 bis zur Erledigung der Beschwerde wurde beantragt (das am internen Formular vorgesehene Kästchen ist zwar nicht angekreuzt, aber durch die Anführung des Betrages ergibt sich, dass der Bf die Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO beantragte).

Angeschlossen war eine Bestätigung der Caritas und des Fonds Soziales Wien vom über GVS-Leistungsbezug, worin G H F bestätigt wird:

Zwischen November 2010 und März 2012 haben drei Kinder zu Unrecht Geldleistungen über die Grundversorgung bezogen, da sie ebenfalls Familienbeihilfe bezogen haben und somit kein Anspruch bestand.

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf die "Beschwerde vom von Herrn B A, ..., gegen den Rückforderungsbescheid vom betreffend Familienbeihilfe für die Kinder B C, B Abudaker und B D für den Zeitraum Nov. 2010 - März 2012" gemäß § 260 BAO zurück, da die Beschwerde nicht fristgerecht eingebracht worden sei.

Gemäß § Abs. 1 BAO betrage die Beschwerdefrist (ab ) bzw. Berufungsfrist (gültig bis ) einen Monat ab Bekanntgabe des Bescheides.

Der strittige Bescheid sei mit Zustellnachweis durch Hinterlegung vom mit Beginn der Abholfrist ab an den damaligen Wohnsitz in Adresse_1120 zugestellt worden.

Demnach habe die "Frist zur Einbringung einer Berufung/Beschwerde genau einen Monat nach Zustellung des Bescheides, also am " geendet.

Die erst am eingebrachte Beschwerde sei daher verspätet und zurückzuweisen.

Vorlageantrag

Mit Schreiben vom , beim Finanzamt am persönlich überreicht stellte der Bf Vorlageantrag:

Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde/Vorlageantrag AV01 BA

Sehr geehrte Damen und Herren!

Hiermit erhebe ich fristgerecht innerhalb eines Monats nach Zustellung gegen die von Ihnen an mich zugestellte Beschwerdevorentscheidung vom Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde.

Derzeit wird sowohl die Familienbeihilfe vom Finanzamt einbehalten, als auch die zu Unrecht bezogene Grundversorgung von mir zurückgefordert.

Ich zahle derzeit die Grundversorgung zurück und erhebe deshalb gegen Ihre Beschwerdevorentscheidung vom Einspruch (Vorlageantrag).

Mit der Bitte um Kenntnisnahme sowie Rückmeldung verbleibe ich...

Vorlage

Mit Bericht vom legte das Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte aus:

Sachverhalt:

„Am wurde an den Beschwerdeführer ein Rückforderungsbescheid betreffend die Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag für drei Kinder für den Zeitraum 11/2010 - 03/2012 erlassen. Dieser Bescheid wurde mit Zustellnachweis durch Hinterlegung mit Abholfrist ab an die damalige Adresse in Wien 12 zugestellt.“

„Der Beschwerdeführer hat während der Hinterlegungsfrist den Bescheid nicht behoben, somit wurde der Bescheid mit dem Vermerk "nicht behoben" an das Finanzamt retourniert.“

„Laut Zentralem Melderegister war Herr B und dessen gesamte Familie an der Zustelladresse zum Zeitpunkt der Zustellung als Hauptwohnsitz gemeldet und hat der Beschwerdeführer selbst in dem retournierten Überprüfungsschreiben die nämliche Adresse als Wohnadresse angegeben. Der Bescheid gilt demnach als ordnungsgemäß zugestellt gem. § 17 ZustellG.“

„Die Rechtsmittelfrist gegen den Rückforderungsbescheid ist somit am abgelaufen. Erst am wurde vom Beschwerdeführer eine Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid vom eingebracht. Die Beschwerde wurde als verspätet zurückgewiesen.“

„Beweismittel:“

„Rückscheinkuvert“

„Überprüfungsschreiben mit Angabe der Adresse in Adresse_1120“

„Ausdrucke aus dem Zentralen Melderegister mit der Meldeadresse der gesamten Familie an der Adresse Adresse_1120“

„Stellungnahme:“

„Vom Beschwerdeführer wurden hinsichtlich der Zustellung des Bescheides keine Einwände gebracht.“

„Die Begründung der Beschwerde richtet sich ausschließlich gegen sachinhaltliche Belange.“

„Somit beantragt das Finanzamt, die Beschwerde wegen entschiedener Rechtssache bzw. wegen verspäteter Einbringung der Beschwerde () gegen den Rückforderungsbescheid vom zurückzuweisen.“

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt geht aus der oben wiedergegebenen Darstellung im Vorlagebericht des Finanzamts hervor.

So wurde der Rückforderungsbescheid vom  dem Bf durch Hinterlegung am  mit Abholfrist ab an seine damalige Adresse in Adresse_1120 zugestellt. Der Bf hat während der Hinterlegungsfrist den Bescheid nicht behoben.

Am wurde vom Bf eine als "Beschwerde" bezeichnete Eingabe betreffend den Rückforderungsbescheid vom beim Finanzamt eingebracht. In dieser Eingabe wird vorgebracht, dass der Bf die im Rückforderungszeitraum erhaltene Grundversorgung zurückzahlen wird und er davon ausgeht, dass er deswegen Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Rückforderungszeitraum nicht zurückzahlen muss.

Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage.

Der Bf hat den diesbezüglichen Feststellungen in der Beschwerdevorentscheidung und jenen im Vorlagebericht nicht widersprochen.

Rechtsgrundlagen

§ 85 BAO lautet:

§ 85. (1) Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) sind vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben).

(2) Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) berechtigen die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, daß die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

(3) Die Abgabenbehörde hat mündliche Anbringen der im Abs. 1 bezeichneten Art entgegenzunehmen,

a) wenn dies die Abgabenvorschriften vorsehen, oder

b) wenn dies für die Abwicklung des Abgabenverfahrens zweckmäßig ist, oder

c) wenn die Schriftform dem Einschreiter nach seinen persönlichen Verhältnissen nicht zugemutet werden kann. Zur Entgegennahme mündlicher Anbringen ist die Abgabenbehörde nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Amtsstunden verpflichtet, die bei der Abgabenbehörde durch Anschlag kundzumachen sind.

(4) Wird ein Anbringen (Abs. 1 oder 3) nicht vom Abgabepflichtigen selbst vorgebracht, ohne daß sich der Einschreiter durch eine schriftliche Vollmacht ausweisen kann und ohne daß § 83 Abs. 4 Anwendung findet, gelten für die nachträgliche Beibringung der Vollmacht die Bestimmungen des Abs. 2 sinngemäß.

(5) Der Einschreiter hat auf Verlangen der Abgabenbehörde eine beglaubigte Übersetzung einem Anbringen (Abs. 1 oder 3) beigelegter Unterlagen beizubringen.

§ 113 BAO lautet:

§ 113. Die Abgabenbehörden haben den Parteien, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, auf Verlangen die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben und sie über die mit ihren Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren; diese Anleitungen und Belehrungen können auch mündlich erteilt werden, worüber erforderlichenfalls ein Aktenvermerk aufzunehmen ist.

§ 243 BAO lautet:

§ 243. Gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, sind Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

§ 243 BAO lautete bis :

§ 243. Gegen Bescheide, die Abgabenbehörden in erster Instanz erlassen, sind Berufungen zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

§ 245 BAO lautet:

§ 245. (1) Die Beschwerdefrist beträgt einen Monat. Enthält ein Bescheid die Ankündigung, dass noch eine Begründung zum Bescheid ergehen wird, so wird die Beschwerdefrist nicht vor Bekanntgabe der fehlenden Begründung oder der Mitteilung, dass die Ankündigung als gegenstandslos zu betrachten ist, in Lauf gesetzt. Dies gilt sinngemäß, wenn ein Bescheid auf einen Bericht (§ 150) verweist.

(2) Durch einen Antrag auf Mitteilung der einem Bescheid ganz oder teilweise fehlenden Begründung (§ 93 Abs. 3 lit. a) wird der Lauf der Beschwerdefrist gehemmt.

(3) Die Beschwerdefrist ist auf Antrag von der Abgabenbehörde aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, zu verlängern. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Beschwerdefrist gehemmt.

(4) Die Hemmung des Fristenlaufes beginnt mit dem Tag der Einbringung des Antrages (Abs. 2 oder 3) und endet mit dem Tag, an dem die Mitteilung (Abs. 2) oder die Entscheidung (Abs. 3) über den Antrag dem Antragsteller zugestellt wird. In den Fällen des Abs. 3 kann jedoch die Hemmung nicht dazu führen, dass die Beschwerdefrist erst nach dem Zeitpunkt, bis zu dem letztmals ihre Verlängerung beantragt wurde, abläuft.

(5) Abs. 3 und 4 gelten sinngemäß für Anträge auf Verlängerung der Frist des § 85 Abs. 2 bei Mängeln von Beschwerden.

§ 245 BAO lautete bis :

§ 245. (1) Die Berufungsfrist beträgt einen Monat. Enthält ein Bescheid die Ankündigung, daß noch eine Begründung zum Bescheid ergehen wird, so wird die Berufungsfrist nicht vor Bekanntgabe der fehlenden Begründung oder der Mitteilung, daß die Ankündigung als gegenstandslos zu betrachten ist, in Lauf gesetzt.

(2) Durch einen Antrag auf Mitteilung der einem Bescheid ganz oder teilweise fehlenden Begründung (§ 93 Abs. 3 lit. a) wird der Lauf der Berufungsfrist gehemmt.

(3) Die Berufungsfrist kann aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, verlängert werden. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Berufungsfrist gehemmt.

(4) Die Hemmung des Fristenlaufes beginnt mit dem Tag der Einbringung des Antrages (Abs. 2 oder 3) und endet mit dem Tag, an dem die Mitteilung (Abs. 2) oder die Entscheidung (Abs. 3) über den Antrag dem Antragsteller zugestellt wird. In den Fällen des Abs. 3 kann jedoch die Hemmung nicht dazu führen, daß die Berufungsfrist erst nach dem Zeitpunkt, bis zu dem letztmals ihre Verlängerung beantragt wurde, abläuft.

§ 250 BAO lautet:

§ 250. (1) Die Bescheidbeschwerde hat zu enthalten:

a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;

b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;

c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;

d) eine Begründung.

(2) Wird mit Bescheidbeschwerde die Einreihung einer Ware in den Zolltarif angefochten, so sind der Bescheidbeschwerde Muster, Abbildungen oder Beschreibungen, aus denen die für die Einreihung maßgeblichen Merkmale der Ware hervorgehen, beizugeben. Ferner ist nachzuweisen, dass die den Gegenstand des angefochtenen Bescheides bildende Ware mit diesen Mustern, Abbildungen oder Beschreibungen übereinstimmt.

§ 260 BAO lautet:

§ 260. (1) Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie a) nicht zulässig ist oder b) nicht fristgerecht eingebracht wurde. (2) Eine Bescheidbeschwerde darf nicht deshalb als unzulässig zurückgewiesen werden, weil sie vor Beginn der Beschwerdefrist eingebracht wurde.

§ 295a BAO lautet:

§ 295a. (1) Ein Bescheid kann auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat.

(2) Die Entscheidung über die Abänderung steht der Abgabenbehörde zu, die für die Erlassung des abzuändernden Bescheides zuständig war oder vor Übergang der Zuständigkeit als Folge einer Bescheidbeschwerde oder einer Säumnisbeschwerde (§ 284 Abs. 3) zuständig gewesen wäre. Ist die diesbezügliche Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen, so steht die Entscheidung der zuletzt zuständig gewordenen Abgabenbehörde zu.

§ 302 BAO lautet:

§ 302. (1) Abänderungen, Zurücknahmen und Aufhebungen von Bescheiden sind, soweit nicht anderes bestimmt ist, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist, Aufhebungen gemäß § 299 jedoch bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe (§ 97) des Bescheides zulässig.

(2) Darüber hinaus sind zulässig:

a) Berichtigungen nach § 293 innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft des zu berichtigenden Bescheides oder wenn der Antrag auf Berichtigung innerhalb dieses Jahres eingebracht ist, auch nach Ablauf dieses Jahres;

b) Aufhebungen nach § 299 auch dann, wenn der Antrag auf Aufhebung vor Ablauf der sich aus Abs. 1 ergebenden Jahresfrist eingebracht ist.

§ 17 Zustellgesetz lautet:

§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

§ 3 FLAG 1967 lautete i.d.F. BGBl. I Nr. 168/2006:

§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(3) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen nach dem Asylgesetz 2005 Asyl gewährt wurde.

(4) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.

(5) In den Fällen des Abs. 2, Abs. 3 letzter Satz und Abs. 4 letzter Satz wird für nachgeborene Kinder die Familienbeihilfe rückwirkend gewährt. Gleiches gilt für Adoptiv- und Pflegekinder, rückwirkend bis zur Begründung des Mittelpunktes der Lebensinteressen im Bundesgebiet (§ 2 Abs. 8) durch den Elternteil und das Kind. Als nachgeborene Kinder gelten jene Kinder, die nach dem Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels oder der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten an den zusammenführenden Fremden geboren werden.

Beschwerde

Der Bf hat seine Eingabe vom , eingebracht am , ausdrücklich als "Beschwerde" bezeichnet und zum Ausdruck gebracht, "Beschwerde" gegen den Rückforderungsbescheid einzulegen und die Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO zu beantragen.

Allerdings ist zu beachten, dass der Bf für sein Rechtsmittel ein im Infocenter der im Finanzzentrum Wien Marxergasse 4 untergebrachten Finanzämter aufgelegtes Formular verwendet hat. Dass es sich dabei augenscheinlich um ein "Universalformular" handelt und offenbar für die jeweils in Betracht kommenden Verfahrenshandlungen nicht gesonderte Formulare vorhanden sind, ist gerichtsnotorisch, da in vielen beim Bundesfinanzgericht anhängigen und anhängig gewesenen Fällen von unkundigen Parteien zum Beispiel auch Vorlageanträge unter Verwendung dieses Formulars erhoben werden. Bei Verwendung dieses, soweit ersichtlich vom Bundesministerium für Finanzen nicht autorisierten Formulars (das im Übrigen, im Gegensatz zu im Internet für jedermann abrufbaren Mustern für Beschwerden und Vorlageanträge etwa der Wirtschaftskammer oder der Arbeiterkammer, auch als Formular für eine Bescheidbeschwerde fehlerhaft ist, da es die wesentlichen Beschwerdemerkmale nach § 250 Abs. 1 BAO nicht vollständig enthält), ist daher hinsichtlich der Beurteilung der beabsichtigten Verfahrenshandlung Vorsicht geboten.

Auch wenn die Eingabe auf dem Formular ausdrücklich als "Beschwerde" bezeichnet wird und das im Formular vorgesehene Feld für einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO ausgefüllt, aber nicht angekreuzt wurde (was nur bei einer Bescheidbeschwerde, nicht aber bei einem anderen Rechtsbehelf zulässig ist, vgl. ), ist im Gesamtzusammenhang nicht davon auszugehen, dass der Bf tatsächlich eine längst verspätete Beschwerde gegen den Bescheid vom erheben wollte.

Stehen dem Steuerpflichtigen mehrere verfahrensrechtliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Bescheiden und zur Durchsetzung seines Rechtsstandpunkts zur Verfügung, ist davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige nicht eine Maßnahme wählt, die infolge Fristversäumnis schon von vornhinein zum Scheitern verurteilt ist, sondern einen Antrag stellen möchte, der einer inhaltlichen Erledigung zugänglich ist (vgl. ; ; ; ; jeweils m.w.N.). 

Verspätete Beschwerde

Wäre die Eingabe vom als Beschwerde anzusehen, wäre diese verspätet:

Gemäß § 245 Abs. 1 BAO beträgt die Beschwerdefrist im Abgabenverfahren und gemäß § 2 lit. a BAO auch im Beihilfenverfahren ein Monat.

Wie den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen zu entnehmen ist, wurde der angefochtene Bescheid vom durch Hinterlegung am zugestellt. Die einmonatige Beschwerdefrist endete somit am Donnerstag, .

Da die mit datierte und am eingebrachte (vermeintliche) Beschwerde erst fast zwei Jahre nach Bescheiderlassung eingebracht wurde, wäre diese verspätet und gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO wegen Versäumung der Beschwerdefrist zurückzuweisen.

Antrag gemäß § 295a BAO

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts ist das Anbringen vom nicht als unzulässige Beschwerde anzusehen, sondern als Antrag gemäß § 295a BAO.

Nach dieser Bestimmung kann ein Bescheid auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat.

Offenbar geht der Bf in seinem Anbringen vom davon aus, dass die Absicht, die erhaltene Grundversorgung zurückzuzahlen oder der Umstand, dass seine Ehegattin für die drei verfahrensgegenständlichen Kinder zu Unrecht im Rückforderungszeitraum Grundversorgung bezogen haben soll, ein derartiges Ereignis darstellt.

Ob dem so ist, wird das Finanzamt zu prüfen haben. Nach der bisherigen Aktenlage steht sachverhaltsbezogen nicht fest, dass Leistungen aus der Grundversorgung für die Kinder zu Unrecht bezogen wurden und auch nicht, dass die Grundversorgungsleistungen für den Rückzahlungszeitraum tatsächlich zurückgezahlt wurden.

Laut aktenkundigen Bestätigungen des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, wurde der "Bedarfsgemeinschaft" bestehend aus A B, H F G, C B, D B und E B im Jahr 2010 Mindestsicherung von insgesamt € 6.888,30 und € 1.620,74, im Jahr 2011 Mindestsicherung von insgesamt € 5.651,97 und im Jahr 2012 Mindestsicherung von insgesamt € 5.799,53 geleistet. Darüberhinaus wurde laut aktenkundiger Bestätigung der Caritas im Auftrag des Fonds Soziales Wien an H F G im Zeitraum bis an Grundversorgung für zwei Erwachsene und drei minderjährige Kinder neben der Krankenversicherung ein Verpflegungsgeld von monatlich € 50,23 und ein Mietzuschuss von monatlich € 220,00 gewährt, wobei die Grundversorgungsleistungen wegen Leistungen des Arbeitsmarktservice an den Bf reduziert worden seien. Die Bestätigung der Caritas und des Fonds Soziales Wien vom über GVS-Leistungsbezug lässt nicht erkennen, aus welchen Gründen zu Unrecht Grundversorgung bezogen worden sein soll.

Steht der diesbezügliche Sachverhalt fest, wird das Finanzamt zu würdigen haben, ob dieser geeignet ist, einer Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum November 2010 bis März 2012 entgegenzustehen und ein Ereignis i.S.d. § 295a BAO vorliegt.

Der Antrag gemäß § 295a BAO ist gemäß § 85a BAO vom (zuständigen) Finanzamt zu erledigen. 

Revisionsnichtzulassung

Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 4 und Abs. 9 B-VG i. V. m. § 25a VwGG eine Revision nicht zulässig, da es sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Die Rechtsfolge ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, die Beurteilung von Tatfragen ist einer Revision nicht zugänglich.

Wien,

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 26 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 33 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 243 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 245 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 250 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.7103010.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at