Haftung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. H.G in der Beschwerdesache E.W, F.Str. 189/8, 12xd St.K, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes vom , betreffend Haftung gemäß § 14 Bundesabgabenordnung (BAO) zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und die Haftungssumme auf € 821,41 verringert.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) erwarb laut Rechnung vom das Inventar des Geschäftslokales A.K in einem Einkaufscenter um € 35.000,00 inklusive Mehrwertsteuer von der Ä GmbH (Verkäuferin), deren Betriebsgegenstand das Gastgewerbe gewesen ist.
Mit Beschluss des Landesgerichtes L vom wurde ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die GmbH mangels kostendeckendem Vermögens abgewiesen und das Konkursverfahrens nicht eröffnet (Firmenbuchauszug). Die GmbH wurde in der Folge aufgelöst. Der Beschwerdeführer machte als Käufer des Betriebsinventares Vorsteuern in Höhe von € 5.833,33 geltend.
Das Finanzamt zog den Bf. mit Bescheid vom zur Haftung für Umsatzsteuerzahllasten in Höhe von € 9.975,39 heran. Die Beträge wurden tabellarisch, wie folgt, dargestellt:
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Abgabenart | Zeitraum | Höhe in Euro |
Umsatzsteuer | 04/2011 | 1.008,89 |
Umsatzsteuer | 07/2011 | 1.942,68 |
Umsatzsteuer | 08/2011 | 799,75 |
Umsatzsteuer | 09/2011 | 390,74 |
Umsatzsteuer | 12/2011 | 5.833,33 |
9.975,39 |
In der Begründung wurde auf die Rechtslage verwiesen. Insbesondere wurde festgestellt, dass die Haftungsregelung gemäß § 14 BAO dazu diene, die im Unternehmen (Betrieb) bestehenden Abgabenschulden zu sichern. Die Haftung für Abgaben knüpfe dabei an die Übereignung des Unternehmens im Ganzen, also an den Übergang eines lebensfähigen Unternehmens. Dabei müssen nicht alle zum Unternehmen gehörigen Wirtschaftsgüter übereignet werden, sondern solche, welche die wesentliche Grundlage des Unternehmens bilden und den Erwerber in die Lage versetzen, das Unternehmen fortzuführen.
Die Frage, welche Wirtschaftsgüter die wesentliche Grundlage eines Betriebes darstellen sei in funktioneller Weise nach Betriebstypus zu beantworten. Bei einem Gastgewerbebetrieb stelle das Inventar und die Einrichtung die wesentliche Grundlage des Betriebes dar.
Der Beschwerdeführer habe das Unternehmen erworben und sind durch diesen Erwerb die Vorausetzungen für die Fortführung des Gastgewerbebetriebes gegeben.
Schließlich stellte das Finanzamt fest, dass die Abgaben bei der Primärschuldnerin infolge deren Auflösung und Liquidation nicht mehr einbringlich wären.
In der Berufung vom wendete der Beschwerdeführer ein, dass er keinen rechtsverbindlichen Bestandsvertrag für den Betrieb dieses Lokales abgeschlossen habe. Es gebe aus rein rechtlicher Sicht für ihn keine Möglichkeit dieses Unternehmen zu betreiben.
Weiters habe er als Käufer nicht wissen können, dass beim Verkäufer Abgabenschulden bestünden. Den Feststellungen des Finanzamtes lägen somit mit der Annahme der Unternehmensfortführung nicht vorhersehbare Zukunftsprognosen zu Grunde.
Schließlich wären die Abgabenschulden teilweise erst nach dem Erwerb entstanden und fällig geworden, sodass davon auszugehen sei, dass diese dem Erwerber nicht bekannt gewesen sein konnten. Es liege daher eine falsche Bescheidbegründung vor.
Das Finanzamt gab mit Berufungsvorentscheidung vom der Berufung teilweise statt und verringerte die Haftungssumme um die Umsatzsteuerzahllasten für den Monat Dezember 2011 in Höhe von € 5.833,33 auf den Betrag in Höhe von € 4.142,04. Zum Einwand, es liege keine Unternehmensfortführung vor, stellte das Finanzamt fest, dass aus den vom Beschwerdeführer eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen zu entnehmen sei, dass bereits ab Jänner 2012 mit diesem Geschäftslokal Umsätze erzielt wurden. Er habe ein Geschäftslokal übernommen und erziele damit Umsätze. Daher gehe das Finanzamt von einer Betriebsfortführung aus.
Der Beschwerdeführer selbst gab laut Aktenvermerk des Erhebungsorganes des Finanzamtes vom an, dass er dieses Lokal seit betreibe und die Ablöse in Höhe von € 35.000,00 bereits dem Verkäufer überwiesen habe.
Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage der Beschwerde an die Abgabenbehörde II. Instanz.
Das Bezirksgericht L eröffnete mit Beschluss vom über den Beschwerdeführer ein Schuldenregulierungsverfahren ohne Eigenverwaltung. Nach Annahme des Sanierungsplanes mit einer Quote iHv. 20% wurde mit Beschluss vom die Rechtskraft des Sanierungsplanes bestätigt und das Schuldenregulierungsverfahren aufgehoben.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Wird ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet, so haftet der Erwerber gemäß § 14 Abs. 1 BAO
a) für Abgaben, bei denen die Abgabepflicht sich auf den Betrieb des Unternehmens gründet, soweit die Abgaben auf die Zeit seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen;
b) für Steuerabzugsbeträge, die seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres abzuführen waren.
Dies gilt nur insoweit, als der Erwerber im Zeitpunkt der Übereignung die in Betracht kommenden Schulden kannte oder kennen musste und insoweit, als er an solchen Abgabenschuldigkeiten nicht schon so viel entrichtet hat, wie der Wert der übertragenen Gegenstände und Rechte (Besitzposten) ohne Abzug übernommener Schulden beträgt.
Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Bf. mit Vereinbarung vom das Inventar eines namentlich bezeichneten Gastlokales übernommen und vorerst weitergeführt hat (Aktenvermerk des erhebenden Beamten vom ). Damit hat der Bf. einen bestehenden Gastronomiebetrieb übernommen. Die haftungsgegenständlichen Umsatzsteuerzahllasten sind auf den Betrieb des veräußerten Unternehmens im Jahr 2011 zurückzuführen. Der Bf. bestreitet, dass er die haftungsgegenständlichen Abgaben im Zeitpunkt der Übereignung kannte. Er habe davon keine Kenntnis haben können.
Vorweg wird zum Vorbringen des Bf., er habe lediglich Inventar gekauft und den Geschäftsbetrieb mangels eines bestehenden rechtswirksamen Bestandsvertrages nicht fortgeführt, festgestellt, dass aufgrund der eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen und den Erhebungen des Beamten des Finanzamtes feststeht, dass der Bf. den Betrieb fortgeführt hat. Schließlich hat der Bf. aus seiner Tätigkeit ab Jänner 2012 Umsätze erklärt und Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht.
Der Bf. hat somit ab Jänner 2012 die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die wesentlichen Betriebsgrundlagen erhalten und war dadurch in der Lage ohne bedeutende Investitionen und ohne wesentliche Unterbrechung das bestehende Lokal fortzuführen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Bf. zum Zeitpunkt der Übernahme des Geschäftslokales auch zugleich Mieter dieses Lokales (bzw. der Fläche in einem Einkaufszentrum) gewesen ist. Es mag durchaus sein, dass der zivilrechtliche Mietvertrag später abgeschlossen worden wäre bzw. ist.
Soweit der Bf. meint, er habe keine Kenntnis von den Abgabenschulden haben können, ist zu prüfen, inwieweit er seiner Sorgfaltspflicht, die zum Betrieb gehörigen Abgabenschulden zu ermitteln, nachgekommen war.
Die Unkenntnis der Abgabenschuldigkeiten steht einer Haftungsinanspruchnahme vor allem dann nicht entgegen, wenn der Erwerber bei gehöriger, allgemein üblicher Sorgfaltsanwendung von der Schuld Kenntnis hätte erlangen müssen. Hiebei ist jene Sorgfalt zugrunde zu legen, die (nach § 1297 ABGB) bei gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann, und darüber hinaus (nach § 1299 ABGB) jene besondere Sorgfalt, die gerade ein Unternehmensübergang erfordert. Die so verstandene Sorgfalt erfordert die Einsichtnahme in die Geschäftsbücher, die Befragung des Veräußerers über den Stand der Passiven, über die er dem Erwerber nach der Übung des redlichen Verkehrs ein lückenloses Verzeichnis auszuhändigen hat, und die genaue Prüfung der auf diese Weise hervorgekommenen oder sonst bekannten Schulden (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung², § 14, Tz. 16). Leichteste Fahrlässigkeit hinsichtlich des Nichtwissens genügt zur Begründung der Haftung.
Zur Sorgfalt des Erwerbers gehört auch, dass er sich über offene, aus Buchungsmitteilungen (Lastschriftanzeigen) oder sonstigen das Abgabenkonto ersichtlichen Abgabenschuldigkeiten informiert. Für den potentiellen Käufer besteht auch die Möglichkeit, mit Zustimmung des Hauptschuldners bei der Abgabenbehörde Einsicht in das Abgabenkonto des Verkäufers zu nehmen bzw. sich einen aktuellen Auszug aus dem Abgabenkonto vorlegen zu lassen.
Der Bf. hat im gesamten vorliegenden Sachverhalt keine Handlungen gesetzt, um Kenntnis über möglich bestehende Abgabenschulden zu erlangen, sodass das Finanzamt zu Recht davon ausgeht, dass der Bf. es fahrlässig unterlassen hat, sich über die Verbindlichkeiten des Veräußerers beim Finanzamt zu informieren. Daher kann nach Ansicht des Richters beim BFG der Bf. dem Grunde nach zu Recht zur Haftung für die nunmehr bei der Primärschuldnerin uneinbringlichen Abgabenschuldigkeiten herangezogen werden. Er hat damit nicht das Nötige zur vollständigen Aufklärung der Abgabenverbindlichkeiten getan.
Die Umsatzsteuerzahllast für den Umsatzsteuervoranmeldungszeitraum 12/2011 war am fällig und wurde von der Primärschuldnerin nicht mehr bezahlt. Das Finanzamt gab mit Berufungsvorentscheidung der Berufung insoweit statt, als es von der Heranziehung zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten, deren Fälligkeit nach der Übernahme des Geschäftslokales () liegt, Abstand genommen hat. Schließlich habe der Beschwerdeführer von der Nichtentrichtung der Umsatzsteuerzahllast 12/2011 im Februar 2012 keine Kenntnis haben können und ist der Bescheid über die Abgabenfestsetzung an die GmbH in Liquidation (Verkäuferin) nicht mehr rechtswirksam zugestellt worden.
Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bf. als Haftungspflichtige gemäß § 14 Abs. 1 BAO für Umsatzsteuerzahllasten der GmbH in Liquidation des Voranmeldungszeitraumes 12/2011 zu Unrecht.
Anders verhält es sich mit den nicht entrichteten Umsatzsteuerzahllasten für die Voranmeldungszeiträume April, Juli, August und September 2011. Diesbezüglich hätte der Besschwerdeführer durchaus erkennen können, dass die Verkäuferin (GmbH) ihren Verpflichtungen nicht ausreichend nachgekommen ist. Der Bf. wäre dazu verhalten gewesen, die Zahllasten zu erheben. Eine möglicherweise falsche Information durch die Verkäuferin wäre durch die Bf. zu überprüfen gewesen und hätte dem Bf. doch nicht gänzlich verborgen bleiben können.
Die Haftungsinanspruchnahme des Erwerbers liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Wie bei jeder Ermessensübung ist vor allem der Zweck der Ermessen einräumenden Norm zu hinterfragen. § 14 BAO dient dem Zweck, die im Unternehmen als solchem liegende Sicherung für darauf sich gründenden Abgabenschulden durch den Übergang des Unternehmens (Betriebes) in andere Hände nicht verloren gehen zu lassen ().
Grundsätzlich kommt die Heranziehung zur Haftung dann nicht in Frage, wenn die Abgabenschuld beim Hauptschuldner ohne Schwiergkeiten eingebracht werden kann.
Im gegenständlichen Fall sind die Abgabenschulden bei der Primärschuldnerin nicht mehr einbringlich, sodass es zweckmäßig erscheint, den Bf. zur Haftung für diese uneinbringlichen Abgabenschuldigkeiten heranzuziehen. Es war daher dem Interesse des Abgabengläubigers, wenigstens einen Teil des erlittenen Abgabenausfalles (Schadens) einbringlich zu machen, der Vorzug vor dem Interesse der Bw., nicht zur Haftung herangezogen zu werden, zu geben.
Im Rahmen der Ermessensübung ist das Ergebnis des Schuldenregulierungsverfahrens im Jahr 2014 zu berücksichtigen, wonach der Bf. hinsichtlich sämtlicher bestehenden Verbindlichkeiten eine Quote in Höhe von 20% zu leisten hat. Die Heranziehung zur Haftung besteht daher für folgende Abgabenschuldigkeiten im Ausmaß der Quote in Höhe von 20% zu Recht:
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Abgabenart | Zeitraum | Höhe in Euro |
Umsatzsteuer | 04/2011 | 201,77 |
Umsatzsteuer | 07/2011 | 388,54 |
Umsatzsteuer | 08/2011 | 159,95 |
Umsatzsteuer | 09/2011 | 71,15 |
SUMME | 821,41 |
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 14 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2016:RV.4100118.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at