Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.02.2016, RV/5100946/2013

Schulbesuch - Berufsausbildung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf. gegen den Bescheid des Finanzamtes Y vom betreffend Rückforderung der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbeträge für K1, für den Zeitraum August 2012 bis Oktober 2012 in Höhe von insgesamt Euro 783,30 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Das Finanzamt hat mit Bescheid vom die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge in Höhe von Euro 783,20 (FB: Euro 608,10; KG: Euro 175,20) für die volljährige Tochter der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 lit. b bis e Familienlastenausgleichsgesetz 1967 für die Zeit von August 2012 bis Oktober 2012 zurückgefordert, da trotz Aufforderung die abverlangten Unterlagen nicht beigebracht worden seien.

Die dagegen eingebrachte Berufung vom wird damit begründet, dass die Tochter die Abendschule ab September 2012 besucht habe, was die Gewährleistung der Familienbeihilfe automatisch zur Folge habe.

Aus dem vorgelegten Jahreszeugnis der Handeslakademie vom geht hervor, dass die Tochter der Beschwerdeführerin den 5. Jahrgang (Schuljahr 2011/2012) nicht erfolgreich abgeschlossen habe.

Mit Berufungsvorentscheidung vom hat das Finanzamt die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Die Tochter der Beschwerdeführerin habe mit die 5. Klasse HAK negativ abgeschlossen und sei mit WS 2012/2013 in die Handelsakademie für Berufstätige umgestiegen. Trotz Aufforderung seien keine weitere Unterlagen betreffend Dauer des Schulbesuches, wöchentlichen Stundenausmaß, Prüfungserfolg und voraussichtlichen Maturatermin nachgereicht worden.

Im Vorlageantrag vom wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Tochter der Beschwerdeführerin im Mai 2012 die HAK negativ abgeschlossen habe und danach die Maturaschule für Berufstätige besucht habe. Ab September 2012 bis Jänner 2013 sei die Schule regelmäßig besucht worden und laufend Tests, Klausuren und Prüfungen abgelegt worden. Unterlagen seien im Juni vorgelegt worden, aber beim Finanzamt nicht angekommen. Da die Schule derzeit nicht offen sei, würden die Unterlagen nachgereicht werden.

In der Zeit von bis war die Tochter der Beschwerdeführerin als Angestellte erwerbstätig.
Laut Schulbesuchsbestätigung vom besuchte sie in der Zeit von bis die Bundeshandelsakademie für Berufstätige.

Aus einem Aktenvermerk des Finanzamtes über ein Telefonat mit der Tochter der Beschwerdeführerin vom geht hervor, dass die Tochter sich von der Schule vorzeitig abgemeldet habe und die Kurse betreffend der drei noch offenen Fächer nicht positiv abgeschlossen habe. Sie gab an, dass die Kurse wöchentlich ca. 4 Stunden gedauert hätten.
Die Schule habe sie bereits aus dem Systhem gelöscht, weshalb auch keine Bestätigung beigebracht werden könnte.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Es wird von folgendem Sachverhalt ausgegangen.
Die Tochter der Beschwerdeführerin hat im Mai 2012 den 5. Lehrgang der Handelsakademie negativ abgeschlossen. In der Zeit von bis war die Tochter der Beschwerdeführerin als Angestellte erwerbstätig.
Laut Schulbesuchsbestätigung vom besuchte sie in der Zeit von bis die Bundeshandelsakademie für Berufstätige. Aus einem Aktenvermerk des Finanzamtes über ein Telefonat mit der Tochter der Beschwerdeführerin vom geht hervor, dass die Tochter sich von der Schule vorzeitig abgemeldet habe und die Kurse betreffend der drei noch offenen Fächer nicht positiv abgeschlossen habe. Sie gab an, dass die Kurse wöchentlich ca. 4 Stunden gedauert hätten.
Die Schule habe sie bereits aus dem Systhem gelöscht, weshalb auch keine Bestätigung beigebracht werden könnte.
Das Finanzamt ging davon aus, dass keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vorgelegen habe.
Die Beschwerdeführerin verweist auf den Schulbesuch ihrer Tochter an der Handelsakademie für Berufstätige.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. ...

lit. d) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird.

Nach § 10 Abs. 2 FLAG wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Ziel einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Dazu gehört regelmäßig auch der Nachweis der Qualifikation. Das Ablegen von Prüfungen, die in einem Lehrplan oder einer Studienordnung vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil des Studiums und damit der Berufsausbildung selbst. Der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung reicht für sich allein noch nicht aus, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im hier maßgeblichen Sinn anzunehmen. Hierzu muss vielmehr das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg treten, das sich im Antreten zu den erforderlichen Prüfungen bzw. Vorprüfungen zu manifestieren hat. Zwar ist - abgesehen von den leistungsorientierten Voraussetzungen beim Besuch einer in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtung - nicht der Prüfungserfolg ausschlaggebend, das anspruchsvermittelnde Kind muss aber durch Prüfungsantritte innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung zu erfüllen (vgl. Zl. 98/15/0001).

Ob die schulische oder kursmäßige Ausbildung berufsbegleitend und ob sie in Form von Blockveranstaltungen oder in laufenden Vorträgen organisiert ist, ist vor dem rechtlichen Hintergrund nicht entscheidend (). Wesentlich ist vielmehr, dass durch die Schulausbildung oder den lehrgangsmäßigen Kurs die tatsächliche Ausbildung für einen Beruf erfolgt. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung nicht darauf an, ob tatsächlich die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen gelingt (vgl. ).

Bei kursmäßigen Veranstaltungen kommt es darauf an, dass sich die Ausbildung in quantitativer Hinsicht vom Besuch von Lehrveranstaltungen oder Kursen aus privaten Interessen unterscheidet (vgl. das zur Studienberechtigung ergangene Erkenntnis ). Die oben angeführten, von der Judikatur geforderten Voraussetzungen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG können aber auch dann vorliegen, wenn ein Kind die Externistenreifeprüfung ablegen will und sich tatsächlich und zielstrebig auf die Ablegung der Reifeprüfung vorbereitet. Das wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Reifeprüfung die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den von der Externistenreifeprüfungskommission festgesetzten Terminen zu den Prüfungen antritt (vgl. wiederum ). Zu prüfen ist jedoch auch, ob die Ausbildung während ihrer Dauer und der Vorbereitung für die abzulegenden Prüfungen und der Ausarbeitung von Hausarbeiten im jeweiligen Kalendermonat in quantitativer Hinsicht die volle Arbeitskraft gebunden hat (vgl. wiederum , und ). Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist somit nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen, insbesondere die Art und der Umfang der Lehrveranstaltungen.

Von der Bindung der vollen Arbeitskraft kann wohl nur dann ausgegangen werden, wenn die Bildungsmaßnahme durch den Besuch des Unterrichts, die Vor- und Nachbearbeitungszeiten und die Prüfungsteilnahmen ein zeitliches Ausmaß in Anspruch nimmt, das zumindest annähernd dem eines Vollzeitdienstverhältnisses entspricht. In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof nicht nur den Lehrinhalten, sondern auch der Art der Ausbildung und deren Rahmen, insbesondere der Art und dem Umfang der Lehrveranstaltungen entsprechende Bedeutung für die Beurteilung des Beihilfenanspruches beigemessen. Daraus folgt, dass es durchaus möglich sein kann, dass eine Bildungsmaßnahme, wenn sie in einer konzentrierten, zeitlich gestrafften Form absolviert wird, die Voraussetzung für den Familienbeihilfenanspruch erfüllt, während eine solche, die zwar das gleiche Ausbildungsziel hat, aber zeitlich nicht gestrafft und damit von (wesentlich) längerer Dauer, verbunden mit geringeren Anforderungen an den Auszubildenden, ist, diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Entscheidend dabei ist, ob in den jeweils einzeln zu betrachtenden Monaten (§ 10 FLAG 1967 normiert den Monat als Anspruchszeitraum) eine entsprechende zeitliche Intensität gegeben ist.

Im Erkenntnis vom , 2007/13/0125 hat der VwGH Folgendes ausgesprochen: "Dass die Tochter der Mitbeteiligten im Zeitraum Februar bis April 2006 an Lehrveranstaltungen oder Kursen teilgenommen hätte, ist nicht aktenkundig und wurde auch von der belangten Behörde nicht festgestellt. Die belangte Behörde hat vielmehr allein die Vorbereitungszeit für die Aufnahmeprüfung für den physiotherapeutischen Dienst als Berufsausbildungszeit anerkannt. Dabei hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aber verkannt, dass es zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nicht nur auf das "ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienfortgang" ankommt, sondern die Berufsausbildung auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen muss (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom , 2007/15/0050, und vom , 2008/13/0013)."

Nun kann zwar bereits im Absolvieren von Eignungsprüfungen, die Voraussetzung für die Aufnahme als Student sind, eine Berufsausbildung erblickt werden (sh. Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 45 "Aufnahmeprüfungen"). Aber auch hier ist erforderlich, dass die Vorbereitung auf das Ablegen der Prüfungen die volle Zeit der Auszubildenden in Anspruch nimmt. Hierfür spricht auch das Erkenntnis des ; hierin ist der Gerichtshof ganz offensichtlich davon ausgegangen, dass die Vorbereitungszeit auf die Aufnahmeprüfung (hier: für den physiotherapeutischen Dienst und den Bachelor-Studiengang "Hebammen") dem Grunde nach als Berufsausbildung anzusehen ist. Er hat aber beanstandet, dass die belangte Behörde keine Feststellungen dergestalt getroffen hat, ob die Berufsausbildung auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch genommen hat. Wäre der Gerichtshof der Meinung gewesen, es liege schon dem Grunde nach keine Berufsausbildung vor, hätte es dieser Aussage im Erkenntnis nicht bedurft (vgl. ).

Es ist daher nunmehr zu überprüfen, ob die Berufsausbildung - der ständigen Judikatur des VwGH folgend - auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit der Tochter der Beschwerdeführerin in Anspruch genommen hat.

Aus dem Telefonat des Finanzamtes mit der Tochter der Beschwerdeführerin ergibt sich, dass der Schulbesuch an der Handelsakademie für Berufstätige an 4 Stunden in der Woche erfolgte. Dieses Ausmaß entsprach aber keinesfalls dem eines Vollzeitdienstverhältnisses, selbst dann nicht, wenn man noch Zeiten für Vorbereitungen und Hausaufgaben berücksichtigt.

Somit kann aber schon aus diesem Grund nicht vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbeträge (§ 33 Abs. 3 EstG 1988) im Beschwerdezeitraum ausgegangen werden.

Aus den angeführten Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Erkenntnis weicht nicht von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ab.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.5100946.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at