Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 12.01.2015, RV/2100320/2013

§ 9 BAO: Ansparen liquider Mittel für das drohende Insolvenzverfahren

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch Ri über die als Beschwerde zu erledigende Berufung des B, Adresse1, vertreten durch D, Adresse2, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Haftung wird hinsichtlich folgender Abgabenschuldigkeiten in der Gesamthöhe von 12.164,03 Euro geltend gemacht:


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Abgabenart
Fälligkeit
Betrag in €
Umsatzsteuer 05/2010
1.794,81
Lohnsteuer 06/2010
5.036,30
Dienstgeberbeitrag 06/2010
1.123,76
Zuschlag zum DB 06/2010
98,44
Lohnsteuer 07/2010
3.369,32
Dienstgeberbeitrag 07/2010
682,59
Zuschlag zum DB 07/2010
58,81

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Über die K.KG wurde mit dem Beschluss des Landesgerichtes vom , 01, ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung eröffnet.

Das Insolvenzverfahren wurde mit dem Beschluss des Gerichtes vom gemäß § 152b IO aufgehoben (Quote 30%).

Die Gesellschaft ist aufgelöst und im Firmenbuch gelöscht (Firmenbuchauszug FN 02).

Unbeschränkt haftende Gesellschafter der K.KG waren die K.GmbH sowie deren Gesellschafter-Geschäftsführer K.

Am erklärte K gegenüber den Gesellschaftern B und M gemäß § 16a GmbHG seinen Rücktritt als Geschäftsführer der K.GmbH

Mit dem Umlaufbeschluss vom bestellten die Gesellschafter den Beschwerdeführer (Bf.) B zum neuen Geschäftsführer. Dieser vertrat die Gesellschaft ab Beschlussfassung selbständig.

Mit dem Vorhalt vom wurde der Bf. vom Finanzamt darüber informiert, dass am Abgabenkonto der K.KG Abgabenbeträge in der Höhe von 20.150,66 € uneinbringlich aushafteten. Sofern die KG ab den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben nicht über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt habe, werde der Bf. ersucht, dies durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger ab dem Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordener Forderungen darzulegen. Die verfügbar gewesenen liquiden Mittel seien anzugeben bzw. gegenüber zu stellen. Dem Bf. stehe es frei, die maßgebliche finanzielle Situation ab Eintritt der Abgabenfälligkeiten, die offenen Verbindlichkeiten und die erbrachten Tilgungsleistungen an alle Gläubiger der Gesellschaft auch auf andere Art und Weise darzustellen.

In der Eingabe vom an das Finanzamt führte der Bf. aus, laut Sanierungsverwalter sei bis zur Verfahrenseröffnung eine Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens nicht vorgelegen und sei demzufolge auch keine Ungleichbehandlung von Gläubigern möglich gewesen.

Auf das VwGH-Erkenntnis vom , 2005/17/0259, werde verwiesen. Demnach sei ein gerichtlich bestätigter Ausgleich ein gewichtiges Indiz für eine während des Ausgleichsverfahrens tatsächlich erfolgte ausgleichsrechtliche Gleichbehandlung auch des Abgabengläubigers durch den Ausgleichsschuldner bzw. dessen Vertreter.

Der Bf. sei trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten immer sehr bemüht gewesen, die Angelegenheit mit dem Finanzamt aufrichtig zu lösen und habe mit diesem vor allen anderen Gläubigern Ratenzahlungen vereinbart, so z.B. [soweit für den Haftungszeitraum relevant] am 6.7., 15.7., 22.7. und .

Die erst nach Eröffnung des Sanierungsverfahrens verbuchten Bildungs- bzw. Lehrlingsausbildungsprämien 2009 und 2010 seien von den aushaftenden Beträgen noch nicht in Abzug gebracht worden; nach Abzug dieser Prämien verbliebe ein aushaftender Betrag von 5.919,46 €.

Von einer Benachteiligung des Finanzamtes könne demnach nicht ausgegangen werden.

In einem weiteren Vorhalt vom führte das Finanzamt aus, da die KG bei Insolvenzeröffnung nicht zahlungsunfähig gewesen sei, müssten liquide Mittel zur Begleichung der Verbindlichkeiten vorhanden gewesen sein. Der Bf. habe aber keinen Nachweis erbracht, in welcher Höhe diese bestanden haben.

Das zitierte VwGH-Erkenntnis nehme auf die Gleichbehandlung aller Gläubiger während eines Ausgleichsverfahrens Bezug; sämtliche verfahrensgegenständlichen Abgaben seien aber vor Eröffnung des Sanierungsverfahrens fällig gewesen.

Die Auflistung der an die Abgabenbehörde getätigten Zahlungen lasse keine Rückschlüsse darauf zu, in welcher Höhe ab den haftungsgegenständlichen Fälligkeitszeitpunkten liquide Mittel vorhanden waren bzw. wie diese Mittel verwendet wurden.

Die Prämiengutschriften seien mit den Insolvenzforderungen gegengerechnet worden und hätten bei den haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten Berücksichtigung gefunden.

Der Bf. wurde neuerlich aufgefordert, eine (quotenmäßige) rechnerische Darstellung aller damaligen Gläubiger sowie die auf die einzelnen Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen in Gegenüberstellung mit den verfügbar gewesenen liquiden Mitteln vorzulegen.

Der Bf. übermittelte daraufhin eine Aufstellung der Gesamtverbindlichkeiten, der Lieferverbindlichkeiten, der Abgabenverbindlichkeiten und der liquiden Mittel (Banken ohne Kredite) zum 30.6., 31.7. und  und merkte dazu an, dass ein Ausdruck der Saldenlisten zu einem Stichtag abweichend vom Monatsletzten EDV-technisch nicht möglich sei.

Mit dem Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Bf. gemäß § 9 in Verbindung mit §§ 80 ff BAO als Haftungspflichtigen für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der K.KG im Ausmaß von insgesamt 20.150,66 € (Umsatzsteuer 05/2010 sowie Lohnabgaben 06 und 07/2010) in Anspruch und forderte ihn auf, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung des Bescheides zu entrichten.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, der Bf. sei von seiner Bestellung am bis zur Insolvenzeröffnung am  handelsrechtlicher Geschäftsführer der K.GmbH und somit Vertreter der Gesellschaft im Sinne der §§ 9 und 80 BAO gewesen.

Die Umsatzsteuer 05/2010 und die Lohnabgaben 06 und 07/2010 seien gemeldet und im Insolvenzverfahren der K.KG anerkannt worden. Der die Insolvenzquote von 30% übersteigende Betrag sei bei der KG uneinbringlich.

Der Bf. sei der Aufforderung, Nachweise zu erbringen, welche Zahlungsmittel ihm im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgaben zur Verfügung gestanden und in welchem Ausmaß die übrigen Gläubiger der Gesellschaft befriedigt worden seien, nicht nachgekommen. Der Bf. habe lediglich vermerkt, dass keine Benachteiligung von Gläubigern stattgefunden habe.

Im Juli und August 2010 seien 363.895,35 € an Umsätzen gemeldet worden. Der Bf. habe auch vorgebracht, dass bei Insolvenzeröffnung keine Zahlungsunfähigkeit vorgelegen sei. Es sei daher davon auszugehen, dass die Gesellschaft über finanzielle Mittel verfügt, diese aber nicht gleichteilig zur Tilgung der Schulden eingesetzt habe. Durch die Nichtbeachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes habe der Bf. seine abgabenrechtlichen Verpflichtungen als Vertreter der K.KG verletzt.

Die übermittelten Saldenlisten und die Auflistung der Gläubiger stellten keinen geeigneten Nachweis der Gläubigergleichbehandlung dar.

Für Abfuhrabgaben wie die Lohnsteuer bestehe eine Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Unterlassung der Abfuhr der Lohnsteuer stelle eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten des Bf. als Geschäftsführer dar.

Gegen diesen Bescheid brachte der Bf. am das vom BFG als Beschwerde zu erledigende Rechtsmittel der Berufung mit der Begründung ein, er habe angesichts der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft Sanierungsmaßnahmen gesetzt und u.a. die Liegenschaft, auf der sich der Betrieb befunden habe, veräußert. Dadurch seien zunächst Verbindlichkeiten bei den (besicherten) Banken reduziert worden. Am sei das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung beantragt worden. Der Sanierungsplan sei von den Gläubigern angenommen und von der Gesellschaft erfüllt worden.

Das Gesetz und die Judikatur billige im Fall aussichtsreicher und realisierbar erscheinender Sanierungsversuche den Geschäftsführern einer Gesellschaft zu, dass sie alle zur Erhaltung und Fortführung des Unternehmens erforderlichen Geschäfte abwickeln. Dem Geschäftsführer sei daher auch erlaubt, an seine Mitarbeiter Löhne zur Gänze auszubezahlen, andernfalls der Unternehmensfortbestand durch den möglichen Austritt der Dienstnehmer gefährdet würde.

Im Falle offener Lohnzahlungen hätte die konkrete Gefahr bestanden, dass von einem oder mehreren Dienstnehmern ein Insolvenzantrag gestellt werde, um Leistungen aus dem Insolvenz-Entgelt-Fonds zu erhalten. Bei den durch den Fonds gesicherten Lohnansprüchen handle es sich wirtschaftlich gesehen um privilegierte Verbindlichkeiten ähnlich wie bei Bürgschaften oder Pfandrechten.

Die Bedienung gesicherter Verbindlichkeiten zur Erhaltung des Unternehmens stelle daher kein schuldhaftes Verhalten der Geschäftsführer dar.

Im Übrigen sei der der Berufung beiliegenden Aufstellung zu entnehmen, dass im Zeitraum bis die Abgabenverbindlichkeiten der Gesellschaft mit einer Quote in der Höhe von 25% und die übrigen Verbindlichkeiten mit einer Quote von rund 23% bedient worden seien, weshalb keine Benachteiligung des Abgabengläubigers stattgefunden habe.

Mit der Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Ein Liquiditätsstatus durch Gegenüberstellung der zu den jeweiligen Fälligkeitstagen aushaftenden Abgabenschuldigkeiten im Verhältnis zu den übrigen Verbindlichkeiten und der jeweils zu den Fälligkeitstagen vorhandenen liquiden Mittel sei nicht beigebracht worden.

Die Ausbezahlung von Löhnen ohne korrekte Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer stelle in jedem Fall eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten dar.

Daraufhin beantragte der Bf. am die Vorlage der Berufung (Beschwerde) an die Abgabenbehörde zweiter Instanz (nunmehr BFG).

Im Zuge einer Erörterung der Rechtssache mit dem Finanzamt und dem ebenfalls als Haftungspflichtigen gemäß § 9 BAO in Anspruch genommenen früheren Geschäftsführer K erklärte dieser am , das in den Saldenlisten bei der Bank ausgewiesene Guthaben von ca. 200.000 € (Stand 202.691,49 €, Stand 206.847,76 €, Stand 201.864,87 €) sei eine finanzielle Rücklage der Gesellschaft gewesen, um das absehbare Insolvenzverfahren zu finanzieren.

Im Zuge der Erörterung der Sach- und Rechtslage mit dem Bf. am legte dessen steuerlicher Vertreter einen überarbeiteten Gleichbehandlungsnachweis vor, in dem diese liquiden Mittel Berücksichtigung fanden. Weiters wurde die Bestätigung der Bank beigebracht, wonach der in den Aufstellungen unter den Gesamtverbindlichkeiten enthaltene Kontokorrentkredit bereits am fällig gestellt worden war. Demnach hafte der Bf. für 31,2% der im Juli 2010 aushaftenden Abgaben, im August 2010 habe der Bf. die Abgabenverbindllichkeiten hingegen nicht schlechter behandelt und sei von einer Haftung frei.

Der Vertreter des Finanzamtes brachte vor, die Gesamtsumme der Verbindlichkeiten der K.KG habe laut Aufstellung des Bf. am ca. 630.000 € betragen. Mit den zu diesem Zeitpunkt vorhandenen liquiden Mitteln hätte der Bf. sämtliche Verbindlichkeiten der KG in einem Ausmaß von 32% entrichten können, weshalb er für die beim Finanzamt zu diesem Zeitpunkt aushaftenden fälligen Abgabenschuldigkeiten - ausgenommen Lohnsteuer - ebenfalls mit einem Prozentsatz von 32% zur Haftung heranzuziehen sei.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese betreffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Bei einer GmbH & Co KG, bei welcher die KG durch die Komplementär-GmbH, somit im Ergebnis durch deren Geschäftsführer vertreten wird, haben diese Geschäftsführer die abgabenrechtlichen Pflichten, die die KG betreffen, zu erfüllen. Sie haften bei schuldhafter Pflichtverletzung für die Abgaben der KG (z.B. ).

Der Bf. wurde von den Gesellschaftern am zum Geschäftsführer der K.GmbH bestellt.

Die Bestellung zum Geschäftsführer ist nicht von der Firmenbucheintragung abhängig. Eine solche ist zwar zwingend vorzunehmen - was im vorliegenden Fall am erfolgte -, aber bloß deklarativer Natur. Daraus folgt, dass der Bf. ab als Geschäftsführer der K.GmbH agierte und gemäß § 9 BAO für die ausstehenden, am 15.7. und und somit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fälligen Abgaben der K.KG zur Haftung herangezogen werden kann.

Unstrittig ist, dass mit den abgabenrechtlichen Belangen der KG ab ausschließlich der Bf. betraut war.

Insoweit der Bf. die Höhe der dem Haftungsbescheid zu Grunde liegenden aushaftenden Abgaben im Hinblick auf die Verbuchung der Bildungs- und Lehrlingsausbildungsprämien 2009 und 2010 und damit die Richtigkeit der Gebarung des Abgabenkontos anzweifelt, ist darüber in einem Verfahren zur Erlassung eines Abrechnungsbescheides gemäß § 216 BAO zu entscheiden; ein solches ist auch auf Antrag des Haftungspflichtigen durchzuführen ().

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabebehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (; , 2009/16/0108).

Die Pflicht des Vertreters, die vom Vertretenen geschuldeten Abgaben zu entrichten, besteht nur insoweit, als hierfür liquide Mittel vorhanden sind. Hatte der Vertreter Gesellschaftsmittel zur Verfügung, die zur Befriedigung sämtlicher Schulden der Gesellschaft nicht ausreichten, liegt es an ihm, nachzuweisen, dass er die vorhandenen Mittel zur anteiligen Befriedigung aller Verbindlichkeiten verwendet und somit die Abgabenschulden nicht schlechter behandelt hat (z.B. ; , 2005/13/0040; "Gleichbehandlungsgrundsatz").

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann sich der Vertreter mit dem Einwand der gleichmäßigen Befriedigung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft dann nicht befreien, wenn es sich um Abfuhrabgabenverpflichtungen (z.B. Lohnsteuer oder Kapitalertragsteuer) handelt (). Der Vertreter haftet für diese Abgaben in voller Höhe, und zwar auch dann, wenn liquide Mittel zur Abfuhr dieser Abgaben nicht oder nicht in ausreichendem Maß vorhanden waren ().

Begründet wird dies mit dem Wortlaut des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach der Arbeitgeber für den Fall, dass die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten hat.

Unbestritten ist, dass die Löhne, die Grundlage der gemeldeten Lohnsteuer für die Monate 06 und 07/2010 waren, bei laufendem Geschäftsbetrieb in voller Höhe ausbezahlt wurden (siehe dazu die Ausführungen des Bf. in der Berufung gegen den Haftungsbescheid, wonach im Falle offener Lohnzahlungen die konkrete Gefahr bestanden habe, dass von einem oder mehreren Dienstnehmern ein Insolvenzantrag gestellt werde). Dem Bf. ist daher als schuldhafte Pflichtverletzung anzulasten, dass Löhne ausbezahlt, die darauf entfallende Lohnsteuer aber nicht entrichtet wurde.

Die Haftung hinsichtlich Lohnsteuer 06 und 07/2010 über 5.036,30 € bzw. 3.369,32 € wurde daher von der Abgabenbehörde zu Recht geltend gemacht. Eine Prüfung der Gleichbehandlung hat hinsichtlich dieser Abgaben zu unterbleiben; eine Verminderung der Haftungsschuld erfolgt selbst im Falle des Nachweises der Gleichbehandlung der (übrigen) Abgaben nicht.

Der Bf. hat im vorliegenden Fall mehrere Berechnungen zur Gleichbehandlung der haftungsgegenständlichen Abgaben vorgelegt.

Die Gleichbehandlung der Abgabenverbindlichkeiten mit den übrigen Verbindlichkeiten einer Gesellschaft kann darauf abgestellt werden, ob eine Gleich- bzw. Ungleichbehandlung durch die tatsächlich im Fälligkeitszeitpunkt geleisteten Zahlungen (Zahlungstheorie) oder im Hinblick auf die im Fälligkeitszeitpunkt zur Verfügung stehenden Mittel (Mitteltheorie) erfolgt ist.

Im Erkenntnis vom , 2011/16/0116, verwies der VwGH auf seine ständige Rechtsprechung (siehe die dort zitierte Vorjudikatur) zur Haftung des Vertreters einer juristischen Person für deren Abgabenschulden, wonach es bei der Frage der Gleichbehandlung der Gläubiger darauf ankomme, ob der Abgabengläubiger im Hinblick auf die vorhandenen liquiden Mittel des Abgabenschuldners dadurch benachteiligt wurde, dass die Zahlungen an den Abgabengläubiger geringer ausgefallen sind als sie bei Verwendung der liquiden Mittel und anteiliger Befriedigung des Abgabengläubigers ausgefallen wären. Der VwGH sah dabei für den Bereich der Haftung nach dem der Bestimmung des § 7 WAO insoweit vergleichbaren § 9 BAO keinen Anlass, in seiner Rechtsprechung von der Mitteltheorie abzugehen.

Die der Gesellschaft im Haftungszeitraum zur Verfügung gestandenen liquiden Mittel sind daher in die Berechnung der Gleichbehandlung einzubeziehen, weshalb als Nachweis für die Gleichbehandlung seitens des Bf. nur die im Zuge des Erörterungstermins vom vorgelegte Aufstellung herangezogen werden kann.

Die vom Bf. vorgelegte Berechnung der Quoten erfolgte durch Gegenüberstellung des Quotienten aus liquiden Mitteln am Bankkonto zum Monatsersten abzüglich der im jeweiligen Monat insgesamt entrichteten Abgaben sowie Gesamtverbindlichkeiten zum Monatsletzten und dem Quotienten der Abstattung der Abgabenverbindlichkeiten während des jeweiligen Monats. In dieser Berechnung kommt der Bf. zum Schluss, dass er die im Juli 2010 fälligen Abgaben mit 31,2% gegenüber anderen Verbindlichkeiten benachteiligt hat, hingegen für die im August 2010 fälligen Abgaben nicht hafte, weil in diesem Monat die Abgaben zu einem höheren Prozentsatz entrichtet worden seien als die übrigen Verbindlichkeiten.

Eine auf den Monat abgestellte Betrachtungsweise der Entrichtungsquoten wird, da eine solche zu sachgerechteren Ergebnissen führt als eine auf den einzelnen Fälligkeitstag abgestellte Betrachtung, grundsätzlich als zulässig erachtet. Ein sachgerechtes Ergebnis ist aber nicht zu erwarten, wenn in einer Berechnung stichtags- und monatsbezogene Parameter vermischt werden.

Da die Mitwirkungspflichten des Bf. an der Nachweisführung der Gleichbehandlung auch im Hinblick auf die geringe Höhe des strittigen Betrages nicht überspannt werden dürfen und unter Umständen auch eine überschlägige Ermittlung der Quote erforderlich sein kann (), ist auf die zur Berechnung der Quote vom Vertreter des Finanzamtes im Zuge des Erörterungstermins vorgebrachte Überlegung zurückzugreifen:

Fest steht, dass am Ende des Haftungszeitraumes () Abgabenverbindlichkeiten der KG in der Höhe von 39.954,02 € fällig waren. Der Bf. wäre, da die Gesellschaft nach dem Vorbringen des Bf. an diesem Tag über liquide Mittel in der Höhe von 201.864,87 € verfügte und die Pflicht zur Entrichtung der Abgaben nicht am Fälligkeitstag endet, verpflichtet gewesen, zu diesem Zeitpunkt sämtliche fälligen Abgaben zumindest im gleichen Prozentsatz wie die übrigen fälligen Verbindlichkeiten zu entrichten. Der Bf. ist daher im Ausmaß der errechneten Quote von 32% (liquide Mittel laut Bankkonto im Verhältnis zu den Gesamtverbindlichkeiten) für die Abgabenverbindlichkeiten (ausgenommen Lohnsteuer, für die der Bf. in vollem Ausmaß zur Haftung herangezogen wurde) zur Haftung heranzuzuziehen.

Wie bereits ausgeführt, haftet der Geschäftsführer grundsätzlich für nicht entrichtete Abgaben auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Schulden nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Schulden verwendet wurden (Gleichbehandlungsgrundsatz).

Standen dem Geschäftsführer wie im vorliegenden Fall Mittel zur Verfügung, die eine teilweise Abdeckung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft erlaubten, so haftet er in dem Ausmaß, in dem die Abgaben nicht entrichtet wurden, aber unter Berücksichtigung der übrigen Verbindlichkeiten entrichtet hätten werden können.

Die schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. liegt dabei darin, dass die vorhandenen Geldmittel nicht (gleichmäßig) auf die Gläubiger verteilt wurden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes spricht in einem solchen Fall die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben ( ).

Die Ermessensübung des Finanzamtes im Hinblick auf die Heranziehung des Bf. als Haftungsschuldner im angefochtenen Bescheid vom wurde nicht angefochten. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel dann ermessenskonform ist, wenn die betreffenden Abgaben bei der Primärschuldnerin nicht mehr eingebracht werden können.

Zulässigkeit einer Revision

Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist zulässig, weil die Rechtsprechung zur Frage, ob die Gleichbehandlung der Abgabenverbindlichkeiten mit den übrigen Verbindlichkeiten einer Gesellschaft alle zur Verfügung stehenden liquiden Mittel beinhalten muss (Mitteltheorie, ) oder auch aus dem Verhältnis der geleisteten Zahlungen zu den fälligen Verbindlichkeiten (Zahlungstheorie) abgeleitet werden kann (), uneinheitlich ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.2100320.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at