Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.06.2016, RV/7105475/2014

Unrichtiger Bescheidspruch - Grundbetrag und Erhöhungsbetrag (Familienbeihilfe)

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7105475/2014-RS1
Die Darlegung der "Sache" und des (beantragten) Zeitraumes sind gerade im Familienbeihilfenverfahren von enormer Bedeutung, ist es doch in diesen Verfahren nicht unüblich, gleichzeitig mehrere Anträge (Grundbetrag/Erhöhungsbetrag) für ein oder mehrere Kinder für unterschiedliche Zeiträume einzubringen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag.a RICP über die Beschwerde des Bf., W., gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf, 1030 Wien, Marxergasse 4, vom , womit der "Antrag vom auf erhöhte Familienbeihilfe

  • für den am Datum. geborenen S1, VNR 1a, ab Juni 2009 und

  • für den am Datum geborenen Sohn2 B., VNR c, von Juni 2009 - April 2013

abgewiesen wird, zu Recht erkannt: 

1. Der angefochtene Abweisungsbescheid vom wird gemäß § 279 BAO aufgehoben.

2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensverlauf:

Der Beschwerdeführer (Bf.), ein serbischer Staatsbürger, beantragte am die Gewährung der Familienbeihilfe (Beih 1) für seine Söhne Sohn1., geb. Datum. und Sohn2., geb. Datum, ab 06/2009.

Ebenfalls mit beantragte der Bf. die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung (Beih 3) für seinen Sohn B. ab 07/2012 wegen Diabetes I.

Er legte den Anträgen eine Reihe von Unterlagen bei, und zwar:


Für   A.:
- eine Bestätigung über erteilte Aufenthaltstitel des Landes Wien, Magistratsabteilung 35 (MA 35) vom ,
- einen Auszug aus dem Zentralen Melderegister,
- einen Auszug aus dem Geburtseintrag des Standesamtes Wien-Innere Stadt
- Schulbesuchsbestätigungen,
- einen (im elektronischen Verfahren eingescannten, nicht lesbaren) Aufenthaltstitel,
- eine Einreichbestätigung  der MA 35 vom über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt EG",
- eine Kopie des serbischen Reisepasses, 
- einen Ausbildungsvertrag,
- einen Auszug aus dem Ratgeber Fremdenrecht,
- eine Kopie der NAG-Karte ("Niederlassungsnachweis", Gültigkeit bis ).


Für B.:
- Schulbesuchsbestätigungen,
- eine Bestätigung über erteilte Aufenthaltstitel der MA 35 vom ,
- einen Auszug aus dem Geburtseintrag des Standesamtes Wien-Landstraße,
- eine Einreichbestätigung über einen Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels ("Daueraufenhalt-EG") vom ,
- eine Kopie des serbischen Reisepasses,
- eine Kopie der NAG-Karte (Niederlassungsnachweis) vom (Gültigkeit bis ), 
- Laborberichte des SMZ-Süd, 
- einen Auszug aus dem Zentralen Melderegister,
- einen Auszug aus dem Ratgeber Fremdenrecht,
- eine Kopie der im Rechtsmittelverfahren eingescannten (nicht lesbaren) NAG-Karte.

Am  reichte der Bf. Kopien der Reisepässe für sich, seine Ehegattin und die Söhne nach. Überdies übermittelte er Kopien der NAG-Karte ("Rot-Weiss-Rot-Karte Plus") gültig bis für sich, Sohn A. (NAG-Karte "Daueraufenthalt-EG", gültig bis ) und Sohn B. (NAG-Karte "Daueraufenthalt-EG", gültig bis ).

Infolge des Ergänzungsersuchens des FA vom übermittelte der Bf. am Bestätigungen über erteilte Aufenthaltstitel vom der MA 35 für sich und Sohn B..

Das FA erließ am nachstehenden Bescheid:

"Abweisungsbescheid
Ihr Antrag vom auf erhöhte Familienbeihilfe wird abgewiesen für:


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Name des Kindes
VNR/Geb.dat
Zeitraum von – bis
Sohn1:
c
Juni 2009 – Apr. 2013
S1
Datum.
ab Juni 2009

Begründung:
zu  
Sohn1::
Für Kinder, die nicht österreichische StaatsbürgerInnen sind, besteht gemäß § 3 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten.

zu  S1:
Für Kinder, die nicht österreichische StaatsbürgerInnen sind, besteht gemäß § 3 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Rechtsmittelbelehrung…..

Hinweis: Im Zuge dieser Erledigung erstellte das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen im Auftrag des Finanzamtes eine Bescheinigung über das Ausmaß der Behinderung, die zu Ihrer Information angeschlossen ist."

In diesem ärztlichen Sachverständigengutachten für B. vom wurde festgestellt, dass er an Diabetes mellitus Typ MODY 1 leide, der Gesamtgrad der Behinderung 50 vH voraussichtlich mehr als drei Jahre anhaltend betrage, eine rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades der Behinderung ab 2012-07-01 aufgrund der vorgelegten Befunde möglich sei, der Untersuchte voraussichtlich nicht  dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen und die Anerkennung ab Manifestation erfolge. 

Der Bf. erhob mit Schriftsatz vom (Eingang: 29. Oktober) gegen den Abweisungsbescheid Berufung. Begründend führte er aus, dass für nicht österreichische StaatsbürgerInnen gemäß § 3 Abs 1 und 2 FLAG nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten. § 9 NAG betreffe die Dokumentation des Niederlassungsrechts von EWR-BürgerInnen, § 8 NAG die Arten und Form der Aufenthaltstitel. § 8 Abs 1 Z 7 NAG normiere den Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt EG" für die Dokumentation des unbefristeten Niederlassungsrechts, unbeschadet der Gültigkeitsdauer des Dokuments.
Das Dokument sei für jeweils 5 Jahre auszustellen. Trotz dieser nur beschränkten Gültigkeitsdauer der Karte, gelte das mit dem Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EG" verbundene Aufenthaltsrecht unbefristet. Dies sei ähnlich zu sehen wie die Gültigkeitsdauer eines Reisepasses. Diese betrage in Österreich in der Regel 10 Jahre. Obwohl die Gültigkeitsdauer des Passes ablaufe, bleibe man StaatsbürgerIn.
Seine beiden Söhne seien in Wien geboren und hier aufgewachsen. Sie seien seit Geburt hier durchgehend niedergelassen. A. habe vor seinem Daueraufenthalt – EG über einen Niederlassungsnachweis bis verfügt. B. habe vor seinem Daueraufenthalt-EG über einen Niederlassungsnachweis bis verfügt.
Wenn das Dokument "Niederlassungsnachweis" seine Gültigkeit verliere, gehe dadurch die unbefristete Aufenthaltsposition natürlich nicht verloren, es sei lediglich ein neuer Nachweis auszustellen. Damit haben sich seine Kinder auch für die fraglichen Zeiten in Österreich gemäß § 8 NAG rechtmäßig aufgehalten. Somit werde auch dem Buchstaben des § 3 Abs. 1 FLAG 1967 entsprochen.
A. verfüge seit über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, B. seit . Für beide habe er im Jahr 2010 die Ausstellung einer Daueraufenthalts-EG NAG Karte beantragt, die Bearbeitungsdauer habe sich wegen der Ausstellung von neuen Reisepässen so in die Länge gezogen. Schlussendlich sei ihnen im Mai 2013 die beantragten Aufenthaltstitel Daueraufenthalt EG für die Dokumentation des unbefristeten Aufenthaltes erteilt worden.
Der Tatbestand des § 3 Abs. 2 FLAG sei erfüllt, daher stehe ihm der Anspruch auf Familienbeihilfe zu. Da der bekämpfte Bescheid rechtswidrig sei, beantrage er seine Aufhebung und die Zuerkennung der Familienbeihilfe für seinen Sohn B. von Juni 2009 bis April 2013 (erhöht von 7/2012 bis 4/2013) und für seinen Sohn A. von 6/2009 bis 3/2013.
Beigelegt wurden die Einreichbestätigungen der MA 35 vom für A. und B., die Bestätigungen über erteilte Aufenthaltstitel der MA 35 vom für A. und B., (im elektronischen Aktenverfahren eingescannte und für das BFG nicht lesbare) Aufenthaltstitel für B. und A. ("NAG-Karten"), Auflistungen von Schulbesuchszeiten des Stadtschulrates für Wien vom für  A. und B., (schwer lesbare) Aufenthaltstitel ("NAG-Karten") "Daueraufenthalt-EG" für A. und B. vom bis .

Das Finanzamt wies die Beschwerde vom mit Beschwerdevorentscheidung vom wiederum unter Verweis auf die gesetzlichen Bestimmungen des § 3 Abs. 2 FLAG 1967 mit der Begründung ab, dass der Bf. in seiner Beschwerde angegeben habe, dass er erst am den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für seine beiden Kinder gestellt habe. Auch die Magistratsabteilung 35 habe schriftlich bestätigt, dass der Bf. erst am den Antrag gestellt habe. Es sei nach Erledigung des Antrages ein Aufenthaltstitel ab für beide Kinder ausgestellt worden. Die Kinder hätten somit von 2009 bis 2013 keinen gültigen Aufenthaltstitel gehabt. Daher bestehe für diesen Zeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Der Bf. beantragte am 14. Feber 2014 die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und wiederholte im Wesentlichen die in der Berufung dargelegten Ausführungen. Darüber hinaus führte er noch aus, dass A. seit und B. seit über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht verfügten. Für beide habe er im Jahr 2010 die Ausstellung einer Daueraufenthalt-EG NAG Karte beantragt, die Bearbeitungsdauer habe sich wegen der Ausstellung von neuen Reisepässen so in die Länge gezogen. Schlussendlich seien ihnen im Mai 2013 die beantragten Aufenthaltstitel Daueraufenthalt EG für die Dokumentation des unbefristeten Aufenthaltstitels erteilt worden. Der Tatbestand des § 3 Abs 2 FLAG sei erfüllt, daher stehe ihm der Anspruch auf Familienbeihilfe zu.
In der Beschwerdevorentscheidung sei in keinster Weise auf die vorgebrachte Tatsache, dass seine Kinder seit 1996 bzw. 2004 über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht in Österreich verfügten, eingegangen worden. Es werde von der Behörde nur lapidar vorgehalten, dass sie von 2009 bis 2013 über keinen gültigen Aufenthaltstitel verfügten. Dieser Vorhalt sei schlicht und einfach falsch. Richtig sei, dass beide vor ihrem Daueraufenthalt-EG einen Niederlassungsnachweis (ausgestellt von 2004 bis 2009) innehatten.

Das Bundesfinanzgericht ersuchte die Magistratsabteilung 35 des Amtes der Wiener Landesregierung mit E-Mail vom um Auskunft, ob die Söhne des Bf. von Juni 2009 bis über einen Aufenthaltstitel gemäß § 8 NAG verfügten, denn laut ihrem Schreiben vom habe B. ab keinen Aufenthaltstitel gehabt. Bei A. stehe in der Spalte Bewilligungsdauer "bis unbefristet" und bei Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Fremden". Es möge der Grund für die Divergenz betreffend Aufenthaltstitel der Söhne bekanntgegeben werden.

Die MA 35 gab im E-Mail vom bekannt:
" S1,…, (unbefristeter Aufenthaltstitel seit ),
Sohn1:, …,(unbefristeter Aufenthaltstitel seit )
Bezugsperson Mutter: geb. RE.
Die Kinder verfügten für den Zeitraum bis über einen Niederlassungsnachweis (unbefristeter Aufenthaltstitel mit einer Kartengültigkeit von 5 Jahren bei Minderjährigen) von der BPD, FrB.
Die am eingebrachten Verlängerungsanträge wurden mit einem "Daueraufenthalt-EG" (unbefristeter Aufenthaltstitel mit einer Kartengültigkeit von 5 Jahren) bewilligt.
Bis dato wurden keine Verlängerungsanträge "Daueraufenthalt-EU" (unbefristeter Aufenthalt mit einer Kartengültigkeit von 5 Jahren) eingebracht.
BF:: Am wurde eine Erst-Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittstaat – Ö, § 49 Abs. 1 FrG bis von der BPD Wien FrB erteilt. Der am eingebrachte Verlängerungsantrag wurde mit einer "Rot-Weiß-Rot-Karte (plus)" bis bewilligt.
Für den Zeitraum Juni 2009 bis verfügten die Minderjährigen über unbefristete Niederlassungsbewilligungen."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

 Als erwiesen angenommener Sachverhalt:

  • Der Bf., seine Gattin und die beiden Söhne sind serbische Staatsbürger.

  • Der Bf. reiste am nach Österreich ein.

  • Die Gattin und die beiden Söhne wurden in Österreich geboren.

  • Die Kinder befanden sich im Streitzeitraum nachweislich in Schul- bzw. Berufsausbildung.

  • Laut der Bestätigung über erteilte Aufenthaltstitel der MA 35 vom verfügten die Söhne über folgende Aufenthaltstitel:

    B.:

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    Eingangsdatum
    Bewilligungsdauer
      Aufenthaltszweck
     
     bis
      jeglicher Aufenthaltszweck
     
      in Bearbeitung
      Daueraufenthalt - EG

    A.:

    Tabelle in neuem Fenster öffnen
    Eingangsdatum
    Bewilligungsdauer
    Aufenthaltszweck
     
      bis unbefristet
      Familiengemeinschaft mit Fremden
     
      in Bearbeitung
      Daueraufenthalt - EG
  • :  Stellung der Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe (Beih 1) durch den Bf. für die Söhne A. und B. ab 06/09.

  • :  Stellung des Antrages auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe (Beih 3) durch den Bf. für Sohn B. ab 07/12.

  • Laut der Bestätigung über erteilte Aufenhaltstitel der MA 35 vom verfügten der Bf. (soweit relevant für das Verfahren) und B.  über folgende Aufenthaltstitel:

    Bf.:


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Eingangsdatum
Bewilligungsdauer
Aufenthaltszweck
unbeschränkt
beschränkt
Rot-Weiß-Rot-Karte plus (§ 46/1/2)

  • B.:
     

    Tabelle in neuem Fenster öffnen
    Eingangsdatum
    Bewilligungsdauer
    Aufenthaltszweck
    bis unbefristet
    Daueraufenthalt - EG
    vom bis
    jeglicher Aufenthaltszweck
  • : Abweisungsbescheid erhöhte Familienbeihilfe betreffend B. für den Zeitraum Juni 2009 – April 2013 und betreffend A. ab Juni 2009.

  • : Einbringung der Berufung.

  • :Ergehen der Beschwerdevorentscheidung

  • 14. Feber 2014: Einbringung des Vorlageantrages

  • : E-Mail der MA 35: Die Kinder verfügten für den Zeitraum bis über einen Niederlassungsnachweis (unbefristeter Aufenthaltstitel mit einer Kartengültigkeit von 5 Jahren bei Minderjährigen) von der BPD Wien, FrB.
    Die am eingebrachten Verlängerungsanträge wurden mit einem "Daueraufenthalt-EG" (unbefristeter Aufenthaltstitel mit einer Kartengültigkeit von 5 Jahren, (Anmerkung: Gültigkeit NAG-Karte: - )) bewilligt.
    Bis dato wurden keine Verlängerungsanträge "Daueraufenthalt-EU" (unbefristeter Aufenthaltstitel mit einer Kartengültigkeit von 5 Jahren eingebracht).
    Für BF: wurde am eine Erstniederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" bis von der BPD Wien, FrB erteilt.
    Der am eingebrachte Verlängerungsantrag wurde mit einer "Rot-Weiß-Rot-Karte (plus)" bis bewilligt.
    Für den Zeitraum Juni 2009 bis verfügten die Minderjährigen über unbefristete Niederlassungsbewilligungen.
     
    Die getroffenen Feststellungen stützen sich auf die Aktenlage, Datenbanken der Finanzverwaltung und Auskünften der MA 35.

  • Rechtwidrigkeit des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 2 lit. a Z. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) gelten die Bestimmungen der BAO auch in Angelegenheiten der von Abgabenbehörden des Bundes zuzuerkennenden bundesrechtlich geregelten Beihilfen aller Art. Dazu zählt auch die Familienbeihilfe.  Dementsprechend gelten für die Antragstellung nach § 10 FLAG 1967 die Bestimmungen des 3. Abschnitts A. §§ 85 ff der BAO über die Anbringen von Parteien (Vgl. Ritz, BAO 5 , TZ 1 zu § 2 und Nowotny in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG TZ 1 zu § 10).

§ 279 Abs. 1 BAO lautet: Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Nach Abs. 2 leg.cit. tritt das Verfahren durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

Gemäß § 10 Abs. 1 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.

(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Gemäß § 92 Abs. 1 BAO sind Erledigungen einer Abgabenbehörde als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen
a) Rechte oder Pflichten begründen, abändern oder aufheben, oder
b) abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen, oder
c) über das Bestehen oder das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses absprechen.

Für die Auslegung von Bescheiden sind die für Gesetze geltenden Auslegungsregeln (nämlich die §§ 6 und 7 ABGB) analog heranzuziehen ().
Für die Bedeutung einer Aussage im Spruch ist maßgebend, wie der Inhalt objektiv zu verstehen ist, und nicht, wie ihn die Behörde verstanden wissen wollte oder wie ihn der Empfänger verstand (). Bestehen Zweifel über den Inhalt des Spruches, so ist zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen (zB uvam.); es sei denn, dass zwischen Spruch und Begründung Widersprüche bestehen oder zumindest nicht ausgeschlossen sind. Wenn zwischen dem Spruch und der Begründung eines Bescheides ein unlösbarer Widerspruch besteht, dann ist dieser Bescheid inhaltlich rechtswirdrig (s. Ellinger/Iro/Kramer/Urtz, BAO 3 , § 93 E 44 und die dort zitierte Judikatur des VfGH und des VwGH).

Der Spruch ist die Willenserklärung der Behörde. Der normative (rechtsgestaltende oder rechtsfeststellende) Inhalt muss sich aus der Formulierung der Erledigung ergeben (vgl. ).

Der Spruch macht das Wesen des Bescheides aus. Er normiert Rechte und Pflichten oder stellt ein Rechts- bzw. Tatsachenverhältnis verbindlich fest ().

Der Inhalt des Spruches eines Bescheides ergibt sich inhaltlich aus dem Verfahrensgegenstand. Der Gegenstand des Verfahrens ist im Spruch zur Gänze zu erledigen. Es bedarf im Bescheidspruch stets der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des zur Erledigung anstehenden Sachverhaltes notwendig sind und damit die Subsumtion des als erwiesen angenommenen (einer bestimmten, im Spruch zu nennenden Person zuzurechnenden) Sachverhaltes.

Die Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen – wie die FB und KAB – ist ein zeitraumbezogener Abspruch.

Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die FB ist, wie sich aus den Regelungen des § 10 Abs. 2 und 4 FLAG 1967 entnehmen lässt, der Monat. Das Bestehen des FB-Anspruches für ein Kind kann somit je nach dem Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein ().

Der bescheidmäßig ("richtig") ausgewiesene Verfahrensgegenstand sowie der (Anspruchs-)Zeitraum sind essentielle Merkmale und maßgebend für die typischen Rechtswirkungen eines Bescheiden, wie z.B. Verbindlichkeit (normative Wirkung, Gestaltungs- und Feststellungswirkung, Bindungswirkung).

Die Darlegung des Verfahrensgegenstandes und des beantragten Zeitraumes sind gerade im Familienbeihilfenverfahren von enormer Bedeutung, ist es doch keineswegs unüblich, dass Beihilfewerber für ein oder mehrere Kinder gleichzeitig (mehrere) Anträge  (Grundbetrag, Erhöhungsbetrag) für unterschiedliche Zeiträume einbringen (können). 

  • Sohn1.:

Der Bf. hat für seinen Sohn A. einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe (also des Grundbetrages) mittels des Formulares Beih 1  am gestellt. Er beantragte die Zuerkennung des Grundbetrages ab dem Monat 06/2009 (bis März 2013).

Das FA wies den Antrag spruchmäßig folgendermaßen ab: "Ihr Antrag vom auf erhöhte Familienbeihilfe wird abgewiesen für: S1, Datum., ab Juni 2009". Begründend wurde auf § 3 Abs. 2 FLAG 1967 verwiesen.

Aus dem Teil des Bescheidspruches "Ihr Antrag vom auf erhöhte Familienbeihilfe" ergibt sich unmissverständlich, dass über einen vom Bf. für A. nicht gestellten Antrag - nämlich auf erhöhte Familienbeihilfe - abgesprochen wurde.

Für die Bedeutung einer Aussage im Spruch eines Bescheides kommt es darauf an, wie der Inhalt objektiv zu verstehen ist, und nicht, wie ihn die Abgabenbehörde verstanden wissen wollte oder wie ihn der Empfänger verstand ().

Bei eindeutigem Spruch ist die Begründung nicht zu seiner Ergänzung oder Abänderung heranzuziehen ().

Da der Bf. am keinen Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe für A. gestellt hatte, durfte die Behörde einen derartigen Antrag auch nicht abweisen.

Wenn nun aber festzustellen ist, dass mit dem angefochtenen Bescheid über den Erhöhungsbestrag zur Familienbeihilfe für A. abgesprochen wurde, und dieser Abweisungsbescheid des Finanzamtes ohne entsprechende Antragstellung erlassen wurde, ist dieser – mangels Rechtsgrundlage für seine Erlassung – rechtswidrig und ersatzlos aufzuheben.

Über den noch offenen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe (Grundbetrag) wird noch abzusprechen sein.

  • Sohn2.:

Der Bf. beantragte am die Gewährung der Familienbeihilfe (Grundbetrag) ab 06/2009 und die Gewährung des Erhöhungsbetrages ab 07/2012 für B.. 

Gegenstand dieses Teiles des Beschwerdeverfahrens ist der angefochtene Bescheid vom insoweit, als er mit der Abweisung des "Antrages vom auf erhöhte Familienbeihilfe ab Juni 2009 bis April 2013 für B." abspricht.

Wie oben ausgeführt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sowohl der Spruch als auch die Begründung eines Bescheides als Ganzes zu betrachten; aus diesem Grunde kann die Begründung zur Auslegung eines unklaren Bescheidspruches herangezogen werden. Die Grenzen für eine solche Gesamtbetrachtung liegen jedoch dort, wo zwischen dem Spruch und seiner Begründung Widersprüche bestehen oder zumindest ausgeschlossen sind.

Dazu stellt das Bundesfinanzgericht fest, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides, insoweit er B. betrifft, unklar und auslegungsbedürftig ist: Einerseits wird  unzweideutig über den Antrag vom auf Gewährung des Erhöhungsbetrages andererseits aber zeitraumbezogen über den im Antrag auf Gewährung des Grundbetrages enthaltenen Zeitraumes ("Juni 2009 bis April 2013") abgesprochen.

Zieht man  nun - wegen des unklaren Bescheidspruches - die Begründung, somit die Zitierung des § 3 Abs. 2 FLAG 1967 und den Hinweis dass, "im Zuge dieser Erledigung das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen im Auftrag des Finanzamtes eine Bescheinigung über das Ausmaß der Behinderung erstellte, die angeschlossen ist", zur Auslegung heran, wird erahnbar, dass das FA den Bescheidspruch wohl so verstanden wissen wollte, dass damit über den Grundbetrag und wohl auch über den Erhöhungsbetrag abweisend entschieden werden sollte. 
Der angefochtene Bescheid lässt nicht eindeutig erkennen, über welchen Gegenstand (Grundbetrag und/oder Erhöhungsbetrag), über welche "Sache" des Verfahrens abgesprochen wurde. Nun ist aber "Sache", die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz bildet (), also die "Willenserklärung", der normative Inhalt eines Bescheides. 

Und auch die Beschwerdevorentscheidung vom zeigt, dass Unklarheiten über den Verfahrensgegenstand bestehen. Das FA nimmt darin Bezug auf die "Abweisung der Familienbeihilfe" und nicht wie im Erstbescheid angegeben, auf die "erhöhte Familienbeihilfe".

Der Grundbetrag - mit Ausnahme von § 10a FLAG 1967 - und der Erhöhungsbetrag werden nur auf Antrag gewährt. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für den Grundbetrag und den Erhöhungsbetrag ist der Monat . Die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum diese Beträge zu gewähren sind, ist ein zeitraumbezogener Abspruch und anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum, das ist der Monat, zu beantworten (vgl. ).

Im Beschwerdefall beantragte der Bf. den Grundbetrag für B. von 06/09 (bis 04/13) und den Erhöhungsbetrag von 7/12 bis 04/13. Der angefochtene Bescheid ignoriert den für den Erhöhungsbetrag beantragten Zeitraum, indem er über den für den Grundbetrag beantragten Zeitraum abspricht.

Zusammenfassend ist festzuhalten: 
Für die Bedeutung einer Aussage im Spruch ist maßgebend, wie der Inhalt objektiv zu verstehen ist, und nicht, wie ihn die Behörde verstanden wissen wollte oder wie ihn der Empfänger verstand ().
Im angefochtenen Bescheid wurde über den Antrag vom auf erhöhte Familienbeihilfe (somit über den Erhöhungsbetrag) für einen hiefür nicht beantragten Zeitraum (06/09 - 06/12) abgesprochen. Der Bescheid ist insoweit rechtswidrig.
Was den Zeitraum 07/12 - 04/13 anlangt, so liegt Rechtswidrigkeit insoweit vor, als nicht über den Erhöhungsbetrag ohne vorherige Absprache über den Grundbetrag abgesprochen werden kann.

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Hinweise für das weitere Verfahren:

Da die Anbringen des Bf. vom , ihm die Familienbeihilfe (Grundbetrag) für A. und B. ab 06/09 unter Berücksichtigung des Erhöhungsbetrages für B. ab 7/12 zu gewähren, nach wie vor unerledigt sind, wird das FA in weiterer Folge über diese Anträge zu entscheiden haben.

Dabei sei auf nachstehende §§ verwiesen:

§ 24 NAG regelt das Verfahren im Fall von Anträgen auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels. Nach Absatz 1 sind derartige Anträge vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen. Abs. 2 besagt: Anträge, die nach Ablauf des Aufenthaltstitels gestellt werden, gelten nur dann als Verlängerungsanträge, wenn der Antrag spätestens sechs Monate nach dem Ende der Gültigkeitsdauer des letzten Aufenthaltstitels gestellt wurde. Danach gelten Anträge als Erstanträge. Nach Stellung eines Verlängerungsantrages ist der Antragsteller unbeschadet fremdenpolizeilicher Bestimmungen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Hat ein Fremder einen Aufenthaltstitel nach § 8 (oder § 9) NAG und stellt er rechtzeitig vor Ablauf der Gültigkeitsdauer einen Antrag auf Verlängerung bleibt der Anspruch auf FB bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auch noch nach Ablauf der Gültigkeitsdauer bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin bestehen (vgl. Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, Familienlastenausgleichsgesetz, Kommentar, § 3, Tz 152, S 176). Fehlt eine der beiden Voraussetzungen besteht ein Anspruch auf FB nach § 3 Abs. 2 FLAG 1967 nicht. 

Nichtzulässigkeit der Revision:

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine Revision nicht zulässig, da der hier zu lösenden Rechtsfrage - Inhalt des Bescheidspruches - wie die dazu zitierten Erkenntnisse zeigen - Gegenstand höchstgerichtlicher Judikatur war und die dazu vorliegende Rechtsprechung nicht als uneinheitlich zu bezeichnen ist. 

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 24 NAG, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005
§ 2 lit. a Z 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 10 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 92 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 3 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.7105475.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at