Wiederaufnahme des Verfahrens, Zweikontenmodell
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf. vertreten durch SWT-Union Wirtschaftstreuhand GmbH, 2130 Mistelbach, Bahnzeile 9, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Gänserndorf Mistelbach vom , zugestellt am , betreffend Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 1998 und Einkommensteuer 1998 – 2001 nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vom entschieden:
I. Der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 1998 wird statt gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben .
II. Der Einkommensteuerbescheid 1998 tritt außer Kraft.
III. Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 1998 wird als unzulässig geworden zurückgewiesen.
IV. Die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 1999 – 2001 werden abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
V. Gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit () haben sich die Bezeichnungen der Rechtsmittel geändert. Das Bundesfinanzgericht verwendet daher in seinen Verfahren die verwaltungsgerichtsübliche Terminologie: „Berufungen“ werden als „Beschwerden“ bezeichnet, „Berufungsvorentscheidungen“ als „Beschwerdevorentscheidungen“ und „Berufungswerber“ als „Beschwerdeführer (Bf.)“.
Aus den Verwaltungsakten:
1. Im Streitzeitraum 1998 – 2001 war der Bf. als praktischer Arzt tätig und ermittelte seine Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 4 Abs 3 EStG 1988 idgF.
2. Die mit den Beschwerden vom angefochtenen Bescheide betreffend Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 1998 und Einkommensteuer 1998 - 2001 ergingen nach einer Nachschau gemäß § 144 BAO idgF durch die Betriebsprüfung.
In den Begründungsteilen aller Bescheide wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom verwiesen. Der Betriebsprüfungsbericht vom besteht aus 32 Textziffern (Tz). In Tz 17 – 30 stehen die steuerlichen Feststellungen zur Einkommensteuer; in Tz 31 jene zur Wiederaufnahme des Verfahrens. In Tz 31 wird auf Tz 17, 18, 20 bis 22 und 24 bis 27 verwiesen.
Tz 17 enthält Feststellungen zur Absetzung für Abnutzung Kunstwerke (Bilder), Tz 18 zum Investitionsfreibetrag, Tz 19 zum Aufwand Heizmaterial 2001, Tz 20 zum Fortbildungsaufwand, Tz 21 zum Zinsaufwand, Tz 22 zur Gewinnermittlung 1998 bis 2000 und Tz 23 zur Gewinnermittlung 2001. In Tz 24 werden die Einkünfte aus selbständiger Arbeit für die Jahre 1998 bis 2001 berechnet; in Tz 25 bis 30 die Einkommensteuer für die Jahre 1998 bis 2001.
In Tz 21 – Zinsaufwand wird zu den iHv ATS 25.807,47 (1998), ATS 87.251,13 (1999), ATS 82.942,09 (2000) und ATS 82.281,06 (2001) als Ausgaben aus selbständiger Arbeit erklärten Kreditzinsen festgestellt, dass sie aus folgenden Gründen nicht zu 32,77% betrieblich veranlasst seien:
Am entnahm der Bf. von seinem Konto bei der Bank1 (Nr. 1) ATS 130.000,00; am ATS 800.000,00; am ATS 200.000,00; am ATS 500.000,00 und am ATS 400.000,00.
Am entnahm der Bf. von seinem Konto bei der Bank2 (Nr. 2) ATS 500.000,00 und legte am ATS 250.000,00 auf dieses Konto ein.
Diese Entnahmen betragen abzüglich der Einlage in Summe ATS 2.280.000,00.
Bei der Bank2 hatte der Bf. das Kreditkonto Nr. 3. Über dieses Kreditkonto und das Konto bei der Bank2 wurden die Medikamentenzahlungen 7/1998 an die QGmbH fremdfinanziert und ein Kredit getilgt, sodass der Kredit ab September 1998 iHv insgesamt ATS 1.983.467,27 für fremdfinanzierte Medikamentenzahlungen und die Kredittilgung verwendet wurde.
Entnahmen iHv ATS 650.000,00 oder 32,77% der Kreditsumme seien durch Verwendung des sog. „Mehrkontenmodells“ fremdfinanziert worden, da der zeitliche Zusammenhang zwischen Entnahmen und fremdfinanzierten Medikamentenzahlungen ab 7/1998 bestehe und der Bf. Geldmittel entnommen habe, obwohl die saldiert betrachteten Geldmittelkonten keinen Geldmittelüberschuss ergeben.
Alle Bescheide wurden am zugestellt, waren innerhalb 1 Monats ab Zustellung mit Beschwerde anfechtbar und wurde mit den Beschwerden vom angefochten.
3. Beschwerdeverfahren:
3.1. Beschwerdeverfahren Verfahrenswiederaufnahme – Einkommensteuer 1998:
3.1.1. In der Beschwerde gegen die Verfahrenswiederaufnahme – Einkommensteuer 1998 brachte der Bf. vor:
Der die Jahre 1999 bis 2002 umfassende Prüfungsauftrag sei auf das Jahr 1998 erstreckt worden, da ein nicht betrieblich veranlasster Kreditanteil von 32,77% aus der Sachlage der Jahre ab 1999 nicht feststellbar gewesen sei. Die Zurechnung 1998 iHv ATS 8.457,11 erhöhe das Einkommen um +/- ATS 4.228,00; sei daher geringfügig und sei nur erfolgt, um eine 10x höhere Zurechnung in den Folgejahren durchführen zu können. Eine Ermessensüberschreitung liege vor. Eine eventuelle privat verursachte Ausweitung der Kreditverbindlichkeiten sei aus der im Veranlagungsverfahren 1998 vorgelegten Entwicklung der Bankkonten erkennbar gewesen und stelle keine neu hervorgekommene Tatsache dar. Da die Abgabenbehörde den Einkommensteuererstbescheid 1998 nicht vorläufig erlassen habe, habe sie den durch die Erhöhung des Kreditvolumens angestiegenen Finanzierungsaufwand als betrieblich veranlasst anerkannt.
© Bf. in der Beschwerde, Seite 2, vorletzter Absatz ff: „Die Feststellungen in Tz 21 des Betriebsprüfungsberichtes über die Entnahmen 1998 sind richtig. Die Schlussfolgerung allerdings, dass die Entnahmen ab September 1998 iHv ATS 650.000,00 im Rahmen eines Zweikontenmodells finanziert worden sind, ist nicht richtig. Sämtliche Kreditkonten hatten am Anfang des Jahres 1998 einen Stand von ATS 3.349.880,00. Bis Ende August war der Kreditstand trotz Privatentnahmen von ATS 1.630.000,00 auf ATS 3.038.367,00 abgesunken. In den Monaten September/Oktober sind die Kreditstände zwar angestiegen, aber im November wieder auf den Stand von ATS 3.171.639,00 abgesunken. Die letzte Privatentnahme meines Mandanten erfolgte lt. Betriebsprüfungsbericht Tz 21 am mit einem Betrag von ATS 400.000,00. Diese Entnahme hat in keiner Weise den Kontostand erhöht, der Kontostand ist von Anfang des Jahres 1998 von ATS 3.349.880,00 vielmehr auf einen Bestand von ATS 3.171.639,00 Ende November 1998 abgesunken. Von einem Zweikontenmodell kann daher niemals die Rede sein.
Im Dezember 1998 hat mein Mandant Medikamentenvorauszahlungen an den Lieferanten Q im Ausmaß von ATS 2.050.000,00 geleistet, weshalb der Kontenstand per Ende festgestellt hat, wurden im Dezember 1998 keine Entnahmen getätigt. Der Anstieg der Kreditverbindlichkeiten ist lediglich darauf zurückzuführen, dass mein Mandant Medikamente vorausbezahlt hat. Er hat Einnahmen von Jänner bis Oktober 1998 im Ausmaß von ATS 2.530.000,00 getätigt. Der Kreditstand vom Anfang des Jahres 1998 in Höhe von ATS 3.349.880,00 ist bis Ende November 1998 auf einen Betrag von ATS 3.171.639,00 reduziert worden. Es kann daher von einem Zweikontenmodell nicht gesprochen werden.
Die dem Betriebsprüfer vorgelegte Monatssaldenliste per zeigt diese Entwicklung deutlich und lässt keinen Spielraum für Spekulationen über ein Zweikontenmodell zu. Kreditausweitung fand im Dezember durch die Vorauszahlung für Medikamente statt, sie fand ausschließlich in diesem Monat statt. Ende November war der Stand mit ATS 3.1171.639,00 niedriger als am Beginn des Jahres mit ATS 3.349.880,00. Die letzte Entnahme fand im Oktober statt. Es fehlt also jeder zeitliche Zusammenhang zwischen Entnahmen und Kreditausweitung. Damit liegt ein privat verursachter Anstieg des Finanzierungsaufwandes nicht vor und es fehlt damit auch jeder Wiederaufnahmegrund für das Verfahren des Jahres 1998“.
3.1.2. In seiner Stellungnahme () führte der Betriebsprüfer im Wesentlichen aus, privat veranlasste Kreditzinsen seien aus den im Veranlagungsverfahren vorgelegten Unterlagen nicht erkennbar gewesen, da entscheidungsrelevante Tatsachen und Beweismittel wie bspw. die Höhe der Entnahmen, Zeitpunkt der Entnahmen, Höhe der Anzahlungen, Zeitpunkt der Anzahlungen und sonstige Verwendungsnachweise der Kredite nicht bekannt gewesen seien. Die Auswirkungen der privaten Kreditzinsen auf die Folgejahre seien nicht geringfügig.
3.1.3. Die Beschwerde vom wurde mit der Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen. In der gesondert zugestellten Begründung vom wurde sachverhaltsbezogen ausgeführt: „… lm vorliegenden Fall war für die Wiederaufnahme des Verfahrens 1998 die Textziffer 21 des Bp-Berichtes betreffend nichtbetrieblicher Veranlassung von Zinsaufwendungen, die für die Jahre 1998 bis 2001 Auswirkung hatte, ausschlaggebend ... Aus den im Erstverfahren allein vorliegenden Abgabenerklärungen samt Beilagen war die private Veranlassung der Zinsenaufwendungen nicht erkennbar. Entscheidungsrelevante Tatsachen wie zum Beispiel Höhe der Entnahmen, Zeitpunkt der Entnahmen, Höhe der Anzahlungen, Zeitpunkt der Anzahlungen und sonstige Verwendungsnachweise der Kredite waren der Abgabenbehörde bisher nicht bekannt. Aus der Beilage zur Abgabenerklärung war auch nicht ersichtlich, dass es sich im konkreten Fall um das in der Tz 21 des Bp-Berichtes beschriebene Zweikontenmodell handle.
Die Beschwerdevorentscheidung vom wurde am zugestellt, war innerhalb 1 Monats ab Zustellung mit Vorlageantrag anfechtbar und wurde mit Vorlageantrag vom angefochten. Im Vorlageantrag wurde kein neues Beschwerdevorbringen erstattet.
3.1. Beschwerdeverfahren Einkommensteuer 1998 - 2001:
3.2.1. In den Beschwerden gegen die o.a. Sachbescheide beantragte der Bf., seine Einkünfte aus selbständiger Arbeit iHv ATS 1,388.206,00 (1998), ATS 3.099,239,00 (1999), ATS 3.362.130,00 (2000) und ATS 3.594.088 (2001) festzusetzen und begründete diesen Antrag (sinngemäß) wie folgt: Die Betriebsprüfung habe für die Jahre 1999 – 2001 festgestellt, dass es in diesem Zeitraum keine Anhaltspunkte für eine privat veranlasste Kreditausweitung – und damit für nicht (als Betriebsausgaben) anzuerkennende Finanzaufwendungen gebe.
© Bf.: „Der Prüfer hat festgestellt, dass die saldierten Entnahmen iHv ATS 650.000,00 im Rahmen eines Mehrkontenmodells finanziert wurden. Diese Entnahmen fanden in den Monaten September und Oktober statt. Wie aus der beiliegenden Monatssaldenliste ersichtlich ist, ist der Kreditbestand insgesamt per Ende November auf einen Betrag von ATS 3.177.639,00 abgesunken. Am Beginn des Jahres betrug der Kreditstand noch ATS 3.349.880,00. Der Kreditstand ist durch die Entnahmen meines Mandanten während des Jahres 1998 nicht angestiegen er ist vielmehr um rd. ATS 178.000,00 gesunken. Erst im Dezember, in welchem Monat keine Privatentnahmen stattfanden, ist der Kontenstand auf ATS 5.256.831,00 angestiegen, weil mein Mandant an seinen Medikamentenlieferanten Q eine Vorauszahlung iHv ATS 2.050.000,00 geleistet hat. Der Kontenstand ist also aufgrund der Entnahmen während des Jahres nicht um ATS 650.000,00 angestiegen, sondern bis Ende November um rd. ATS 178.000,00 gesunken. Der vom Prüfer festgestellte zeitliche Zusammenhang mit den fremdfinanzierten Medikamentenzahlungen ab September 1998 ist nicht nachvollziehbar, weil der Kontenstand vom Anfang des Jahres von ATS 3.349.880,00 bis Ende November auf ATS 3.171.639,00 abgesunken ist. Erst im Dezember ist der Kontenstand um ATS 2.250.000,00 ausschließlich aus der Medikamentenvorauszahlung an die Q angestiegen. Ein zeitlicher Zusammenhang mit den Entnahmen bis Oktober kann beim besten Willen nicht hergestellt werden. Da die Kreditausweitung durch Entnahmen nicht stattgefunden hat, kann eine privat verursachte Ausweitung des Kreditengagement nicht unterstellt werden und es kann auch zu keiner Kürzung des Finanzierungsaufwandes kommen. Die Hinzurechnung der Zinsen in den nachfolgenden Jahren 1998 bis 2001 basiert nur auf den Feststellungen des Jahres 1998, für die Jahre 1999 bis 2000 hat der Prüfer ausdrücklich festgestellt, dass in dieser Zeit eine Kreditausweitung im Zusammenhang mit Entnahmen nicht entstanden ist. Eine weitere Begründung für die Absetzbarkeit der Zinsen der Jahre 1999 bis 2001 erübrigt sich daher. Es ist die Argumentation für das Jahr 1998 maßgeblich“.
3.2.2. In seiner Stellungnahme verwies der Betriebsprüfer auf die Erkenntnisse und , 93/15/0051, wonach der Schuldgrund entscheidend sei und führte folgende Daten an:
– fremdfinanzierte Akontozahlung iHv ATS 860.813,93 und fremdfinanzierte Zahlung der Medikamentenrechnung für Dezember 1997; der Kreditkontostand ist wegen der Fremdfinanzierung nicht gesunken.
Da eine Akontozahlung erfolgt ist, musste die Medikamentenrechnung für März 1998 iHv ATS 205.874,00 erst am bezahlt werden. Der Kreditkontostand sank nicht, da ATS 2.530.000,00 entnommen wurden.
Bis wurden ATS 1.630.000,00 entnommen; im Oktober und November in Summe ATS 900.000,00.
Vor Aufnahme des Kredites bei der Bank2 betrugen die Bankverbindlichkeiten ATS 3.038.367,00 (Stand ); nach den Entnahmen im September und Oktober 1998 ATS 4.469.607,00 (Stand ).
Von Mai bis September wurden Medikamente vom Konto bei der Bank1 gezahlt; ab September 1998 wurden für Medikamentenzahlungen und Kredittilgung ein Kreditrahmen iHv ATS 1.983.467,27 verwendet.
Von September bis Oktober wurden vom Konto bei der Bank1 ATS 900.000,00 entnommen (= lt. Bp. fremdfinanziert und keine Entnahme von Eigenmitteln).
Von 1998 – 2001 ist der Schuldenstand um ATS 4.310.307,65 angewachsen; für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens wurden ATS 2.059.150,10 ausgegeben.
Am war die erste Medikamentenzahlung des Jahres 1999; sie wurde für März 1999 getätigt und war die Restzahlung zur Akontozahlung iHv ATS 2.050.000,00.
Am wurden vom Konto, von dem immer Medikamente bezahlt wurden, ATS 900.000,00 entnommen.
3.2.3. Die Daten aus der v.a. Stellungnahme wurde in den Beschwerdevorentscheidungen vom verwendet, um darzulegen, dass private Kredite in die betriebliche Sphäre verschoben wurden und um die Abweisung der Beschwerden vom zu begründen.
Die Beschwerdevorentscheidungen vom wurden am zugestellt, waren innerhalb 1 Monats ab Zustellung mit Vorlageantrag anfechtbar und wurden mit den Vorlageanträgen vom angefochten. Alle Vorlageanträge enthalten kein neues Beschwerdevorbringen.
UFS – Vorhalteverfahren:
Mit Vorhalt vom wurde dem Bf. mitgeteilt, dass beabsichtigt wird, das Erkenntnis , der Entscheidung im Beschwerdeverfahren zugrunde zu legen. Der Vorhalt blieb de dato unbeantwortet.
Aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung:
Der Steuerberater bringt vor, dass der Bf. 1998 einen Gewinn entnommen hat. Er hätte damals einen Gewinn in Höhe von ca. ATS 1,4 Mio. entnehmen können, hat aber weniger entnommen. Es gab immer nur einen negativen Kontostand. Den Prozentsatz betreffend wird vorgebracht, dass von der Berechnungsgrundlage ATS 650.000,00 eine Einlage iHv ATS 250.000,00 nicht abgezogen worden ist.
Der Steuerberater beantragt, den Betrag von ATS 400.000,00 als Berechnungsgrundlage für die privat veranlassten Zinsen zu verwenden. Ein weiteres Vorbringen wird nicht erstattet. Weitere Beweisanträge werden nicht gestellt.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Alle Beschwerden und alle Vorlageanträge sind frist- und formgerecht eingebracht worden. Über die Beschwerden ist daher „in der Sache“ zu entscheiden.
Beschwerdepunkt/e
In der Sache ist strittig, ob die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 1998 von Amts wegen zulässig gewesen ist und ob ein Zwei- oder Mehrkontenmodell verwendet worden ist, um privat veranlasste Zinsen in die betriebliche Sphäre zu verschieben.
Ad. Verfahrenswiederaufnahme von Amts wegen:
Eine Wiederaufnahme der Verfahren von Amts wegen ist unter anderem in den Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Bescheidspruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte (§ 303 Abs 4 BAO idgF).
Wird eine Verfahrenswiederaufnahme verfügt, sind die Wiederaufnahmegründe in der Bescheidbegründung anzuführen, ebenso die für die Ermessensübung maßgebenden Gründe Dies ist nicht zuletzt deshalb notwendig, da bei der Entscheidung über ein Rechtsmittel gegen die Wiederaufnahme von Amts wegen nur die Prüfung, ob das Finanzamt dieses Verfahren aus den von ihm gebrauchten Gründen wieder aufnehmen durfte, vorzunehmen ist; nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre. Die fehlende Angabe der Wiederaufnahmegründe in der Begründung des mit Beschwerde angefochtenen Bescheides ist daher nicht nachholbar (Ritz, BAO-Kommentar, § 307, Tz. 2 ff, und die do. zit. Judikate ; , 90/14/0044; , 91/14/0165; , 93/14/0187, 0188).
Da die Wiederaufnahmegründe dem angefochtenen Wiederaufnahmebescheid zu entnehmen sind, besteht die entscheidungsrelevante Sachlage aus dem Inhalt des Wiederaufnahmebescheides. Wird im Wiederaufnahmebescheid auf einen Betriebsprüfungs- (Bp-) Bericht verwiesen, gehört der Inhalt dieses Bp-Berichtes auch zur Entscheidungsgrundlage.
Dieser Verweis auf einen Bp-Bericht steht auch im Wiederaufnahmebescheid betreffend Einkommensteuer 1998, dessen Textziffer 31 wiederum zu entnehmen ist, dass die Wiederaufnahmegründe in den Textziffern 17, 18, 20 bis 22 und 24 bis 27 stehen. Der Entscheidung über den Wiederaufnahmebescheid ist daher der Inhalt der Textziffern 17, 18, 20 bis 22 und 24 bis 27 zugrunde zu legen und das Bundesfinanzgericht hat zu prüfen, ob die Wiederaufnahme nach den in diesen Textziffern aufgezählten Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen ist.
Welche Tatsachen und Beweismittel in der ggstl. Beschwerdesache neu hervor gekommen sind, steht in der Stellungnahme des Betriebsprüfers, worin er ausführt, er habe nicht erkennen können, dass Kreditzinsen privat veranlasst gewesen seien, da bspw. die Höhe der Entnahmen, Zeitpunkt der Entnahmen, Höhe der Anzahlungen, Zeitpunkt der Anzahlungen und sonstige Verwendungsnachweise der Kredite nicht bekannt gewesen seien.
Der in der Stellungnahme beschriebene Wiederaufnahmegrund kann den Textziffern 17, 18, 20 bis 22 und 24 bis 27 nicht entnommen werden, da darin mehr Fakten als in der Stellungnahme aufgezählt werden und nicht gesagt wird, welche dieser Fakten den Wiederaufnahmegrund bilden (siehe bspw. Tz 17 – AfA Kunstwerke).
Kann der Wiederaufnahmegrund dem Wiederaufnahmebescheid nicht entnommen werden, ist die Wiederaufnahme nach der vorzit. VwGH-Rechtsprechung nicht zulässig.
Das Bundesfinanzgericht wendet diese VwGH-Rechtsprechung in der ggstl. Beschwerdesache an und entscheidet, dass der Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid stattzugeben und der Wiederaufnahmebescheid aufzuheben ist.
Als Rechtsfolge dieser Bescheidaufhebung scheidet der mit dem Wiederaufnahmebescheid erlassene Einkommensteuerbescheid 1998 aus dem Rechtsbestand aus. Scheidet ein nach einer Wiederaufnahme erlassener Sachbescheid aus dem Rechtsbestand aus, liegt ein Zurückweisungsgrund iSd § 260 Abs 1 lit. a BAO idgF vor. Die gegen den Einkommensteuerbescheid 1998 gerichtete Beschwerde ist daher als unzulässig geworden zurückzuweisen.
Ad. Zinsen bei Zwei- und Mehrkontenmodellen:
Nach ständiger Rechtsprechung in , u.a. soll bei den Zwei- und Mehrkontenmodellen die Abzugsfähigkeit von (privat veranlassten) Zinsen als Betriebsausgaben dadurch erreicht werden, dass Einnahmen, Ausgaben und Entnahmen planmäßig über verschiedene Bankkonten geleitet werden. Die Einnahmen fließen auf ein Bankkonto, das keinen Minusstand aufweist, da von diesem Bankkonto nur Entnahmen und keine Ausgaben abfließen. Die Ausgaben fließen von einem Bankkonto ab, auf das keine Einnahmen fließen und werden fremdfinanziert. Alle Bankkonten sind jedoch saldiert zu betrachten und wenn Entnahmen stattfinden, obwohl kein betrieblicher Geldmittelüberschuss vorhanden ist, sind die durch die Entnahmen verursachten Schulden keine betrieblichen Schulden sondern Privatschulden und die durch die Privatschulden verursachten Ausgaben sind Privatausgaben.
Der Entscheidung über diesen Streitpunkt ist die aus Tz 21 des Bp-Berichtes sich ergebende Sach- und Beweislage zugrunde zu legen, da in dieser Textziffer eine Sachlage dargestellt wird, die in allen wesentlichen Punkten mit dem Sachverhalt übereinstimmt, der dem Erkenntnis , zugrunde liegt.
Über diese Sach- und Beweislage ist iVm dem Beschwerdevorbringen festzustellen:
Der Bf. bestreitet, ein Zweikontenmodell verwendet zu haben und bestätigt, dass die Feststellungen in Tz 21 des Bp-Berichtes über zwei Bankkonten, ein Kreditkonto und die Geldzu- und –abflüsse auf diesen Konten richtig sind.
Ob ein Zweikontenmodell verwendet worden ist oder nicht, ist eine auf der Ebene der Beweiswürdigung zu beantwortende Sachfrage. Bei dieser Beweisführung darf jedes geeignete und zweckdienliche Beweismittel verwendet werden und nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens ist nach freier Überzeugung zu beurteilen, welche Fakten als erwiesen oder nicht erwiesen anzunehmen sind (§ 166 BAO idgF, § 167 Abs 2 BAO idgF). Von mehreren Versionen darf die wahrscheinlichste als erwiesen angenommen werden (Ritz, BAO4, § 167, Tz 8, und die do. zit. Judikate ; …).
Wie dem Erkenntnis , zu entnehmen ist, sind bei den Zwei- und Mehrkontenmodellen mindestens zwei Bankkonten und ein Kreditkonto beteiligt. Mit den Bankkonten bei der Bank1 und der Bank2 hat der Bf. zwei Bankkonten für seine Einnahmen, Entnahmen und Ausgaben verwendet, deren Kontostände ständig negativ gewesen sind. Er hat auch ein Kreditkonto bei der Bank2 und hat bspw. betrieblich veranlasste Medikamentenzahlungen fremdfinanziert. Die gesamten Kreditzinsen hat er als Ausgaben aus einer betrieblichen Schuld erklärt.
Diese Sachlage stimmt in allen wesentlichen Punkten mit der Sachlage überein, die dem vorzit. Erkenntnis zugrunde liegt. Deshalb ist als erweisen anzusehen und der Entscheidung zugrunde zu legen, dass der Bf. das von ihm bestrittene Zweikontenmodell tatsächlich verwendet hat.
Da nach der vorzit. Sach- und Beweislage als erwiesen anzusehen ist, dass der Bf. ein Zweikontenmodell verwendet hat, ist das Erkenntnis , im ggstl. Beschwerdefall anzuwenden. Beide Bankkonten sind zu saldieren und nachdem sie saldiert worden sind, ist das Verhältnis der betrieblichen Ausgaben zu den Entnahmen zu ermitteln, da nur die Zinsen, die auf die fremdfinanzierten betrieblichen Ausgaben entfallen, Betriebsausgaben und die auf die Entnahmen entfallenden Zinsen Privatausgaben sind.
Das Finanzamt ist davon ausgegangen, dass Entnahmen iHv ATS 650.000,00 32,77% der gesamten Kreditsumme sind und hat 32,77% der erklärten Zinsen nicht als Betriebsausgaben anerkannt. Diese Berechnungsmethode hat der steuerliche Vertreter des Bf. mit dem Antrag, ATS 400.000,00 als Berechnungsgrundlage für die privat veranlassten Zinsen zu verwenden, bestritten.
Über diesen Antrag, die vom Finanzamt verwendeten Berechnungsgrundlagen und das Beschwerdevorbringen vor und während der mündlichen Verhandlung hat das Bundesfinanzgericht erwogen:
Richtig ist, dass der Kredit 1998 aufgenommen und die betrieblichen Ausgaben und Entnahmen 1998 getätigt worden sind. Nach den in , zitierten Judikaten zur Rechtsfrage „Betriebsschulden“ ist jedoch nicht entscheidungsrelevant, wann die Fremdmittel aufgenommen sondern wofür sie verwendet worden sind. Das Verhältnis der betrieblichen Ausgaben zu den Entnahmen aus 1998 darf daher verwendet werden, um die betrieblich und die privat veranlassten Zinsen der Folgejahre zu berechnen.
In der mündlichen Verhandlung konnte der Bf. nicht nachvollziehbar darlegen, warum er 1998 einen Gewinn iHv ATS 1,4 Mio. hätte entnehmen können, da die Kontostände auch damals ständig negativ gewesen sind und negative Kontostände eindeutig dafür sprechen, dass keine Gewinne sondern Verluste erzielt worden sind. ATS 1,4 Mio. ist daher nicht mit Entnahmen iHv ATS 650.000,00 gegen zu verrechnen.
Als Einnahmen – Ausgaben – Rechner ist der Bf. nicht verpflichtet, seine berufliche Tätigkeit mit Privatvermögen auszustatten. Deshalb sind Einlagen Entnahmen mindernd zu berücksichtigen, was jedoch bereits geschehen ist, wenn ATS 650.000,00 als Berechnungsgrundlage für die Privatschuld verwendet werden:
Denn werden die Entnahmen vom iHv ATS 500.000,00 und vom iHv ATS 400.000,00 addiert, ergeben sie in Summe ATS 900.000,00 und wird von diesen ATS 900.000,00 die Einlage iHv ATS 250.000,00 abgezogen, lautet das Ergebnis der Berechnung ATS 650.000,00.
Da eine Einlage nicht zweimal Entnahmen mindernd berücksichtigt werden darf, sind die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 1999 – 2001 abzuweisen.
Ad Revision
Gemäß Art 133 Abs 1 Z 4 B-VG ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung abhängt.
Grundsätzlich bedeutende Rechtsfrage musste das Bundesfinanzgericht nicht beantworten, da der Verwaltungsgerichthof diese Rechtsfragen in seiner ständigen Rechtsprechung in ; , 90/14/0044; , 91/14/0165 und , 93/14/0187, 0188 zu den Verfahrenswiederaufnahmen und der ständigen Rechtsprechung zu den Zwei- und Mehrkontenmodellen in , bereits beantwortet hat und von dieser Rechtsprechung de dato nicht abgewichen ist.
Die (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2016:RV.7100652.2005 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at