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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.06.2016, RV/2100568/2016

1. Bewirtungsspesen eines Arztes 2. Doppelte Haushaltsführung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache des Dr. Bf., vertreten durch Dr. Manfred Kurt Mayrbäurl, Nöbauerstraße 28, 4060 Leonding, gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Einkommensteuer 2012 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird - im Umfang der Beschwerdevorentscheidung - teilweise stattgegeben.

Die Einkommensteuer 2012 wird (wie in der Beschwerdevorentscheidung) mit -2.090 € (Gutschrift) festgesetzt.

Das darüber hinaus gehende Mehrbegehren (lt. Vorlageantrag) wird abgewiesen.

Die Ermittlung der maßgeblichen Bemessungsgrundlage sowie die Berechnung der Abgabe ergeben sich aus der Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes vom , auf welche verwiesen wird.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

(1) Der Beschwerdeführer (Bf.) ist seit März 2010 als Oberarzt im Krankenhaus Steyr tätig und bezieht aus seiner dortigen Anstellung nichtselbständige Einkünfte. Im ersten Dienstjahr lag ein befristetes Dienstverhältnis vor, seit dem zweiten Jahr besteht ein unbefristetes Dienstverhältnis (Land Oberösterreich). Daneben erzielte er im Streitjahr Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Sonderklasse- und Vortragshonorare). Die Einnahmen aus Vorträgen beliefen sich im Jahr 2012 auf insgesamt € 2.500,--. Der Bf. ist seit 2006 geschieden. Die Kinder leben mit der geschiedenen Frau im gemeinsamen Haushalt in Graz. Der Hauptwohnsitz des Bf. ist in Graz gemeldet. Seit ist der Bf. mit Nebenwohnsitz in X (Oberösterreich) gemeldet. Dort bewohnt er ein Haus, das je zur Hälfte ihm und seiner Schwester gehört (Übergabe von den Eltern mit Vertrag v. Dezember 2000).

Vor dem BFG ist zum Einen der Abzug von Bewirtungsspesen iHv. € 306,30 sowie zum Anderen der Abzug von Kosten der doppelten Haushaltsführung iHv. insgesamt € 3.296,54 (AfA und laufende Wohnungskosten) strittig. Der Bf. setzte die strittigen Aufwendungen anteilig (nach dem Verhältnis der Einnahmen) bei seinen selbständigen sowie bei seinen nichtselbständigen Einkünften an.

(2) Das Finanzamt verwehrte den Abzug dieser Kosten im angefochtenen Bescheid mit folgender Begründung:

Bewirtungsspesen:

Eine Abzugsfähigkeit sei nur möglich, wenn der Steuerpflichtige nachweise, dass die Bewirtung überwiegend Werbezwecken dient. Dass die Bewirtungen Werbezwecken gedient hätten, könne auf Grund der beruflichen Tätigkeit als Arzt ausgeschlossen werden.

Doppelte Haushaltsführung:

Die Beibehaltung des Wohnsitzes in Graz sei offensichtlich privat veranlasst, da der Bf. geschieden sei und die Kinder nicht mit ihm im gemeinsamen Haushalt leben würden. Auch die selbständige ärztliche Tätigkeit werde nicht vom Wohnsitzort aus ausgeübt. Eine Unzumutbarkeit der Verlegung des Wohnsitzes sei daher nicht gegeben. Da das Dienstverhältnis beim Land Oberösterreich bereits seit 2010 besteht, handle es sich um eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung.

(3) Dagegen wurde rechtzeitig Beschwerde erhoben. Laut Beschwerde gliedern sich die beantragten Bewirtungsspesen wie folgt:

-- Bewirtung im Zusammenhang mit der Erstellung eines Sicherheitskonzeptes Skisportgroßereignis in H (Besprechung vom € 492,-- , Besprechung vom € 55,30)

-- Bewirtung im Zusammenhang mit Besprechungen mit Entscheidungsträgern für die Vergabe von fachlich einschlägigen Stellen (Primariaten) iHv. € 65,30

(Anmerkung: Ein weiterer – ursprünglich begehrter - Betrag ist nach Vorlage der Beschwerde an das BFG nicht mehr strittig)

Von diesen Kosten werde der Ansatz von 50% als Bewirtungsaufwand geltend gemacht.

Diese Bewirtungen dienten überwiegend Werbezwecken für die Auftragsakquisition und das berufliche Fortkommen des Bf. Die pauschale Aussage der Behörde, dass ein Arzt keine Werbung benötigt, könne nicht nachvollzogen werden.

Zur doppelten Haushaltsführung:

Die Stelle in Steyr habe der Bf. „nur als Überbrückung“ angenommen, um innerhalb eines absehbaren Zeitraums eine leitende Position an einer unfallchirurgischen Abteilung in der Steiermark oder Südostösterreich zu finden. Die Suche nach einer Primariatsstelle in der Steiermark bzw. Südostösterreich gestalte sich aber schwieriger als erwartet. Sei von vorneherein mit Gewissheit anzunehmen, dass die auswärtige Tätigkeit mit 4 bis 5 Jahren befristet ist, so liege laut VwGH eine Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes vor. Entgegen der Aussage der Behörde würden die Vortragshonorare sehr wohl im Grazer Umfeld (Med. Uni Graz) erzielt; diese würden die geltend gemachten Kosten der doppelten Haushaltsführung auch deutlich übersteigen.

(4) In seiner Beschwerdevorentscheidung führt das Finanzamt zu den Bewirtungsspesen nochmals aus, dass der Nachweis des Zutreffens der Voraussetzungen (überwiegender Werbecharakter) für eine Abzugsfähigkeit erforderlich sei und eine Glaubhaftmachung nicht ausreiche. Erforderlich sei die Darlegung, welches konkrete Rechtsgeschäft im Rahmen der Bewirtung zu welchem Zeitpunkt tatsächlich abgeschlossen bzw. welches konkrete Rechtsgeschäft im Einzelfall ernsthaft angestrebt worden sei. Bezüglich der Kosten für die doppelte Haushaltsführung hält die Abgabenbehörde daran fest, dass eine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung nicht vorliege. Auf Grund der Aktenlage könne nicht davon ausgegangen werden, dass von vornherein die Gewissheit bestanden habe, die auswärtige Tätigkeit sei mit 4 bis 5 Jahren befristet. Der Bf. sei inzwischen bereits seit mehr als 5 Jahren in einem aufrechten Dienstverhältnis in Steyr beschäftigt. Für die Ausübung der Vortragstätigkeit (Einnahmen von € 2.500,--) sei überdies kein eigener Wohnsitz vor Ort erforderlich.

(5) Im Vorlageantrag bringt der Bf. ergänzend – auszugsweise wörtlich wieder gegeben - vor:

Bewirtungsspesen:

„[Der Bf.] war Gesellschafter der mittlerweile gelöschten Firma M-OEG … und hat dort mit Mitgesellschaftern für Sportevents und andere Veranstaltungen notärztliche Sicherheitskonzepte erstellt, Notarzteinsätze durchgeführt und ärztlich begleitet sowie Repatriierungen von Patienten organisiert. An diese Tätigkeit versucht [der Bf.] mit der „Vorstellung und Kostenschätzung Sicherheitskonzept Skisportgroßereignis H“ anzuknüpfen und hier die Erstellung und Umsetzung eines Sicherheitskonzepts zu verkaufen. Bewirtet wurden bei dem Vortrag über das Sicherheitskonzept die Personen Dr. H. A, Hr. G. B, Hr. H. C, Fr. E. D, Herr H. E (). Die andere Bewirtung betrifft eine Besprechung mit Herrn Prim. Prof. Dr. F betreffend eine offene Stelle im UKH Graz (). Das konkrete angestrebte Rechtsgeschäft ist hier die Aufnahme einer Oberarztstelle im UKH Graz oder einer gleichwertigen Stelle im Bereich der AUVA Landesstelle.“

Doppelte Haushaltsführung:

„(…) Der Steuerpflichtige bemühte sich laufend, eine neue Stelle im steirischen Umfeld zu finden, etwa:
: Besprechung Prim. Dr. E., KH Kalwang (…)
: Besprechung Prim. Dr. F, LKH Villach
: Besprechung Prim. Dr. G, UKH Graz
: Vorstellungsgespräch Primariat LKH Villach
: Hearing LKH Villach
: Besprechung Prof. Dr.
T, Vorstand A.
Es ist aber für den Steuerpflichtigen schwieriger als ursprünglich erwartet, eine leitende Stelle zu bekommen.

Um im Grazer Umfeld vernetzt zu bleiben, ist der Steuerpflichtige als Fachvortragender tätig. Die Vortragshonorare werden im Grazer Umfeld (Anatomisches Institut der Med. Universität Graz) erzielt und übersteigen die geltend gemachten Kosten für doppelte Haushaltsführung deutlich. (…) Die Fachvortragstätigkeit in Graz bedingt aber ein Vor-Ort-Sein in Graz, wozu die Wohnung in Graz notwendig ist. (…)

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten allgemein die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Demgegenüber dürfen bei den einzelnen Einkünften gemäß § 20 Abs. 1 EStG 1988 nicht abgezogen werden:

Z 1: Die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge.

Z 2 lit. a) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Z 3.: Repräsentationsaufwendungen oder Repräsentationsausgaben. Darunter fallen auch Aufwendungen oder Ausgaben anlässlich der Bewirtung von Geschäftsfreunden. Weist der Steuerpflichtige nach, dass die Bewirtung der Werbung dient und die betriebliche oder berufliche Veranlassung weitaus überwiegt, können derartige Aufwendungen oder Ausgaben zur Hälfte abgezogen werden.

1. Bewirtungskosten:

§ 20 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 normiert ein grundsätzliches Abzugsverbot für Repräsentationsaufwendungen. Darunter fallen ua. Aufwendungen, die ganz allgemein dazu dienen, geschäftliche Kontakte aufzunehmen und zu pflegen bzw. bei (künftigen) Geschäftsfreunden eingeführt zu werden, um als möglicher Ansprechpartner bzw. potentieller Auftragnehmer in Betracht gezogen zu werden (zB ).

Bewirtungskosten können allerdings zur Hälfte abgezogen werden, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die Bewirtung der Werbung dient und die berufliche Veranlassung weitaus überwiegt.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss vom Steuerpflichtigen für jede einzelne Aufwendung nachgewiesen werden; eine bloße Glaubhaftmachung reicht nicht aus (zB ; ). Die Beweislast liegt beim Abgabepflichtigen, er hat darzulegen, welches konkrete Rechtsgeschäft ernsthaft angestrebt bzw. tatsächlich abgeschlossen wurde. Nicht ausreichend ist zB die bloße Angabe von Personen und Projekten oder die bloße Vorlage von Restaurantrechnungen (; ).

Unter dem Begriff der Werbung ist im Wesentlichen eine Produkt- oder Leistungsinformation zu verstehen (). Aufwendungen, die im weitesten Sinne bloß der Kontaktpflege, der Herstellung einer gewissen positiven Einstellung zum „Werbenden“ oder der Erlangung des Wohlwollens des Bewirteten dienen, sind als werbeähnlicher Aufwand nicht abzugsfähig (zB ).

Aus der beruflichen Veranlassung einer Besprechung resultiert nicht zwingend auch die berufliche Veranlassung dabei angefallener Bewirtungsspesen. Aufwendungen, die im Bestreben getätigt werden, den dem gesellschaftlichen Status entsprechenden Konventionen nachzukommen, erfüllen nicht den Ausnahmetatbestand ().

Der Bf. bringt vor, die Bewirtungen hätten überwiegend Werbezwecken (für die Auftragsakquisition sowie für sein berufliches Fortkommen) gedient. Das Finanzamt wies sowohl im angefochtenen Bescheid als auch in der Beschwerdevorentscheidung auf die für den Abzug unabdingbar erforderliche Nachweisführung (durch den Pflichtigen) hin.

a) Bewirtung im Rahmen einer Besprechung mit einem Entscheidungsträger (Primar) betreffend eine offene Stelle im UKH Graz:

Die gegenständliche Bewirtung betrifft dem Vorbringen des Bf. zufolge offenbar eine Art Bewerbungsgespräch. Nach Ansicht des BFG liegt hier bestenfalls ein werbeähnlicher Aufwand vor, der jedoch – siehe oben – steuerlich nicht berücksichtigt werden kann. Die Bewirtung diente weniger der „Werbung“ bzw. der Darlegung der beruflichen Qualifikation des Bf., sondern vielmehr der Herstellung einer positiven Einstellung des „Entscheidungsträgers“ zum Bf. Mit der Bewirtung sollte offenkundig das Wohlwollen des genannten Primars und damit eine möglichst bevorzugte Berücksichtigung des Bf. bei Vergabe der (behaupteten) ausgeschriebenen bzw. freien Stelle erlangt werden. Im Vordergrund stand dabei die versuchte Einflussnahme auf den Bewirteten, nicht aber ein „Werbezweck“ im oa. Sinne.

Es ist zudem nicht plausibel, dass die Feststellung der beruflichen Eignung für eine Stelle als Arzt im UKH bei einem gemeinsamen Essen, zu welchem überdies der Stellenbewerber (!) einlädt, erfolgt sein soll. Eine derartige Feststellung wird vielmehr im Wege eines geregelten und objektiv nachvollziehbaren Aufnahmeverfahrens erfolgen. Aber selbst wenn man eine berufliche Veranlassung der Besprechung unterstellen wollte, bleibt die berufliche Veranlassung der dabei angefallenen Bewirtungskosten völlig im Dunkeln.

b) Bewirtung im Zusammenhang mit der Erstellung eines Sicherheitskonzepts Skisportgroßereignis in H:

Der Bf. bringt dazu vor, er sei früher Mitgesellschafter einer mittlerweile gelöschten OEG gewesen, welche notärztliche Sicherheitskonzepte für Sportevents erstellt und Notarzteinsätze sowie ärztliche Begleitung bei sportlichen Veranstaltungen durchgeführt habe. An diese Tätigkeit versuche er nunmehr anzuknüpfen und die Erstellung und Umsetzung eines Sicherheitskonzeptes zu verkaufen. Bewirtet wurden insgesamt 5 Personen.

Der Bf. brachte die strittigen Bewirtungskosten anteilig bei seinen selbständigen und seinen nichtselbständigen Einkünften in Abzug. Diese Vorgangsweise ist für das BFG nicht nachvollziehbar, ist doch ein Zusammenhang mit den diesen Einkünfte zugrunde liegenden Tätigkeiten (Vorträge, Sonderklassegebühren, Oberarzt im LKH) nicht erkennbar.

Der Bf. legt auch nicht hinreichend konkret dar, welche sonstige steuerlich relevante (ausgeübte oder zumindest ernsthaft angestrebte, aber allenfalls nicht verwirklichte) Tätigkeit des Bf. diese Kosten betreffen sollten. Es ist nicht ersichtlich, dass aus dieser – nicht näher beschriebenen – Tätigkeit zwischenzeitig jemals Einnahmen angefallen bzw. erklärt worden wären. Dem vorliegenden Akt des Finanzamtes ist nicht zu entnehmen, dass der Bf. neben den bereits erwähnten Tätigkeiten (Vorträge, Sonderklassegebühren, Oberarzt im LKH) die Aufnahme einer weiteren Betätigung gemeldet hätte.

Wie oben dargelegt, sind die rechtlichen Vorgaben bezüglich der steuerlichen Anerkennung von Bewirtungskosten sehr streng. Das Finanzamt wies in seinen Erledigungen auf die entsprechende Nachweispflicht des Bf. hin. Insgesamt ist das Vorbringen des Bf. jedoch zu allgemein gehalten bzw. ist der geforderte Nachweis nicht gelungen: So geht etwa nicht hervor, welches konkrete „Skisportgroßereignis“ die gegenständliche Bewirtung betroffen haben soll (der Skiweltcup etwa machte in den Jahren 2012 bis 2015 keine Station in H, siehe zB die Chronik auf der Website "weltcup-XXX"). Unklar bleibt auch – abgesehen von den fehlenden Vornamen - , in welchen konkreten Funktionen die fünf „Bewirteten“ an der Besprechung (dem Essen) teilgenommen haben sollen. Da der Bf. von einem „Vortrag über das Sicherheitskonzept“ spricht, wären die näheren Inhalte dieses Vortrages darzulegen und (durch Vorlage entsprechender Vortragsunterlagen) nachzuweisen gewesen. Wenn der Bf. behauptet, den Verkauf der „Erstellung und Umsetzung des Sicherheitskonzeptes“ angestrebt zu haben, wäre ein Nachweis allenfalls auch durch Vorlage eines Vertragsentwurfes über Inhalt und Preis des Konzeptes möglich gewesen.

Den beantragten Bewirtungsspesen war sohin der Abzug zu verwehren.

2. Doppelte Haushaltsführung:

Von einer doppelten Haushaltsführung wird gesprochen, wenn aus beruflichen Gründen zwei Wohnsitze geführt werden, und zwar einer am Familienwohnort (Familienwohnsitz) und einer am Beschäftigungsort (Berufswohnsitz). Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung gelten so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen haben. Entscheidend ist, dass die Begründung eines zweiten Haushaltes beruflich veranlasst ist. Es müssen Umstände vorliegen, die von erheblichem objektiven Gewicht sind (Jakom/Lenneis EStG, 2015, § 16 Rz 56, mwN).

Nach einer gewissen Zeit, die stets im Einzelfall zu beurteilen ist, ist es dem Pflichtigen in aller Regel zumutbar, den Familienwohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen. Dieser Zeitraum hängt insbesondere vom Familienstand ab; Praxis und Judikatur nennen bei einem ledigen Steuerpflichtigen sechs Monate und bei einem verheirateten und/oder in Gemeinschaft mit einem minderjährigen Kind lebenden Steuerpflichtigen zwei Jahre (s. nochmals Jakom/Lenneis, aaO).

Ein Doppelwohnsitz kann etwa dann berufsbedingt sein, wenn der Pflichtige an beiden Wohnsitzen nennenswerte Einkünfte erzielt. Vernachlässigbar sind Einkünfte jedenfalls dann, wenn sie „deutlich unter einem Zehntel“ der anderen Einkünfte liegen (zB ; ).

Der Bf. führt ins Treffen, auf Grund seiner Vortragstätigkeit in Graz sei die Beibehaltung des Wohnsitzes in Graz erforderlich. In Anbetracht der oa. Rechtslage ist dieser Ansicht nicht zu folgen: Die Einnahmen des Bf. aus seinen Vorträgen beliefen sich im Streitjahr auf € 2.500,--. Bringt man davon die anteiligen Betriebsausgaben (rund 13% von € 3.087) in Abzug, verbleiben Einkünfte aus der Vortragstätigkeit von ca. € 2.100,--. Die Einkünfte des Bf. aus nichtselbständiger Arbeit betrugen (nach Abzug der Werbungskosten) laut angefochtenem Bescheid € 66.698,11 (Einnahmen: € 79.985,--). Die Einkünfte aus den Vorträgen belaufen sich sohin gerade einmal auf rund ein Dreißigstel der nichtselbständigen Einkünfte des Bf. (bei dieser Rechnung sind die übrigen selbständigen Einkünfte des Bf. aus Sonderklassehonoraren iHv. € 16.500,--, welche ebenfalls in Steyr anfallen, noch gar nicht berücksichtigt). Bei dieser Relation stellen die aus den Vorträgen resultierenden Einkünfte des Bf. zweifelsohne keine nennenswerten Einkünfte dar, welche eine Aufrechterhaltung von zwei Wohnsitzen rechtfertigen würden.

Der Bf. bringt überdies vor, er habe die Stelle in Steyr bloß zur Überbrückung angenommen; er bemühe sich laufend, eine andere Stelle in Südostösterreich zu bekommen. Er sei davon ausgegangen, dass die Tätigkeit in Steyr maximal vier bis fünf Jahre dauern werde. Mit diesem Vorbringen zeigt der Bf. jedoch nicht auf, aus welchen Gründen die Beibehaltung eines zweiten Wohnsitzes in Graz erforderlich wäre. Selbst wenn der Bf. von Anfang an mit dem Gedanken gespielt haben mag, bei Gelegenheit eine Stelle an einem anderen Ort anzutreten, und es auch schon diesbezügliche Bemühungen gegeben haben sollte, war damit nicht mit der erforderlichen Gewissheit anzunehmen, dass die Tätigkeit in Steyr von vornherein nur vier bis fünf Jahre dauern werde. Die bloße Möglichkeit, in nicht näher bestimmbarer Zeit allenfalls seinen Berufsort zu wechseln bzw. die Bereitschaft zu einem (jederzeitigen) Wechsel der Arbeitsstelle, führen noch nicht dazu, eine Wohnsitzverlegung an den aktuellen Ort der Berufsausübung steuerlich als unzumutbar zu qualifizieren. Die vom Bf. in der Beschwerde angesprochene „Gewissheit“ ist nicht gegeben; hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bf. innerhalb eines absehbaren (oder zumindest näher bestimmbaren) Zeitraumes eine Stelle in (oder nahe) Graz erhalten und annehmen werde, lagen nicht vor. Spätestens mit Erlangung des unbefristeten Dienstverhältnisses in Steyr im Jahr 2011 lag es vielmehr nahe, dass die Tätigkeit in Steyr nicht bloß von vorübergehender Dauer sein werde. Selbst wenn man bei Dienstantritt im März 2010 auf Grund des zunächst befristeten Dienstverhältnisses eine vorübergehende Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung unterstellen wollte, wäre es dem Bf. angesichts der vorstehenden Rechtsausführungen spätestens im Streitjahr jedenfalls zumutbar gewesen, seinen Wohnsitz an den Berufsort (oder in dessen Nähe) zu verlegen.

Der Bf. ist im Übrigen heute noch – nach mehr als sechs Jahren – im Krankenhaus in Steyr beschäftigt. Dazu kommt, dass der Bf. bereits seit – sohin 2 Jahre vor Beginn seiner Tätigkeit in Steyr – mit Nebenwohnsitz an seiner aktuellen Adresse in X gemeldet ist. Die Begründung des Wohnsitzes in Oberösterreich (im 2000/2001 an den Bf. übereigneten Haus) ist daher völlig unabhängig vom Dienstantritt in Steyr erfolgt. Dass er in Graz seinen Familienwohnsitz habe, wird vom Bf. im Übrigen nicht behauptet und ergibt sich dies auch nicht aus der Aktenlage.

Für das BFG ist zudem nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen ein zweiter Wohnsitz (ausgerechnet) in Graz zweckmäßig oder gar erforderlich sein soll, wenn der Bf. im Vorlageantrag auf seine Bewerbungen in Kalwang bzw. Villach (!) verweist.

Aus den dargelegten Gründen ist es daher in steuerlicher Hinsicht für den Bf. nicht als unzumutbar anzusehen, seinen Wohnsitz an den Ort der Berufsausübung (oder in eine übliche Entfernung zu diesem) zu verlegen. Die Beibehaltung zweier Wohnsitze – aus welchen Gründen immer – ist nicht als beruflich veranlasst zu beurteilen. Die geltend gemachten Kosten sind als Kosten des Haushaltes bzw. der Lebensführung nicht abzugsfähig (§ 20 Abs. 1 EStG).

Im Übrigen ist auch das Vorbringen des Bf., die Vortragshonorare iHv. € 2.500,-- würden die geltend gemachten Kosten „deutlich“ übersteigen, nicht richtig: An Kosten der doppelten Haushaltsführung wurden in der Abgabenerklärung zunächst € 2.171,54 geltend gemacht. In seiner Beschwerde beantragt der Bf. jedoch zusätzlich die Berücksichtigung einer „Abschreibungstangente“ von jährlich € 1.125,--. Den Vortragseinnahmen (vor Abzug von Betriebsausgaben) stehen sohin Kosten der Haushaltsführung iHv. rund € 3.300,-- gegenüber.

Da sich das BFG im Erkenntnisfall auf die zitierten VwGH-Entscheidungen stützen konnte, liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor. Die Revision war daher spruchgemäß nicht zuzulassen.

Graz, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Bewerbungsgespräch
Stellenbewerbung
Nennenswerte Einkünfte
Oberarzt
Repräsentation
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.2100568.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at