Verstoß gegen den Grundsatz "ne bis in idem"
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. über die als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigenden Berufungen der P-GmbH, Adr, vertreten durch V., Rechtsanwalt, Adr1, gegen die Bescheide des Zollamtes Linz Wels vom 3. Dezember 2012, Zlen. ******/*****/3/2011 und ******/*****/4/2011, betreffend Altlastenbeitrag und Säumniszuschlag,
zu Recht erkannt:
1. Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.
2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist unzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom , Zahl ******/*****/2/2011 schrieb das Zollamt der Beschwerdeführerin gemäß § 201 Bundesabgabenordnung für 4.739 Tonnen Abfälle den Altlastenbeitrag für die Anmeldungszeiträume drittes Quartal 2010 bis drittes Quartal 2011 in Höhe von insgesamt € 33.173,00 vor und setzte gleichzeitig einen Säumniszuschlag in Höhe von insgesamt € 663,46 fest. Der selbst zu berechnende Altlastenbeitrag für die zur Verbrennung in die Slowakei verbrachten Abfälle sei nicht spätestens am 15. Tag des auf das Kalendervierteljahr zweitfolgenden Kalendermonates beim zuständigen Zollamt angemeldet und entrichtet worden.
In Erledigung der dagegen erhobenen Berufung erließ das Zollamt mit , Zahl ******/****/2012, eine Berufungsvorentscheidung mit folgendem Spruch:
"Über die Berufung der P-GmbH, ... gegen den Bescheid des Zollamtes Linz Wels vom , Zahl ******/*****/2/2011, ergeht gemäß § 85b Abs. 3 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG, BGBl: 659/1994 in der geltenden Fassung) nachstehende Berufungsvorentscheidung:
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben."
Dies mit der Begründung, dass die Altlastenbeiträge für die angeführten Zeiträume, obwohl das Kalenderjahr überschreitend, entgegen § 201 Abs. 4 BAO mit nur einem Bescheid festgesetzt worden seien.
In der Folge schreib das Zollamt die Altlastenbeiträge für die Anmeldungszeiträume drittes und viertes Quartal 2010 mit Bescheid, Zahl ******/*****/3/2011, und für die Anmeldungszeiträume erstes bis drittes Quartal 2011 mit Bescheid, Zahl ******/*****/4/2011, jeweils vom , neuerlich vor und setzte gleichzeitig jeweils einen Säumniszuschlag fest. Die Abfallmenge wurde im ersten Fall mit nunmehr 809 Tonnen und im zweiten Fall mit 4.147 Tonnen ermittelt und der Berechnung zugrunde gelegt.
Die dagegen mit den Schriftsätzen vom erhobenen Berufungen wurden mit den Berufungsvorentscheidungen vom , Zlen. ******/******/2012 und ******/******/1/2012, als unbegründet abgewiesen.
Dagegen richten sich die vorliegenden als Vorlageanträge zu wertenden Beschwerden nach § 85c ZollR-DG in der Fassung vor der Novelle durch das Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012 - FVwGG 2012, BGBl I Nr. 14/2013, vom . Mit Eingabe vom 22. Jänner 2015 wurde hinsichtlich der vorgeschriebenen Säumniszuschläge in Ergänzung der Beschwerde ein Antrag auf Herabsetzung nach § 217 Abs. 7 BAO gestellt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
In den Beschwerdefällen sind gemäß § 323 Abs. 38 BAO die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängig gewesenen Beschwerden vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
Gemäß § 85f Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) in der Fassung vor der Novelle durch das FVwGG 2012 haben die Zollbehörden den § 2 Abs. 3 und die §§ 85a bis 85e auch dann anzuwenden, wenn sie nicht im Rahmen des Geltungsbereichs des § 2 Abs. 1 und 2 tätig werden.
Auf das Berufungsverfahren betreffend den von den Zollämtern zu erhebenden Altlastenbeitrag waren von der belangten Behörde somit die §§ 85a bis 85e ZollR-DG in der Fassung vor der Novelle durch das FVwGG 2012 anzuwenden.
Nach dessen § 85b Abs. 3 ZollR-DG ist das Zollamt als Berufungsbehörde berechtigt eine angefochtene Entscheidung nach jeder Richtung abzuändern oder aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen. Dies entspricht der Regelung des § 276 Abs. 1 BAO in der Fassung vor der Novelle durch das FVwGG 2012.
Die Entscheidungsbefugnis des Zollamtes umfasst somit die (ersatzlose) Aufhebung des angefochtenen Bescheides, die Abweisung der Berufung und die Abänderung des angefochtenen Bescheides. Eine Aufhebung als Sachentscheidung darf nur erfolgen, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt (vgl. Ritz, BAO4, § 276 Tz 5f, mit Hinweis zur Rechtsprechung).
Es ist daher davon auszugehen, dass die belangte Behörde mit ihrem Bescheid (Berufungsvorentscheidung) vom 29. November 2012, Zahl ******/****/2012 (rechtskräftig) eine Sachentscheidung dahingehend getroffen hat, dass ein Altlastenbeitrag für die gegenständlichen Zeiträume nicht festgesetzt wird.
Erfolgt eine Aufhebung eines Bescheides in der Sache selbst, kommt eine weitere Entscheidung in derselben Sache gegenüber derselben Partei nicht in Betracht (vgl. ).
Durch eine in Rechtskraft erwachsene meritorische Aufhebung eines Bescheides liegt somit "res iudicata" vor, welche eine neuerlichen Bescheiderlassung in derselben Sache aufgrund des Grundsatzes "ne bis in idem", einem Grundprinzip der österreichischen Rechtsordnung, verhindert. Die Sache ist dabei jene Angelegenheit die den Spruch des Bescheides gebildet hat (vgl. )
Im gegenständlichen Fall betraf der Spruch des mittels Berufungsvorentscheidung aufgehobenen Bescheides vom die Festsetzung der Altlastenbeiträge (einschl. Säumniszuschläge) für den Zeitraum drittes Quartal 2010 bis drittes Quartal 2011. Die angefochtenen Bescheide umfassen den gleichen Zeitraum mit identer Bescheidadressatin. Die geringfügig geänderte Bemessungsgrundlage ändert an der Sachidentität nichts.
Das Zollamt hat deshalb gegen das genannte Grundprinzip verstoßen, weshalb die Bescheide als rechtswidrig ersatzlos aufzuheben waren.
Es erübrigt sich daher ein inhaltliches Eingehen auf die Beschwerdeausführungen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Entscheidung folgt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Zoll |
betroffene Normen | § 9 Abs. 2 ALSaG, Altlastensanierungsgesetz, BGBl. Nr. 299/1989 § 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2016:RV.5200039.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at